| Titel: | Bericht des Hrn. Huguenin-Cornetz über zwei neue Arten von Sperrvorrichtungen, welche Hr. Eugène Saladin der Société industrielle de Mulhausen von Seite der HHrn. André Köchlin und Comp. vorlegte. | 
| Fundstelle: | Band 74, Jahrgang 1839, Nr. LXXII., S. 349 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LXXII.
                        Bericht des Hrn. Huguenin-Cornetz uͤber zwei neue
                           Arten von Sperrvorrichtungen, welche Hr. Eugène Saladin der
                           Société industrielle de Mulhausen von Seite der
                           HHrn. André
                              Koͤchlin und Comp. vorlegte.
                        Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
                                 Mulhausen, No. 58.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              VI.
                        Saladin's neue Sperrvorrichtungen.
                        
                     
                        
                           Hr. Saladin hat der Gesellschaft zwei Modelle von
                              Gesperren ohne Verzahnung, das eine mit krummliniger, das andere mit geradliniger
                              Bewegung, vorgelegt. Sie können beide in der Mechanik zu verschiedenen Zweken benuzt
                              werden; namentlich finden sie ihre Anwendung an den Webestühlen, für die sie auch
                              der Erfinder speciell ausgedacht hat. Ihr Mechanismus weicht von allen Gesperren,
                              deren man sich bis zum heutigen Tage bediente, wesentlich ab, und kann daher mit
                              allem Rechte als eine neue Erfindung betrachtet werden.
                           Die Gesperre finden bekanntlich in der Mechanik sehr häufige Anwendung; sie sind eine
                              sehr einfache und wohlfeile Vorrichtung, deren man sich als Sperrer, als Theiler und
                              als Motor bedient. Unter den verschiedenen Arten von solchen Gesperren besteht das
                              älteste, welches zugleich auch das am häufigsten gebräuchliche ist, aus einem
                              Sperrkegel, welcher in die Zähne eines Rades oder einer Zahnstange einfällt, und
                              der, wenn er als Sperrer wirkt, die rükgängige Bewegung des Rades oder der
                              Zahnstange verhindert, während er ihnen, wenn er als Motor wirkt, Bewegung
                              mittheilt. Man hat diesem Gesperre stets vorgeworfen, daß es ein fortwährendes
                              unangenehmes Geklapper veranlaßt; daß bei ihm ein Rüklauf und mithin ein Verlust an
                              Zeit Statt findet; und daß sich bei der beständigen Reibung der Sperrkegel sowohl
                              diese als die Verzahnungen schnell abnüzen.
                           Im Jahre 1815 legte Dobo der Société d'encouragement ein neues Gesperr ohne Verzahnung
                              vor, welches in dem von dieser Gesellschaft herausgegeben Bulletin bekannt gemacht
                              wurde, und für welches dem Erfinder bei Gelegenheit der Ausstellung vom J. 1819 eine
                              silberne Medaille zu Theil wurde. Seit jener Zeit hat Dobo gemeinschaftlich mit seinem Sohne seine Erfindung noch weiter
                              vervollkommnet; sein Gesperr, über welches sich die Jury der
                              Industrie-Ausstellung vom J. 1823 gleichfalls sehr günstig aussprach, findet
                              unter dem Namen Encliquetage de Dobo häufige Anwendung,
                              jedoch nur als Sperrer.
                           Das Gesperr, welches Hr. Saladin der Gesellschaft am 28.
                              Febr. 1838 vorlegte, und welches als Motor wirken sollte, wich von den bis dahin
                              bekannt gewordenen Gesperren darin ab, daß der Sperrkegel ohne alles Geräusch und
                              ohne Reibung auf die Zähne wirkte, und daß er auch bei großen Geschwindigkeiten mit
                              Sicherheit und Genauigkeit angewendet werden konnte. Die beiden Gesperre, welche Hr.
                              Saladin erst jüngst vorlegte, sind jedoch eine neue
                              Erfindung; sie wirken nämlich an beiden Modellen sowohl als Sperrer, als als
                              Motoren, und zwar in beiden Fällen auf zahnlose Oberflächen. Das ihnen zu Grunde
                              liegende Princip weicht, obwohl es jenem der Gesperre Dobo's, wenn sie als Sperrer wirken, verwandt zu seyn scheint, doch
                              bedeutend davon ab; denn das Gesperr Dobo's besteht aus
                              einem Stabe, welcher excentrisch wirkt, und je nach seiner Stellung von Innen oder
                              von Außen gegen die Felge des Rades drängt. Ein derlei Apparat muß demnach sehr fest
                              gebaut seyn, wenn er dauerhaft seyn soll; denn die ganze Gewalt wirkt auf den Stab
                              und gegen die Radfelge. Das Gesperr des Hrn. Saladin
                              dagegen beruht im Principe auf einem Ringe, durch den eine runde senkrechte Stange
                              geht. Hebt man diesen Ring horizontal empor, so kann man ihn bis nach Oben führen,
                              ohne dabei einen Widerstand zu treffen; hält man ihn aber nur an einer Seite, so
                              wird er, indem er in eine Stellung zu gelangen sucht, in der er gegen die Linie, in
                              der er gezogen wird, senkrecht ist, an der anderen Seite herabzusinken suchen, und
                              mit solcher Gewalt gegen die Stange drüken, daß diese selbst mit einem bedeutenden
                              Gewichte, welches jedoch mit der Kraft des Ringes im Verhältnisse stehen muß,
                              aufgehoben wird.
                           Bei der Anwendung, welche von diesem Principe an dem Mobelle mit geradliniger
                              Bewegung gemacht ist, erleidet die Stange, sie mag als Motor oder als Sperrer
                              dienen; beinahe keine Gewalt; sey es, daß an ihr gezogen wird, sey es, daß man sie
                              drängt oder schiebt, um sie zu sperren, immer wird sie ganz einfach wie von einer
                              Zange gefaßt erscheinen. Auf gleiche Weise ist das Princip des Ringes auch an dem Modelle
                              mit krummliniger Bewegung als Motor sowohl als als Sperrer in Anwendung gebracht,
                              nur ist hier der Ring an einer Stelle durchgeschnitten, damit dem Arme des Rades
                              freier Durchgang gestattet ist. Die Felge des Rades muß demnach hier als die in dem
                              Ringe spielende Stange betrachtet werden.
                           Das Gesperr mit krummliniger Bewegung besteht aus einem Gestelle, einem Rade, einem
                              Hebel und zwei Klammern (butoirs), welche die Dienste
                              der Sperrkegel verrichten. Das Rad befindet sich an einer in dem Gestelle fixirten
                              Welle, an der auch der Hebel fixirt ist, jedoch so, daß er sich von dem Rade
                              unabhängig schwingen kann. An dem einen Ende dieses Hebels ist die eine Klammer so
                              angebracht, daß sie sich gegen den äußeren und inneren Theil der Radfelge stemmt.
                              Dabei ist die Einrichtung getroffen, daß sich die Klammer, wenn der Hebel nach der
                              einen Richtung wirkt, dem Mittelpunkte, des Rades annähert, wo sie dann das Rad bei
                              seiner Bewegung mit fortreißt; während sie, wenn man den Hebel nach der
                              entgegengesezten Richtung wirken läßt, sich von dem Mittelpunkte des Rades zu
                              entfernen strebt, dasselbe verläßt, an ihren früheren Punkt zurükkehrt und es
                              unbewegt läßt. Die als Sperrer dienende Klammer, welche an dem Gestelle der Maschine
                              und gleichfalls excentrisch gegen das Rad angebracht und der erst erwähnten Klammer
                              in ihrer Bewegung entgegengesezt ist, wirkt nach entgegengesezter Richtung; d.h. sie
                              sperrt, während die andere ihr Spiel wieder beginnt, und umgekehrt.
                           Das Gesperr mit geradliniger Bewegung besteht aus einem Gestelle, an welchem zwei
                              Dillen, die eine oben, die andere unten, befestigt sind. Zwischen diesen beiden
                              Dillen, welche einer runden, die Stelle der Zahnstange vertretenden Stange als
                              Führer dienen, befindet sich ein Zapfen, an dem ein Hebel spielt. An dem einen Ende
                              dieses Hebels ist ein zweiter kleiner Hebel befestigt, und an diesem befindet sich
                              ein Ring, durch den die Stange läuft. Ein dritter kleiner Hebel, welcher ebenfalls
                              an dem Gestelle angebracht ist, trägt gleichfalls einen Ring, und auch durch diesen
                              läuft die Stange. Wenn man den großen Hebel, um die runde Stange emporsteigen zu
                              machen, in Bewegung sezt, so strebt der zweite an dessen Ende befindliche Hebel
                              vermöge seiner Schwere herabzusinken; da er aber an der einen Seite festgehalten
                              wird, so kommt der Ring in eine schiefe Stellung, in der er die Stange faßt. Der
                              zweite, an dem Gestelle angebrachte, und nach entgegengesezter Richtung wirkende
                              Ring hält die Stange fest, während der Hebel in seine frühere Stellung zurükkehrt,
                              und umgekehrt.
                           Die Commission hat das Princip, stuf welchem das neue Gesperr beruht, für richtig erkannt, und
                              ist der Ueberzeugung, daß dasselbe früher oder später seine Anwendung finden wird,
                              wenn es sich darum handelt, eine gerade Linie oder einen Umfang auf eine unbestimmte
                              und wechselnde Weise abzutheilen. Es ist zwar wahr, daß man, wenn man an einem
                              gewöhnlichen Sperrrade eine große Anzahl von Sperrkegeln anbringt, jeden Zahn in
                              eben so viele Theile abtheilen kann; immer werden aber, wenn die Länge der Bahn des
                              Hebels, der das Rad in Bewegung sezt, wandelbar ist, Variationen Statt finden,
                              während man mit dem Gesperre des Hrn. Saladin nach
                              Belieben je nach dieser Bahn bis ins Unendliche wechseln kann.
                           Eine der schönsten Anwendungen dürfte dieses Gesperr unstreitig an dem mechanischen
                              Webestuhle, an welchem die Regelmäßigkeit der Fabricate großen Theils von der
                              Genauigkeit, mit welcher das Aufrollen des Gewebes von Statten geht, abhängt,
                              finden. Das Bedürfniß eines dieser Bedingung entsprechenden Gesperres ist an dieser
                              Maschine besonders fühlbar geworden, seit man sich ihrer zur Fabrication leichter
                              Zeuge von großer Feinheit bedient, an denen der Einschuß nicht mehr als Gegengewicht
                              für die Spannung der Kette in Anschlag gebracht werden kann, und bei denen es
                              unumgänglich nöthig wird, seine Zuflucht zu einer wandelbaren Bewegung zu nehmen, um
                              der Zunahme des Durchmessers, die der Werkbaum durch das Aufrollen des Zeuges
                              erleidet, zu begegnen. Ebenso scheint es der Commission, daß dieses Gesperr da
                              Anwendung finden dürfte, wo es sich darum handelt, mit Druk irgend eine andere
                              geradlinige oder kreisende Bewegung abwechselnd mit augenbliklicher rükgängiger
                              Bewegung zu bewirken, ohne das in Bewegung zu sezende Stük Zeug sich gänzlich zu
                              überlassen. Denn wenn man den als Sperrer wirkenden Stab durch irgend eine Bewegung
                              losmacht, wird das Stük frei, so daß dann nur mehr der Ring, welcher als Zaum wirkt,
                              die Bewegung erzeugt.
                           Fig. 1 zeigt
                              einen Aufriß des an einem Webestuhle angebrachten Gesperres mit krummliniger
                              Bewegung, von welchem in Fig. 2 eine horizontale
                              Ansicht gegeben ist.
                           Fig. 3 zeigt
                              einen Aufriß des Gesperres mit geradliniger Bewegung.
                           Fig. 4, 5, 6 und 7 dienen zur
                              Erläuterung einzelner Theile.
                           Der an dem Gestelle des Webestuhles befestigte Zapfen a
                              trägt einen Hebel b, c, dem durch die Hauptwelle des
                              Stuhles eine Hin- und Herbewegung mitgetheilt wird. An dem Ende b dieses Hebels befindet sich ein Gewicht. Dieses
                              Gewicht bewirkt mit Beihülfe des Einschusses, daß sich der Zeug vorwärts bewegt;
                              reißt der Einschuß, so bewegt sich der Zeug nicht mehr, wenigstens, wenn er ein
                              dicht geschlagener ist;
                              denn das Gewicht für sich allein ist nicht schwer genug, um die Bewegung zu
                              bewirken. Man bedient sich dieses Gewichtes bereits in mehreren Fabriken; wer es
                              zuerst einführte, ist uns jedoch nicht bekannt. Das andere Ende c dieses Hebels ist mit einer Dille versehen, durch
                              welche parallel mit der Achse des Zapfens a ein
                              cylindrisches Loch gebohrt ist. Ferner trägt der Hebel b,
                                 c auch noch einen mit einem Kopfe versehenen Zapfen d, durch den senkrecht mit seiner Achse ein Loch gebohrt ist, und welcher
                              den als Motor dienenden stielrunden Stab e trägt. Zu
                              beiden Seiten dieses Stabes sind mittelst eines Bolzens die mit Falzen versehenen
                              Ohren f, f befestigt. Der mit einem Drehkreuze
                              ausgestattete Ring g wird von dem Zapfen a getragen, und geht durch die Oeffnung, welche der Stab
                              e und die Ohren f, f
                              zwischen sich lassen. An der Dille dieses Ringes ist ein Getrieb befestigt, welches
                              seine Bewegung an die zum Aufwinden des Zeuges bestimmte Walze fortpflanzt. h ist die Klammer, welche als Sperrer wirkt, und deren
                              Zapfen man bei i sieht; er wird von dem an dem Gestelle
                              des Webestuhles befestigten, mit einer Dille versehenen Träger k getragen.
                           An Fig. 3 ist
                              l, m der Haupthebel mit seiner Achse n; o der als Motor dienende Stab mit seinem Ringe und
                              seinem Gewichte p und seinem Zapfen q. r, s ein senkrechter Stab, welcher durch den eben
                              erwähnten Ring läuft. t der als Sperrer dienende Stab
                              mit seinem Gewichte u und seinem Träger v. Die Bänder x, y dienen
                              der Stange r, s als Führer.
                           Das Spiel dieses Gesperres ist nun folgendes. An der Hauptwelle A des Webestuhles befindet sich eine Kurbel B, die dem Hebel b, c
                              mittelst der Ziehstange C eine Hin- und
                              Herbewegung gibt, die dann an den Stab e übergetragen
                              wird. Dieser Stab hat die Eigenschaft, daß er den Ring oder die Rolle g in der durch den Pfeil angedeuteten Richtung,
                              keineswegs aber nach der entgegengesezten Richtung umtreibt, wie man später sehen
                              wird. Wenn man nun unter dem ersten Stabe e einen
                              zweiten anbringt, welcher einen fixen Träger hat, so kann der Ring nicht zurükgehen,
                              wohl aber wird er dem Impulse, den ihm der erste Stab gibt, folgen. Wie dieß
                              geschieht, wird aus Folgendem hervorgehen. Es sey D, E,
                              Fig. 4, ein
                              senkrechter Cylinder, welcher durch einen horizontal gestellten Ring, dessen
                              Durchmesser etwas größer ist als jener des Cylinders, geführt ist, so wird man, wenn
                              man diesen Ring parallel mit seiner ursprünglichen Stellung emporhebt, auf keinen
                              Widerstand stoßen; so wie man ihn aber nur an der einen Seite emporzuheben versucht,
                              wird dieß unmöglich, ohne zugleich auch den Cylinder aufzuheben. Denn der innere
                              Raum des Ringes ist nur einem einzigen Durchschnitte des Cylinders D, E, nämlich jenem, der wie P in Fig.
                                 5 senkrecht auf seiner Achse steht, gleich; während jeder schräge
                              Durchschnitt nach Q, R, wie z.B. in Fig. 6, eine Ellipse
                              darbietet, an der nur die kleine Achse dem inneren Durchmesser des Ringes gleich
                              ist. Wenn man an diesem Ringe, wie man in Fig. 7 sieht, einerseits
                              ein Gewicht S und andererseits einen Hebel T befestigt, und wenn man den Ring bei T aufzuheben versucht, so wird man den seitlichen Druk
                              auf den Cylinder D, E erhöhen. Dasselbe findet nun in
                              Fig. 3 an
                              der Stange r, s Statt. Denkt man sich an Fig. 1 und 2 die Stäbe als den
                              kleinsten Durchschnitt des Ringes umfassend, wenn der Ring frei bleiben soll
                              – dagegen aber als einen größeren Durchschnitt umfassend, wenn ein Widerstand
                              erzeugt werden soll, so erhält man einen richtigen Begriff von dem Gesperre.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
