| Titel: | Ueber die chemische Zusammensezung und die Eigenschaften des Geschüzmetalles. Von R. F. Marchand. | 
| Fundstelle: | Band 74, Jahrgang 1839, Nr. XLIX., S. 212 | 
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                        XLIX.
                        Ueber die chemische Zusammensezung und die
                           Eigenschaften des Geschuͤzmetalles. Von R. F. Marchand.
                        Aus Erdmann's u. Marchand's
                              Journal fuͤr prakt.
                                 Chemie, Bd. XVIII. S. 1. (Beschluß von H. 2, S. 136.)
                        Marchand, uͤber die chemische Zusammensezung und
                           Eigenschaften des Geschuͤzmetalles.
                        
                     
                        
                           Was die Ausführung der Analyse selbst betrifft, so ist dieselbe zwar einem geübten
                              Chemiker sehr leicht, wird aber, ungeachtet ihrer Einfachheit, in einer ungeübten
                              Hand immer fehlerhafte Resultate geben. Die höchst unbedeutend scheinenden
                              Operationen, das Filtriren, Auswaschen, Troknen, Glühen, Wiegen gehen einer geübten
                              Hand leicht von Statten, während sie anderen Personen unmöglich fallen. Es hat ein jeder
                              Chemiker im Beginne seiner Studien sehr häufig Gelegenheit gehabt, sich davon zu
                              überzeugen, und macht diese Erfahrung täglich von Neuem bei Anfängern in seinem
                              Laboratorium. Um daher die Analyse ausführen zu können, auch wenn sie die einfachste
                              ist, muß der Analytiker Uebung haben, und namentlich in derselben geblieben
                              seyn.
                           Wir besizen drei Methoden, welche namentlich in Betracht kommen können, und unter
                              welchen man den Umständen nach zu wählen hat. Die erste, am allgemeinsten befolgte
                              Methode ist die, das Metall in heißer Salpetersäure mit der gehörigen Vorsicht
                              aufzulösen; dabei bildet sich Zinnoxyd, welches als unlösliches weißes Pulver
                              zurükbleibt und aus dem die Menge des in der Legirung befindlichen Zinnes leicht
                              bestimmt werden kann. Es kommt dabei darauf an, wie stark die Salpetersäure sey,
                              welche zu der Analyse angewendet wird. Ist das spec. Gew. derselben geringer als
                              1,114, so erhält man jedesmal ein Doppelsalz von salpetersaurem Ammoniak, welches
                              leicht ein unrichtiges Resultat herbeiführen kann. Ferner ist das Zinnoxyd selbst
                              keineswegs in der concentrirten Salpetersäure vollkommen unauflöslich, weßhalb man
                              diese Flüssigkeit durch Verdampfen vollkommen entfernen muß, ohne jedoch durch die
                              dazu nöthige Wärme etwas von dem salpetersauren Kupferoxyd zu zersezen.
                           Man will, namentlich durch diesen lezteren Umstand, oft einen nicht unbedeutenden
                              Fehler im Zinngehalt bekommen haben, so daß man daraus Veranlassung nahm, diese
                              Methode mit einer anderen zu vertauschen.
                           Der sardinische Generalmajor von Sobrero gab ein Verfahren
                              an, welches er ausführlich in den Mémoires de
                                 l'Académie royale de Turin T. XXXVIII. beschrieb. Da dasselbe sehr
                              genaue Resultate gibt, wenig Schwierigkeiten in der Ausführung darbietet und nur
                              wenig bekannt geworden ist, so soll das Wesentlichste daraus mit einigen von mir
                              angewendeten Veränderungen mitgetheilt werden.
                           Das Kanonenmetall wird in feine Raspelspäne verwandelt, von denen man ein bestimmtes
                              Gewicht (2–3 Grammen) in eine zu einer Kugel ausgeblasene Glasröhre bringt,
                              deren eines Ende man mit einer Chlorcalciumröhre verbindet, an die man einen
                              Chlorentwikelungsapparat anbringt. Das andere Ende der ersten Glasröhre, welche
                              ziemlich lang seyn muß, wird rechtwinklig gebogen und in ein Gefäß mit destillirtem
                              Wasser geleitet.
                           Ist der Apparat vollständig zusammengestellt, so entwikelt man langsam Chlor, welches, sobald es mit der Legirung zusammenkommt, beide
                              Metalle in Chloride verwandelt.
                           Man muß anfangs eine jede Erhizung vermeiden, daher die Kugel, in der sich das Metall
                              befindet, mit feuchtem Fließpapier benezen und dadurch kalt erhalten. Würde man
                              diese Vorsicht versäumen, so würde unfehlbar ein Aufkochen der Chlormetalle
                              eintreten, und das Chlorkupfer würde mechanisch mit fortgerissen werden. Gegen Ende
                              der Operation muß man die Reaction durch gelindes Erwärmen unterstüzen; dabei
                              destillirt das Chlorzinn über und kann leicht in das Wasser getrieben werden, in dem
                              es sich auflöst. Zu diesem sezt man Ammoniak und fügt dann bernsteinsaures Ammoniak
                              hinzu. Der gebildete Niederschlag wird filtrirt, kalt ausgewaschen, und beim Zutritt
                              der Luft geglüht, wodurch er in Zinnoxyd verwandelt wird.
                           Man kann auf diesem Wege fast ganz genau die Menge des in der Legirung enthaltenen
                              Zinns erfahren und durch den Verlust die Menge des Kupfers bestimmen; vorausgesezt,
                              daß man nur mit diesen beiden Metallen zu thun hat. Finden sich noch andere Metalle,
                              Antimon, Blei, Zink u.s.w. darin, so wird das Verfahren ein wenig complicirter.
                           Meist bleibt indessen etwas Chlorzinn bei dem Chlorkupfer zurük, und man ist, um eine
                              vollständige Genauigkeit zu erlangen, genöthigt, den Rükstand an Chlorkupfer und dem
                              wenigen Chlorzinn in verdünnter Salpetersäure zu lösen, zur Trokne zu verdampfen,
                              und diese Operation so oft zu wiederholen, bis alle Chlorwasserstoffsäure
                              ausgetrieben ist.
                           Das salpetersaure Kupferoxyd wird abfiltrirt von dem wenigen Zinnoxyd und durch kohlensaures Kali oder Natron gefällt, indem man die
                              Auflösung derselben tropfenweise zusezt, um keinen Ueberschuß davon zu erhalten. Das
                              kohlensaure Kupferoxyd ist sehr leicht auszuwaschen und leicht in Kupferoxyd zu
                              verwandeln.
                           Das Verfahren ist ziemlich einfach, leicht auszuführen und erfordert, da man weniger
                              Zeit auf das Auswaschen zu verwenden hat, keine so lange Dauer wie das andere.Hr. v. Sobrero wurde dadurch veranlaßt, dieses
                                    analytische Verfahren anzuwenden, weil er bei Behandlung des Kanonenmetalls
                                    mit Salpetersäure nie ein gelbes, sondern stets ein gelblichgrünes
                                    Zinnoxydhydrat erhielt, welches eine nicht unbedeutende Menge Kupferoxyd
                                    chemisch gebunden enthielt. Da jedoch bei geeigneter Manipulation der von
                                    Hrn. v. Sobrero angegebene Umstand niemals
                                    eintritt, wie dieses die Erfahrung zahlreichen Analytikern zum Ueberfluß
                                    bewiesen hat, so ist kein Grund einzusehen, warum man das höchst einfache
                                    und allgemein übliche Verfahren, das Kanonenmetall mit Salpetersäure zu
                                    analysiren, mit Sobrero's Methode vertauschen
                                    sollte. A. d. R.
                              
                           Das dritte Verfahren, welches die quantitative
                              Löthrohrprobe ist, die Plattner anwendet, besteht
                              namentlich in Folgendem: Man bereitet sich ein Glas aus 100 Th. Soda, 50 Th.
                              Boraxglas und 30 Th. Kieselerde; schmilzt von diesem 60 Milligrammen auf einer Kohle
                              zu einer Kugel, legt
                              neben diese eine abgewogene Menge der Legirung (40–50 Milligr.) und bringt
                              hierauf beide durch die Reductionsflamme zum Schmelzen, so daß das Metall in eine
                              rotirende Bewegung geräth. Man leitet sodann die Flamme, welche man in eine mehr
                              oxydirende umwandelt, nun auf das Glas, jedoch so, daß es vor dem Zutritt der Luft
                              geschüzt wird. Das Metall oxydirt sich, und das dabei gebildete Zinnoxyd löst sich
                              im Glase auf. Ist dieses Glas gesättigt, bilden sich in dem emailähnlichen Glase
                              Blasen, so hebt man mit einer Pincette das Metall aus dem noch fließenden Glase
                              heraus und verfährt von Neuem auf die angegebene Weise. Nimmt das Korn die Farbe des
                              schmelzenden Kupfers an, so behandelt man es mit mäßig starker Reductionsflamme.
                              Sodann untersucht man das erstarrte Metall hinsichtlich der Farbe und der
                              Dehnbarkeit. Bekommt es durch den Hammer bei 3–4maliger Vergrößerung seines
                              Durchmessers durch Ausglätten keine Riffe, so kann man es als reines Kupfer
                              betrachten und wiegen. Erhält es hingegen Riffe, so wird die Operation noch einmal
                              mit 20–30 Milligrammen des Glases wiederholt.
                           Hat man nicht mit der gehörigen Vorsicht gearbeitet, so kann sich leicht etwas Kupfer
                              mit oxydirt haben; dieß bemerkt man an der braunen Farbe des Glases. Durch die
                              Anwendung der Reductionsflamme kann man das Kupfer metallisch wieder ausscheiden.
                              Das Genauere hierüber siehe in Plattner's Probirkunst, S.
                              223.
                           Durch eine dieser drei Methoden, namentlich die erste, kann man sehr leicht mit der
                              höchsten Genauigkeit die Zusammensezung einer Probe
                              eines Geschüzes ermitteln. Ist dieses aber die Zusammensezung des ganzen Geschüzes?
                              Hätten wir gar keine Erfahrungen durch die Analyse selbst darüber gesammelt, so
                              würden wir schon von Vorne herein diese Frage verneinend beantworten können. Wir
                              können dieses um so mehr, da unzählige Versuche es erwiesen haben, wie die
                              Zusammensezung eines Geschüzrohres in den verschiedenen Theilen desselben
                              verschieden ist.
                           Es ist ganz allgemein bekannt, daß das Bodenstük eines Geschüzes zinnreicher ist als
                              der Kopf, und zwar um sehr beträchtliche Differenzen. Ebenso schwankt der Zinngehalt
                              zwischen der äußern und der innern Schichte, so daß in der Mitte der noch
                              unausgebohrten Seele eines aus dem vollen gegossenen Geschüzes sich ein ganz anderer
                              Zinngehalt findet als auf der Oberfläche des abgedrehten Rohrs, während der
                              Zinngehalt in der abgedrehten Fläche minder steigt. Daraus ergibt sich nun die
                              praktische Schwierigkeit über die Wahl des Orts, von dem man die zu analysirende
                              Probe zu entnehmen habe.
                           
                           Wenn man annehmen dürfte, der Zinngehalt des Rohrs steige von Oben nach Unten, von
                              Außen nach Innen, abgesehen von der äußern Schichte, welche unmittelbar die Form
                              berührte, in einer mathematischen Progression, so könnte man aus 3–4 Analysen
                              einen Schluß auf die Zusammensezung des Ganzen machen. Es ist durch die bisherigen
                              Analysen noch nicht erwiesen, daß dem so sey, und es ist nicht zu läugnen, daß ein
                              solches Verhalten auch wenig Wahrscheinlichkeit habe. Die schnellere oder langsamere
                              Abkühlung, die Art der Form, der Temperaturgrad, welchen das Metall im Augenblike
                              des Gusses besizt, endlich die Zusammensezung des Metalls selbst muß von dem größten
                              Einflusse seyn. A priori läßt sich äußerst wenig darüber
                              sagen; die Erfahrung, welche allein entscheiden kann, ist noch so mangelhaft, daß
                              ein anhaltendes Studium erfordert wird, um nur einigermaßen über diesen höchst
                              wichtigen Punkt ins Klare zu kommen. Bei dem ersten Anblike kommen wir auf
                              scheinbare Widersprüche, auf welche gewiß Niemand Verfallen seyn würde, ohne eine
                              praktische Erfahrung in diesem Punkte zu besizen.
                           Wir sehen den Zinngehalt zugleich an den Orten steigen, welche am schnellsten und
                              langsamsten abgekühlt werden.
                           Wir wollen annehmen, die Legirung enthielte 10 Proc. Zinn, so wird sie, wenn sie gut
                              gemischt aus dem Ofen ausfließt, in dem Augenblike, wo sie die Form ausfüllt, noch
                              das Zinn gleichmäßig vertheilt enthalten. An den Wänden der Form erkaltet
                              natürlicher Weise die Legirung zuerst, daher denn die äußere Schicht durchgängig
                              eine ziemlich constante Zusammensezung zeigt, gleichgültig, ob man die Probe von
                              Oben, ob von Unten entnimmt; und diese Zusammensezung wird zugleich ziemlich
                              constant 10 Proc. Zinn zeigen.
                           Während nun an der Oberfläche sich diese Schicht absezt, so ist die innere Masse noch
                              flüssig und während ihrer Erstarrung sehr verschiedenen physikalischen Einflüssen
                              ausgesezt, unter denen die Schwere und das Krystallisationsbestreben am mächtigsten
                              hervortreten. Die zinnreiche Legirung ist schwerer als das Medium, in dem sie sich
                              aufgelöst findet, daher sie das Bestreben hat, sich in demselben zu Boden zu senken.
                              Die unmittelbare Folge davon ist, daß man im langen Felde
                              weniger Zinn findet als im Zapfenstük, in diesem weniger
                              als in dem Bodenstük. (In einer spätem Abhandlung werde
                              ich auf den Grund dieser Erscheinung weitläufiger zurükkommen.)
                           Die Zähigkeit der Flüssigkeit gestattet nur eine langsame Aussonderung. Während nun
                              die schwere Legirung sehr allmählich herabsinkt, erstarrt sie auch allmählich von
                              Außen her. Je mehr nun nach Außen hin die Legirung erstarrt, ein desto größeres
                              Hinderniß wird der
                              schweren Mischung beim Herabsinken entgegengesezt, und sie wird in die Mitte des
                              Rohrs hineingedrängt. Dieses Nachinnendringen der zinnreichen Legirung kann aber
                              noch nicht eine so bedeutende Differenz erklären, wie man sie in der That findet,
                              sondern es muß nothwendiger Weise noch ein anderer Umstand darauf Einfluß haben, und
                              dieser ist, daß das Kupfer, wie die meisten Auflösungsmittel, in der Wärme mehr von
                              der Legirung aufzulösen vermag als in der Kälte. Da nun die Abkühlung von Außen nach
                              Innen geht, so erstarrt dieses zinnärmere Kupfer, während die Legirung nach Innen
                              zurüktritt, und dieses um so leichter, da dieselbe leicht flüssiger ist als das
                              Kupfer, also noch flüssig bleibt und sich ausscheiden kann, während dieses erstarrt.
                              Wenn man daher von der obersten Fläche des verlorenen
                                 Kopfes einen Durchschnitt untersuchte, so würde man dort eine ziemlich
                              gleichförmige Zusammensezung finden. Würde man mit diesem Durchschnitte fortfahren,
                              so fände man, abgesehen von der äußersten Schale, erstens die Durchschnitte im
                              Ganzen zinnreicher werdend, und namentlich wieder in jeder einzelnen Scheibe, die
                              Mitte immer zinnhaltiger. Diese beiden Progressionen nehmen immer mehr und mehr zu,
                              so daß man in der Mittellinie der nicht ausgebohrten Seele, ziemlich am Boden des
                              Geschüzes, die zinnreichste Stelle finden wird. Wäre, wie gesagt, diese Progression
                              eine mathematische, fänden keine anderen störenden Einflüsse Statt, so würden
                              3–4 Analysen hinreichen, die Zusammensezung des ganzen Rohrs bestimmen zu
                              können. Dieß ist aber durchaus nicht der Fall.
                           Um nur ein Moment anzuführen, brauchen wir nur den Flüssigkeitsgrad des Metalls zu
                              erwähnen. Je flüssiger und je heißer dasselbe ist, desto mehr hat das Metall Zeit,
                              sich auf die angegebene Weist auszuscheiden. Es wird also bei einem sehr heiß
                              gegossenen Rohr ein ganz anderes Verhältniß eintreten als bei einem kälter
                              gegossenen Rohre. Wenn man daraus schließen zu müssen glaubte, es wäre vortheilhaft,
                              so kalt als möglich zu gießen, da man natürlich wünschen muß, eine so gleichmäßige
                              Legirung wie möglich zu erhalten, so würde man sich von einem sehr einseitigen
                              Gesichtspunkte leiten lassen und durch diese Maßregel ohne Zweifel den
                              entgegengesezten Zwek erreichen als den gewünschten. Aus dem Gesagten geht hervor,
                              daß eine Untersuchung der einzelnen Theile des Rohrs nur sehr bedingte Schlüsse auf
                              die Zusammensezung des ganzen Geschüzes gestattet, um so mehr, wenn die Untersuchung
                              bei einer schon fertigen Kanone angestellt werden soll.
                              Die Stüke, welche man zur Untersuchung verwenden kann, rühren natürlicherweise nur
                              von der Außenseite her, von dem Kopfe, dem Zapfen und Delphinen, der Traube u.s.w. Aus der Seele
                              kann man begreiflicherweise nichts entnehmen. Dazu kommt, daß Zapfen und Delphine
                              gerade gewöhnlich eine ganz besondere Zusammensezung zeigen, daher aus einer solchen
                              Untersuchung nur ein sehr bedingter Schluß gezogen werden kann.
                           Wir haben im Vorstehenden immer angenommen, daß die Zusammensezung des Rohrs
                              wenigstens an einer und derselben Stelle auch völlig gleich sey; daß dieß aber
                              keineswegs der Fall ist, weiß eine jede Person, die mit einiger Aufmerksamkeit ein
                              bronzenes Geschüz betrachtet hat. Es zeigen sich in der gelblich-rothen
                              Metallmasse unzählige kleine weiße Fleken, welche von der weißen Farbe der
                              eigentlichen Legirung, der chemischen Verbindung zwischen Kupfer und Zinn herrühren.
                              Auf der Oberfläche sind dieselben meist nicht sehr bedeutend, da dort, wie oben
                              gezeigt ist, nur weniger von der Legirung erstarrt. Je mehr man sich der Seele und
                              dem Mittelpunkte derselben nähert, desto mehr nehmen diese Fleken, Zinnfleke, zu. Bei gut gegossenen Geschüzen sind sie
                              klein und oft mit unbewaffneten Augen schwer zu entdeken. Eine gute Loupe zeigt sie
                              leicht überall. Schlecht gegossene Geschüze zeigen sie in hohem Grade und oft zu
                              vollkommenen Nestern ausgebildet.
                           Bei der Untersuchung eines solchen mit vielen großen Zinnfleken behafteten
                              Geschüzrohrs ist man in der größten Verlegenheit, welche Stelle man auswählen soll,
                              um ein nur einigermaßen annäherndes Resultat zu erhalten. Die Menge der Substanz,
                              welche man einer Analyse unterwerfen will, läßt man, namentlich bei
                              Kupferverbindungen, nur ungern 2–3 Grammen übersteigen, da einem schon hiebei
                              wegen der großen Menge Kupferoxyds die Ausführung der Analyse beschwerlich wird. Man
                              kann nun aus einer zinnflekenreichen Probe sehr leicht Stellen entnehmen, welche 4
                              Proc. Zinn, und solche, welche mehr als 20–24 Proc. enthalten. Wenn man nun
                              auch suchen wollte, eine Stelle auszusenden, welche dem äußern
                                 Ansehen nach eine mittlere Zusammensezung hat, so sieht man leicht, daß
                              dieß ein sehr unvollkommenes Verfahren seyn würde. So könnte es denn leicht kommen,
                              daß, während das Rohr im Durchschnitt oben 7 Proc. Zinn enthielt, unten aber 9 oder
                              19, man oben vielleicht durch eine einzelne Analyse 10–12 Proc., unten nur
                              5–6 Proc. Zinn fände.
                           Bei der Frage, wie ein möglichst genaues Resultat zu erhalten sey, welches in der
                              That die Zusammensezung des ganzen Rohrs angäbe, haben wir namentlich drei Fälle zu
                              unterscheiden: 1) Untersuchung eines guten, fertigen Rohrs, welches nicht wesentlich
                              verlezt werden darf, 2) eines schlechten (oder guten) Rohrs, welches zerstört werden darf, oder schon
                              gesprungen ist, 3) eines eben gegossenen und noch nicht fertigen Rohrs.
                           Diese drei Fälle bieten in der Ausführung der Untersuchung selbst natürlich keine
                              Verschiedenheiten dar, wohl aber in der Wahl der Proben.
                           
                        
                           1) Untersuchung eines guten, fertigen
                                 Rohrs.
                           Die Metalltheile, welche man von demselben abnehmen kann, können natürlich nur an der
                              Oberfläche des Rohrs sich befinden, und es werden namentlich Hervorragungen seyn;
                              also die Ringe am Kopf, dem Zapfen und Bodenstüke, von denen man ein wenig abdrehen
                              kann; ferner die Zapfen, die Delphine und die Traube. Diese Untersuchung würde nun
                              in der That nur eine sehr oberflächliche seyn, und wir würden gewiß nicht das richtige Verhältniß der Bestandtheile des ganzen Rohrs
                              dadurch auffinden, während die qualitative Analyse hier ihre Dienste ganz vollkommen
                              leisten würde.
                           Um sich einigermaßen der Wahrheit zu nähern, müßte man sich von der Endfläche des
                              Kopfes einen dünnen Abschnitt verschassen, oder wenigstens einen kleinen Ausschnitt
                              der Seele, rings um die Mündung, und endlich, wenn es irgend möglich ist, die
                              Oeffnung, welche durch den Zündlochstollen ausgefüllt wird, erweitern lassen, daß
                              man dort gleichsam einen Durchschnitt durch das ganze Rohr erhält. Dieß würben die
                              einzigen Punkte seyn, welche, ohne das Rohr zu verlezen, Material zu einer
                              Untersuchung hergeben könnten. Hat man nun genug Material erhalten, so theilt man
                              dasselbe in verschiedene Partien. Von jeder Stelle wird eine besondere Analyse
                              gemacht, und das Mittel aus denselben gibt so annähernd, als es möglich ist, das
                              allgemeine Resultat. Als Controle werden von allen Stellen möglichst gleiche
                              Quantitäten abgewogen und diese in einem sehr gut
                                 verschlossenen Tiegel bei nicht zu starker Hize zusammengeschmolzen. Von
                              diesem Stüke wird eine Probe, 2–3 Grammen, entnommen und damit die Analyse
                              wiederholt. Hat man namentlich bei dem Zusammenschmelzen die gehörige Vorsicht
                              angewendet, so ist das leztere Resultat immer als das richtigere zu betrachten.
                           Bei guten Geschüzen wird man selten so bedeutende Zinnfleke finden, daß man dadurch
                              ein fehlerhaftes Resultat erhalten könnte. Sollte dieß indessen doch der Fall seyn,
                              so darf die leztere Untersuchung nur allein angestellt werden, und die erstere ist
                              dann ganz werthlos.
                           
                        
                           
                           2) Untersuchung eines Geschüzes, das
                                 zerstört werden darf.
                           Wegen der Wahl der Proben können hier keine Schwierigkeiten wie in dem oben erwähnten
                              Falle erhoben werden. Es kommt nur darauf an, die Stellen gehörig auszuwählen, von
                              denen man die Metallstüke entnimmt. Diese werden dieselben wie die oben angegebenen
                              von der äußern Fläche u.s.w. seyn, und außerdem an den entsprechenden Stellen an der
                              Seele, aus den Stüken zwischen der äußern und innern Seite, und endlich noch, wo
                              möglich, ein Stük aus dem Boden selbst.
                           Wollte man eine jede einzelne dieser Proben für sich der Untersuchung unterwerfen, so
                              würde man erstens sehr viele Analysen anstellen müssen, und zweitens dennoch ein
                              ganz unbrauchbares Resultat erhalten. Man theile daher die Probe von einem jeden
                              Orte in drei Theile, schmelze nun diese Drittel vorsichtig zusammen, so daß man drei
                              Metallstüke hat, welche die Zusammensezung des Rohrs ziemlich genau repräsentiren
                              werden. Von diesen unterwerfe man eine angemessene Quantität der Analyse, so daß man
                              drei Analysen von einem solchen Rohre besizt, aus denen man am besten das Mittel
                              zieht.
                           
                        
                           3) Untersuchung eines eben gegossenen
                                 und noch nicht fertigen Rohrs.
                           Wenn uns auch die Umstände bei einem Rohre, welches eben gegossen ist, oder noch
                              besser, eben gegossen wird, nicht so zu begünstigen scheinen, wie in dem eben
                              angeführten Falle, so stellen sich die Bedingungen gewissermaßen doch noch
                              vortheilhafter. Man kann nämlich während des Gießens selbst kleine Probebarren
                              entnehmen lassen, und zwar am besten drei zu Anfang, in der Mitte und am Ende des
                              Gusses eines jeden Geschüzes. Bekanntlich soll das Metall zu Ende des Gusses, und
                              namentlich wenn viele Geschüze hintereinander gegossen werden, zinnreicher werden,
                              was von Andern bestritten wird. Es kommt hiebei ohne Zweifel auf die Construction
                              des Ofens an. Diese Barren kann man zu gleicher Zeit benuzen, um die Metalle
                              mechanisch zu untersuchen, obwohl, wie erwähnt, die Art und Weise der Abkühlung,
                              welche hier natürlich anders seyn muß als im Geschüze selbst, sehr bedeutenden
                              Einfluß auf das mechanische Verhalten haben.
                           Außerdem kann man nun Metallproben vom verlorenen Kopfe, von der äußersten Rinde, der
                              tiefer liegenden, der Mittellinie der Seele, der Gränze der Seele, alle in der
                              ganzen Länge des Rohrs entnehmen; dann aus der Ausbohrung des Zündlochs, von der
                              Traube, den Zapfen und
                              den Handhaben. Will man die Untersuchung mit der höchsten Genauigkeit machen, so
                              analysirt man jede einzelne Probe und schmilzt sie dann in angegebener Weise
                              zusammen. Sind Zinnfleke von Bedeutung vorhanden, so nimmt man von jedem einzelnen
                              Ort eine möglichst große Probe und schmilzt jede einzeln für sich um.
                           Auf diese Weise würde man erstens fast mit absoluter Gewißheit die Zusammensezung des
                              Metalls während des Gusses, zweitens die des Rohrs selbst, und drittens endlich
                              einer jeden Stelle des Geschüzes erfahren. Welche Wichtigkeit dieß für die
                              wissenschaftliche Behandlung dieses Stoffs haben muß, leuchtet von selbst ein.
                           Zu gleicher Zeit könnte man hieraus, namentlich aus der Untersuchung der Probebarren,
                              genauere Kenntniß von der Veränderung des quantitativen Verhältnisses der Metalle
                              während des Schmelzens erfahren. Man müßte natürlich die Menge des angewandten
                              Kupfers und Zinns ganz genau kennen. Dieß würde man nur, wenn aus neuem Metall
                              gegossen wird; oder wenn dieß nicht geschieht und alte Geschüze angewandt werden,
                              wenn diese auf die eben angegebene Art sorgfältig untersucht werden und genau die
                              Menge des neu hinzugesezten Metalls bemerkt wird. Man darf indessen nicht glauben,
                              die Untersuchung der Probebarren genüge für den Zwek allein und aus ihr lerne man
                              die Composition des Rohrs kennen; im Gegentheil ist die Analyse derselben durchaus
                              nicht der Ausdruk der Zusammensezung des Rohrs, wenn es gebohrt ist, da man bei dem
                              Ausbohren der Seele eine sehr zinnreiche Masse entfernt, während weniger zinnreiches
                              Metall in der Umgebung der Seele zurükbleibt. Indessen lernt man immer die
                              Zusammensezung der Metallmasse kennen, aus der sich nachher das eigentliche Rohr so
                              zu sagen abscheidet. Hätten wir es nun in unserer Gewalt, diese Abscheidung nach
                              unserer Willkür geschehen zu lassen, so wäre damit ein großer Schritt zur
                              Vervollkommnung des Gusses geschehen; die Untersuchung wird indessen ergeben, daß
                              bei völlig gleich zusammengesezten Probebarren die Composition des Rohrs dennoch,
                              namentlich nach den verschiedenen Gegenden desselben, wechselt.
                           Da der Gießer selbst nicht immer die Zeit oder auch die Kenntnisse besizen wird,
                              diese Analysen mit der gehörigen Sorgfalt auszuführen, so wäre es besser, dieselben
                              einem Chemiker von Profession zu übergeben.
                           Aus dem bisher Angeführten ergibt sich, unter welchen Bedingungen es möglich ist,
                              durch die chemische Analyse ganz genau die Zusammensezung eines Rohrs zu erfahren;
                              wir kommen nun zu der anderen Frage, ob es nothwendig sey, daß das Kanonengut eine
                              bestimmte Zusammensezung habe? Wenn wir die Erfahrungen zu Rathe ziehen wollen, die bisher
                              darüber gemacht worden sind und welche allein entscheiden können, so finden wir, wie
                              oben schon angedeutet wurde, daß man sich durchaus nicht für ein constantes
                              Verhältniß zwischen Kupfer und Zinn entschieden habe. Wenn man auch allgemein
                              ungefähr 9–10 Theile Zinn auf 100 Th. Kupfer als eine sehr gute Mischung
                              angibt, so haben wir doch unendlich viele Geschüze als gut kennen gelernt, welche
                              sowohl mehr als weniger Zinn enthielten.
                           Wir haben schon erwähnt, wie weit diese Abweichungen nach beiden Seiten hin bis zu
                              dem äußersten Extreme ausgedehnt wurden, wie die sächsische Artillerie einmal 5
                              Proc., die Turiner 20 Proc. Zinn angewendet habe.
                           Dergleichen Verhältnisse sind in jedem Falle übertrieben, und wir müssen aus Allem,
                              was bekannt geworden, schließen, daß, wenn auch 11–12 Proc. nicht die
                              nothwendige Menge des Zinns sey, doch diese sich nicht weit davon entferne,
                              namentlich nicht viel höher steigen dürfe. Wir finden in den Poitevin-Berenger'schen Versuchen Geschüze, welche 8 Th., 8,3 Th.,
                              9,3 Th., 11 Th. Zinn auf 100 Th. Kupfer haben, und 3000 Schüsse und mehr aushielten;
                              andere Geschüze mit 7 Th. und 12–15 Th. Zinn haben gleichfalls lange gehalten
                              und viele Schüsse ertragen. Wir würden auf diesen Punkt noch weiter eingehen zu
                              müssen glauben, wenn wir nicht die Ueberzeugung gewonnen hätten, daß man in den
                              wenigsten Fällen die Zusammensezung des Geschüzes wirklich richtig gekannt hat, also
                              die ganze Grundlage zu den Schlüssen, welche man daraus ziehen könnte, schwankend,
                              ja fehlerhaft ist.
                           Wie schwierig es ist, die Zusammensezung richtig kennen zu lernen, ist bei der
                              Darstellung der Ausführung der chemischen Analyse gezeigt worden, und dieselbe ist
                              gewiß selten auf diese Weise, der wir allein Zutrauen schenken dürfen, ausgeführt
                              worden. Nur wenn aus neuem Metall gegossen ist, kann man die Zusammensezung
                              annähernd gekannt haben, nicht wenn aus altem, da dazu schon eine so sorgfältige
                              Untersuchung des alten Rohrs erfordert werden würde. Die Ungewißheit über den
                              Abbrand findet in beiden Fällen in gleichem Maaße Statt, und sezt uns neue
                              Hindernisse entgegen.
                           Daraus dürfen wir denn aber auch mit ziemlicher Gewißheit schließen, daß die
                              Zusammensezung des Rohrs, sobald sie nur innerhalb gewisser Gränzen bleibt, von
                              durchaus keiner großen Wichtigkeit ist, um so mehr, wenn wir das Verfahren vieler
                              Gießer betrachten.
                           Ein sehr berühmter, vor Kurzem verstorbener Gießer, aus dessen Werkstätte eine sehr
                              große Anzahl äußerst vorzüglicher Rohre, und nur sehr wenige schlechte
                              hervorgegangen sind, hat niemals das Metall, welches er umgeschmolzen hat, analysirt, und niemals die
                              Menge des hinzuzusezenden Zinns abgewogen. Dem äußern Anblike des Metalls folgend,
                              sowohl des zerbrochenen alten Rohrs als des im Ofen fließenden, richtete er sein
                              Gußverfahren ein, und, wie gesagt, meist zur allgemeinen Zufriedenheit. Wenn es
                              darauf ankäme, ob im Metall 9 oder 10 Proc. Zinn enthalten seyn müßten, so würde
                              doch ein solcher Gießer gewiß meist schlechte Rohre liefern. Die Erfahrung spricht
                              dagegen. Wenn Einige daraus schließen wollen, man könne
                              der Legirung schon mit Sicherheit den Zinngehalt ansehen, so sind sie in der größten
                              Täuschung begriffen. Bei der Bronze sind die Farbeverschiedenheiten, welche
                              veränderte Zinngehalte darin hervorbringen, noch nicht so genau studirt. Durch Karsten kennen wir sie bei dem Messing sehr vollkommen.
                              Eine kupferreiche Legirung hat wider alles Erwarten ein viel weißeres Ansehen als
                              eine zinkreichere, und ähnliche Erscheinungen finden sicher auch bei der Bronze
                              Statt. Wir können daraus, daß der äußere Anblik zur Beurtheilung des Zinngehalts
                              hinreicht, nur schließen, daß es auf die genaue Bestimmung desselben gar nicht
                              ankommt, sondern es vielmehr genügt, denselben gewisse Gränzen nicht überschreiten
                              zu lassen, woraus denn ganz nothwendig folgt, daß eine ganz
                                 bestimmte chemische Zusammensezung durchaus nicht erforderlich ist.
                           Von viel größerer Wichtigkeit als die chemische Zusammensezung des Metalls ist daher
                              ohne Zweifel das Verfahren bei dem Gusse selbst; ein Punkt, auf den ich in der
                              nächsten Abhandlung über diesen Gegenstand zurükkommen werde.
                           Dennoch ist indessen die Bestimmung und Untersuchung der Zusammensezung des
                              Kanonenmetalls nicht zu vernachlässigen. Es ist gezeigt worden, wie wichtig die qualitative Untersuchung eines jeden Materials ist,
                              ferner, auf welche Weise die quantitative Untersuchung am
                              leichtesten und vortheilhaftesten ausgeführt werden kann, und welchen Werth wir ihr
                              unseren bisherigen Erfahrungen zufolge zuschreiben dürfen. Um dieselben zu
                              vermehren, würde es nöthig seyn:
                           1) beim Gusse neuer Geschüze aus alten diese genau zu prüfen und die Menge des neu
                              hinzugesezten Metalls genau zu bestimmen, woraus man die Zusammensezung und die
                              Menge des Metalls im Ofen kennen lernen würde;
                           2) die Probebarren während der verschiedenen Stadien des Gusses zu gießen, genau zu
                              analysiren, und ihre Zusammensezung mit der des im Ofen befindlichen Metalls zu
                              vergleichen, woraus sich dann das proportionale Verhältniß des Abbrands ergeben
                              würde, dessen absolute Menge man zu gleicher Zeit kennen lernen kann;
                           
                           3) das neu gegossene Geschüz in angegebener Art zu untersuchen, um den Wechsel des
                              Zinngehalts den verschiedenen Gegenden nach u.s.w. mit Sicherheit kennen zu
                              lernen;
                           4) sowohl gute als schlechte, unbrauchbar gewordene Geschüze so sorgfältig als
                              möglich zu analysiren;
                           5) namentlich dort, wo die Analyse nicht sogleich ausgeführt werden kann,
                              Probesammlungen der Materialien in dem ausgedehntesten Maaßstabe anzulegen; also
                              Stüken von dem neu hinzugesezten Metall aufzubewahren, ferner von den oben
                              angegebenen Orten der alten umgeschmolzenen, drittens Probebarren, und endlich Späne
                              von den neuen gegossenen Geschüzen, wie es erwähnt ist, zu sammeln;
                           6) endlich ein genaues Protokoll über den Gang des Ofens zu führen und mit allen
                              diesen Erfahrungen die Haltbarkeit der aus dem Ofen hervorgegangenen Geschüze zu
                              prüfen.