| Titel: | Ueber den vergleichsweisen Nuzeffect von Locomotiven mit breiten und schmalen Spurweiten. Von Hrn. de Pambour. | 
| Fundstelle: | Band 75, Jahrgang 1840, Nr. XXXV., S. 167 | 
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                        XXXV.
                        Ueber den vergleichsweisen Nuzeffect von
                           Locomotiven mit breiten und schmalen Spurweiten. Von Hrn. de Pambour.
                        Aus den Comptes rendus des séances de l'Académie des
                                 sciences 2. Sem. 1839, No. 22.
                        de Pambour, uͤber den Nuzeffect von Locomotiven mit breiten
                           und schmalen Spurweiten.
                        
                     
                        
                           Die Theorie der Dampfmaschine, welche ich in mehreren Abhandlungen, die ich bereits
                              früher der Akademie vorlegte, entwikelte, gibt, indem sie die Mittel zu einer
                              genauen Berechnung der Nuzeffecte der Dampfmaschinen liefert, auch einige
                              Aufschlüsse über eine Frage, welche dermalen unter den Eisenbahningenieurs streitig
                              ist, und welche besonders für jene Staaten, in denen bisher noch wenige Eisenbahnen
                              bestehen, von hoher Wichtigkeit ist. Ich meine nämlich die Frage, ob man die
                              Spurweite, die man bisher den Eisenbahnen zu geben gewohnt war, beibehalten oder
                              erhöhen soll.
                           Beinahe alle für einen größeren Verkehr bestimmten Eisenbahnen wurden bis jezt mit
                              einer Spurweite von 4 Fuß 8 1/2 Zoll engl. Maaßes gebaut. Dieses Maaß, welches man
                              annahm, hat keine andere Basis als die, daß es mit der auf den gewöhnlichen engl.
                              Landstraßen gebräuchlichen Spurweite zusammenfällt. Erst im Jahre 1836, wo man
                              zwischen London und Bristol die sogenannte Great-Western-Eisenbahn zu
                              bauen anfing, bestimmte Brunel für diese eine Spurweite
                              von 7 engl. Fußen. Unter den Motiven, auf welche er diese Abweichung von dem
                              Herkömmlichen stüzte, machte er besonders geltend, daß man bei dieser Spurweite
                              größere Räder anwenden und mithin auch eine größere Geschwindigkeit erlangen könnte.
                              Diese Erwartung ward nicht nur bisher schon in einem sehr genügenden Grade
                              gerechtfertigt, sondern ich werde zeigen, daß es möglich wäre, bei dieser Spurweite
                              in Hinsicht auf die Geschwindigkeit noch weit vortheilhaftere Resultate zu
                              erzielen.
                           Ich habe in meiner Theorie der Dampfmaschine die Formeln angegeben, wonach man die
                              Geschwindigkeit der Maschinen für eine bestimmte Last sowohl, als auch deren Ladung
                              für eine bestimmte Geschwindigkeit, und endlich ihren Nuzeffect unter den
                              verschiedenen, in der Praxis erforderlichen Umständen berechnen kann. Ich habe nach
                              diesen Formeln und mit Hülfe der numerischen Bestimmungen der Constanten, wie ich
                              sie in meinen neueren, der Akademie gemachten Mittheilungen angegeben habe, ungefähr
                              120 Versuche, welche mit den Locomotiven der
                              Liverpool-Manchester-Eisenbahn angestellt wurden, berechnet; und wie
                              man aus der zweiten Ausgabe meiner Abhandlung über die Locomotiven sehen wird, steht die
                              Berechnung in solchem Einklange mit dem Versuche oder mit der Erfahrung, daß man
                              nunmehr befugt ist, diese Formeln mit vollem Vertrauen auf alle vorkommenden derlei
                              Untersuchungen anzuwenden. Ich werde es daher versuchen, mich ihrer zur Bestimmung
                              der Nuzeffecte der verschiedenen, dermalen gebräuchlichen Locomotiven, und zwar
                              sowohl auf Eisenbahnen mit schmaler als auch auf solchen mit breiter Spurweite zu
                              bedienen.
                           Die auf der Liverpool-Manchester-Eisenbahn gebräuchlichen Maschinen
                              verdampfen im mittleren Durchschnitte 60 Kubikfuß Wasser in der Zeitstunde. Sucht
                              man nun, welche Geschwindigkeit sie mit dieser Verdampfung und beim Ziehen einer
                              Bruttolast von 50 Tonnen, wobei jedoch der Munitionswagen nicht mitgerechnet ist,
                              erreichen, so wird man finden, daß diese Geschwindigkeit 23,23 engl. Meilen in der
                              Zeitstunde beträgt, und daß sich der entsprechende Verbrauch an Kohks auf 0,51 Pfd.
                              per Bruttotonne und in der engl. Meile berechnet.
                              Man kann diese Leistung als den Nuzeffect der Maschinen von mittlerer Kraft auf den
                              Eisenbahnen mit enger Spurweite betrachten. Auf der
                              London-Birmingham-Eisenbahn, die gleichfalls mit enger Spurweite
                              gebaut ist, gibt es Locomotiven, welche gegen 100 Kubikfuß Wasser in der Zeitstunde
                              verdampfen, und mit dieser Verdampfung dieselbe Bruttolast von 50 Tonnen mit einer
                              Geschwindigkeit von 29,8 engl. Meilen in der Zeitstunde fortschaffen, so daß sie
                              also auf eine Tonne in der engl. Meile 0,54. Pfd. Kohks verbrauchen. Diese Maschinen
                              können ungefähr als die stärksten, welche sich auf eine Eisenbahn von 4 Fuß 8 1/2
                              Zoll Spurweite bringen lassen, betrachtet werden, indem sich bei diesem zwischen den
                              Schienen gestatteten Raume die Dimensionen des Kessels nicht wohl vergrößern lassen.
                              Auf einer Eisenbahn mit enger Spurweite kann demnach eine Bruttoladung von 50 Tonnen
                              oder ein Zug von 10 Wagen, was bei dem Personentransporte eine gewöhnliche Ladung
                              ist, je nach der Kraft der Maschinen mit folgenden Geschwindigkeiten und folgendem
                              Verbrauche gezogen werden:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 75, S. 168
                               Geschwindigkeit in der Zeitstunde;
                                 Kohks p. T. in der engl. Meile; Maschine mit
                                 Kubikfuß Verdampfung
                              
                           Unter Bruttolast ist hier das Gewicht der Transportwagen und ihrer Ladung mit
                              Ausschluß des Gewichtes der Maschine und des Munitionswagens verstanden.
                           Auf der Great-Western-Eisenbahn verdampfen die Maschinen von mittlerer
                              Kraft ungefähr 120 Kubikfuß Wasser in der Zeitstunde; die stärksten dagegen haben eine
                              Verdampfung von 200 Kubikfuß. Bringt man jedoch in Anschlag, welcher Zwischenraum an
                              lezteren noch zwischen den Seitenwänden des Kessels und den Rädern besteht, so wird
                              man keinen Augenblik anstehen zuzugeben, daß auf diese Bahn Locomotiven gebracht
                              werden können, die bis zu 300 Kubikfuß Wasser und darüber in der Zeitstunde
                              verdampfen, ohne daß dadurch das Gewicht der Maschine bedeutend gesteigert würde.
                              Berechnet man nun den Nuzeffect, den diese Locomotiven zu geben im Stande sind, so
                              wird man finden, daß sie die Bruttolast von 50 Tonnen, den Munitionswagen und die
                              Locomotive nicht mitgerechnet, mit folgenden Geschwindigkeiten fortschaffen
                              können:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 75, S. 169
                              
                           Geschwindigkeit in der Zeitstunde;
                              Kohks p. T. in der engl. Meile; Maschine von 120
                              Kubikfuß Verdampfung; Dermalen gebräuchliche Maschine mit 200 Kubikfuß Verdampfung;
                              Dieselbe mit größerem Rade und kleinerem Cylinder; Maschine von 300 Kubikfuß
                              Verdampfung
                           Die Betrachtung dieser Resultate ergibt, daß die Locomotiven mit breiter Spurweite
                              dieselbe Durchschnittslast mit weit größeren Geschwindigkeiten fortzuschaffen
                              vermögen, als die Maschinen mit schmaler Spurweite, und daß die Geschwindigkeit der
                              ersteren selbst bis auf das Doppelte der lezteren gesteigert werden kann. Ein
                              solcher Vortheil darf gewiß nicht unberüksichtigt bleiben; und vergebens wäre es
                              einzuwenden, daß die dermalen übliche Geschwindigkeit ausreicht, denn dasselbe
                              Argument machte man vor Jahren gegen die Errichtung von Eilwagen, und neuerlich
                              gegen die Eisenbahnen überhaupt geltend.
                           Es geht ferner aus den angegebenen Resultaten hervor, daß die größere Geschwindigkeit
                              durch einen größeren Verbrauch an Brennmaterial erkauft wird. Dieß ist jedoch nicht
                              durch die Maschine selbst oder durch die Breite der Spurweite bedingt, sondern es
                              ist eine unvermeidliche Wirkung der größeren Geschwindigkeit, welche Maschine man
                              auch immer anwenden mag. Um sich zu überzeugen, daß die Maschinen mit breiter
                              Spurweite in dieser Beziehung nicht im Nachtheile sind, braucht man sie bei gleichen
                              Geschwindigkeiten nur mit den Maschinen von enger Spurweite zu vergleichen.
                              Berechnet man nämlich die Last, welche eine Maschine mit breiter Spurweite von
                              mittlerer Kraft mit einer Geschwindigkeit von 25 engl. Meilen in der Zeitstunde
                              fortzuschaffen vermag, so wird sich diese Last zu 140 Tonnen und der entsprechende
                              Verbrauch an Brennmaterial zu 0,32 Pfd. Kohks per Tonne
                              in der engl. Meile berechnen. Vergleicht man diesen Nuzeffect mit jenem einer Maschine von enger
                              Spurweite und von mittlerer Kraft, so lauten die Resultate wie folgt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 75, S. 170
                               Geschwindigkeit in der Zeitstunde;
                                 Ladung; Kohks p. T. in der engl. Meile; Maschine von
                                 60 Kubikfuß Verdampfung u. enger Spurweite; Maschine von 120 Kubikfuß
                                 Verdampfung u. breiter Spurweite
                              
                           Will man sich also mit einer Geschwindigkeit von 23 bis 25 engl. Meilen in der
                              Zeitstunde begnügen, so wird man mit den Maschinen mit breiter Spurweite eine weit
                              größere Ladung mit einem ungefähr um ein Drittheil geringeren Verbrauche an
                              Brennmaterial fortzuschaffen im Stande seyn.
                           Was die Unterhaltungskosten anbelangt, so hat die Erfahrung gezeigt, daß dieselben an
                              Maschinen von gleicher Solidität ungefähr im Verhältnisse der Geschwindigkeit des
                              Transportes wachsen. Es ist dieß eine Ausgabe, der man sich unterziehen muß, wenn
                              man eine Geschwindigkeit erlangen will; allein diese Ausgabe kann die Hauptquelle
                              des Gewinnes werden. Da man bei dem Gewichte der Maschinen mit breiter Spurweite
                              allen ihren Theilen eine größere Stärke zu geben im Stande ist, so ist nothwendig
                              auch in dieser Beziehung ein Vorzug derselben vor den Maschinen mit enger Spurweite
                              zu erwarten.
                           Die Resultate, welche ich oben als den Nuzeffect der Locomotiven angegeben habe,
                              sind, wie ich bereits bemerkt, aus. den Formeln, welche ich in meiner Theorie der
                              Locomotiven aufgestellt habe, entnommen. Diese Formeln fußen jedoch auf einer sehr
                              großen Anzahl von Versuchen, und die nach ihnen erlangten Zahlen zeigten sich auch
                              durch directe Versuche bestätigt. In der That beweisen 1) die von mir selbst an der
                              Liverpool-Manchester-Eisenbahn unternommenen Versuche, daß die
                              Maschinen dieser Bahn auf horizontalem Niveau eine Bruttolast von 50 Tonnen unter
                              dem oben angegebenen Verbrauche an Brennmaterial mit einer Geschwindigkeit von 23
                              engl. Meilen in der Zeitstunde fortzuschaffen vermögen. 2) beweisen die Versuche,
                              welche von den Ingenieurs der Great-Western-Eisenbahn bei Gelegenheit
                              des Streites über die Zwekmäßigkeit der größeren Spurweite angestellt wurden, daß
                              die Maschinen der London-Birmingham-Eisenbahn bei einer Verdampfung
                              von 106 Kubikfuß Wasser in der Zeitstunde und einem Kohksverbrauche von 0,59 Pfd.
                              auf die Tonne in der engl. Meile, eine Bruttolast von 53,5 Tonnen (die Maschine und
                              den Munitionswagen nicht mitgerechnet), mit einer Geschwindigkeit von 32,4 engl.
                              Meilen in der Zeitstunde fortschaffen. 3) beweisen die von denselben Ingenieurs an der
                              Great-Western-Eisenbahn angestellten Versuche, daß eine Maschine mit
                              Rädern von 7 Fuß und einem Cylinder von 16 Zoll bei einer durchschnittlichen
                              Verdampfung von 145 Kubikfuß Wasser in der Zeitstunde, und bei einem Verbrauche von
                              1,02 Pfd. Kohks per Tonne in der engl. Meile eine
                              mittlere Last von 47,5 Tonnen mit einer Geschwindigkeit von 35 engl. Meilen in der
                              Zeitstunde fortschaffte. Bei einem neueren Versuche, der von den Directoren der
                              leztgenannten Bahn bekannt gemacht wurde, ward dieselbe Last von 47,5 Tonnen von
                              derselben Maschine mit einem Verbrauche an Kohks, welcher auf die Tonne 0,95 Pfd. in
                              der engl. Meile betrug, fortgeschafft.
                           Diese Versuche genügen zur Bewährung der Resultate, die wir aus unseren Formeln
                              entnommen. Durch Analogie thun sie mithin auch die Möglichkeit dar, daß man mit
                              Maschinen von 300 Kubikfuß Verdampfung auf breiter Spurweite wirklich die durch
                              Berechnung sich ergebenden Resultate erlangen könne. Da jedoch derlei Maschinen
                              bisher noch nicht gebaut worden, so fehlen zur Zeit noch die den Beweis liefernden
                              Versuche. Um übrigens die Ansichten über die oben bezeichneten Locomotiven mehr zu
                              fixiren und deren Vergleichung mit einander zu erleichtern, füge ich hier in einer
                              Tabelle die Hauptdimensionen dieser Maschinen, so wie auch die
                              Maximalgeschwindigkeit, die sie erreichen können, wenn sie nur ihren
                              Munitionsvorrath allein zu ziehen haben, bei. Diese lezteren Resultate wird man
                              durch einen Versuch bestätigt finden, den ich der Akademie kürzlich mittheilte, und
                              bei dem eine Maschine der Great-Western-Eisenbahn eine Geschwindigkeit
                              von 55,4 engl. Meilen in der Zeitstunde erreichte, wobei sie nebst ihrer Munition
                              nur einige wenige Personen zog.
                           Ich habe bei der Berechnung den Luftwiderstand und die Reibung der Wagen nach den
                              Versuchen, von denen ich der Akademie vor Kurzem sprach, in Anschlag gebracht. Ein
                              Gleiches geschah besonderen Versuchen gemäß auch in Hinsicht auf die Zunahme der
                              Verdampfung, welche in Folge der Zunahme der Geschwindigkeit eintritt.
                           Um sich der kräftigsten, der in nachstehender Tabelle aufgeführten Maschinen bedienen
                              zu können, würde eine Spurweite von 6 1/2 Fuß engl. oder von 2 Meter genügen. Um die
                              in der Tabelle enthaltenen engl. Maaße auf französische zu reduciren, genügt zu
                              wissen, daß 5 engl. Meilen 2 französische Postlieues machen.
                           
                           Tabelle der Geschwindigkeit und des Verbrauches an Brennmaterial
                              der Locomotiven mit enger und mit breiter Spurweite.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 75, S. 172
                               Bezeichnung der Spurweite;
                                 Bezeichnung der Maschine; Verdampfung in Kubikfuß Wasser per Zeitstunde;
                                 Durchmesser des Cylinders; Kolbenhub; Durchmesser des Rades; Schwere der
                                 Maschinen; Geschwindigkeit bei einer Bruttolast von 50 Tonnen, die Maschine und
                                 Munitionswagen nicht eingerechnet; Verbrauch an Kohks per Bruttotonne in einer
                                 engl. Meile, bei einer Bruttolast von 50 Tonnen; Maximal-Geschwindigkeit
                                 ohne alle andere Ladung an die Munition; Schmale; Breite; Maschine der
                                 Liverpooler-Bahn; Maschine der Birminghamer-Bahn