| Titel: | Ueber Leinöhlfirniß und dessen beste Bereitungsart mittelst Bleiessig; von J. Liebig. | 
| Fundstelle: | Band 76, Jahrgang 1840, Nr. XXXV., S. 126 | 
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                        XXXV.
                        Ueber Leinoͤhlfirniß und dessen beste
                           Bereitungsart mittelst Bleiessig; von J. Liebig.
                        Aus den Annalen der Pharmacie Bd. 35, S.
                              110.
                        Liebig, uͤber eine neue Bereitungsart vom
                           Leinoͤhlfirniß.
                        
                     
                        
                           Auf der Eigenschaft des Leinöhls, an der Luft nach und nach in eine nicht klebrige,
                              zähe, glänzende Materie verwandelt zu werden, beruht die wichtige Anwendung
                              desselben in den Gewerben und der Malerei. Die Schnelligkeit, mit welcher diese
                              Veränderung, das sogenannte Troknen des Leinöhls, vor sich geht, ist zum Theil
                              abhängig von dem Alter desselben; frisches Leinöhl bedarf hiezu einer längern Zeit,
                              als altes abgelagertes Leinöhl. Sie kann bekanntlich ausnehmend beschleunigt werden,
                              wenn man das Leinöhl vor seiner Anwendung entweder für sich oder mit Blei-
                              oder Zinkoxyd zum Sieden erhizt; es erhält in diesem Zustande den Namen
                              Leinöhlfirniß. Der Leinöhlfirniß ist mehr oder weniger gefärbt, dikflüssiger als das
                              Oehl, aus dem er bereitet wurde; er troknet in gewöhnlicher Temperatur auf
                              Glasplatten in 24 Stunden zu einem vollkommen spiegelglänzenden, nicht klebenden
                              Ueberzuge, während das Leinöhl 8 bis 10 Tage bedarf, um die nämliche Veränderung zu
                              erleiden.
                           Die Veränderungen, welche das Leinöhl erfährt, um in Firniß überzugehen, sind sehr
                              wenig untersucht; nach der gewöhnlichsten Ansicht erfährt es durch das Bleioxyd eine
                              partielle Reduction. Das Oehl nimmt Sauerstoff und Bleioxyd auf, und es durchläuft
                              auf diese Weise während der Darstellung des Firnisses einen Theil der Veränderungen,
                              die es erst in längerer Frist an der Luft erleidet. Diese Meinung ist nach einigen
                              Versuchen, die der Verf. über Firnißbereitung angestellt hat, nicht begründet; es
                              scheint im Gegentheil, als ob der Uebergang des Leinöhls in Firniß auf der
                              Entfernung von Materien beruhe, welche sich der Oxydation entgegensezen, indem sie
                              sie verlangsamen oder verhindern.
                           Das gekochte reine und das bleioxydhaltige Leinöhl troknen beide an der Luft mit
                              Leichtigkeit aus, aber das leztere scheint diese Eigenschaft in bei weitem höhern
                              Grade zu besizen. Dieß ist, wie der Verf. glaubt, eine Täuschung, insofern sich die
                              Beurtheilung auf den Zustand der Klebrigkeit bezieht, den beide, in dünnen Lagen der
                              Luft ausgesezt, annehmen. Das bleioxydhaltige gekochte Leinöhl ist dikflüssiger und
                              enthält eine feste Verbindung gelöst, deren Abscheidung natürlicherweise das sich
                              verdikende Oehl klebriger macht, als dieß bei dem reinen gekochten Leinöhl Statt
                              findet.
                           
                           Man sollte glauben, daß die Bildung dos Firnisses auf einer Verseifung oder einer
                              Zerstörung des Oehlzukers beruhe, welche in dem einen Falle durch das Bleioxyd, in
                              dem andern durch die hohe Temperatur bewirkt werde. Diese Meinung schien dadurch
                              gerechtfertigt zu werden, daß auf 80° R. erhiztes und mit Bleiglätte
                              gemengtes Leinöhl, durch das man eine Stunde lang die Dämpfe von siedendem Wasser
                              streichen ließ, in einen vortrefflichen Firniß verwandelt war, der an der Luft
                              schnell und leicht troknete und nur wenig gefärbt war. Allein als man ein Gemenge
                              von Leinöhl mit Bleiglätte und Wasser längere Zeit sieden ließ, erhielt man eine
                              dikflüssige Masse, welche an der Luft sehr schwer troknete und lange Zeit schmierig
                              und salbenartig blieb. Um jeden Zweifel wegzuräumen, wurde Leinöhl mit Aezkali
                              vollkommen in Seife verwandelt und die gebildete Oehlsäure durch Salzsäure wieder
                              abgeschieden. Die Oehlsäure aus Leinöhlseife besizt die Beschaffenheit eines
                              dikflüssigen Oehls, welches bei 10 bis 12° krystallinisch gerinnt; von den
                              abgesezten festen Theilen in etwas höherer Temperatur abfiltrirt, erhielt man etwa
                              1/10 des Oehls eines weißen festen Körpers, der sich in heißem Weingeiste leicht
                              löste und daraus nach Art der Margarinsäure in feinen Nadeln krystallisirt. Die
                              flüssige Oehlsäure troknete an der Luft nicht schneller wie Leinöhl aus, sie löste
                              in der Wärme eine große Menge Bleioxyd auf und erstarrte damit gesättigt zu einer
                              pflasterartigen Masse. Wurde nun soviel Bleioxyd darin gelöst, daß sie ihre flüssige
                              Beschaffenheit nach dem Erkalten noch behielt, so bekam man eine in ihren
                              Eigenschaften mit dem Leinöhl, was man mehrere Stunden lang mit Wasser und
                              Bleiglätte gekocht hatte, identische Verbindung, nämlich einen Firniß.
                           Wenn man Leinöhl mit Bleiessig durch Schütteln bei gewöhnlicher Temperatur sorgfältig
                              mengt und die Mischung durch Ruhe wieder klar werden läßt, so scheidet sich ein
                              weißer, trüber, bleioxydhaltiger Schlamm in Menge ab, und das darüber schwimmende
                              Oehl ist in vortrefflichen Firniß verwandelt; es besizt eine weingelbe Farbe,
                              troknet in dünnen Lagen in 24 Stunden vollkommen aus und enthält 4 bis 5 Proc.
                              Bleioxyd in Auflösung. Zur Darstellung im Großen sind folgende Verhältnisse
                              vortheilhaft: Man übergießt in einer Flasche 1 Pfd. Bleizuker mit 5 Pfd. Regenwasser
                              und sezt, wenn die Auflösung vollendet ist, 1 Pfd. sehr fein geriebene Bleiglätte
                              zu; durch Stehen an einem mäßig warmen Orte und häufiges Umschütteln befördert man
                              die Auflösung der Bleiglätte; sie ist als vollendet anzusehen, wenn keine sichtbaren
                              Flitter dann mehr bemerkbar sind, es entsteht hiebei ein blendend weißer Bodensaz,
                              den man in der Flüssigkeit lassen oder davon abfiltriren kann. Die Auflösung läßt
                              sich durch Erhizen
                              zum Sieden in einer Viertelstunde bewerkstelligen; ohne alle Anwendung von Wärme muß
                              man die Mischung mehrere Tage stehen lassen.
                           Die erhaltene Auflösung dient zur Darstellung von 20 Pfd. Firniß; sie wird mit ihrem
                              gleichen Maaße Regenwasser verdünnt und nach und nach, unter häufigem Umschütteln,
                              zu 20 Pfd. Leinöhl gegossen, in welchem man vorher 1 Pfd. sehr fein geriebene
                              Bleiglätte aufs Sorgfältigste vertheilt hat. Wenn man die Berührung der
                              Bleiauflösung mit dem Oehle durch öfteres Umschütteln drei- bis viermal
                              erneuert und das Gemenge alsdann an einem warmen Orte klären läßt, so hat man den
                              klaren weingelben Firniß über der wasserhaltigen Flüssigkeit schwimmend, in welcher,
                              wie bemerkt, ein weißer Schlamm in großer Menge vertheilt ist. Die wässerige
                              Flüssigkeit, wenn sie durch Filtriren geklärt ist, enthält die unveränderte Menge
                              Bleizuker, den man ursprünglich genommen hat; sie kann bei allen folgenden
                              Bereitungen anstatt der frischen Lösung von Bleizuker in Wasser angewendet werden,
                              nachdem man in derselben wieder 1 Pfd. Bleizuker gelöst hat.
                           Um den Firniß wasserhell zu haben, ist es nöthig, ihn durch grobes Fließpapier oder
                              Baumwolle zu filtriren, wodurch er von einem feinen weißen Schlamme getrennt wird,
                              der sich durch Ruhe nur langsam daraus absezt. Durch Aussezen an das Sonnenlicht
                              kann man ihn bleichen. Will man bleioxydfreien Firniß haben, so darf man eine
                              Portion davon nur mit etwas verdünnter Schwefelsäure schütteln und ruhig hinstellen;
                              es scheidet sich schwefelsaures Bleioxid und über demselben der bleifreie Firniß
                              wasserhell und in reinem Zustande ab.