| Titel: | Ueber das Transportwesen in England und in Deutschland mit Rüksicht auf das Eisenbahnwesen. Von Amand. Ferd. Neukrantz. | 
| Autor: | Amandus Ferdinand Neukrantz [GND] | 
| Fundstelle: | Band 76, Jahrgang 1840, Nr. XXXVIII., S. 162 | 
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                        XXXVIII.
                        Ueber das Transportwesen in England und in
                           Deutschland mit Ruͤksicht auf das Eisenbahnwesen. Von Amand. Ferd. Neukrantz.
                        Neukrantz, uͤber das Transportwesen in England und
                           Deutschland mit Ruͤksicht auf das Eisenbahnwesen.
                        
                     
                        
                           Im Allgemeinen sind wir in Deutschland geneigt, auf Neuerungen nicht so rasch
                              einzugehen, sondern zuvor langsam und bedächtig zu prüfen, was an der Sache ist. Um
                              so auffallender mußte daher die vor einigen Jahren eingetretene Erscheinung seyn,
                              nach welcher alle Köpfe mit Eisenbahnen- und Actien-Unternehmungen
                              angefüllt waren. Diese Erscheinung war die Folge der übertriebensten Erwartungen,
                              und wenn sie auch einige recht gute Folgen gehabt haben mag, namentlich die, daß
                              manches begonnen wurde, was man nachher füglich nicht unvollendet liegen lassen
                              konnte, und daß der Sinn für industrielle Unternehmungen überhaupt reger gemacht
                              wurde, so hat sie leztern im Allgemeinen doch mehr geschadet als genüzt: die auf
                              solche Erwartungen nothwendig folgende Täuschung und der durch den Actienschwindel
                              wirklich erzeugte Verlust mußte natürlich das eben erwachte Vertrauen und die
                              Neigung zu dergleichen Unternehmungen lähmen, den in wohlgefälliger Ruhe versunkenen
                              Langsamen wieder die Oberhand gewinnen und ihr System als das klügere erscheinen
                              lassen, während mit minder übertriebenen Erwartungen sich der große Nuzen der
                              Eisenbahnen und der mehrsten dergleichen Unternehmungen leicht würde haben auffinden
                              lassen, wenn schon bei so großartigen Unternehmungen nicht erwartet werden konnte,
                              daß die wahre Sachlage sich gleich im ersten Jahre herausstellen werde.
                           Durch Nachstehendes dürfte ich vielleicht die Ueberzeugung befestigen helfen, daß Eisenbahnen für Deutschland das größte Bedürfniß sind und
                                 daß sie rentiren werden.
                           In Europa ist wohl England das Land, in dem das Transportwesen auf der höchsten Stufe
                              der Ausbildung steht. Wir wollen uns daher zunächst ein Bild von dem Transportwesen
                              dieses Landes verschaffen, dann das von Deutschland kurz berühren und endlich
                              versuchen, welche Schlußfolgerungen sich daraus für das deutsche Eisenbahnwesen
                              machen lassen.
                           
                        
                           
                           I. Das Transportwesen in
                                 England.
                           Die drei vorzüglichsten Wege, auf welchen die bei weitem mehrsten Personen und Güter
                              von einem Orte zum andern geschafft werden – Landstraßen und Chausseen, Flüsse und Canäle und Eisenbahnen
                              – sind in England in größter Vollkommenheit neben
                                 einander vorhanden.
                           Die Landkutschen (coaches) und
                              Posten (mail coaches)
                              gehen von jedem nur einigermaßen belebten Orte nach allen Richtungen zu so vielen
                              Malen des Tages, daß man fast nie nöthig hat zu warten. Diese Institute sind nicht
                              Eigenthum der Regierung, obwohl sich alte „königliche“ nennen
                              (royal coach office), weil sie ein königliches
                              Privilegium (licence) haben Müssen, was ihnen bedeutende
                              Summen kostet. Dessen Ungeachtet haben dieselben in Folge der bedeutenden Concurrenz
                              zum größten Nuzen des Publicums und des Verkehrs eine Ausdehnung und Vollkommenheit
                              erlangt, wie gewiß in keinem andern Lande. Die Zähl der Kutschen, die täglich London
                              verlassen und dort ankommen, geht fast ins Unglaubliche. Nach den näheren 10, 20 und
                              30 (englische) Meilen entfernten Orten gehen täglich 6–8 und mehr, nach den
                              entfernteren, wie Birmingham, Liverpool, Manchester, Leeds, York, Hull, Dover,
                              Plymouth, Bristol 3 bis 4, nach New-Castle upon Tyne, Edinburgh, Glasgow
                              mindestens 2, obgleich nach vielen, ja nach den mehrsten dieser Pläze außerdem noch
                              Eisenbahnen- und Dampfschiff-Verbindungen Statt finden.
                           Nur einige der Beispiele will ich anführen, wie 2 oder gar 3 dieser Transportwege
                              neben einander bestehen. Von der London-Brüke, dem Mittelpunkte von London,
                              nach Greenwich geht von Viertelstunde zu Viertelstunde ein Dampfschiff, dicht
                              daneben auf der Greenwich – Eisenbahn von Viertelstunde zu Viertelstunde ein
                              Wagenzug von oft 10 bis 15 Waggons, und daneben noch Omnibus mindestens eben so oft
                              auf der alten Straße. Aehnliche Fälle finden Statt zwischen London-Brüke und
                              Vauxhall oder Chelsea oder Richmond, obgleich dort bis jezt nur Dampfschiffe und
                              Omnibus concurriren; ganz derselbe, wie der zuerst angeführte Fall aber wird in
                              Kurzem nach Vollendung der Commercial-Blackwall-Eisenbahn zwischen
                              London-Brüke und den Ost- und West-India-Doks Statt
                              finden.
                           Zwischen London, Birmingham, Manchester und Liverpool gehen neben der Eisenbahn
                              täglich 3 Kutschen (ohne die von den Zwischen- und Seitenstationen), außerdem
                              bildet der Grand-Junction-Canal eine theilweise Opposition; zwischen
                              Liverpool und Manchester gehen neben der Eisenbahn 4 bis 5 Kutschen täglich, und
                              außerdem wird der
                              berühmte Bridge-Water-Canal benuzt. Zwischen London und Hull, London
                              und New-Castle etc. finden außer den Kutschen auch Dampfschiffverbindungen
                              Statt, und so sind oder werden in Kurzem zwischen den mehrsten der bedeutenderen
                              Städte doppelte und dreifache Verbindungen seyn. Die Schnelligkeit und Wohlfeilheit
                              der Fahrten mit Kutschen ist außerordentlich: die Entfernung zwischen London und
                              Manchester, circa 200 engl. Meilen, wird für gewöhnlich
                              in 19 Stunden – durch die Mail in 17 Stunden – zurükgelegt, zuweilen
                              schneller. Anfangs, als die Eisenbahnen angelegt waren, wetteiferten die Kutschen
                              mit den Dampfwagen und fuhren die größere Hälfte von London nach Birmingham (110
                              Meil.) in 7 3/4 Stunden. Die Entfernung zwischen London und Leeds, circa 205 Meil., wird in 20 1/2 Stunden (durch die Mail
                              in 18 1/2 Stund.) zurükgelegt; etwas weniger schnell als die vorhin angeführten
                              Streken, weil hier noch nicht Dampfwagen auf der ganzen Länge concurriren; die
                              Streke zwischen Manchester und Leeds – 40 und einige Meilen – in 4
                              Stunden, zwischen Leeds und New-Castle – 98 Meilen – in 9
                              Stunden. Dabei werden die festgesezten Abgangs- und Ankunftsstunden mit
                              außerordentlicher Pünktlichkeit inne gehalten.
                           Das Personengeld zwischen London und Manchester oder Liverpool beträgt innerhalb des
                              Wagens 2 Pfd. Sterl. 10 Shl., außerhalb (oben) 1 Pfd. Sterl. 5 Shl. Dasselbe bezahlt
                              man zwischen London und Leeds (205 Meil.); zwischen Manchester und Leeds (43 M.)
                              innerhalb der Kutsche 15 Shl., außerhalb 10 Shl.; zwischen Leeds und
                              New-Castle (97 M.) innerhalb 1 Pfd. Sterl. 15 Shl., außerhalb 1 Pfd. Sterl.
                              Für diese Preise kann man so viel Gepäk mitnehmen, als man will; ich führte oft 6
                              bis 8 verschiedene Stüke von einem Gewicht von weit über 100 Pfd. mit mir.
                           Aus den angeführten Fällen ersieht man, daß die Geschwindigkeiten, je nach der
                              Concurrenz und Frequenz, etwas variiren, jedoch nicht bedeutend, so daß man annehmen
                              kann, daß die englischen Landkutschen für gewöhnlich 10 bis 12 engl. Meil. in der
                              Stunde machen. Die Preise variiren ebenfalls, je nach Concurrenz, Frequenz und nach
                              Entfernung, so daß für kleinere Entfernungen die Preise verhältnißmäßig höher als
                              für größere, für leztere aber äußerst billig, bedeutend billiger als auf den
                              Eisenbahnen sind.
                           Die Ordnung und Schnelligkeit, mit der das Wechseln der Pferde, das Umladen, das
                              Aufnehmen von Personen und Päkereien und das Abfertigen auf den Zwischenstationen
                              Statt findet, ist erstaunenswürdig. Alles dieß erfordert selten mehr als 3 Minuten,
                              und doch geht es mit einer Ruhe und Ordnung zu, daß man gar keine Hast bemerkt und
                              mit einem sehr geringen Personal. Das Wechseln der 4 schönen elegant aufgeschirrten Pferde
                              geschieht etwa auf je 20 Meilen 3 Mal, zuweilen auch nicht so oft. Zum Frühstüken
                              wird 15 bis 20 Minuten, zum Mittag- und Abendessen 20 bis 30 Minuten
                              angehalten. Auf den Stationen, wo nicht die Pferde gewechselt werden, wirft der
                              Guard die Taschen mit Briefen und dergleichen und die kleinen Päkereien mitten im
                              schnellsten Fahren vom Wagen herab und empfängt das Mitzunehmende eben so im Fahren.
                              Der Guard hat volle Vollmacht, Personen und Päkereien (und Briefe auf den Mails)
                              allenthalben aufzunehmen und abzugeben, wo sich dergleichen vorfinden, wenn auch
                              nicht Station ist, und doch findet allenthalben die größte Ordnung Statt und selten
                              hört man Klagen.
                           Betrachten wir nun die Dampfschifffahrt. Auf der Themse
                              zwischen Gravesend, London und Richmond, circa 120 bis
                              130 engl. Meilen, fahren über 100 kleinere und größere Dampfschiffe, die nie die
                              Themse verlassen und nur zum Dienst zwischen diesen Orten bestimmt sind und wozu
                              nicht die Hunderte gehören, die stets von allen Theilen der Welt dort ankommen. Sehr
                              bedeutend ist auch die Zahl der auf dem Mersey-Fluß gehenden (an dem
                              Liverpool liegt) und sie beträgt mit denen, die täglich von dort nach Carlisle und
                              Glasgow, nach Dublin und andern irischen Städten gehen, zwischen 40 und 50, wozu
                              nicht diejenigen gezählt sind, welche von überseeischen oder andern englischen Häfen
                              dort ankommen, und deren Zahl der der Londoner nicht viel nachgibt. Eine große Zahl
                              gehen auf dem Humber-Fluß bei Hull (Kingstown on Hull), auf dem
                              Tyne-Fluß bei New-Castle; täglich gehen Dampfschiffe zwischen London
                              und Hull, London und New-Castle und Edinburgh und beinahe eben so oft
                              zwischen den übrigen See- und Hafenpläzen des Landes. Die Fahrpreise auf den
                              Schiffen sind sehr billig, bei weitem billiger, besonders für weite Streken, als auf
                              Eisenbahnen und Kutschen. Die Maschinen der Dampfschiffe sind fast ohne Ausnahme
                              Niederdruk-Maschinen von verschiedenen Mechanikern: von J. Penn und Sohn, von Maudslay
                              Söhne und Field, von Seaward
                                 John und Comp., Fairburn und Muray, Fawcett und Preston,
                              Robert Napier u.s.w.
                           Wir kommen nun zu den Eisenbahnen, von denen ich die
                              vorzüglichsten fertigen und die am weitesten vorgeschrittenen um der bessern und
                              schnelleren Uebersicht willen in der folgenden Tabelle zusammengestellt habe.
                           
                        
                           
                           Uebersicht der englischen
                                 Eisenbahnen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 76, S. 165
                              Rame der Eisenbahn; Länge der Bahn in engl. Meil.; Total – Betrag der Gesammtkosten des
                                 Unternehmens; Actien Summe; Anleihe; Höhe des
                                 Betrages einer Actie; Wie viel auf jede Actie zur Zeit eingezahlt; Höchster
                                 Preis der Act. im Jul. 1839; Dividende per Act.;Rame des dirigirenden
                                 Technikers (Engineer en Chief.); London und Birmingham; R.
                                 Stephenson; London und Brighton; J. U. Rastrick; London und Creydon; Joseph Gibbs.; London und Greenwich;
                                 Colonel Landmann; London und Southampton; J. Locke.; Great-Western; J. K. Brunel.;
                                 Northern und Eastern; James Walker.; Wm. Burgeß.;
                                 South Eastern; Mr. Cubitt.;
                                 Commercial-Blackwall; Eastern-Counties; Birmingham und Derby; W.
                                 D. Holmes.; Birmingham und Gloucester; Birmingh.,
                                 Bristol u. Thames Junction; Bristol und Exeter; Charles Fripp.; Bolton und Preston; Cheltenham und Great-Western;
                                 Chester und Crewe; Muray Gladstone.; Chester und Birkenhead; John Dixon.;
                                 Dublin und Drogheda; Edinburgh und Glasgow; Edinburgh, Leith und Newhaven;
                                 Glasgow, Paisley und Ayrshire; Grand Junction;
                                 Glasgow, Paisley und Greenock
                              
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 76, S. 166
                              
                                 
                                 Notorische Curse für die
                                    Manchester-Bolton und Bury und die New Castle und North Shield konnte
                                    ich eben nicht angeben, doch müssen dieselben nach meiner Meinung über pari stehen, da diese Bahnen sehr frequent
                                    sind.
                                 
                              Great Leinster und Munster; Great
                                 North of England; Hull und Seby; Jam. Walker.; Wm.
                                 Burgeß; Llanelly und Dock Comp; Liverpool und Manchester;
                                 S. Stephenson; Leeds und Selby; Leicester und Swannington;
                                 Manchester und Birmingham; Manchester und Leeds; Thomas Gooch.; Manchester Neue Actien; Manchester – Bolton
                                 und Bury; J. Hawkshaw.; Manchester und Sheffield;
                                 Maryport und Carlisle; Midland Counties; T. J. Woodhouse.; New Castle und North Shield; G. Nicholson.; New Castle und Carlisle; Joh. Blackmore.;
                                 North Union; North Midland; Preston und Wyre; Stockton und Darlington;
                                 John Harris.; Thames Haven; York und North Midland;
                                 Thomas Cabry
                              
                           
                        
                           
                           Bemerkungenuͤber Frequenz, Gesammt-Einnahme, groͤßte Neigung der
                              Bahn, kleinste Curven, tiefste Einschnitte, hoͤchste Ausschuͤttungen,
                              Tunnels, Bruͤken, Viadutts u.s.w.
                           Die Bahnen von Nr. 1 bis incl. Nr. 40 gehen von London
                              aus.
                           London-Birmingham. Geleisweite 4' 8 1/2'' (wie bei fast
                              allen übrigen). Größte Neigung der Bahn für die Locomotiven 1 : 330. Außerdem
                              schiefe Ebene von 1 : 60, woselbst die Wagen mittelst feststehender Maschinen von
                              Maudslay Söhnen und Field
                              gezogen werden. 45 Locomotiven von verschiedenen Mechanikern: von Maudslay, Maschinen von 13''
                              Cylind. Durchm. 18'' Hub. 5'
                              Durchm. der Treibräder, 13 Waggons 20 Meilen per Stunde
                              ziehend, von Ed. Burry, 12''
                              Cylind. Durchm. 18'' Hub. 5 1/2' Treibraddurchm., 14 Coach. 25 Meil. p.
                              Stunde ziehend; von Benj. Hick in Bolton u.s.w. Die
                              London-Birmingham-Comp. erhält von der Postverwaltung 10,340 Pfd. St.
                              p. Jahr, wofür sie täglich 2 große Post-Office-Carriage (fahrende
                              Postbureaux) hin und zurükfahren muß, eine bei Tage in 5 Stunden die 112 Weil. die
                              andere bei Nacht in 5 1/2 Stund. In diesen fahrenden Bureaux befinden sich 1 Guard
                              und 2 Secretäre zum Aufnehmen, Abgeben und Sortiren der Briefe unterwegs. Die
                              sämmtlichen Ausgaben der Comp. betragen circa 50 Proc.
                              der Einnahme, welche leztere sich in den lezten Wochen auf 12 bis 13,000 Pfd. St.
                              p. Woche belief. Beim Bau der Bahn waren besonders
                              die Einschnitte und Tunnel sehr kostspielig. 16 Millionen Kubikyard Erde mußten
                              weggeschafft werden.
                           London und Creydon. Eine
                              Fortsezung der „Greenwich.“ Kyanisirte Längenhölzer bilden mit
                              den Querhölzern eine sehr feste Rostverbindung. (Kyan's Methode ist überhaupt sehr allgemein
                              verbreitet.) Größte Neigung der Bahn 1 : 100.
                           London und Greenwich. Von der
                              London-Brüke nach Greenwich; von Anfang bis ans Ende auf lauter gemauerten
                              Bogen, unter welchen die Straßen der Stadt durchgehen. In der Pfingstwoche war der
                              Personen-Verkehr am Montag 35,336, Dienstag 22,877, Mittwoch 10,028,
                              Donnerstag 4,635, Freitag 3,372, Sonnabend 10,088, mit einer Einnahme von 2,941 Pfd.
                              St. 18 Shl. 5 Pence in den 6 Tagen. Bedeutend gesteigert hat sich seit der Zeit der
                              Verkehr durch die Eröffnung der London-Creydon-Bahn.
                           Great-Western. Von London nach Bath und Bristol.
                              Geleisweite 7'. Maschinen von außerordentlicher Größe
                              und Stärke von verschiedenen Mechanikern, mit Treibrädern von 7', 9' ja 10' Durchm. Der Personenverkehr betrug in den lezten
                              Wochen zwischen 12,000 bis 15,000 Personen, die Einnahme 1500 bis 2000 Pfd. St. per Woche (wobei zu bemerken, daß die ganze Linie noch
                              bei weitem nicht vollendet ist).
                           Northern und Eastern. Von
                              London nach Cambridge. Die Zahl der Passagiere ist 1,038,438 per Jahr, die Einnahme für dieselbe 134,027 Pfd. St. Die Einnahme für den
                              Gütertransport 20,332 Pfd. St. Von der Gesammt-Einnahme gehen ab 57,181 Pfd.
                              St. für Erhaltung der Bahn, Locomotivkraft und Verwaltung.
                           Commercial-Blackwall. Von der Fenchurch street
                              (nahe der London-Brüke) nach den Ost- und
                              West-India-Docks circa 4 Meilen,
                              gleichfalls auf lauter gemauerten Bogen, wie die Greenwich, aber mit gußeisernen
                              Brüken über die Straßen.
                           South-Eastern, nach Canterbury, Dover und
                              Falkstone.
                           Eastern-Counties, nach Norwich und Yarmouth über
                              Colchester.
                           Bolton und Preston. Die Bahn
                              geht eine gute Streke innerhalb der Stadt Bolton unter den Häusern durch, die größte
                              Neigung derselben ist 1 : 132.
                           Grand-Junction. Von Birmingham nach Liverpool u.
                              Manchester. Der Ankaufspreis des Grundeigenthums für die Bahn und die Bahnhöfe
                              betrug 230,000 Pfd. St. Die größte Neigung der Bahn ist 1 : 117. Die Unterhaltung
                              der Bahn, einschließlich der Einfriedigung, ist für 250 Pfd. St. p. Meile p. Jahr in Pacht
                              gegeben. Die Gesammtausgaben der Comp. betragen etwa 47 Proc. der Einnahmen. Dabei
                              sind leztere sehr im Zunehmen. In den ersten 18 Wochen dieses Jahres wurden 42,000 Pfd. St. mehr eingenommen, als in denselben des vorigen Jahres.
                              Von der Postverwaltung erhält die Comp. jährlich 46,000 Pfd. St. für den Dienst,
                              ähnlich wie bei der London Birmingham angegeben (22 Meilen per Stunde contraktliche Geschwindigkeit).
                           Liverpool und Manchester. Der
                              Bahnhof in Liverpool ist fast mitten in der Stadt. Ein Tunnel von 2230 Yard Länge,
                              17' Höhe, 25' Weile
                              führt die Bahn von dort unter den Häusern der Stadt durch nach Soge-Hill, wo
                              eine stationäre Maschine steht, die den Wagenzug durch den Tunnel führt. Lezterer
                              wurde von dem Ingenieur Dixon
                              für die Summe von 150,000 Pfd. St. erbaut. Etwas weiterhin geht die Bahn durch einen
                              zweiten Tunnel von 2250 Yard Länge, 16' Höhe, 22' Weite. Ueber demselben stehen wieder stationäre
                              Maschinen zum Aufziehen der Waggons, und die Kessel, welche diese Maschine sowohl,
                              wie auch die vorhin angeführte, in ziemlicher Entfernung bei Soge-Hill
                              stehende, mit Dampf versehen. Der tiefste Einschnitt dieser Bahn ist die
                              Olive-Mount-Excavation, eine künstlich hergestellte Schlucht von
                              ungeheurer Ausdehnung und Tiefe, an manchen Stellen 70'
                              unter den umgebenden Feldern. Eine der schönsten Brüken an der Bahn ist die
                              Rainhill, über welche die Liverpool-Manchester Landstraße führt; die
                              Spannweite des Bogens ist 84'. Die höchste Aufschüttung
                              ist das Sankey-Embankment, das an einigen Stellen 70' über den umliegenden Feldern liegt. An dasselbe schließt sich der Sankey
                              Viaduct an, mittelst dessen die Bahn den Sankey-Canal in einer Höhe von 70' über dem Wasserspiegel desselben passirt, 25' breit, von 9 Bogen, jeder von 50' Spannweite. Die Kosten des Viaducts betrugen 45,000 Pfd. St. Die größte
                              Neigung der Bahn ist 1 : 89 und 1 : 96.
                           Manchester und Birmingham.
                              Eine Oppositionsbahn der Grand Junction, direct von Manchester nach Birmingham
                              führend.
                           Midland Counties. Von Rugby nach Derby und Nottingham.
                              Von Rugby bis zu den Scheidecurven 40 Meilen, von da nach Derby 9, nach Nottingham 7
                              Meilen. Die Streke von Derby nach Nottingham war für den Bau sehr günstig, so daß
                              dieselbe nur 13,340 Pfd. St. per Meile, die ganze Streke
                              von circa 15 Meil. 206,950 Pfd. St. kostete, einschließlich Grunderwerb für die Bahn
                              und die Bahnhöfe. Der tiefste Einschnitt dieser Streke ist 30', die höchste Aufschüttung 20'. Die
                              Gesammtmenge der bewegten Erdmassen 545,000 Kubik. Yards. Die größte Neigung auf der
                              ganzen Bahn ist 1 : 330.
                           New-Castle und Carlisle. Größte Neigung 1 : 106. Lokomotiven von Hawthown, von Rob. Stephenson, von Hawks, Stanley u. Comp. Viel Kohlentransport.
                           North-Midland. Von Derby nach Leeds, führt unter
                              dem Cromford-Canal durch; Locomotive von Fenton,
                                 Muray und Jackson.
                           Stockton und Darlington. Viel
                              Kohlen- und Gütertransport mittelst Pferden.
                           Bemerkung 1. Krümmungen unter 1 Meile (= 427 preuß.
                              Ruthen) Halbmesser kommen an Bahnen, auf denen viel Personenverkehr Statt findet,
                              nicht eben vor.
                           Bemerkung 2. Die Preise variiren je nach dem 4 oder 6
                              Size in einer Abtheilung der ersten Wagenclasse, ob die Wagen der zweiten Classe mir
                              Thüren und Fenstern, zum Verschließen oder offen und nur mit einem Dach versehen
                              sind; ob bei Tag oder Nacht gefahren wird, und je nach der Entfernung; die größern
                              Entfernungen sind verhältnißmäßig etwas wohlfeiler; z.B.:
                           I. Erste Wagenclasse, 4 Size, bei Nacht, von London nach Harrow, 11 1/2 Meilen, 3
                              Shl. 6 Pence; von London nach Watford (17 3/4 M.) 5 Shl.; von Harrow nach Watford 2
                              Shl.; von London nach Birmingham (112 Meilen) 32 Shl. 6 Pence; von London nach
                              Manchester oder Liverpool 60 Shl. u.s.w.
                           II. Erste Wagenclasse, 6 Size, bei Tag, von London nach Harrow 3 Shl., nach
                              Birmingham 30 Shl., nach Manchester 55 Shl. u.s.w.
                           III. Zweite Wagenclasse, geschlossen, bei Nacht, von London nach Harrow 2 Shl. 6
                              Pence, nach Birmingham 25 Shl., nach Manchester 46 Shl. u.s.w.
                           IV. Zweite Wagenclasse, offen, bei Tag, von London nach Harrow 2 Shl., nach
                              Birmingham 20 Shl., nach Manchester oder Liverpool 37 Shl. u.s.w.
                           
                           Die in der vorstehenden Tabelle aufgeführten Eisenbahnen sind ganz oder theilweise
                              fertig oder der Vollendung nahe; außer diesen gibt es noch eine große Menge
                              kleinerer Eisenbahnen zwischen Eisen- und Kohlenwerken und von diesen zu den
                              benachbarten Flüssen und zwischen kleineren Orten, die aber auf den öffentlichen
                              Verkehr keinen merklichen Einfluß haben; endlich noch eine große Zahl solcher, die
                              erst seit Kurzem die Concession vom Parlament erlangt haben und noch nicht weit
                              vorgeschritten sind.
                           Die Gesammtzahl aller Eisenbahnen in Großbritannien, diese kleineren und die
                              leztgenannten mit inbegriffen, beträgt 107, und die durch das
                              Privat-Bill-Office, House of Commons, nachgewiesene, und durch
                              Parlamentacte genehmigte Summe, welche bei sämmtlichen Eisenbahnen verwendet ist,
                              beträgt 57,788,440 Pfd. Sterl.= 404,519,080 Rthlr.; davon sind Actien-Capital 41,610,810 und Anleihen 16,177,630 Pfd.
                              Sterl. Wenn wir die Kosten der Bahnen, deren Längen in der Tabelle angegeben sind,
                              summirenDie Commercial – Black Wall ist durch ein Versehen gar nicht mit in
                                    Rechnung gekommen, auch die New-Castle North Shield nicht., so finden wir, daß die dort angeführten 1172 Meilen 36,129,800 Pfd. Sterl.
                              kosten, woraus sich der Durchschnittspreis für 1 engl. Meile (einschließlich
                              Grunderwerb, Brüken, Tunnels, Locomotive, Wagen und überhaupt aller Zubehör) mit
                              beiläufig 30,828 Pfd. Sterl. herausstellt.D. i. für eine deutsche Meile 1,001,000 Rthlr.
                              								
                           Aus diesem Preis und dem vorhin angeführten Gesammtkosten-Preis sämmtlicher
                              englischer Eisenbahnen läßt sich die Gesammtlänge der englischen Bahnen annähernd
                              mit 1870 engl. Meil.(= 400 preuß. Meil.) berechnenWovon etwa 2/3 jezt schon befahrbar ist, der Rest in Jahresfrist vollendet
                                    seyn wird., was außerordentlich ist, wenn man erwägt, daß England – dem
                              Flächeninhalte nach etwa so groß als Preußen, rings umgeben vom Meere,
                              durchschnitten von Canälen und Flüssen – gar keine bedeutende
                              Flächenausdehnung darbietet. Betrachten wir nun
                           
                        
                           II. das Transportwesen in
                                 Deutschland,
                           so müssen wir zugestehen, daß, wie viel auch dafür in der
                              lezten Zeit geschehen seyn mag, noch manches zu thun übrig bleibt. Es geschah
                              allerdings in der lezten Zeit in Deutschland viel für das Postwesen, für
                              Landstraßen, Canäle, Eisenbahnen und Dampfschifffahrt; groß und erfreulich sind auch
                              die industriellen Fortschritte der deutschen Völker, welche besonders hervorgerufen
                              wurden durch ihre Vereinigung in den von Preußen gegründeten Zollverband. Mit
                              mißgünstigen, ja ängstlichen Bliken sehen die benachbarten Völker, besonders aber die Britten, auf
                              diese Fortschritte, und nirgends werden dieselben, so wie die Einigkeit der
                              Deutschen, wohl mehr bewundert und zugleich gefürchtet, als eben jezt in
                              England.
                           Das deutsche Postwesen, besonders das preußische, steht, an und für sich betrachtet
                              auf einer solchen Stufe der Vollkommenheit, daß es gewiß alle Achtung verdient,
                              wobei Preußen ebenfalls das Verdienst hat, mehr Einheit in dasselbe gebracht zu
                              haben. Wenn dasselbe in der lezten Zeit angegriffen wurde, so durfte es wohl nur
                              geschehen, in Vergleich mit den bekannt gewordenen schnelleren und wohlfeileren
                              Transportmitteln, den Eisenbahnen und Dampfschiffen. Die Ausdehnung und Einrichtung
                              dieser Institute in Deutschland darf ich als bekannt voraussezen, und ich theile
                              daher nur einige zur Vergleichung erforderliche Data mit: die Gesammtlänge der deutschen Eisenbahnen beträgt nach Hrn. v. Gerstner's Angaben 96 deutsche
                              Meilen; der mittlere Durchschnittspreis einer deutschen Meile beiläufig 320,000
                              Rthlr.; die Summe der Capitalien, welche in deutschen Eisenbahnunternehmungen sonach
                              verwendet seyn dürften, annähernd zu schließen, 31 Millionen Thaler.
                           Dampfschiffe gehen, wie bekannt, auf dem Rheine, auf der
                              Donau, der Elbe; doch dürfte die Gesammtzahl aller kaum 30 erreichen.
                           Canäle sind vorhanden, doch könnten deren wohl mehrere
                              seyn.
                           III. Bei Vergleichung des in den beiden ersten Abschnitten
                                 Behandelten drängt sich uns allerdings die Ueberzeugung auf, daß wir in
                              allen Theilen unseres Transportwesens von dem englischen lernen können, und daß es
                              an der Zeit seyn dürfte, unsern Stammverwandten jenseits der Nordsee darin
                              nachzueifern. Wir sind ihnen nahe auf den Fersen in vielerlei industriellen und
                              commerciellen Beziehungen, und anerkannt sind vollkommene Transportmittel die
                              größten Hebel des Handels und der Industrie. Welche von den angeführten wären aber
                              wohl zwekgemäßer als die Eisenbahnen? Sie verbinden Schnelligkeit und Wohlfeilheit
                              mit einander. Unsere Posten können es nach allgemeiner Annahme nie zu der
                              Schnelligkeit der englischen Landkutschen bringen, da die deutschen Pferde nach
                              jener Annahme nicht dazu geeignet sind, und auch aus mehreren anderen Gründen werden
                              sie wohl nie die Wohlfeilheit jener erreichen – denn jedenfalls ist es sehr
                              wohlfeil zu nennen, in England 200 Meilen für 25 Shl. fahren zu könnenWenn zu den angeführten Preisen noch ein Trinkgeld für den Kutscher (Coachman) und den Conducteur (Guard) addirt werden muß, so wird das mehr als
                                    aufgewogen durch den Umstand, daß man so viel Gepäk mit sich führen kann,
                                    als man will., d. i. für beiläufig 8 1/2 Rthlr.  43 deutsche Meilen in 18 Stunden (während die mehrsten
                              übrigen Bedürfnisse etwa dreimal so theuer sind als bei uns). Unsere Lohnkutscher
                              und Personenfuhrwerke aber werden es noch weniger dahin bringen, aus andern
                              bekannten Gründen.
                           Auch unsere Dampfschifffahrt wird nicht zu der bedeutenden Ausdehnung und
                              Vollkommenheit kommen können, die dem Handel und der Industrie so wünschenswerth
                              wären, da unser Binnenland von der Natur dafür nicht eben begünstigt ist; dazu
                              kommt, daß sie nur einen Theil des Jahres thätig seyn kann. Wir müssen daher unser
                              Heil für Erweiterung und Verbesserung der Transportmittel in möglichst größter
                              Ausdehnung und Vervollkommnung des Eisenbahnwesens suchen, um so mehr, als es das
                              vorzüglichste von allen ist. Man wird uns nicht einwenden wollen, daß wir auch eines
                              so ausgedehnten und vollkommenen Systems von Transportwegen, wie es England besizt,
                              nicht bedürften, weil unsere Industrie auch noch nicht so vorgeschritten,
                              Deutschland nicht so bevölkert, der Verkehr demnach noch nicht so stark ist, weil
                              wir überhaupt doch nicht so Gelegenheit zum Handel und Weltverkehr hätten, als die
                              Britten: denn darauf müßten wir entgegen, daß der Unterschied zwischen unserer und
                              der jenseitigen Industrie nicht unerreichbar groß, daß die unserige sehr im
                              Fortschreiten ist, daß eben sie, so wie der Handel und Verkehr durch ein
                              vervollkommnetes Transportsystem gehoben werden müssen, und daß, wenn diese und der
                              Handel im Inneren erstarkt sind, sich auch der Verkehr nach Außen finden wird, daß
                              die geringere Bevölkerung und die ausgedehnteren Länderstreken bei uns eben ein
                              Aneinanderrüken noch mehr zum Bedürfniß machen, und endlich, daß wenn wir diesen
                              einen Zweig des Transportwesens zu möglichst höchster Vollkommenheit gebracht haben
                              sollten, wir in den beiden andern – deren höchster Vervollkommnung und
                              Ausdehnung sich natürliche Hindernisse in den Weg legen – doch immer noch
                              weit genug zurükstehen, was zur Beruhigung derer gesagt seyn mag, die da fürchten,
                              wir könnten durch zu rasches Fortschreiten den Engländern zuvorkommen.
                           Wenn wir nun hienach zugeben, daß die Eisenbahnen ein großes Bedürfniß für
                              Deutschland sind, so liegt darin auch zugleich ein Beleg für die Einträglichkeit
                              derselben. Die mehrsten Eisenbahnen in England rentiren, einige glänzend, andere
                              weniger, und nur wenige nicht (meistens solche, die mit zu großen Kosten erbaut
                              wurden); die deutschen Eisenbahnen aber werden selbst besser rentiren, als die
                              englischen, da sie keine solche Concurrenten haben werden an den Landkutschen,
                              Dampfschiffen und Canal-Verbindungen; diese fahren nämlich alle wohlfeiler
                              als die Eisenbahnen, und der Unterschied in der Geschwindigkeit ist nicht so gar
                              groß, während in Deutschland die Postfahrten theurer sind als die Eisenbahnfahrten und dabei viel
                              langsamer. Endlich können in Deutschland die Eisenbahnen viel wohlfeiler hergestellt
                              werden, als in England, was sich durch Vergleichung der
                              Durchschnitts-Baupreise ergibt. Dazu kommt, daß die Eisenbahnen auch noch
                              andern Nuzen bringen, als den directen, unmittelbar aus der Eisenbahncasse in den
                              Säkel der Actionäre fließenden, welcher gewiß meistentheils größer und nachhaltender
                              ist, als der directe. Denn ist es nicht ein Gewinn, wenn der Handel und die
                              Industrie der durch Eisenbahnen mit einander verbundenen Städte und Gegenden wächst?
                              Wer gewinnt dadurch? Doch am mehrsten die Capitalisten, die großen Handlungen, die
                              Fabriken, die größeren Gewerbtreibenden, der Wohlstand überhaupt. Oder ist es nicht
                              schon ein Gewinn, den Ruin, den Verfall abzuhalten, der nothwendig diejenigen
                              Ortschaften treffen muß, die zu weit von diesen Verkehrsadern entfernt sind, die zu
                              weit hinter ihren Nachbarn zurükbleiben?