| Titel: | Ueber die Theorie der Bleiweißbildung und ein neues Verfahren amorphes Bleiweiß aus Bleiglätte zu fabriciren; von Hrn. Benson. | 
| Fundstelle: | Band 74, Jahrgang 1839, Nr. L., S. 223 | 
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                        L.
                        Ueber die Theorie der Bleiweißbildung und ein
                           neues Verfahren amorphes Bleiweiß aus Bleiglaͤtte zu fabriciren; von Hrn.
                           Benson.
                        Der Versammlung brittischer Naturforscher in
                                 Birmingham vorgetragen. The
                                 Athenaeum, No. 619.
                        Benson, uͤber die Theorie der Bleiweißbildung.
                        
                     
                        
                           Das kohlensaure Blei oder Bleiweiß, so wie man es nach dem gewöhnlichen
                              (holländischen) Verfahren erhält, ist wasserfrei, amorph
                              und besteht aus gleichen Aequivalenten von Kohlensäure, Sauerstoff und Blei. Da nun
                              die Bleiglätte nichts anderes als Bleioxyd ist, so glaubte man, es sey zu ihrer
                              Verwandlung in Bleiweiß nur nöthig, sie mit der hinreichenden Menge Kohlensäure zu
                              verbinden; in Folge dieses Irrthums wurde auch eine Menge fehlerhafter
                              Verfahrungsarten in Vorschlag gebracht, welche alle darauf hinauskommen, die
                              Bleiglätte als basisch essigsaures Blei aufzulösen und sie dann aus der Flüssigkeit
                              durch kohlensaures Gas niederzuschlagen. Die Maler behaupteten, daß dieser
                              Niederschlag kein Bleiweiß sey; die Chemiker aber, welche ihn aus Kohlensäure und
                              Bleioxyd in demselben Verhältnisse wie das holländische Bleiweiß zusammengesezt
                              fanden, schrieben die Ansicht der Maler dem Vorurtheile zu. Dr. Ure war, wenn ich nicht irre, der erste, welcher ermittelte, worin
                              eigentlich der Unterschied zwischen dem gefällten kohlensauren Blei und dem
                              eigentlichen Bleiweiß besteht.Dr. Ure sagt nämlich im Artikel White lead Bd. X. seines Dictionary of arts: „Ich habe entdekt, daß alles
                                       Bleiweiß, welches durch Fällung aus einer Flüssigkeit dargestellt ist,
                                       sich in einem halbkrystallinischen Zustand befindet und sich daher unter
                                       dem Mikroskop halb durchsichtig zeigt, während das nach dem
                                       holländischen Verfahren bereitete aus undurchsichtigen Theilchen
                                       besteht.“ Die Veranlassung zu diesen Versuchen Ure's gab wahrscheinlich eine Notiz Payen's (polyt. Journal Bd. LXXI. S. 79), welchem es gelang,
                                    das kohlensaure Blei in sechsseitigen durchsichtigen Blättern krystallisirt
                                    zu erhalten.A. d. R. Ich habe schon bemerkt, daß das nach dem gewöhnlichen holländischen Verfahren
                              bereitete Bleiweiß amorph und im Oehl undurchsichtig ist,
                              während, wie sich Dr. Ure durch mikroskopische
                              Beobachtungen überzeugte, das gefällte kohlensaure Blei halbkrystallinisch und bis auf einen gewissen Grad durchsichtig ist. Es
                              findet also zwischen Bleiweiß und dem präcipitirten kohlensauren Blei derselbe
                              Unterschied Statt, wie z.B. zwischen Marmorpulver und Kreidepulver, welche beide aus
                              kohlensaurem Kalk bestehen, wovon aber jenes krystallinisch und dieses amorph,
                              folglich auch jenes weniger undurchsichtig als dieses ist; dieser Unterschied muß
                              sich natürlich noch viel auffallender zeigen, wenn die Pulver in einem Medium
                              vertheilt sind, welches, wie z.B. Oehl, das Licht stark bricht.
                           Es gibt ein Verfahren Bleiweiß durch Fällung zu bereiten, wobei der nachtheilige
                              Umstand, daß das Product wie gewöhnlich den halb krystallinischen Zustand annimmt,
                              vermieden wird, und auf dieses Verfahren kam man noch vor Ure's Entdekung durch ganz andere theoretische Betrachtungen. Der Proceß
                              ist hiebei derselbe wie bei Bereitung des Bleiweißes durch Präcipitation nach dem
                              französischen Verfahren, indem man das Blei ebenfalls zuerst in basisch essigsaures
                              Salz verwandelt und dann durch Kohlensäure zersezt; bei dem neuen Verfahren ist aber
                              der Druk des Wassers beseitigt, indem sich das kohlensaure Blei nicht aus einer
                              Auflösung absezt, sondern die Theilchen desselben im Gegentheil gar nie aus dem
                              festen Zustande herauskommen, so daß sie sich nicht symmetrisch anzuordnen vermögen.
                              Man mußte nämlich, um amorphes kohlensaures Blei oder Bleiweiß aus Bleiglätte zu
                              fabriciren, das Bleioxyd mit einer so geringen Menge Essigsäure in Berührung
                              bringen, daß sich ein unauflösliches basisches Salz bildete, dessen Feuchtigkeit
                              gerade noch hinreichend war, eine Zersezung durch die Kohlensäure zu gestatten.
                              Zwischen diesem Verfahren und dem holländischen findet also nur der Unterschied
                              Statt, daß bei ersterem das Blei zuvor in Oxyd verwandelt ist, während bei lezterem
                              das Bleioxyd sich gleichzeitig mit dem kohlensauren Blei bildet. Das neue Verfahren
                              ist bereits in einem bedeutend großen Maaßstabe in Birmingham Heath im Gang. Die
                              angewandte Essigsäure beträgt nicht ganz den dreihundertsten Theil vom Gewichte der
                              Bleiglätte und hinsichtlich der Feuchtigkeit ergab sich, daß es am vortheilhaftesten ist,
                              wenn sie gerade hinreicht, damit sich die Bleiglätte noch merklich feucht anfühlt.
                              Die Kohlensäure erzeugt man durch Verbrennen von Kohks, welche durch einen
                              Mechanismus gewendet werden, so daß sie der Luft immer wieder neue Oberflächen
                              darbieten. Auf diese Art fabricirt man das Bleiweiß in eben so vielen Tagen, als man
                              bei dem holländischen Verfahren Monate braucht, und erhält noch überdieß ein Product
                              von reinerem Weiß, welches hinsichtlich der Undurchsichtigkeit oder des Körpers dem
                              gewöhnlichen Bleiweiß wenigstens gleichkommt.
                           Ich will bei dieser Gelegenheit noch zwei merkwürdige Thatsachen erwähnen, welche
                              nicht allgemein bekannt sind. Sezt man einerseits das unter dem Namen Massicot und
                              andererseits das unter der Benennung Bleiglätte bekannte Bleioxyd einer angehenden
                              Rothglühhize aus, so wird das Massicot rasch Sauerstoff absorbiren und sich in
                              gewöhnliche Mennige verwandeln, die Glätte aber nur äußerst langsam oder gar nicht;
                              befeuchtet man hingegen sowohl Massicot als Glätte mit verdünnter Essigsäure und
                              sezt sie kohlensaurem Gase aus, so wird sich die Glätte in Bleiweiß verwandeln, ehe
                              das Massicot noch sonderlich afficirt ist.
                           Gießt man Leinöhl auf eine große Quantität Bleiweiß und läßt die Masse einige Stunden
                              ruhig stehen, so erhöht sich die Temperatur so sehr, daß sich das Oehl verkohlt und
                              das Ganze vollkommen schwarz wird. Es scheint auch nicht allgemein bekannt zu seyn,
                              daß das Bleiweiß die Eigenschaft hat, den Farbstoff des Leinöhls zu zerstören.
                              Mischt man eine Portion Leinöhl mit schwefelsaurem Baryt und eine andere mit
                              Bleiweiß, so wird lezteres weißer aussehen als erstens. Läßt man die beiden Gemische
                              einige Tage ruhig stehen, so wird sich auf der Oberfläche eines jeden nach und nach
                              eine Quantität Oehl ansammeln, welches über dem schwefelsauren Baryt unverändert,
                              über dem Bleiweiß aber fast farblos und ranzig ist. Der Farbstoff des Leinöhls hat
                              sich keineswegs, wie man vermuthen könnte, mit dem Bleiweiß verbunden, denn wenn man
                              dasselbe in einer schwachen Säure auflöst, zeigt sich das frei gewordene Oehl
                              ebenfalls gebleicht. Uebrigens ist eine große Menge Bleiweiß nöthig, um diese
                              Wirkung hervorzubringen, und das nach dem holländischen Verfahren bereitete eignet
                              sich besser dazu als das durch Präcipitation gewonnene.