| Titel: | Ueber den Zustand der Druk- und Färbekunst im europäischen Rußland; von Dr. Kreutzberg. | 
| Fundstelle: | Band 76, Jahrgang 1840, Nr. LVI., S. 223 | 
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                        LVI.
                        Ueber den Zustand der Druk- und
                           Faͤrbekunst im europaͤischen RußlandAus der demnächst bei Schrag in Nürnberg erscheinenden „Geschichte des Zeugdrukes
                                          etc. von Dr. W. H. von Kurrer und Dr. K. J.
                                          Kreutzberg“.; von Dr. Kreutzberg.
                        Kreutzberg, uͤber den Zustand der Druk- und
                           Faͤrbekunst in Rußland.
                        
                     
                        
                           Unter den bedeutenden Fortschritten, welche die russische Industrie überhaupt seit
                              der Finanzverwaltung des unermüdlichen Grafen Kankrin
                              machte, hat insbesondere auch die Druk- und Färbekunst in ihren verschiedenen
                              Verzweigungen, und namentlich in ihrer Anwendung auf Baumwollstoffe in den lezten 10
                              Jahren einen in der That überraschenden Grad von Vollkommenheit und Ausdehnung
                              erlangt, vor allen in den Drukfabriken von St. Petersburg, Moskau und dessen
                              Umgebung. Folgen auch diese Fabriken im Geschmake
                              wesentlich dem französischen, so haben sie sich doch in der Ausführung mit den
                              bessern französischen und deutschen Fabriken wetteifernd gezeigt; die Farben, meist
                              ächt, sind vorzüglich in einigen weiter unten näher besprochenen Fabriken in den
                              meisten Artikeln von ausgezeichneter Schönheit, Frische und Dauer; von einer nur
                              selten übertroffenen Genauigkeit und Reinheit ist der Handdruk, und dieser sowohl
                              als die Formstecherei – bei welcher übrigens wo Metall nothwendig ist, Drath
                              und Blech nur von Kupfer angewendet wird – leisten
                              in der That das Maximum! Piketmuster und die feinsten Haarstreifen, besonders aber
                              leztere bei Ueberdrukmustern, werden mit einer Sorgfalt gemodelt und gedrukt, die
                              wirklich überrascht und nur dem erklärlich ist, der es weiß, welch hohen Grad von
                              Fügsamkeit der russische Arbeiter für rein mechanische
                              Beschäftigungen besizt, die keine Geistesthätigkeit erfordern. Diese ausgezeichnete
                              Fertigkeit der russischen Formstecher und Handdruker – weibliche Personen
                              werden hiebei nicht verwendet – dann der für diese beiden Beschäftigungen
                              eben so billige, wie für Graveure, woran es an tüchtigen einheimischen Arbeitern
                              noch sehr mangelt, ziemlich hohe Arbeitslohn – dieß macht es erklärlich,
                              warum der Maschinendruk im Verhältniß zur Menge und großen Rentabilität der dortigen
                              Drukfabriken bisher nur geringen Eingang gefunden hat. – Besonders auffallend
                              ist dieß bei dem Umstande, daß seit den lezten Jahren unter dem nur einigermaßen
                              civilisirten Landvolke dieses kolossalen Reiches der Gebrauch von mit einfärbigen
                              kleinen Objecten bedrukten Baumwollengeweben so sehr
                              überhand genommen hat, daß man – mit einiger Ausnahme etwa bei den
                              nördlichsten Gouvernements – unter den männlichen Individuen dieser
                              Volksclasse fast keine andern Hemden sieht, und dieser für den Maschinendruk so sehr
                              geeignete Artikel nicht zahlreich genug geliefert werden kann. Außer den weiter
                              unten ausführlicher besprochenen Fabriken, welche im Aeußern ein respectables
                              Ansehen und im Innern eine bessere vollständige Einrichtung der Maschinen und
                              Hülfsapparate haben, lassen die übrigen in diesen Beziehungen noch sehr viel zu
                              wünschen übrig; meist kleine, ohne Plan und Ordnung, je nach Zufall oder
                              augenbliklichem Bedarfe in einem großen Raume unter einander gewürfelte Hütten,
                              ebenso ärmlich dem äußern Ansehen nach, wie im Innern Mangel an Ordnung und
                              Reinlichkeit – troz der besondern Wichtigkeit beider für diesen
                              Fabricationszweig – bezeugend. Namentlich bilden die Moskauer Drukstuben dadurch
                              einen sehr unerquiklichen Aufenthalt, weil das darin beschäftigte Personale, fast
                              durchgehends aus Leibeigenen der umliegenden Gouvernements bestehend, nur die
                              wenigen Tage unter seinem Dach und Fach zubringt, wo entweder sehr wichtige
                              Familienereignisse, einige hohe Festtage, oder die Ueberbringung des Leibzolles an
                              den Gutsherrn es von der Arbeit weg in seine Heimath führt; die übrigen Tage des
                              ganzen Jahres aber bildet die Fabrik zugleich seine Wohnung und das Drukzimmer seine
                              Schlafstelle, wo der Druker auf- und der Streichjunge unter dem Druktische
                              sich Nachts der Ruhe überläßt. Kein Wunder daher, daß die russischen Drukstuben sehr
                              unreinlich sind.
                           Rasch, wie durch die dortigen eigenthümlichen Verhältnisse sich so Manches gestaltet,
                              hat auch die Kattunfabrication in Rußland schnell sich entwikelt und gehoben. Die
                              frühern historischen Data hierüber sind eben so unerheblich und unbestimmt, wie die
                              Leistungen der frühern Zeit von nur untergeordneter technischer und commercieller
                              Bedeutung waren; ihre bessere technische Gestaltung datirt sich erst von den
                              leztverflossenen 2 Jahrzehnten, zu welcher Fr. Bietepage
                              rühmlicher Weise den ersten Impuls gab, dem auch bald ein anderer Deutscher, M. Weber, in seinen Fabriken zu St. Petersburg,
                              Schlüsselburg, Moskau und Zarewa folgte; so wie ihre commercielle Ausdehnung und
                              staatswirthschaftliche Wichtigkeit erst durch des Grafen Kankrin neues Zollsystem begründet wurde. Um einen Maaßstab in diesen
                              Beziehungen zu liefern, mag die Bemerkung genügen, daß nach genauen Schäzungen die
                              jährliche Production der gedrukten und gefärbten Baumwollengewebe im europäischen
                              Rußland gegenwärtig schon wenigstens 1,500,000 Stüke – die in der Regel um
                              1/10 länger als die englischen und breiter als die französischen sind –
                              beträgt, welche sich in runden Zahlen folgendermaßen vertheilen:
                           
                              
                                 In St. Petersburg und dessen Umgebung
                                    werden fabricirt
                                    100,000 Stuͤke
                                 
                              
                                 –  Moskau
                                   
                                    750,000    –
                                 
                              
                                 –  den Districten von
                                    Schuja, Iwanow, und einigen andern Orten
                                   
                                    650,000    –
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 1,500,000 Stuͤke.
                                 
                              
                           Bis noch vor Kurzem war die Moskauer Fabrication bloß nur der Masse ihrer Erzeugnisse
                              wegen bemerkenswerth, während in St. Petersburg mehr auf den bessern Modegeschmak
                              und die Schönheit, vorzüglich aber Aechtheit der Farben
                              gesehen wurde; seit den lezten Jahren aber hat die Fabrication in dem Moskauer
                              Gouvernement sich so vervollkommt, daß mehrere Firmen, wie z.B. die der
                              Actienmanufactur von Zarewa, dann jene von Steinbach, Goloubetnikoff und zum Theil auch die von Prochoroff und Titoff in
                              Moskau, auch hierin Ausgezeichnetes leisten. Diese besser arbeitenden Fabriken aber
                              gehören entweder Ausländern (Deutschen und Elsassern) oder werden von solchen
                              technisch geleitet, und nur die beiden Etablissements der HHrn. A. Goloubetnikoff und G. T. Prochoroff in Moskau –
                              beide geborene Russen, jedoch durch Reisen im Auslande gebildet- machen
                              hievon eine Ausnahme.
                           Einen großen Vortheil gewährt der russischen Kattunfabrication das vorherrschende
                              System der Theilung der Arbeit und des Capitals, da fast
                              durchgehends nur auf Bestellung der Kaufleute, welche die rohe Waare selbst liefern,
                              gegen Lohndruk gearbeitet wird; Ausnahmen von dieser
                              Regel bilden nur die Fabriken von Bietepage, dann Plitt in St. Petersburg, Steinbach und Titoff in Moskau, welche beide
                              leztern neben dem Lohndruke auch feinere Waaren, als Mousselins, Jaconets etc. für
                              eigene Rechnung arbeiten. Jeder Geschäftskundige wird die Vortheile dieses Systemes
                              zu ermessen wissen, um aber die günstige Stellung der russischen Drukereien und das
                              Maaß ihrer vollen Beschäftigung ganz zu würdigen, mag hier nur beispielsweise
                              bemerkt werden, daß die Fabrik von J. C. Plitt in St.
                              Petersburg auf Bestellung Moskauer Häuser bedeutende
                              Quantitäten roher Waare von dort – eine Entfernung von fast 100 deutschen
                              Meilen – zum Druken erhält und sie nach vollendeter Fabrication wieder dahin
                              zurüksendet; daß in der Drukmanufactur zu Zarewa oft 30 bis 40,000 Stük rohe Waare
                              Monate lang liegen, bis sie nach der Reihenfolge der Einlieferung in die
                              Manipulation genommen werden können – ferner, daß russische en gros Händler ihren Abnehmern nur dann Drukwaaren von
                              Bietepage, Plitt, Steinbach, Goloubetnikoff und Zarewa verkaufen, wenn sie hiezu auch eine gewisse
                              Quantität der ordinären Erzeugnisse anderer Fabriken abnehmen; – Umstände,
                              die sowohl den Ruf solcher Fabriken, wie ihre ununterbrochene vortheilhafte
                              Beschäftigung genugsam veranschaulichen.
                           Im Allgemeinen nur noch die Bemerkung, daß die russische Fabrication mit allen
                              gegenwärtig auch in andern Ländern gangbaren Artikeln sich beschäftiget, und diese
                              in einigen Etablissements mit einer Präcision und Vollendung ausführt, die mit den
                              besten Erzeugnissen anderer Länder wetteifert. Der Walzendruk ist, wie erwähnt,
                              nicht im angemessenen Verhältnisse verbreitet; Plancheplattendruk kommt nur selten
                              vor; die Perrotine existirt nur als Mustermaschine zu St. Petersburg im
                              technologischen Institut – welches, nebenbei bemerkt, vortrefflich
                              eingerichtet und besonders in Beziehung auf Druk- und Färbekunst mit
                              Ateliers, Apparaten und Maschinen für alle Gattungen der vieltheiligen Fabrication
                              aufs vollständigste und musterhaft ausgestattet ist; – anstatt der Perrotine
                              aber wurden durch meine Vermittlung während meiner Bereisung der russischen
                              Kattunfabriken im Sommer v. J. mehrere Exemplare der von Hrn. Eduard Leitenberger zum Ersaze des Handdrukes
                              erfundenen Modeldrukmaschine mit 2 bis 8 Farben, in einigen Fabriken eingeführt,
                              deren vorzügliche Leistungen ihr dort eine weitere Verbreitung sichern.
                           Zur weitern Charakterisirung des jezigen Standes der Druk- und Färbekunst in
                              Rußland mögen folgende specielle Bemerkungen über einzelne Etablissements
                              dienen.
                           Die Fabrik von Fr. Bietepage, kaiserl. Manufacturraths in
                              St. Petersburg, wird als das russische Kosmanos betrachtet, und verdient den
                              ausgezeichneten Ruf ihrer Erzeugnisse im vollsten Maaße. Ihr Besizer, im Jahr 1771
                              in Braunschweig geboren, widmete sich früher der Ebenisterei, kam 1796 nach Rußland
                              und errichtete bald darauf eine sehr große Meubelfabrik, die ihm ein bedeutendes
                              Vermögen und dem Staate eine Pflanzschule für diesen Geschäftszweig erwarb. Im Jahre
                              1812 in den öffentlichen Dienst berufen, gab er dieses Geschäft auf und errichtete
                              nach hergestelltem Frieden die Kattunfabrik in St. Petersburg, der nach einigen
                              Jahren die Uebernahme einer zweiten in Schlüsselburg, 60 Werste von St. Petersburg
                              entfernt, folgte. Wie diese durch eine sehr günstige Situation – auf einer
                              dazu gehörigen Newainsel gelegen – so zeichnet sie sich besonders seit den
                              jüngst erfolgten Bauten nebst der Petersburger Fabrik – für welche sie auch
                              die gebleichte Waare liefert – ebenso durch ein vortheilhaftes Aeußere, wie
                              durch vollständige und vortreffliche innere Einrichtung aus, so daß beide
                              Etablissements in jedem Lande eine Zierde der Industrie bilden würden. Die
                              Production von circa 50,000 Stük jährlich ist im Verhältniß
                              zu den Hülfsmitteln – über 200 Druktische, dann 1 Maschine für doppelten und
                              eine zweite für den einfachen Druk, beide vom Besizer selbst in der Fabrik erbaut,
                              nebst dazugehörigen 375 Drukwalzen – in der Quantität nur mäßig – zum
                              Theil wohl deßwegen, weil sehr viele Muster mit 6 bis 8 Farben gearbeitet werden
                              – dafür aber vielseitig alle gangbaren Artikel auf gewöhnlichem Gewebe wie
                              auf Mousselins, Jaconets etc., Meubelkattune, Türkischroth, Chalis, Seidendruk,
                              alles stets im neuesten Geschmake, von sehr sorgfältigem Druke und ausgezeichnet
                              schönen Farben jeder Art, deren Aechtheit bis zum Vorurtheil im dortigen Publicum
                              berühmt ist. Wenn wir bemerken, daß die Waschanstalt der Fabrik durch einen Canal
                              gebildet ist, der mit einem langen heizbaren hölzernen Gebäude überdekt ist, um
                              sowohl die Waare als besonders die Arbeiter vor den Einflüssen des dort so harten
                              Winters zu schüzen, so dürfte dieß genügen, um für die in technischer und humaner
                              Hinsicht fürdenkende Sorgfalt bei der Errichtung dieses trefflichen Etablissements
                              zu zeugen, das ebenso durch seine Gestaltung, wie in seinen Leistungen durch mehrere
                              Jahre als Musteranstalt betrachtet wurde, und dem Begründer mehrfache glänzende
                              Staatsauszeichnungen erwarb, wie denn überhaupt hiebei bemerkt werden muß: daß, wie
                              auch Freunde oder Gegner über die sonstigen Maßnahmen der russischen Regierung mit
                              oder ohne Beruf urtheilen mögen, ihr doch die ungetheilte Anerkennung der Techniker
                              darum gebühre, weil sie mit den großartigsten Mitteln ebenso die einheimische
                              Industrie unterstüzt, als auch jedem hierin sich kundgebenden Verdienste auf
                              großmüthige und nachahmungswürdige Weise auszeichnende Anerkennung gewährt.
                           Ein anderes Etablissement, das nach seinen Leistungen unter die ausgezeichnetern
                              gehört, ist die Fabrik des Consuls J. C. Plitt in St.
                              Petersburg auf der Wasili-Ostrowseite. Von dem frühern Besizer Weber in einem herabgekommenen Zustande übernommen, ist
                              dieses gegenwärtig bis auf 100 Druktische gebrachte Etablissement – in
                              welchem kürzlich die erste (Leitenberger'sche) Handdrukmaschine aufgestellt
                              wurde – weniger seines Umfanges, als der Vorzüglichkeit seiner Erzeugnisse
                              wegen bemerkenswerth. Einen Hauptartikel bilden hier dunkle Krapp- und helle
                              Catechuböden, besonders leztere – dunkle braune
                              Catechuböden sind in Rußland nicht beliebt – von ausgezeichneter Schönheit.
                              Bei dem Mangel einer Walzendrukmaschine liefert die Fabrik dennoch Ueberdrukmuster,
                              deren schwierige Stecherei und richtige Rapportirung im Druke, selbst bei den
                              schmalsten Haarstreifen und zartesten Picots, das Auge des geübten Fabrikanten
                              erfordert, um als Handdruk erkannt zu werden. Außerdem
                              arbeitet die Fabrik alle ächtfarbigen Zizartikel, Chalis etc. und für die
                              vortheilhafte Art der Ausführung bürgt der obenerwähnte Umstand, daß selbe sogar von
                              dem fernen Moskau Waaren zum Druke zugesendet erhält. Außerdem bestehen in
                              Petersburg noch die Kattundrukereien von Yölkert und Schouckardt, wovon leztere besonders schöne Pikés
                              zu Westenstoffen liefert und gegenwärtig durch Anbaue vergrößert wird.
                           Der Hauptsiz, wie überhaupt des Handels und der Gewerbe, so auch der
                              Kattunfabrication Rußlands ist jedoch Moskau und dessen
                              Umgegend, wo über 20 – freilich mitunter sehr kleine – Etablissements
                              bestehen. Das bedeutendste hierunter war vormals das von M. Titoff in der Moskauer Vorstadt Lublinka, sowohl den Erzeugnissen –
                              vorzüglich ausgezeichnete Merinos, dann mehrere Artikel für China – als der
                              mit einer eigenen Weberei verbundenen innern Einrichtung und dem großartigen Aeußern
                              nach; in neuerer Zeit, und besonders seit dem Tode des Manufacturrathes M. Titoff, und dem Austritte des Coloristen E. Schwarz aus Mühlhausen, hat sie vor den übrigen Moskauer Fabriken nur noch
                              den Vorzug einer großartigen Außenseite zu erhalten vermocht, während den
                              Erzeugnissen nach, dort das von M. Weber begründete
                              Etablissement von Joh. Steinbach in der Moskauer Vorstadt
                              Kajeweik den ersten Rang behauptet; hier ist, besonders in den Leistungen des
                              Coloristen Meyer, der Geist der Wissenschaft
                              vorherrschend, und im Geschmak der für den Modebedarf auf eigene Rechnung erzeugten
                              feinern Waaren, so wie durchgehends in der Ausführung des sorgfältigen Drukes, der
                              vollendeten Bleiche, der ächten und glänzenden Farben, die Besizer als würdige Söhne
                              Mühlhausens bezeichnend, dessen Erzeugnissen die
                              Fabricate dieses Hauses unbedenklich zur Seite gestellt werden dürfen, und wo
                              besonders die rosirten Krappartikel in nur selten erreichter Meisterschaft
                              dargestellt werden. Bei einer sonst vorzüglichen innern Einrichtung hat die Fabrik
                              jedoch bisher es nicht ihrem kaufmännischen Interesse angemessen gefunden, eine
                              eigene Walzendrukmaschine aufzustellen, und läßt die hiefür berechneten Artikel
                              außer dem Hause druken, jedoch mit eigenen Cylindern.
                           Wie der Situation, so auch der Einrichtung und Leistung nach, steht unter den
                              Moskauer Drukanstalten dieser Fabrik am nächsten jene von Andreas Goloubetnikoff, welche, obwohl erst im Jahre 1836 von
                              demselben begründet, sich doch im Verlaufe weniger Jahre zu einem bedeutenden Range
                              emporgeschwungen hat. Die anfänglichen, meist Bistreartikel liefernden 50 Druktische
                              sind bereits bis auf 180 vermehrt, und beschäftigen nebst 30 Formstechern noch an
                              150 Arbeiter. Die bisherige Production von jährlichen 32 bis 35,000 Stüken dürfte
                              sich bald bedeutend vermehren durch die kürzlich aufgestellte Walzendrukerei sammt
                              Zubehör, so wie mehrere Waschräder, Auspreßmaschinen u. dergl. Als Troknenapparat
                              benüzt die Fabrik eine einzige kolossale durch Dampf erhizte Trommel. Hauptartikel
                              dieser Fabrik sind Dunkelblau-, dann Krappartikel von ebenso ausgezeichneter
                              Schönheit des Colorits, wie die mannichfaltigen Artikel in Applicationsfarben,
                              welche die Fabrik mit dem Vorzuge einer großen Vielseitigkeit in den eigenen
                              Originalzeichnungen arbeitet.
                           Die Fabrik des Manufacturrathes G. T. Prochoroff am
                              Wschiwojo Gorko arbeitet auf ungefähr 200 Druktischen in Kleiderwaaren meist dunkle
                              Krapp- und helle Catechuböden mit eingepaßten ächten und Dampffarben, hauptsächlich aber Umhängtücher in verschiedenen
                              Größen, eben so mannichfaltig in dem sehr schönen Colorit, wie nach den
                              Bestandtheilen des Stoffes, als Baum- und Schafwolle, Chalis, Seide etc. Der
                              Besizer vereinigt mit tüchtiger technischer Bildung, besonders als gewandter
                              Chemiker, einen Grad von humaner Fürsorge für seine Arbeiter, wie er sonst in nur
                              wenigen Fabriken gefunden werden möchte; so z.B. sind mehrere sehr gut eingerichtete
                              luftige, helle und reinliche Säle für 80 junge Arbeitslehrlinge gewidmet, die darin
                              bei guter Kost und Wohnung, nebst sehr zwekmäßigen Lagerstätten auch von eigens dazu
                              bestellten Lehrern Unterricht im Lesen, Schreiben, Rechnen und Zeichnen, und in
                              einigen technischen Gegenständen erhalten, und dieß Alles auf alleinige Kosten und unter persönlicher Mitwirkung des
                              menschenfreundlichen Besizers!
                           Ein eigenthümliches Interesse unter den Fabriken dieser in so vielen Beziehungen
                              höchst interessanten Stadt bietet die an der Moskwa gelegene Drukerei der Gebrüder Prochoroff, welche in großen Massen, auf 400
                              Druktischen – bloß einen einzigen Artikel: Lapis
                              arbeitet, für Schlafröke und Umhängtücher, erstere zum Theil auf Baumwollensammt, leztere meist auf schwere
                              gekörperte Stoffe, durchgehends aber in den Krappfarben und den schönen
                              Indigo-, dann Quercitronfarbentönen eben so ausgezeichnet, wie in der
                              Reinheit des in den meisten Mustern sehr schwierigen Drukes. Die Schlafröke dieser
                              Fabrik werden in sehr zahlreichen Mustern bereits nach Hamburg ausgeführt.
                           Außer diesen näher beleuchteten, und der großen Bleicherei von Burkhardt, besizt Moskau nebst den größern Kattundrukereien von Ostreed und Baumberger, noch
                              mehrere kleine, die ebenso, wie die der Umgebung, meist falschfärbige Artikel
                              arbeiten, ohne jedoch weder in der Fabrication, noch in der Einrichtung
                              Bemerkenswerthes zu bieten, mit Ausnahme der von Medwedieff, welche auch Modeartikel ächtfärbig liefert.
                           Eine desto ausgezeichnetere Stellung behauptet dagegen in jeder Beziehung die
                              Kattundrukerei von Zarewa, im Gouvernement Moskau, 50
                              Werste (9 deutsche Meilen) von dieser Stadt. Diese Fabrik, gegenwärtig die größte
                              ihrer Art in ganz Rußland, wurde im J. 1817 von dem oben genannten Michael Weber, damaligen Besizer der Schlüsselburger Fabrik,
                              gegründet, und zwar nur für die Arbeit Einer einfärbigen Walzendrukmaschine; erst 12
                              Jahre hernach wurde derselben eine Einrichtung auch für den Handdruk beigefügt. Mit
                              Anfang 1836 ging selbe in das Eigenthum einer Aktiengesellschaft über, welche mit
                              7000 Actien einen Fond von 3,500,000 Rubel Bko. für Grundstüke, Einrichtung und
                              Betriebscapital bildete. Seitdem hat dieses Etablissement durch die umsichtigeren
                              Dispositionen des Petersburger Consuls J. Bonenblust eine
                              solche Stellung erlangt, daß die Production im Jahre 1836 auf 54,000; 1837 66,000
                              und 1838 89,000 Stük gedrukte Waare (= 100,000 Stük engl.) stieg. Die Fabrik
                              verarbeitet nur die von den Bestellern eingelieferten gewebten Stoffe, durchgehends
                              nur in soliden Farben, aber fast alle jezt gangbaren Artikel der ächtfärbigen
                              Fabrication repräsentirend, gleich ausgezeichnet in Druk, Colorit und Appretur.
                           Das Aeußere dieser gewissermaßen ein ganzes Dorf bildenden Fabrik besteht jezt aus 50
                              theils massiven, theils hölzernen Gebäuden; eine eigene dabei befindliche
                              Ziegelbrennerei liefert für den Bedarf der verschiedenen Bauten jährlich 300 bis
                              350,000 Baksteine. Die bemerkenswertheste innere Einrichtung besteht aus 350
                              Druktischen in hellen Sälen von 3 dazu erbauten steinernen Gebäuden, jedes mit 2
                              Etagen; einer mit dem angemessenen Personale besezten Modelstecherei in sehr schönen
                              und in großer Ordnung gehaltenen Räumen; ferner 3 Walzendrukmaschinen, wozu 2 für
                              den einfachen und die 3te für den Doppeldruk, nebst 250 kupfernen oder messingenen
                              Walzen; einem eigenen Atelier für die Stecherei, nebst Drehbänken und den Maschinen
                              zum Pressen der Moletten und Walzen; 2 Kalandern mit 5 und 3 Walzen; 2
                              Troknenapparaten, jeder mit 7 Holzcylindern; sehr zwekmäßigen Stärke- und
                              Appreturmaschinen, Waschrädern u.s.w., zum Theil durch Dampfkraft bewegt.
                              Gegenwärtig ist man daselbst auch mit Aufstellung einer Leitenberger'schen Handdrukmaschine für 4 Farben beschäftigt. Die sehr
                              vortheilhaft situirte und eingerichtete Bleicherei liefert täglich über 400 Stüke
                              und wird gegenwärtig für 600 Stüke eingerichtet. Die Färberei enthält 26
                              Indigoküpen, dann 12 durch Dampf geheizte Farbeflotten und 26 kupferne
                              Krapp-Färbekessel über offenem Feuer. Eine eigene mechanische Werkstätte mit
                              den erforderlichen Hülfsmaschinen, dann der dazu gehörigen Schlosserei, Schmiede,
                              Tischlerei etc. verrichtet nicht nur alle erforderlichen Reparaturen bei den zur
                              Fabrik gehörigen Maschinen, sondern führt auch neue aus. Diese verschiedenen
                              Werkstätten nebst der Ziegelbrennerei beschäftigen fortwährend über 850 Personen,
                              deren sorgfältige Behandlung der Umstand schon charakterisirt, daß die Gesellschaft
                              2 Proc. des reinen Gewinnes eigens dazu widmet, um mit Zuhülfnahme von 2 Proc., die
                              den Arbeitern von den Löhnen abgezogen werden, einen Fond zu bilden, aus welchem
                              eine Apotheke, ein Arzt erhalten und alte oder verunglükte Arbeiter unterstüzt
                              werden.
                           Nächst Moskau besizt das Gouvernement Wladimir viele Kattunfabriken; bemerkenswerthe
                              Firmen sind hier: A. Baburin in Schuja; Gebrüder P. und
                              N. Karelin in Yurieff; A. Menschikoff in Yurieff-Povolsk und andere mehrere. Als Erzeugnisse
                              einzelner Fabricationsgattungen, welche auf den St. Petersburger
                              Gewerbeausstellungen repräsentirt waren, verdienen noch angeführt zu werden:
                           Im Plancheplattendruk: die Cashemirtücher von M. Konschine zu Serpuhow bei und L. Ponomareff in Moskau, dann B. Riskine zu
                              Plesse, Kostromaer Gouvernement. Im Golddruk: außer den
                              oben angeführten Goloubetnikoff, noch M. Popoff zu Kischenest in Bessarabien, welcher nebstbei
                              verschiedenartige Drukartikel liefert; bloß gefärbte
                              Baumwollstoffe: J. Chlebnikoffs Söhne zu Riga; B. Nassilieff in St. Petersburg; dann die verschiedennamigen
                              asiatischen Artikel: Mantiza-Aladja Tschwite, Seledjak,
                                 Pestemal u.s.w., von J. Dugdgieff zu Karassu im taurischen Gouvernement, und dem
                              tartarischen Fabrikanten Abdullah Achberdeieff
                                 Kodar-Bey in Moskau.
                           Eine Uebersicht der Arbeitslöhne zu liefern, ist deßwegen schwer, weil sie je nach
                              den verschiedenen Gegenden dieses ausgedehnten Reiches zu sehr abweichen; der
                              Taglohn der gewöhnlichen Hülfsarbeiter ist im Durchschnitte geringer als in der
                              österreichischen Monarchie, dagegen ist der Lohn der Handdruker und Modelstecher
                              diesem ungefähr gleich. Höher als hier jedoch werden Graveure, Molleteurs und dergl.
                              bezahlt. Wie in keinem Lande der Welt aber werden dort Zeichner, noch mehr aber
                              tüchtige Coloristen bezahlt; leztere erhalten in der Regel einen jährlichen Gehalt
                              von 12 bis 15,000, einige sogar über 20,000 Franken.
                           Wir dürfen diesen auch der Färbekunst gewidmeten Artikel
                              nicht beschließen, ohne des Zustandes derselben in Beziehung auf Tuch, Seidenstoffe
                              etc, wenigstens zu erwähnen. Die Tuchfabrication hat in Rußland wie in den
                              mechanischen Processen, so auch hinsichtlich der soliden und schönen Färbung große
                              Fortschritte gemacht, wovon die kaiserlichen Fabriken zu Pawlowsk und Ekatherinoslaw, dann jene des
                              Ministers von Uwaroff, die von Mussil, Könnemann, Ribnikoff, Alexieff, Tschetwirikoff und Jukoff in Moskau, des Grafen
                              E. Kamarowsky in St. Petersburg, von T. Pichlau in Riga etc. den bessern
                              ausländischen in der Qualität und dem gefälligen Ansehen nicht nachstehen, wenn sie
                              auch – wie so vieles andere in Rußland – ungleich höher im Preise
                              sind. Der Schafwollendruk wird übrigens von mehrern der oben erwähnten Fabriken
                              betrieben. Einen noch glänzendern Standpunkt behauptet aber die ausgedehnte
                              Seidenfabrication, besonders jene von Moskau, sowohl rüksichtlich der
                              mannichfaltigen Weberei, als auch der brillanten Färbung und des theilweisen Drukes.
                              In der Mode den Ton anzugeben oder darin selbstständig auftreten zu wollen, darauf
                              müssen auch die russischen Seidenfabriken wohl verzichten und dieß Lyon, Wien und
                              Mailand überlassen; das Verdienst einer durch guten Geschmak geleiteten Auswahl der von dort bezogenen
                              Muster haben sie sich aber bereits eben so sicher erworben, als sie gewiß sehr
                              glüklich in der Ausführung derselben sind, und Erzeugnisse, wie sie z.B. die Fabrik
                              der Manufacturräthe Ragoschin und Gebrüder Essimoff, dann J. Kandratieff (Kondraschoff?) liefern, gehören in Beziehung
                              auf Geschmak in der Wahl der Dessins, mannichfaltige und immer meisterhafte Weberei
                              (sehr häufig auf Jacquartstühlen), dann Schönheit der bloß gefärbten oder auch
                              gedrukten vielnamigen Stoffe mit zu dem Ausgezeichnetsten, das diese Industrie
                              überhaupt leistet, und dürfen sich den vorzüglichsten derartigen Erzeugnissen
                              anderer Länder zur Seite stellen.
                           Der bekannten hohen Stufe, welche die Lederfabrication überhaupt in Rußland
                              behauptet, ist auch die Lederfärberei angemessen; Belege
                              hiefür liefern die in allen europäischen Ländern ebenso bekannten als beliebten
                              mannichfaltigen Fußbekleidungen von der Tarschoker und Kasaner Fabrication.