| Titel: | Die Schwarzwälder Uhrenindustrie nach ihrem Stand im Jahre 1838 technisch und statistisch dargestellt von Dr. Adolph Poppe, Lehrer der Technologie und Mathematik in Frankfurt am Main. | 
| Autor: | Dr. Adolph Poppe [GND] | 
| Fundstelle: | Band 75, Jahrgang 1840, Nr. LIV., S. 273 | 
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                        LIV.
                        Die Schwarzwaͤlder Uhrenindustrie nach
                           ihrem Stand im Jahre 1838 technisch und statistisch dargestellt von Dr. Adolph Poppe, Lehrer der
                           Technologie und Mathematik in Frankfurt am Main.
                        Poppe, uͤber die Schwarzwaͤlder
                           Uhrenindustrie.
                        
                     
                        
                           Geschichte der Schwarzwälder
                                 Uhrenindustrie von ihrem Beginn an bis zum Jahre 1839.
                           Der Hauptsiz jener blühenden Industrie, welche den Gegenstand vorliegender
                              Darstellung bilden soll, liegt auf einem schmalen, mit Waldungen, Hochebenen und
                              freundlichen Wiesenthälern abwechselnden Striche, welcher sich auf der südlichen
                              Hälfte des badischen Schwarzwaldes in einer Länge von beiläufig 5 geographischen
                              Meilen zwischen Hornberg und St. Blasien ausdehnt. Hier, in der Eke von Deutschland,
                              regt sich, in den Raum weniger Quadratmeilen gedrängt, ein talentvolles, durch
                              seinen Kunstfleiß und angebornen Handelsgeist merkwürdiges Gebirgsvolk. Isolirt von
                              dem geräuschvollen Treiben der Welt, und unberührt von dem Gifthauche der
                              Demoralisation gibt es sich mit stiller Anspruchslosigkeit und unermüdlichem Fleiße
                              der Fabrication hölzerner Wanduhren, diesem eigentümlichen national gewordenen
                              Erwerbszweige, hin, dessen Producte in allen Zonen des Erdballs Eingang gefunden und
                              den Namen des Schwarzwälders über die ganze Erde verbreitet haben. Findet einerseits
                              die Arbeitsamkeit und das ausgezeichnete mechanische Talent des Schwarzwälders volle
                              Anerkennung, so muß auch auf der anderen Seite der mit diesem Industriezweig
                              erwachte Speculationsgeist und Handelssinn, so wie die Kühnheit, Ausdauer und
                              Klugheit, womit der schlichte Gebirgsbewohner, die Producte seines Fleißes in
                              eigener Person feilbietend, die Handelswege selbst in die entferntesten Welttheile
                              sich zu bahnen wußte, hervorgehoben werden. Es gehört zu den interessantesten
                              Aufgaben, den Gang dieser Industrie von ihrem Ursprünge an zu verfolgen, wie sie aus
                              dem rohen Keime allmählich sich entwikelte, sich selbst überlassen und vom Staate,
                              ohne dessen Zuthun sie entstanden war, nur von Ferne beobachtet, mehr und mehr sich
                              erweiterte, und ihrem zwanglosen Laufe folgend zu einem fabrikmäßigen Betriebe sich
                              heranbildete, wie endlich ein bescheidener Wohlstand über jenen betriebsamen
                              District sich ausbreitete, eine sichtbare Zunahme der Bevölkerung nach sich ziehend.
                              Der bei einer solchen Isolirung aus sich selbst sich entwikelnde natürliche Verstand
                              des Wälders, jener durch Mühseligkeiten aller Art gewekte und vielfach geprüfte
                              Scharfsinn, das ihm eigene Talent, mit geringen Mitteln Vieles zu leisten, so wie auch
                              seine besondere Empfänglichkeit für intellectuelle Bildung: alles dieses sind höchst
                              interessante Motive, welche zu einer näheren Bekanntschaft mit diesem merkwürdigen
                              Gebirgsvolke aufmuntern. Bewunderung verdient unter Anderm auch der Tact und die
                              Klugheit, womit sich der Uhrenhändler im Auslande zu bewegen weiß, und sein
                              unverkennbares Talent für die Auffassung fremder Sprachen.
                           Um jedoch nicht zu weit vorzugreifen, lasse ich nun die Geschichte der
                              Uhrenindustrie, nach selbst gesammelten und schon vorhandenen Notizen geordnet,
                              folgen.
                           ––––––––––
                           Auf demselben Districte, welcher jezt der Schauplaz einer so überaus thätigen
                              Gewerbsamkeit ist, lebte der Schwarzwälder bis zum 17ten Jahrhundert ohne alle
                              Kenntniß der Industrie. Akerbau und Viehzucht gewährten ihm den Unterhalt; seine
                              Hauptnahrung bestand aus Haferbrod, Butter, Milch und Sauerkraut. In seinem einsamen
                              Wiesenthale, von dunklen Waldungen und starrenden Felsen umgeben, verlebte er,
                              abgeschnitten von der übrigen Welt und ihrem Verkehr, an die Erdscholle gebannt,
                              sein einfaches stilles Daseyn. Erst die Kriege im 17ten Jahrhundert, wo häufige
                              Einquartirungen dem Wälder Berührungspunkte mit der Außenwelt und die Gelegenheit
                              darboten, sich mit den Verhältnissen des Verkehrs etwas bekannt zu machen, besonders
                              aber die Notwendigkeit, gegen Verdienstlosigkeit und Mangel an Unterhalt, die
                              traurigen Folgen des Krieges, sich stemmen zu müssen, rüttelten ihn aus seiner
                              phlegmatischen Ruhe auf.
                           Im Jahre 1683 ließ der Abt Paul von St. Peter in den dem
                              Kloster angehörigen Waldungen im Pfarrsprengel Neukirch eine Glashütte anlegen.
                              Dieses Unternehmen enthält nicht nur den Keim, aus welchem der gegenwärtig so weit
                              ausgedehnte Glas- und Strohhuthandel erblühte, sondern gab auch die erste,
                              wiewohl nur zufällige, Veranlassung zur Entstehung der Holzuhrenmacherei; überhaupt
                              gab es der gewerblichen und commerciellen Betriebsamkeit der Umwohner einen
                              wohlthätigen Impuls. Einige Jahre nach Erbauung der erwähnten Hütte brachte nämlich
                              ein derselben angehöriger Glasblaser eine hölzerne Stundenuhr von seiner
                              Handelsreise mit nach Hause, die er einem böhmischen Glashändler abgekauft hatte.
                              Ein Schreiner, Namens Lorenz Frey, sah diese Uhr, deren
                              Bewegungen nicht durch den Perpendikel, sondern durch eine sogenannte Unruhe, nach
                              Art der Taschenuhren, regulirt wurde, und ruhte nicht, bis er auf eine mühsame Weise
                              ein ähnliches Werk zu Stande gebracht hatte. Ein anderer ebenso wißbegieriger
                              Künstler aus der Gemeinde Waldau, Namens Kreuz, machte dieselbe Holzuhr glüklich
                              nach. Obgleich diese Versuche in der ganzen Umgegend Aufsehen erregten, so konnte
                              doch dazumal an eine weitere Ausdehnung derselben nicht wohl gedacht werden, indem
                              diese ersten Funken industriellen Auflebens gerade in die Zeit kriegerischer
                              Bewegungen und drükender Einquartirungen fielen, unter welchen die Bewohner dieser
                              rauhen Gebirge vom Jahre 1689–1712 leiden mußten. Doch nach dem Utrechter
                              Frieden konnte jener unter der Asche fortglimmende Funke der Betriebsamkeit um so
                              lebhafter wieder erwachen, als gerade um diese Zeit der Schwarzwald mit dem Anbau
                              der Kartoffel anfing bekannt zu werden.
                           Zu Anfang des 18ten Jahrhunderts traten Simon Dilger,
                              Drechsler aus der Gemeinde Urach, Johann Duffner aus
                              Schönwald, Franz Ketterer aus derselben Gemeinde, und
                              Matthias Löffler von Gütenbach mit ihren, aus eigenem
                              Erfindungsgeiste gefertigten Holzuhren auf den Schauplaz ihres bürgerlichen Lebens.
                              Duffner und Löffler gaben
                              das begonnene neue Gewerbe bald wieder auf, Dilger und
                              Ketterer dagegen sezten dasselbe ununterbrochen fort;
                              sie sind es, welche als die Patriarchen der zahlreichen Uhrmacherfamilien betrachtet
                              werden.
                           Höchst einfach waren die ersten Holzuhren; sie zeigten nur die Stunde und bestanden
                              aus drei Rädern nebst Getrieben und einem Zeiger; eine Unruhe ersezte die Stelle des
                              Perpendikels. Einige Feilen, Bohrer und Messer eine kleine Säge und ein Cirkel,
                              womit man den Umkreis des Rades verzeichnete, bildeten den ganzen Apparat des
                              Uhrmachers. Ungeachtet ihrer noch großen Unvollkommenheit machten diese sonderbaren
                              Uhren doch viel Aufsehen, und bei dem guten Absaze, den sie fanden, fehlte es nicht
                              an unternehmenden Waldbewohnern, die sich in diesem neuen Gewerbe festzusezen
                              suchten. Nun verbreitete sich, obgleich die ersten Künstler das Geheimniß ihrer
                              Uhren eifersüchtig zu bewahren suchten, diese Industrie in der ersten Hälfte des
                              18ten Jahrhunderts in weiteren Kreisen und erreichte bald eine nicht unbedeutende
                              Ausdehnung. Mit ihr verschwand jene Apathie und Trägheit, welche immer ein
                              charakteristischer Zug eines rohen Zustandes der Gesellschaft ist, und ein Munterer
                              Geist der Betriebsamkeit belebte den ganzen Bezirk. In Folge der unter diesen
                              Umständen erwachenden Concurrenz sank der Preis einer Unruhuhr von 3 fl. bis auf 50
                              kr. herab.
                           Mit der steigenden Nachfrage nach den Holzuhren wurde indessen auch das Bedürfniß
                              besserer Instrumente fühlbar. Matthias Löffler in
                              Gütenbach erfand in den Jahren 1720 das erste Zahngeschirr, eine Vorrichtung; zum bequemeren Eintheilen und Einschneiden
                              der Räderzähne, und
                              legte sich von dieser Zeit an ausschließlich auf die Erfindung und Ausarbeitung der
                              zur Fabrication der Holzuhren tauglichen Instrumente. Friedrich Dilger führte zuerst die Idee einer Theilscheide aus. Diese Vervollkommnungen und Erweiterungen der
                              technischen Hülfsmittel waren für die Uhrenindustrie von sichtbar wohlthätigem
                              Einflusse, denn nun fand sich der Gewerbtreibende in den Stand gesezt, in einem Tage
                              eine Uhr fertig zu machen, wozu vorher, ehe das Räderschneidzeug eingeführt wurde, 6
                              Tage erforderlich waren. Die Trennung der Werkzeugfabrication von der Uhrmachern
                              aber bildete den ersten Schritt zu der später bis in die Details sich erstrekenden
                              Arbeitstheilung, welche diesem Nationalgewerbszweige seine staatswirthschaftliche
                              Bedeutung gegeben hat.
                           Da inzwischen vorauszusehen war, daß bei der noch unvollkommenen Construction und dem
                              immer noch hohen Preise der Uhren, sobald diese den ersten Reiz der Neuheit verloren
                              haben würden, dieß Gewerbe sich nicht auf die Dauer hätte halten können, so fand
                              sich der Erfindungsgeist angespornt, mit dem Uhrwerke allerlei mechanische
                              Künsteleien in Verbindung zu sezen. Anton Ketterer hatte
                              im Jahre 1730 den glüklichen Gedanken, die Uhr mit einem sich bewegenden Vogel zu
                              zieren, welcher durch den Kukukruf die Stunden anzeigte. Diese Kukukuhren, deren
                              ursprünglicher Preis von 3 fl. auf 1 fl. 40 kr. herabfiel, fanden einen vorzüglichen
                              Abgang, und bilden noch heute einen gesuchten Artikel.
                           Um die nämliche Zeit begab sich Friedrich Dilger, Sohn des
                              Stifters der Holzuhrenmacherei, nach Paris, um sich mit der dortigen Uhrmachern,
                              namentlich aber mit den zu diesem Gewerbe erforderlichen Instrumenten und Werkzeugen
                              bekannt zu machen. Mit mannichfachen Kenntnissen ausgerüstet, kehrte er nach einem
                              Jahre in seine Heimath zurük. Aus seiner Werkstatt gingen nun künstliche und zum
                              Theil sehr complicirte Uhrwerke mit beweglichen Figuren aller Art hervor. Auf einer
                              dieser Uhren war unter Anderm eine Figur angebracht, welche auf den Druk einer Feder
                              Feuer schlug und einen Schwefelfaden anzündete. Franz Ketterer in Schönwald lieferte die erste Repetiruhr, und Kaspar Dorer brachte gar den Lauf des Mondes und der zwölf
                              Himmelsgestirne auf seiner Uhr an. Um dieselbe Zeit fing man an, das Räderwerk
                              mittelst Uebersezung so einzurichten, daß eine Uhr, welche bisher alle 12 Stunden
                              aufgezogen werden mußte, nun 24 Stunden lang fortging.
                           Das Jahr 1740 brachte eine Reihe von Erfindungen und Verbesserungen, welche für das
                              Aufblühen der Uhrenindustrie von dem wichtigsten Einflüsse waren, so wie von dieser
                              Zeit an die Verfertigung der Wälderuhren überhaupt ein fabrikmäßiges Ansehen gewann. Als ein großer
                              Fortschritt in der Technik der Uhr ist die Einführung des Perpendikels an die Stelle
                              der Waage oder Unruhe zu bezeichnen, wodurch nicht nur ein gleichförmigerer Gang,
                              sondern auch eine wesentliche Vereinfachung des Mechanismus erreicht wurde. In
                              dieselbe Zeit fällt auch die Erfindung des Spindlenbohrers durch Georg Willmann in
                              Neustadt, eines Instrumentes, welches dazu dient, die kleinen Locher für die
                              Triebstöke in die Getriebscheiben exact und in gleichen Distanzen von einander zu
                              bohren. Wenn gleich dieses Instrument in seiner damaligen Gestalt dem jezigen
                              Spindlenbohrer gegenüber als unvollkommen erscheint, so erleichterte es doch die
                              Arbeit ungemein und war daher dem Uhrmacher eine erwünschte Gabe. Friedrich Dilger suchte zuerst den bisher angewendeten gläsernen
                              Glökchen der Schlaguhren metallene Glökchen, welche er von den Metallgießern in
                              Solothurn bezog, zu substituiren. Diese Veränderung fand allgemeine Nachahmung. Bald
                              darauf führte der wohlfeilere Preis und die prompte Bedienung die Uhrmacher von
                              Solothurn nach Nürnberg, welches sofort den ganzen Bedarf an Gloken und später auch
                              an gegossenen Rädern, Zeigern u.s.w. bis in die 60ger Jahre lieferte.
                           Bis zum Jahre 1740 wurde das Bemalen der Zifferblätter mühsam mit Tinte,
                              Leimwasser- oder Oehlfarben aus freier Hand bewerkstelligt. Da kam Matthias
                              Grieshaber in Gütenbach aus den Gedanken, eine
                              Kupfertafel in der Größe der gewöhnlichen gemeinen Holzuhrenschilde stechen und
                              diese gestochenen Schilde in zahlreichen Exemplaren abdruken zu lassen. Die
                              Kupferstiche illuminirte er darauf selbst mit Wasserfarben. Der Erfolg dieses
                              Unternehmens war, daß in kurzer Zeit drei Drukerpressen in Gütenbach und zwei in
                              Neukirch in Thätigkeit sich befanden, welche jährlich viele Tausende solcher
                              Zifferblätter mit mannichfachen Abwechslungen lieferten. Matthias Faller machte sich mit der Kunst auf Kupfer zu äzen und
                              zu graviren bekannt.
                           In dem Jahre 1750 erhielt die Uhrenmanufactur durch Verbesserungen an den Werkzeugen
                              und durch die Erfindung und Einführung neuer zwekdienlicher Instrumente einen
                              kräftigen Impuls. Als nämlich einige Uhrenhändler aus England feine Werkzeuge und
                              Instrumente mit nach Hause brachten, ruhte der industriöse, durch keine
                              Schwierigkeiten einzuschüchternde Wälder nicht eher, als bis er sie in einer Güte,
                              welche nichts zu wünschen übrig ließ, nachgefertigt hatte. Johann Camerer in Gütenbach zeichnete sich in solchen Arbeiten
                              besonders aus. Als Folge dieser Fortschritte in den mechanischen Hülfsmitteln
                              konnten nun unter den fleißigen Händen des Uhrenkünstlers zierlichere Arbeiten entstehen;
                              namentlich machte sich bald ein sichtbares Streben nach Abwechslung bemerkbar, und
                              bald konnte man Schwarzwälder Uhren von allen Abstufungen in der Größe sehen, von
                              der großen Thurmuhr bis zum kleinsten Hängührchen. Matthias Hummel verfertigte unter Anderem sogar eine Taschenuhr aus Buchsbaumholz,
                              deren ganze Einrichtung bis auf die Zug- und Spiralfeder aufs Feinste in Holz
                              gearbeitet war. Dieses Werk kam zwar wenigstens eben so hoch zu stehen als eine
                              gewöhnliche Taschenuhr, und fand auch keine weitere Anwendung, allein der Versuch
                              ist jedenfalls schon insofern interessant, als er das den Schwarzwälder
                              charakterisirende mechanische Talent, den Scharfsinn dieses Naturmenschen und seine
                              Beharrlichkeit in Ueberwindung von Schwierigkeiten auf eine sprechende Weise
                              beurkundet. Um dieselbe Zeit verfertigte man bereits manche Uhren mit metallnen
                              Rädern; auch sing man an, die Uhrenschilde mit plastischen Schnizarbeiten zu
                              verzieren, worin namentlich Matthias Faller im Fallgrund,
                              ein ungewöhnliches Künstlergenie, sich ausgezeichneten Ruf erwarb.
                           Ungefähr ums Jahr 1760 wagte Paulus Kreuz aus der Gemeinde
                              Waldau die ersten Versuche, die Gloken zu den Schlaguhren, für welche jährlich eine
                              bedeutende Summe außer Landes gewandert war, nachzugießen. Der glüklichste Erfolg
                              krönte seine Bemühungen. Obgleich er nebenher auch noch Uhren verfertigte, so zog er
                              doch aus dem Glokenhandel den meisten Gewinn. Nachdem er eine Gießhütte errichtet
                              hatte, dehnte er später mit seinen beiden Söhnen dieß Geschäft so aus, daß er
                              jährlich 50 bis 60 Cntr. Gloken, von denen 15 auf 2 Pfd. gehen, mithin ungefähr
                              40,000 Stük erzeugte. Bald darauf entstanden auch in Neustadt, Furtwangen und
                              Neukirch Glokengießereien, und innerhalb weniger Jahre hatte sich dieser neue
                              Seitenzweig der Uhrenindustrie auf dem Schwarzwalde so ausgebildet, daß von nun an
                              die Nürnberger Glokenwaaren gänzlich verdrängt wurden.
                           Ums Jahr 1768 verfertigte Johann Wehrle in Simonswald die
                              erste Spieluhr, wozu er Glasglökchen anwendete. Sein Sohn Christian vervollkommnete
                              des Vaters Arbeit und wußte mit den Glökchen ein Saitenspiel geschikt zu verbinden.
                              Matthias Hummel sezte dem Spielwerke tanzende Figuren
                              bei.
                           Das Jahr 1770 bildet wiederum eine wichtige Epoche in der Entwikelungsgeschichte der
                              Schwarzwälder Nationalindustrie. Salomon Scherzinger, ein
                              berühmter Meister in Furtwangen, verfertigte um diese Zeit das erste musikalische
                              Spielwerk mit Pfeifen, und legte durch diese Kunstarbeit den Grund zu einem neuen
                              Erwerbszweige, welcher mit Eifer ergriffen und überall mit Beifall aufgenommen, dem
                              industriellen Districte des Schwarzwaldes eine neue ergiebige Quelle des Einkommens
                              erschloß. Die Spieluhrenfabrication, ein Feld, auf welchem der Scharfsinn und die
                              Erfindungsgabe des Wälders in freier Thätigkeit sich bewegen konnte, hat innerhalb
                              der 68 Jahre, welche seit ihrem ersten winzigen Beginn verflossen sind, eine Stufe
                              erreicht, auf welche selbst die kühnsten Ideen vormaliger Künstler sich nicht zu
                              schwingen vermochten.
                           Um dieselbe Zeit fängt auch die Uhrenschildmalerei an, sich zu entwikeln. Der
                              sogenannte Dörstes Mathis aus der Rothwasserhütte trat
                              zuerst mit Zifferblättern auf, welche er mit bunten Oehlfarben bemalt hatte. Georg
                              Gfell fing 1775 an, die Flachschilde zu lakiren. Doch
                              erst, nachdem Cajetan Kreutzer in Furtwangen, Dionys Steyrer und Martin Körner in
                              Eisenbach ums Jahr 1780 den trokenen Lak erfunden hatten, welcher aus einem Grund
                              von Bleiweiß und Kreide mit Leimwasser angerieben bestand, worauf die Farben mit
                              Terpenthin aufgetragen wurden, verbreitete sich die Schildmalerei in einem größeren
                              Wirkungskreise, und die gestochenen Zifferblätter verloren sich allmählich. Die
                              sauberen glatten Schilde mit den in bunten und schreienden Farben auf schneeweißem
                              Grunde ausgeführten Blumen waren geeignet, die Augen des dem feineren Geschmake
                              unzugänglichen Landvolkes zu bestechen. So hatte die Schildmalerei keinen
                              unbedeutenden Einfluß auf die Erhöhung der Nachfrage und den Aufschwung der
                              Uhrenindustrie überhaupt. Unter den Männern, welche den Arbeiten eine haltbarere und
                              gefälligere Appretur zu geben verstanden, zeichnete sich der früher schon erwähnte,
                              nunmehr 73jährige Matthias Faller in Furtwangen aus,
                              welcher die Schildmalerei durch geschmakvollere Zeichnung und angenehmeres Colorit
                              auf einen künstlerischen Standpunkt zu erheben sich bemühte.
                           Um das Jahr 1780 erschienen Uhren und fanden guten Absaz, deren Gewichte alle acht
                              Tage nur einmal aufgezogen werden durften. 10 oder 12 Jahre darauf wurden jene
                              niedlichen kleinen Hänguhren erfunden, welche heutzutage unter allen Uhrenforten
                              einer der gesuchtesten Artikel sind. Sie gehen im Verkehr unter der Bezeichnung
                              „Zweimal Jokele“, welche der Volkswiz von ihrem Erfinder,
                              der sowohl mit dem Vor- als Geschlechtsnamen Jakob hieß, ableitete.
                           In den neunziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts hatte sich die Uhrenmanufactur
                              des Schwarzwaldes bereits auf einen sehr beachtenswerten Standpunkt erhoben, und
                              blühenden Wohlstand unter dem gewerbsamen Volke verbreitet. Da sich die
                              Manufacturisten je nach den Haupttheilen der Uhr oder den verschiedenen Gattungen in
                              einzelne Classen, wie: Großuhrenmacher, Kleinuhrenmacher, Spieluhrenmacher,
                              Schildmaler, Glokengießer u.s.w. abgesondert hatten, so zeigte sich auch der Einfluß der Arbeitsteilung
                              und eines fabrikmäßigen Betriebes auf die Vermehrung der Production und die
                              Verminderung des Preises in einer unverkennbaren Weise. Die Zahl aller
                              Uhrmachermeister wurde damals auf 500 geschäzt, welche zusammen jährlich 150,000
                              Uhren im durchschnittlichen Werthe von 450, 000 fl. producirten. Eine
                              „übersezte“ Uhr wurde damals aus der Hand des Arbeiters mit
                              3 st. 18 kr., eine Spieluhr mit 2–16 Louisd'or, eine Thurmuhr mit 60 fl.
                              bezahlt. Salomon Scherzinger verkaufte unter Anderem eine
                              Spieluhr mit Glokenspiel und Harfe für 300 fl. Es befanden sich ungefähr 10
                              Gießhütten auf dem Schwarzwalde, in welchen wenigstens 600 Cntr. Uhrengloken
                              jährlich gegossen wurden. Messingene Uhrenräder bezog man dazumal wohlfeiler, als
                              man sie auf dem Schwarzwalde gießen konnte, aus Nürnberg, nämlich das Pfund für 45
                              kr. Die Maschinen und Instrumente, womit der Uhrmacher seine Werkstube ausgestattet
                              hatte, waren einfach, sogar plump, doch erreichte der Uhrmacher durch sie seinen
                              Zwek, nämlich einen mechanischeren und deßwegen productiveren Betrieb seines
                              Handwerkes, auf eine befriedigende Weise. Durch ihre Vervollkommnung erwarb sich am
                              Ende des vorigen Jahrhunderts Professor Thaddens Rinderle in Freiburg, welcher die betriebsamen Bewohner mit
                              edler Uneigennüzigkeit in ihren Kunstbemühungen unterstüzte, ein hohes
                              Verdienst.
                           Im Jahre 1808 zählte der Amtsbezirk Tryberg 375 Uhrmacher, 36 Vorarbeiter,
                              Gestell- und Werkzeugmacher, 76 Nebenarbeiter, Schildmaler, Gießer u.s.w.,
                              und 303 Uhrenhändler. Unter 9013 Einwohnern nahmen also 790 Personen thätigen
                              erwerbenden Antheil an der Manufactur. Die Zahl sämmtlicher Uhrmacher wurde auf 688
                              geschäzt, welche jährlich 107, 328 Stük Uhren, im Werthe von 321, 984 fl.,
                              verfertigten.
                           Obgleich die politischen Stürme, welche in den beiden ersten Jahrzehnten des 19ten
                              Jahrhunderts Deutschland bewegten, auch auf die Uhrenindustrie des Schwarzwaldes
                              ihren nachtheiligen Einfluß bewährten, so war doch ein eigentliches Stoken der
                              Gewerbsamkeit und des Handels keineswegs zu bemerken; vielmehr suchte der Wälder die
                              Zeit, welche er in Folge verminderten Absazes erübrigen konnte, zur weiteren
                              Ausbildung und rationelleren Begründung seiner Kunst zu verwenden.
                           Die überraschendsten Fortschritte machte indessen die Spieluhrenfabrication. Sie sind
                              durch folgende, der unten citirten SchriftTryberg, oder Versuch einer Darstellung der
                                    Industrie und des Verkehrs auf dem Schwarzwalde. Constanz 1826.
                              entnommene Stelle mit
                              viel Wahrheit bezeichnet: „die Musik früherer Spielwerke wurde hüpfend,
                                 hart, schneidend im Tone und schwankend im Tacte vorgetragen. Die Auswahl der
                                 Musikstüke blieb noch unter dem Werthe des damaligen steifen musikalischen
                                 Geschmaks. Erst durch die Bemühungen der Musikkünstler Jakob Eberhard, Chorherrn in St. Märgen, und Philipp Weigel in St. Peter erwachte der gefälligere
                                 einschmeichelnde Ton, der in den kleinen musikalischen Galanterien der bessern
                                 Spieluhren entzükte. Der gebildete musikalische Geschmak eines Hrn. Eckhard, Regierungssecretär in
                                 Donaueschingen, und anderer Eingeweihten in der Tonkunst, welche Pleyel's, Haydn's und Mozarts Compositionen für Spielwerke der Uhrenmacher übersezten,
                                 hauchte endlich in diese Wälderautomate jenen Geist der Lieblichkeit, jenen
                                 Schmelz der Harmonie, der die wohlhabenderen Europäer verleitet, ein
                                 Wälderspielwerk als ein zur Vollständigkeit eines reichen Ameublements gehöriges
                                 Stük anzusehen. Dieser feinere musikalische Geschmak wäre aber für solche
                                 Spielwerke unerreichbar geblieben, hätte nicht die Kunst, die Noten auf die
                                 Walzen zu stechen, und die Pfeifen so rein zu stimmen, in den Uhrenmachern
                                 Martin Blessing in Furtwangen und Matthias Siedle in Gütenbach zwei Männer gefunden, welche den
                                 Vortheil erlauschten, das sanft Schleichende der spielenden Finger in die
                                 Stifte, und das melodisch Hauchende der Flöte in die Pfeifen zu legen. Auch die
                                 mechanische Einrichtung ihrer Spielwerke wußten sie so zu vervollkommnen, daß
                                 das Geklapper der Tasten und das Unsichere des Tactes in ihren Arbeiten
                                 verschwand.“
                              
                           Von den neuesten Fortschritten der Schwarzwälder Uhrenmanufactur und ihren
                              Nebenzweigen werden die Hauptabschnitte dieser Abhandlung eine ausführliche
                              Uebersicht geben. Es bleibt uns nur noch übrig, von der Entwiklung des Uhrenhandels
                              nach den vorhandenen Notizen eine gedrängte Darstellung in historischer Folge zu
                              geben. Bis zum Ende des 17ten Jahrhunderts hatten die Bewohner des Schwarzwaldes
                              keinen oder nur wenigen Verkehr mit dem offenen Lande, und erst der Verschluß der
                              Stroh- und Glaswaaren lokte um diese Zeit einen größeren Theil der nördlichen
                              Schwarzwälder zu einer Art von Handelsverkehr, der bald einen bedeutenden Umfang an
                              Waarenverlag und Handlungsterrain sich eroberte. Diese Glas- und
                              Strohhuthändler nahmen die ersten Uhren unter ihre Verlagsartikel. Da die
                              Uhrenmacher sahen, daß die Uhren ihnen reichen Gewinn gewährten, so pakten sie
                              selbst ihre Waare auf und durchwanderten mit denselben Schwaben, Breisgau und
                              Sachsen. Einer von ihnen, Jakob Winterhalter, trat schon
                              1720 eine Reise nach Sachsen an. Hier machte er eine neue Speculation, indem er von
                              da Kanarienvögel
                              heraustrug und sie rheinabwärts und endlich selbst nach Holland verhandelte. Als
                              dieser Versuch glükte, bildete sich eine eigene Gesellschaft von Uhren- und
                              Vogelhändlern in Gütenbach; Joseph Scherzinger und Franz
                              Faller waren die Hauptunternehmer derselben. Nun
                              dehnte sich der Uhrenhandel mehr und mehr aus. Im Jahre 1740 etablirte sich der
                              erste Stapelplaz für die Uhrenversendung im Magkraut bei Eisenbach, wohin die Uhren
                              gebracht, dann verpakt und von da versendet wurden. Das erste auswärtige Reich,
                              wohin diese Producte ihren Weg nahmen, war Frankreich.
                              Drei Händler, Philipp Föhrenbach von Schönwald, Christian
                              und Martin Grimm, vereinigten sich in eine Societät,
                              kauften von den Uhrmachern mehrere hundert Uhren auf, und reisten mit einigen
                              Knechten ins Innere des Landes. Nachdem sie dort eine Hauptniederlage etablirt
                              hatten, welche in der Folge vom Schwarzwalde aus mittelst Spedition mit Uhren
                              versehen wurde, vertheilten sie sich mit ihren Knechten im Lande, und durchzogen
                              Städte und Dörfer mit ihrer Waare. Innerhalb drei Decennien von 1740 bis 1770 dehnte
                              sich sofort der Uhrenhandel der Reihe nach auf folgende Länder aus: England, Irland, Schottland, Holland, Rußland, Polen, Ungarn,
                                 Siebenbürgen, Italien, Spanien, Portugal, Dänemark, Schweden, Nordamerika,
                                 Türkei und Aegpten.
                           Anfangs wurden dem freien Handel der Schwarzwälder in einigen Ländern, namentlich
                              Preußen, Rußland und Schweden, Hindernisse in den Weg gelegt. Allein sie wußten
                              diese Hindernisse hier durch ihre treuherzigen Vorstellungen, dort durch Geschenke
                              von Producten ihrer Kunst, womit sie die hohen Potentaten ergözten, größtentheils
                              glüklich zu beseitigen. Mit Schweden allein konnten sie nicht anders fertig werden,
                              als daß sie die Uhren in ihre einzelnen Theile zerlegt über die Gränze brachten, und
                              erst im Innern des Landes wieder zusammensezten. Sie durften daher ihre
                              Kunstproducte an der Gränze für keine Uhren, sondern für Materialien dazu ausgeben.
                              Als einer der nach Rußland handelnden Wälder der Kaiserin Katharina II. eine
                              künstliche Uhr verehrte, erhielt er mit seiner ganzen Gesellschaft die Erlaubniß,
                              den Handel durch das ganze russische Reich fortzusezen. Fünf Gebrüder Faller aus dem Schafhofe bei
                              Friedenweiler (Amtsbezirk Neustadt) hatten einen reinen Gewinn von 40, 000 fl. aus
                              ihrem Uhrenhandel gezogen, und als einer derselben, Matthias Faller, welcher nach der Türkei und Aegypten handelte, im Jahre 1779 den
                              Sultan mit einer Spieluhr beschenkte, so erhielt er einen Freibrief, in der ganzen
                              Türkei, ohne die geringste Abgabe, handeln zu dürfen. Derselbe Faller dehnte in den 90ger Jahren seinen Handel bis ins Innere von Asien aus, dessen
                              Bewohner besonders durch die Kukukuhren, welche sie für Zauberwerke hielten, in
                              Erstaunen gesezt wurden. Steyrer schäzt die Zahl der um
                              diese Zeit im Auslande umherhausirenden Schwarzwälder auf 500, meistens aus dem
                              Bezirke Neustadt und Tryberg.
                           Es ist und bleibt eine merkwürdige Thatsache, wie diese ins Große und Ausgedehnte
                              gehenden Handelsunternehmungen über ein Jahrhundert lang von Leuten betrieben werden
                              konnten, welche in die Theorie der Wechsel- und Handlungsnegotiationen eben
                              so wenig, wie in die Buchführung eingeweiht waren. „Sie brachten
                                 aber“, sagt Jäckle in seiner Schrift über Tryberg, „einen
                                 soliden, religiösen Charakter zu ihrem Geschäft. Ein offenes Herz, ohne
                                 Falschheit gegen die ihnen Waaren liefernden Arbeiter, war das Comptoir, worin
                                 sie ihr Soll und Haben heilig aufbewahrten, Vaterlandsliebe und Anhänglichkeit
                                 an ihre Mitbürger war des Wälderwechsels unfehlbarste Ordre, worauf jeder
                                 Arbeiter das Endossement an Bäker und Krämer, von denen er einstweilen einen
                                 Theil seiner Bedürfnisse bezog, sezen konnte.“ Ueber die allmählich
                              einreißende Corruption der Uhrenhändler fügt er noch folgende Notizen, welche wir in
                              abgekürzter Form mittheilen, bei. Gegen das Ende des 18ten Jahrhunderts fing diese
                              ungekünstelte Assecuranz des Wälderhandels zu sinken an. An die Stelle der redlichen
                              geraden Veteranen des Schwarzwälder Nationalgewerbes traten lokere gehaltlose Leute,
                              welche im Auslande die aus dem Vaterlande auf Credit erhaltenen Waaren
                              verschwendeten. Andere wurden Abenteurer im fremden Lande, siedelten sich an,
                              trieben die Uhrmachern und wurden Verräther ihres Vaterlandes.
                           Schwarzwälder waren es, die in Preußen Klage gegen ihre Landsleute erhoben, ihnen den
                              Eintritt in dieses Reich sperrten und den freien Handel dahin zernichteten;
                              Schwarzwälder waren es, die als eingekaufte Bürger Schwedens ihren Brüdern den
                              Handel in diesem Reiche entrissen u.s.w. Selbst ein Theil der Uhrmacher fing an
                              lokerer zu werden. Die Arbeiten wurden allmählich nachlässiger betrieben; ohne auf
                              den inneren Gehalt Rüksicht zu nehmen, sah man nur auf die Menge der Lieferung. Der
                              sinkende Credit der Arbeiter und allerlei Betrügereien zogen sogar Bankerotte nach
                              sich. Es fehlte zwar nicht an Vorschlägen und Versuchen, eine zunftähnliche
                              Gesellschaftsordnung für Uhrenmacher und Händler einzuführen, welche den bei einer
                              vollkommen freien Ausübung des Handwerks einreißenden Mißbräuchen vorbeugen, der
                              übermäßigen Concurrenz und deren Folgen Einhalt thun und dem Schwarzwalde seinen
                              bisherigen Credit erhalten sollte. Ein solcher Plan wurde im Jahre 1806 entworfen und von 35
                              Meistern, Händlern und Speditoren unterschrieben. Allein dieses Project, so
                              wohlmeinend seine Tendenz auch war, fand bei dem größten Theile der Uhrenmacher,
                              welche darin nur einen die Gewerbsamkeit und das Verdienst einengenden Zunftzwanz
                              sahen, keinen Anklang.
                           Uebrigens würde man zu weit gehen, wenn man annehmen wollte, das Uebel, welches jener
                              Gelehrte in zu grellen Farben schildert, habe sich auf eine für das Fortbestehen der
                              Industrie selbst beunruhigende Weise ausgebreitet. Verfall des Gewerbes konnte von
                              einem aufmerksamen Beobachter selbst in der ungünstigsten Periode nicht erkannt
                              werden. Periodische Schwankungen aber liegen in der Natur dieser von Wechselfällen
                              und mannichfachen mercantilischen Verhältnissen allerdings abhängigen Industrie.
                              Noch steht das Gebäude dieses Industriezweiges fest, Handel und Gewerbe blühen, noch
                              ist die alte Biederkeit und handfeste Treue des Schwarzwälders, jene anspruchslose
                              Zutraulichkeit, um seinen einfachen Herd zu finden. Das Gift der Corruption, welches
                              startbevölkerte Fabrikdistricte heimzusuchen Pflegt, hat in diesen hohen isolirten
                              Waldgegenden noch auf keine beunruhigende Weise Eingang finden können. Wenn auch
                              jene absolute Selbstständigkeit des Holzuhrenmachers, deren er sich vormals
                              erfreute, einem zum Theil von den Launen des Händlers abhängigen Verhältnisse Plaz
                              gemacht hat, wenn er auch eben nicht mehr spielend wie vordem, sondern im Schweiße
                              seines Angesichts sein Brod erwerben muß, so findet doch jeder fleißige Arbeiter ein
                              Auskommen, welches ihm die Ansprüche auf höheren Lebensgenuß sichert.
                           
                        
                           Erster Abschnitt. Ueber den
                              Umfang des Manufacturdistricts im Allgemeinen. Zahl der an der Uhrenindustrie
                              thätigen Antheil Nehmenden. Fabrikartige Theilung der Arbeit. Aufzählung der
                              einzelnen Manufacturzweige. Lebensart des Uhrmachers.
                           Wenn auf der einen Seite die große Ausdehnung des Schwarzwälder Uhrenhandels und die
                              Lebhaftigkeit, womit derselbe bis in die entferntesten Regionen sich die Bahn
                              gebrochen hat, Bewunderung erregt, so muß man auf der andern Seite nicht minder über
                              den kleinen District erstaunen, auf welchem dieser provincielle Industriezweig
                              betrieben wird, dessen Producte in so großen Massen nach allen Weltgegenden wandern.
                              Der Hauptsiz und die Wiege der Wälderuhren-Fabrication sind die beiden
                              badischen Amtsbezirke Neustadt und Tryberg. In einigen angränzenden-Aemtern, wie Hornberg, Villingen, Bräunlingen und
                              Waldkirch haben sich zwar auch hin und wieder Uhrenmacher zerstreut angesiedelt,
                              ihre Anzahl jedoch ist in Vergleich mit der Menge der in den genannten zwei Aemtern
                              ansässigen sehr gering. Als ein Ableger der badischen Wälderuhrenindustrie ist die
                              im Marktfleken Schwenningen im Würtembergischen, an der Gränze des Schwarzwaldes
                              betriebene Holzuhrenmacherei bemerkenswerth. Hierüber werden später einige nähere
                              Notizen folgen.
                           Die neueste Volkszählung ergab für das Bezirksamt Neustadt
                              15,281 Einwohner in 32 Gemeinden, für das Amt Tryberg
                              11,858 Einwohner in 11 Gemeinden. Der Flächeninhalt beider Bezirke beträgt ungefähr
                              7 Quadratmeilen, wonach auf die Quadratmeile eine Bevölkerung von 3800 Seelen kommt.
                              Im Neustädter Bezirk wird in 29 Gemeinden die Uhrmachern mit ihren Nebenzweigen
                              betrieben, und die Zahl der an dieser Industrie thätigen Antheil nehmenden Meister beträgt 545 mit Inbegriff von 162 Uhrenhändlern
                              und Speditoren. Im Amte Tryberg ist in allen 11 Ortschaften die Uhrenmacherei zu
                              treffen, und die Zahl aller in diesem Gewerbe thätigen Meister belief sich im Laufe des Jahres 1838 auf 668, worunter 61
                              Spediteurs. Die Uhrenindustrie in beiden Bezirksämtern zusammen wird demnach durch
                              1213 selbstständige Individuen repräsentirt, und kommt auf 22 Bewohner 1 Meister.
                              Die Zahl der in den oben genannten angränzenden Amtsbezirken hin und wieder
                              zerstreuten Uhrenmacher, Vor- und Nebenarbeiter konnte ich nicht genau
                              ermitteln; sie dürfte indessen schwerlich 80–100 übersteigen. Ich füge diese
                              Zahl obigem numerischem Resultate absichtlich nicht bei, um den Werth der
                              vorliegenden verbürgten Angaben über die Zahl der in den Aemtern Tryberg und
                              Neustadt Beschäftigten durch Hinzusezung unverbürgter näherungsweiser Berechnungen
                              nicht zu mindern. Uebrigens ist zu bemerken, daß die Producte der auch außerhalb
                              Tryberg und Neustadt etablirten Meister mit den diesseitigen Producten an bestimmten
                              Orten gemeinschaftlich verpakt werden, und daher bei der Untersuchung der
                              Gesammtproduction mit in Rechnung gezogen sind.
                           Da nun nach den Mittheilungen sachkundiger Männer auf jeden Meister der fabricirenden
                              Classe im Durchschnitt 2 Gesellen und 2 Gehülfen zu rechnen sindDie Angabe der Gesellen- und Gehülfenzahl darf in den
                                    Gewerbsteuerkatastern nicht als durchgängig richtig angenommen werden, weil
                                    viele Meister aus leicht zu errathenden Gründen die Zahl ihrer Hülfsarbeiter
                                    geringer angeben, als sie wirklich ist., so ergibt sich als sehr wahrscheinliches Resultat die Zahl von 5173
                              Individuen, welche in den Amtsdistricten Tryberg und Neustadt, in 40 Ortschaften
                              vertheilt, durch den Betrieb der Schwarzwälder Uhrenmanufactur und des Uhrenhandels
                              Beschäftigung und Nahrung finden. Im Amte Neustadt, dessen Arbeiterzahl mit
                              Inbegriff der Speditoren unter obiger Annahme 2077 beträgt, kommt demnach auf 7 3/10
                              Einwohner, im Amte Tryberg, dessen Arbeiterzahl sich auf 3096 beläuft, auf 3 8/10,
                              oder beinahe 4 Einwohner ein in der Uhrenindustrie Beschäftigter, woraus hervorgeht,
                              daß im Tryberger Districte in Beziehung auf den in Rede stehenden Gewerbszweig eine
                              größere Thätigkeit herrscht, als im Neustädter. Im Amtsbezirke Neustadt kommt auf 94
                              Einwohner ein Spediteur oder Paker, und auf 8 Einwohner ein Manufacturist, in
                              Tryberg auf 194 Einwohner ein Spediteur, und auf 4 Einwohner ein Manufacturist.
                              Hieraus ergibt sich die Folgerung, daß im ersteren der Uhrenhandel, im lezteren die Uhrenfabrication mehr
                              blüht. Von allen diesen Verhältnissen werden die am geeigneten Orte folgenden
                              statistischen Tabellen genaue Rechenschaft geben.
                           Da der stiefmütterliche Boden unvermögend ist, eine Bevölkerung zu ernähren, welche
                              in Folge steigender Gewerbsamkeit und des mit derselben parallel gehenden
                              Wohlstandes innerhalb 30 Jahren sich verdoppelt hat, und noch fortwährend im
                              Zunehmen begriffen ist, so beruht die Existenz des Manufacturisten einzig und allein
                              auf der industriellen Basis. Würde diese untergraben, so stände den bezeichneten
                              Industriebezirken ein gänzlicher Verfall und Verarmung bevor. Der größte Theil der
                              geringen, außerhalb der Waldungen disponiblen Bodenstreke dient als Mattfeld, d.h.
                              Waideplaz für die Viehzucht, der übrige Theil wird zum Anbau der Kartoffel, welche
                              die Hauptnahrung des Gewerbsmannes bildet, benuzt. Vor 40 Jahren betrieb der
                              Schwarzwald als Nebenerwerbsquelle mit der benachbarten Baar und Schwaben einen Handelsverkehr mit den
                              Ergebnissen der Viehzucht, mit Butter, Schmalz und Spek. Als aber die Bewohner der
                              Baar, durch die in den 90ger Jahren herrschende Viehseuche gewizigt, sich selbst
                              einem sorgfältigeren Betriebe der Viehzucht Hingaben und zur Ueberzeugung gelangten,
                              daß sie den Schwarzwald entbehren können, so ging auch dieser Nahrungszweig für den
                              Wald verloren.
                           Der äußere Anblik derjenigen Ortschaften, welche die Schwarzwälder Nationalindustrie
                              belebt, ist geeignet, durch jenes unverkennbare, überall durchblikende Gepräge der
                              Reinlichkeit und Nettigkeit einen freundlichen, zum Voraus für die Inwohner
                              einnehmenden Eindruk zu machen. Als das acht nationale Bild eines Schwarzwälder
                              Manufacturortes darf der Marktfleken Furtwangen mit 2483
                              Seelen im Tryberger Amtsdistricte angesehen werden. Furtwangen, der Brennpunkt der
                              Uhrenmanufactur, dehnt sich in den Windungen eines freundlichen, von waldigen Höhen umgebenen
                              Wiesenthales in einer Länge von beinahe 2 Stunden aus, eine Menge
                              „Zinken“ (einzelne Häusergruppen) in die Seitenthäler
                              erstrekend. Die Häuser selbst stehen entweder vereinzelt, oder in regellosen Gruppen
                              weit von einander ab, und nur um die Kirche herum bilden sich einige
                              zusammenhängende Reihen. Sie sind äußerst sauber mit Holzziegeln bedekt, beinahe
                              durchgängig mit Blizableitern versehen, und verfehlen nicht, durch ihr nettes und
                              reinliches Aussehen in dem Reisenden den Eindruk eines heitern Bildes zu
                              hinterlassen. Die Werkstätte des Uhrmachers erkennt man, wenn die Aufmerksamkeit
                              durch das aus derselben hervorbringende Geräusch nicht zum Voraus darauf hingelenkt
                              wird, schon an der auffallenden Reihe von Fenstern, welche ohne Zwischenräume dicht
                              an einander liegen, und in der Werkstube eine solche Helligkeit verbreiten, daß der
                              Besuchende sich beinahe ins Freie versezt fühlt.
                           Ueber die Anzahl der in den verschiedenen Ortschaften mit der Uhrenindustrie im
                              Allgemeinen beschäftigten Meister, so wie auch über die Intensität der Industrie in
                              jedem einzelnen Orte, gibt folgende, aus den Gewerbsteuerkatastern vom Jahre 1838
                              zusammengestellte Tabelle den nöthigen Aufschluß:
                           
                              
                                                   
                                       Amtsbezirk Tryberg.
                                 
                              
                                 
                                  Namender
                                       Orte
                                 Einwohnerzahl
                                 Zahl derMeister
                                      
                                    Verhaͤltniß der    Einwohnerzahl
                                    zurder Ortezahl der Meister 
                                 
                              
                                   1
                                 Furtwangen
                                       2483
                                   184
                                           13,4
                                    : 1
                                 
                              
                                   2
                                 Gremelsbach
                                         575
                                       6
                                           95,8
                                    : 1
                                 
                              
                                   3
                                 Guͤtenbach
                                       1145
                                   101
                                           11,3
                                    : 1
                                 
                              
                                   4
                                 Neukirch
                                       1065
                                   105
                                           10,1
                                    : 1
                                 
                              
                                   5
                                 Niederwasser
                                         549
                                       6
                                           91,5
                                    : 1
                                 
                              
                                   6
                                 Nusbach
                                       1060
                                     52
                                           20,3
                                    : 1
                                 
                              
                                   7
                                 Rohrbach
                                         552
                                     30
                                           15    :
                                    1
                                 
                              
                                   8
                                 Rohrhardsberg
                                         294
                                       1
                                         294    :
                                    1
                                 
                              
                                   9
                                 Schoͤnwald
                                       1756
                                   117
                                           15    :
                                    1
                                 
                              
                                 10
                                 Schonach
                                       1306
                                     32
                                           40,6
                                    : 1
                                 
                              
                                 11
                                 Tryberg
                                       1073
                                     34
                                           30,6
                                    : 1
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 Summa:
                                   11, 858
                                   668
                                 
                                 
                              
                           
                           
                              
                                                   
                                       Amtsbezirk Neustadt.
                                 
                              
                                 
                                  Namender
                                       Orte
                                  Einwohnerzahl
                                 Zahl derMeister
                                      
                                    Verhaͤltniß der    Einwohnerzahl
                                    zurder Ortezahl der Meister 
                                 
                              
                                   1
                                 Altglashuͤtte
                                       
                                    224
                                     16
                                           14    :
                                    1
                                 
                              
                                   2
                                 Baͤrenthal
                                       
                                    168
                                       7
                                           24    :
                                    1
                                 
                              
                                   3
                                 Berg
                                       
                                    107
                                       6
                                           17,8
                                    : 1
                                 
                              
                                   4
                                 Bregenbach
                                       
                                    148
                                       4
                                         148    :
                                    1
                                 
                              
                                   5
                                 Dittishausen
                                       
                                    380
                                       1
                                         280    :
                                    1
                                 
                              
                                   6
                                 Gisenbach
                                       
                                    577
                                     50
                                           11,5
                                    : 1
                                 
                              
                                   7
                                 Falkau
                                       
                                    261
                                     23
                                           11,3
                                    : 1
                                 
                              
                                   8
                                 Fischbach
                                       
                                    217
                                       4
                                           54,2
                                    : 1
                                 
                              
                                   9
                                 Friedenweiler
                                       
                                    190
                                       8
                                           23,7
                                    : 1
                                 
                              
                                 10
                                 Goͤschweiler
                                       
                                    405
                                       3
                                         135    :
                                    1
                                 
                              
                                 11
                                 Gruͤnwald
                                       
                                    132
                                       1
                                         132    :
                                    1
                                 
                              
                                 12
                                 Hinterhaͤuser
                                          57
                                       1
                                           57    :
                                    1
                                 
                              
                                 13
                                 Kappel
                                       
                                    521
                                     35
                                           14,8
                                    : 1
                                 
                              
                                 14
                                 Langenbach
                                       
                                    386
                                     15
                                           25,4
                                    : 1
                                 
                              
                                 15
                                 Langenordnach
                                       
                                    300
                                       6
                                           50    :
                                    1
                                 
                              
                                 16
                                 Linach
                                       
                                    266
                                     13
                                           20,4
                                    : 1
                                 
                              
                                 17
                                 Loͤffingen
                                      1010
                                       6
                                         168,3 :
                                    1
                                 
                              
                                 18
                                 Neuglashuͤtten
                                          97
                                       2
                                           48,5
                                    : 1
                                 
                              
                                 19
                                 Neustadt
                                      1804
                                     91
                                           19,8
                                    : 1
                                 
                              
                                 20
                                 Oberlenzkirch
                                       
                                    669
                                     53
                                           20,2
                                    : 1
                                 
                              
                                 21
                                 Raithenbuch
                                       
                                    156
                                       7
                                           22,2
                                    : 1
                                 
                              
                                 22
                                 Roͤthenbach
                                       
                                    636
                                     30
                                           21,2
                                    : 1
                                 
                              
                                 23
                                 Rudenberg
                                       
                                    295
                                     22
                                           13,4
                                    : 1
                                 
                              
                                 24
                                 Saig
                                       
                                    465
                                       2
                                           38,7
                                    : 1
                                 
                              
                                 25
                                 Schoͤnenbach
                                       
                                    541
                                     26
                                           20,8
                                    : 1
                                 
                              
                                 26
                                 Schollach
                                       
                                    458
                                     18
                                           25,4
                                    : 1
                                 
                              
                                 27
                                 Schwarzenbach
                                       
                                    384
                                     18
                                           21,3
                                    : 1
                                 
                              
                                 28
                                 Schwende
                                          36
                                       1
                                           36    :
                                    1
                                 
                              
                                 29
                                 Unterlenzkirch
                                       
                                    387
                                     23
                                           16,8
                                    : 1
                                 
                              
                                 30
                                 Urach
                                       
                                    607
                                     24
                                           25,2
                                    : 1
                                 
                              
                                 31
                                 Bierthaͤler
                                      1088
                                     16
                                           68    :
                                    1
                                 
                              
                                 32
                                 Boͤhrenbach
                                      1052
                                     26
                                           40,4
                                    : 1
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 Summa:
                                   14,024
                                   445
                                 
                                 
                              
                           Nimmt man als Maaßstab für die Größe der Industrie in den einzelnen Ortschaften die
                              absolute Zahl der vorhandenen Meister, so stellen sich den vorliegenden Tabellen
                              gemäß als die industriösesten Orte heraus: Furtwangen mit 184, Schönwald mit 117,
                              Neukirch mit 105, Gütenbach mit 101, Neustadt mit 96, Eisenbach mit 50, Tryberg mit
                              34 Meistern u.s.w. Berüksichtigt man aber das Verhältniß der Ortseinwohnerzahl zur
                              Zahl der Manufacturisten und Händler, so bietet Neukirch das für die Industrie
                              günstigste Verhältniß dar, und nach ihm folgen: Gütenbach und Falkau, Eisenbach,
                              Furtwangen und Rudenberg, Altglashütte, Kappet, Schönwald und Rohrbach u.s.w. In der Tabelle
                              für Neustadt sind folgende 12 Orte: Eggbach, Hammereisenbach, Kirnberg, Krähenbach,
                              Olpenhütte, Raiterswies, Reiselfingen, Seppenhofen, Siedelbach, Stallegg, Weiler und
                              Windgfäll, zusammen mit 1257 Einwohnern nicht aufgeführt, weil in ihnen die
                              Uhrenindustrie gar nicht vorkommt.
                           Die Schwarzwälder Uhrenmanufactur bietet das interessante Beispiel eines
                              Industriezweiges dar, welcher, sich selbst überlassen, zu einem ungekünstelten,
                              vollkommen fabrikartigen Betriebe sich erhoben hat. Sein gesunder praktischer
                              Verstand ließ den Wälder jene wichtigen Principien, auf deren Anwendung die
                              großartigen Resultate der Fabriksthätigkeit sich gründen, in ihrer vollen Bedeutung
                              auffassen und durchschauen. So kommt es, daß das wohlthätige Princip der
                              Arbeitsteilung im ausgedehntesten Sinne im Districte der Uhrenfabrication
                              einheimisch geworden ist. Zwei Hauptclassen sind es zunächst, in welche sich die
                              Uhrenindustrie absondert, und beide sind in gewisser Rüksicht scharf von einander
                              getrennt, nämlich Manufactur und Handel. Wer die industriellen Verhältnisse etwas
                              näher zu beobachten die Gelegenheit hat, dem kann die eigentümliche Stellung, welche
                              diese beiden Geschäftszweige zu einander haben, nicht entgehen. Man wird durch den
                              Grad industrieller Überlegenheit, welchen die Ergreifung der mercantilischen
                              Laufbahn dem Uhrenhändler über den Manufacturisten gibt, unwillkürlich an das
                              Verhältniß eines Fabrikherrn zu seinen Arbeitern erinnert. Der Händler ist es,
                              welcher vom fernen Auslande und von fremden Welttheilen aus die Fabrication
                              gewissermaßen regiert; er kauft vom Uhrmacher die Waare auf oder läßt sie aufkaufen,
                              und bestellt sie nach seiner Willkür bei diesem und jenem Meister; von der
                              Ausdehnung seiner Handelsspeculationen hängt die Quantität der Production ab, so wie
                              es auch in seiner Macht liegt, die Fabrikpreise der Uhren zu seinem Vortheile
                              herabzudrüken, wobei die freie Concurrenz der Arbeiter ihm zu Hülfe kommt. Diese
                              Verhältnisse sollen am geeigneten Orte näher beleuchtet werden.
                           Die Uhrenmanufactur selbst sondert sich, je nach den einzelnen Hauptbestandteilen der
                              Uhr und ihren Gattungen, auf eine durchaus fabrikgemäße Weise in eben so viele
                              einzelne für sich bestehende, aber vollkommen in einander greifende Zweige ab. Es
                              ist höchst interessant, dieses ungekünstelte System zu beobachten, wie seine Theile,
                              von dem Geiste nationaler Einheit und Ordnung regiert, zusammenwirken, in einander
                              greifen und jenes natürliche Gleichgewicht zu einander behaupten, ohne welches kein
                              regelmäßiger Betrieb einer Fabrik denkbar ist.
                           In Rüksicht auf diejenigen Uhrentheile, welche einer fabrikmäßigen Bearbeitung unterliegen und
                              zugleich einen für sich bestehenden Erwerbszweig begründen, so wie auch auf die mit
                              der in Rede stehenden Fabrication zusammenhängenden Vorarbeiten, lassen sich
                              sämmtliche in dem technischen Gebiete der Uhrenindustrie Beschäftigten in folgende 9
                              Classen eintheilen:
                           1) Der Brettermacher und Schilddreher, welcher das fürs Zifferblatt bestimmte Brett aus gespaltenem
                              Tannenholze bereitet und mit der bekannten Wölbung abdreht;
                           2) der Schildmaler, welcher die Uhrenschilde lakirt,
                              bemalt und mit den Ziffern versieht;
                           3) der Uhrengloken- und Uhrenrädergießer;
                           4) der Tonfedernmacher;
                           5) der Kettenmacher, welcher die zum Aufziehen der Uhren
                              anstatt gewöhnlicher Schnüre häufig gebräuchlichen Messing- oder Eisenketten
                              verfertigt;
                           6) der Uhrengestellmacher;
                           7) der Uhrenräderdreher, welcher die aus der Gießhütte
                              kommenden rohen unverzahnten Räder glatt dreht;
                           8) der Uhrenmacher. Dieser arbeitet die von den
                              vorhergehenden, zum Theil in rohem Zustande ihm zukommenden Theile ins Feinere aus,
                              sezt sie zusammen, regulirt und adjustirt sie u.s.w.;
                           9) der Verfertiger der Uhrmacherwerkzeuge.
                           Alle diese speciellen Zweige werden in der angeführten Reihenfolge im folgenden
                              Abschnitte ausführlich abgehandelt werden. Eine besondere technische Abtheilung,
                              welche sich nach und nach von der Uhrenmanufactur losgetrennt und zu einem für sich
                              bestehenden selbstständigen Kunstzweig erhoben hat, bildet die Fabrication größerer
                              musikalischer Spielwerke. Ich werde ihr einen eigenen Abschnitt widmen.
                           Das vorliegende System der Arbeitstheilung erstrekt sich über das ganze Gebiet der
                              Uhrenindustrie, zum Beweis, daß dasselbe als eine wesentliche Bedingung zum
                              Fortbestehen dieser Manufactur allgemein erkannt wird. Zieht man den Umstand in
                              Erwägung, daß in Folge des Entstehens anderweitiger Metalluhrenfabriken, ihres
                              mechanischen Betriebes und der Concurrenz solcher Etablissements die Preise
                              eleganter Standuhren beinahe auf den Preis gewöhnlicher Taschenuhren herabgesunken
                              sind, so wird man es begreiflich finden, daß der Schwarzwälder nur durch die ins
                              Einzelne gehende Theilung der Beschäftigung, verbunden mit seinem unermüdlichen
                              Fleiße, es ermöglichen konnte, die Preise seiner Producte in entsprechendem Maaße so
                              weit herabzusezen, daß die Nachfrage auf constantem Niveau blieb. Bergleicht man den
                              gegenwärtigen Zustand der Uhrenfabrication mit früheren Perioden, so tritt, wie überall, so auch
                              hier, der Einfluß der Arbeitstheilung auf Vermehrung der Production, Verminderung
                              des Preises und Erhöhung der Geschiklichkeit des Arbeiters, so wie auch auf die
                              Erwekung des Erfindungsgeistes und Vervollkommnung des Fabricates augenscheinlich
                              vor die Seele. Indem der Manufacturist mit einem einzelnen Theile der Uhr Jahr aus
                              Jahr ein beschäftigt ist, gewinnt er offenbar die Zeit, welche früher beim
                              abwechselnden Uebergange von einem Geschäfte zum andern, z.B. vom Gestellmachen zum
                              Uhrenmachen, nothwendig verloren gehen mußte.Smith bemerkt in stimm Werke über Nationalreichthum Ad. I. S. 16 der Garve'schen Uebersezung sehr treffend:
                                    „Jeder faullenzt und zaubert ein wenig, wenn er eine Art der Arbeit bei Seite legt, um eine
                                       andere vorzunehmen. Beim ersten Anfang
                                       der neuen geht der Arbeiter selten recht herzhaft und thätig zu Werke.
                                       Sein Geist ist noch nicht gleich dabei, wenn er auch schon die Hand
                                       angelegt hat, und eine Zeit lang spielt er mehr, als daß er ernstlich
                                       und mit Erfolg arbeiten sollte.“
                                     Durch beständige Wiederholung einer und derselben Arbeit eignet er sich
                              einen Grad von Geschiklichkeit und mechanischer Fertigkeit in den Manipulationen an,
                              welche der mit verschiedenen technischen Operationen Beschäftigte nie erreichen
                              kann; bei seiner ungetheilten, auf einen und denselben mechanischen Zweig
                              fortwährend gerichteten Aufmerksamkeit wird das ihm angeborne Erfindungstalent
                              unwillkürlich auf die Verbesserung und Erfindung von Werkzeugen und Maschinen, so
                              wie auch überhaupt auf eine Menge mechanischer Kunstgriffe geleitet, welche ihm
                              entgehen müßten, wenn seine Aufmerksamkeit unter eine Menge heterogener Arbeiten
                              zerstreut wäre. Bei der Uhrenmanufactur nun hat sich dieser allgemeine Saz so
                              evident wie nur irgendwo anders bestätigt gefunden. Daß endlich überdieß bereits
                              eigene mechanische Werkstätten für die Verfertigung der zur Uhrmachern und deren
                              Vor- und Nebenarbeiten dienlichen Instrumente, Maschinen und Werkzeuge im
                              Betriebe sind, darf als ein weiteres industrielles Beförderungsmittel und als ein
                              ersprießlicher Zweig der Arbeitsteilung nicht übersehen werden. Die lezteren
                              Anstalten liefern dem Producenten das erforderliche Arbeitszeug weit vollkommner,
                              als wenn er selbst mit deren Verfertigung sich befassen wollte, und bilden ein Glied
                              jener den Wohlstand des Schwarzwälder Inbustriebezirkes fördernden und
                              zusammenhaltenden Kette.
                           Ehe wir auf die speciell technischen und statistischen Darstellungen der einzelnen
                              Fabricationszweige übergehen, dürften einige Bemerkungen über den bürgerlichen
                              Charakter, den Haushalt und die Lebensart des industriellen Wälders, sein Verhältniß
                              zum Staat u.s.w. nicht überflüssig seyn.
                           
                           In dumpfer Unwissenheit und Trägheit verlebte der Schwarzwälder vor 150 Jahren sein
                              einförmiges Daseyn. Aber dieses Volk barg einen Bildungskeim in sich, welcher, unter
                              dem Aufleben der Industrie Wurzel fassend, eine durchgreifende Reform seiner
                              geistigen und materiellen Zustände herbeigeführt hat. Industrielle Betriebsamkeit
                              wirkt mächtig auf das innere Volksleben. Sie gibt nicht allein den materiellen
                              Interessen einen höheren Schwung, sondern rükwirkt sichtbar auf die geistige Bildung
                              des Volkes, indem sie den schlummernden Funken der Intelligenz wekt, den Tausch der
                              Gedanken fördert und den Geist in reger speculativer Thätigkeit erhält.
                           Der Schwarzwälder Uhrenmanufacturist besizt, wie schon bemerkt, einen
                              unerschöpflichen Fleiß. Nur durch diesen ist er im Stande, bei den durch die
                              Concurrenz unter sich und die Schlauheit des Handelspersonals herabgedrükten
                              Productenpreisen seine Existenz zu sichern und sich auf dem Niveau eines
                              bescheidenen Wohlstandes zu erhalten. Reichthum ist höchst selten bei einem
                              Uhrmacher zu treffen, wogegen die Beispiele reicher Uhrenhändler häufig sind. Leider
                              veranlaßte die größere Wahrscheinlichkeit, als Uhrenhändler reich zu werden und die
                              mehrfachen günstigen Beispiele zu dem noch immer stark verbreiteten Vorurtheil, als
                              sey der Uhrenhandel ein Geschäft, welches so von selbst, ohne vieles Zuthun, seine
                              Früchte trage; ein unseliger Irrthum, welcher das Glük mancher Familie untergraben
                              hat. Denn da es als ein Leichtes angesehen wurde, vermittelst des Uhrenhandels seine
                              Existenz sicher zu stellen, so drängten sich viele leichtsinnige und talentlose
                              Subjecte, oder solche, welche zur Ausübung eines Handwerks zu faul waren, zum
                              Uhrenhandel; die verblendeten Uhrenmacher gaben ihnen auf Credit ihre Uhren mit auf
                              die Reise, und nach wenigen Jahren kam ein Theil als Bettler zurük, von andern hörte
                              man gar nichts mehr. Ohne speculativen Scharfsinn, Thätigkeit, Sparsamkeit und
                              Ordnung in der Buchführung schwingt sich der Uhrenhändler eben so wenig auf einen
                              grünen Zweig, als der Uhrenmacher, wenn er schlecht und nachlässig arbeitet, oder
                              das, was er sich in der Woche verdient, am Sonntag verpraßt. Das Risico des
                              Fabrikanten ist nicht groß; arbeitet er gut, so darf ihm wegen Abgang seiner Waare
                              nicht bange seyn. Der Händler, welcher bedeutende Quantitäten Uhren zugleich
                              aufkauft und sie baar bezahlt, was freilich nicht immer der Fall ist, darf mit Recht
                              wegen des mit seinem Geschäfte verbundenen Risico's auf einen bedeutenderen
                              Unternehmergewinn Anspruch machen, als der Uhrenmacher, dessen Geschäft, wenn er
                              fleißig und gut arbeitet und mit dem Verkaufe seiner Waare vorsichtig ist, einen
                              ruhigen und ungefährdeten Fortgang hat. Daher darf es nicht auffallend scheinen,
                              wenn die Unternehmungen der Uhrenhändler öfter und schneller zum Reichthum führen,
                              als die der Producenten. Der Uhrmacher arbeitet mit seinen Gesellen regelmäßig von Morgens 5 Uhr bis Abends
                              9 Uhr; nach Umständen, wenn z.B. die Nachfrage stärker wird, auch bis 10 Uhr. Um 11
                              Uhr nimmt er mit seinen Gesellen das einfache gesunde Mittagmahl zu sich, welches in
                              Kartoffeln, Milch und Spek besteht; zweimal in der Woche kommt Fleisch auf den
                              Tisch. Die ganze Woche über kommt der Industrielle nicht aus dem Hause; den Sonntag
                              dagegen widmet er dem Vergnügen und der Geselligkeit. Höchst selten überschreitet er
                              hierin das Maaß; sein solides und nüchternes Wesen verläßt ihn auch jezt nicht, wo
                              er nach einer streng durcharbeiteten Woche zwangloser sich gehen zu lassen
                              berechtigt ist. Das Wirthshaus indessen ist für ihn nicht der Tummelplaz der Lust,
                              es ist vielmehr seine Börse. Nirgends hat man wohl Gelegenheit, das Geschäftsleben,
                              die Nationalität des industriellen Wälders besser zu beobachten, als in Furtwangen
                              an einem Sonntage. Unmittelbar nach der Kirche ist das Wirthshaus von Uhrenmachern
                              und Handelsleuten angefüllt. Man sezt sich nicht, sondern gehend oder in Gruppen
                              vertheilt, und bei einem Gläschen Liqueur wird über gewerbliche Gegenstände
                              discutirt, Handel aller Art werden geschlossen, Bestellungen gemacht, und in die
                              Brieftaschen notirt. Hier erzählt, von einem Kreise aufmerksamer Zuhörer umgeben,
                              ein aus dem Auslande Zurükgekehrter seine Schiksale, berichtet über den Gang der
                              Geschäfte, theilt seine Beobachtungen über Sitten und Gebräuche fremder Völker mit;
                              dort liest der Vater seinen Freunden und Verwandten einen Brief von seinem in
                              Amerika befindlichen Sohne vor. Hinsichtlich der Kleidung des Uhrmachers, so wie
                              überhaupt seiner ganzen Lebensart und seiner Manieren ist zu bemerken, daß alles
                              Bäurische daraus verschwunden ist, und einem mehr bürgerlich städtischen Gepräge
                              Plaz gemacht hat.
                           Dem fremden Besuchenden erscheint der Gewerbsmann anfänglich wohl etwas kalt, oft
                              auch zurükhaltend und verlegen, selten aber mißtrauisch. Seine Zurükhaltung geht
                              jedoch in offenes Vertrauen über, sobald er sich von dem Interesse des Fremden für
                              sein Gewerbe überzeugt hat. Seine Maschinen, seine sinnreichen, einfachen Apparate,
                              seine mannichfachen technischen Kunstgriffe zeigt und erklärt er alsdann mit der
                              größten Bereitwilligkeit, ohne dem geringsten Mißtrauen Raum zu geben. Für ihn gibt
                              es nur eine Classe, welcher er kein unbedingtes Vertrauen zu schenken scheint, die
                              Uhrenhändler und Speditoren. Der Umstand, daß in seinem mechanischen Gewerbe doch
                              nicht jenes abstumpfende, geisttödtende Einerlei liegt, sondern daß vielmehr seine
                              Geistesthätigkeit durch ein fortwährendes Streben nach Vervollkommnung und durch das
                              Bedürfniß nach Abwechslung in der Form der Producte in steter Uebung gehalten wird,
                              schärft seinen praktischen Verstand und erwekt in ihm zugleich eine besondere
                              Empfänglichkeit für Bildung. Den Reisenden überrascht der Grad von Intelligenz,
                              welcher in jeder Hütte zu finden ist. An der Ursache dieser Erscheinung hat der
                              Handel ohne Zweifel den Hauptantheil. Der lebhafte Verkehr mit dem Auslande, mit
                              allen Nationen, das beständige Ab- und Zugehen der Handelsleute muß auch auf
                              die zurükbleibende Bevölkerung in gewissem Grade civilisirend wirken. Die Begriffe
                              über Geographie, Völker- und Sprachkunde prägen sich ihr auf diesem
                              ungekünstelten Wege gleichsam spielend tief und dauernd ein. So äußern sich unter
                              Anderm die Wirkungen des Verkehrs mit England durch viele englische Ausdrüke, welche
                              sich in die Schwarzwälder Volkssprache eingenistet haben. Am Sonntag hört man in
                              einem gewöhnlichen Dorfwirthshause in der Wirthsstube oft in mehreren Sprachen,
                              Englisch, Französisch und Italienisch, sehr lebhaft reden. Es sind Schwarzwälder
                              Uhrenhändler, welche, von ihren Reisen auf einige Wochen in die Heimath
                              zurükgekehrt, sich das Vergnügen nicht versagen können, durch die im Ausland
                              erworbene Sprachkenntniß ihren Landsleuten zu imponiren. Der Händler verräth bei
                              seinem speculativen Talente, seiner natürlichen Auffassungsgabe, seiner
                              Empfänglichkeit für Geistesbildung, häufig eine gewisse Neigung zum Luxus, welche
                              bei gutem Fortgange des Geschäftes, durch die Umgebungen und die Gelegenheit, sie zu
                              befriedigen, genährt, nicht selten in zweklose Prahlerei ausartet. Der Verfasser sah
                              junge Leute, welche in goldenen Ketten sich brüstend, mit den nachgeahmten Manieren
                              eines Gentleman den brittischen Dandysmus auf den Schwarzwald überpflanzen zu wollen
                              schienen. Schädlich wirkt ein solches Benehmen einzelner jedoch nur insofern, als es
                              leicht nichtsnuzige Individuen reizen kann, sich dem Uhrenhandel hinzugeben. Allein
                              leider kehrt ein nicht unbedeutender Theil des Handelspersonals, welcher roh und
                              ungebildet das Land verlassen, nachdem er sich im Ausland unter den niedrigsten
                              Volksclassen herumgetrieben, und sich deren Laster zu eigen gemacht, weit roher nach
                              Hause zurük, und verbreitet allmählich das in fernen Ländern eingesogene Gift der
                              Demoralisation unter den zurükgebliebenen Landsleuten.
                           Bis auf die neuere Zeit hat es der Staat für gut gefunden, die ohne sein Zuthun
                              entstandene Uhrenindustrie ganz ihrem selbstgewählten Entwikelungsgange zu
                              überlassen. Er hat sie weder künstlich zu fördern sich bemüht, noch mit Lasten
                              beschwert, oder besondere, die commerciellen und technischen Verhältnisse speciell
                              berührende Geseze vorgeschrieben. Die Besteuerung der Gewerbsleute ist auf folgende
                              Weise regulirt: das Steuercapital beträgt
                           
                              
                                 für den
                                 Schildbrettmacher
                                 625 fl.
                                 
                              
                                    –
                                 Schildmaler
                                 625 –
                                 
                              
                                    –
                                 Räderdreher
                                 625 –
                                 
                              
                                    –
                                 Kettenmacher
                                 625 –
                                 
                              
                                    –
                                 Uhrenmacher
                                 625 –
                                 
                              
                                    –
                                 Spediteur
                                 625 –
                                 
                              
                                    –
                                 Gestellmacher
                                 500 –
                                 
                              
                                    –
                                 Glokengießer
                                 875 –
                                 
                              
                           Von 100 fl. des Steuercapitals zahlt der Gewerbsmann jährlich
                              23 kr. Für den Gesellen ist das Steuercapital zu 1/5 von demjenigen des Meisters
                              angesezt.
                           So lieferte diese kräftig aus sich selbst sich entwikelnde Industrie ein Beispiel,
                              wie ein emporkommender Gewerbszweig auch ohne künstliche Nachhülfe von Seiten des
                              Staats unter sonst günstigen Conjuncturen die rechte Bahn zu finden und sich ins
                              Gleichgewicht zu sezen weiß. Das Bewußtseyn, am Staate keinen Rükhalt zu haben,
                              wirkt auf der einen Seite wohlthätig auf die Elemente der Industrie, es spornt die
                              Kräfte zu selbstständigerselstständiger Thätigkeit; auf der andern Seite ist es aber auch nicht zu läugnen, daß
                              manches Talent, zu Höherem bestimmt, durch den Mangel an Hülfsmitteln in die
                              Schranken der Alltäglichkeit zurükgewiesen wird. In der That birgt der Schwarzwald
                              auch gegenwärtig manches ausgezeichnete mechanische Talent, manches eminente
                              Künstlergenie, welches in Ermangelung der Mittel zur weitern Ausbildung oder zur
                              freien Ausübung seines Kunstfleißes der Welt verloren geht. Ich werde am geeigneten
                              Orte diejenigen dieser Künstler, deren persönliche Bekanntschaft ich gemacht habe,
                              nennen.
                           Seit Kurzem nun fängt der badische Staat an, durch Errichtung technischer
                              Lehranstalten in den Uhrenmanufactur-Districten einem längst gefühlten
                              Bedürfnisse zu entsprechen. Wenn der Gewerbsmann selbst sich nach einer Anstalt
                              sehnt, wodurch er seinen natürlichen Kunstsinn zu vervollkommnen und seinen Geschmak
                              zu verfeinern hofft, wie dieß hier in der That der Fall ist, so darf dieses
                              Bedürfniß gewiß dringend genannt werden. Der Schwarzwälder Uhrenmanufacturist muß
                              daher, die Organisirung von Gewerbsschulen als die größte Wohlthat betrachten,
                              welche ihm der Staat erweisen kann. Ihm fehlte bis jezt bei seinem praktischen
                              Scharfsinne, bei seiner glüklichen Combinationsgabe und seinem guten Willen nichts
                              als eine Basis, nach welcher er sein Gewerbe auf eine rationellere Weise zu
                              betreiben im Stande ist. Der Uhrmacher, Werkzeugfabrikant u.s.w. vermißt die
                              Elementarbegriffe in der Mechanik, Mathematik und Zeichnenkunst, ersterer namentlich
                              im Ornamentenzeichnen; dem Schildmaler fehlt es noch an Geschmak in der Malerei, am
                              Kunstsinn, um seinen Producten den Weg in die Gemächer der höheren Welt zu bahnen.
                              Ist einmal Eleganz in der äußern Form vorhanden, wozu, wie wir unten sehen werden,
                              bereits der erste Schritt gethan ist, so wird sich der Schwarzwälder dadurch ein
                              neues Publicum schaffen. Dieß Alles nun hat der Manufacturist durch die Errichtung
                              zwekmäßiger Lehranstalten zu erwarten; ihre Wirkungen auf den Fortgang der
                              Uhrenindustrie können nicht ausbleiben.
                           
                              
                                 (Die Fortsezung folgt im nächsten Hefte.)