| Titel: | Ueber die Ausmittelung des Zukergehalts der in den Zukerraffinerien und Runkelrübenzuker-Fabriken vorkommenden Syrupe und Flüssigkeiten vermittelst der optischen Eigenschaften des Zukers; von Hrn. Biot. | 
| Fundstelle: | Band 76, Jahrgang 1840, Nr. XCII., S. 379 | 
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                        XCII.
                        Ueber die Ausmittelung des Zukergehalts der in
                           den Zukerraffinerien und Runkelruͤbenzuker-Fabriken vorkommenden Syrupe
                           und Fluͤssigkeiten vermittelst der optischen Eigenschaften des Zukers; von Hrn.
                           Biot.
                        Aus den Comptes rendus 1840, No. 7.
                        Biot, uͤber Ausmittelung des Zukergehalts von
                           Fluͤssigkeiten.
                        
                     
                        
                           Hr. Pelouze übergab mir eine
                              Probe von dem Rohrzukersafte, welchen Hr. Péligot
                              									Polytechn. Journal Bd. LXXV. S.
                                       227. analysirt hatte, dessen Verhalten zum polarisirten Licht ich unverzüglich
                              ermittelte, wobei ich fand, daß er durch einen Tubus von 152 Millimeter die
                              Polarisationsebene des rothen Strahls um 18°,5 zur Rechten des Beobachters
                              drehte. Nach den Versuchen, welche ich in den Annales de
                                 Chimie et de Physique Bd. LXX. S. 58 bekannt machte, ist dieses genau
                              dieselbe Drehung, welche eine wässerige Auflösung von krystallisirtem Rohrzuker
                              hervorbringt, die 20,21 Gewichtsprocente Zuker enthält; in der That hatte der mir
                              von Pelouze übergebene Saft auch fast genau dieselbe
                              Dichtigkeit wie jene Zukerauflösung, indem sie bei jenem nur um 0,0049 mehr
                              beträgt.
                           Um zu erfahren, ob diese Drehung lediglich durch krystallisirbaren Zuker bewirkt
                              wird, hätte man sie durch Säuren umkehren müssen. Diese sehr leichte Probe war hier
                              jedoch unnöthig; denn als Hr. Pelouze ein bestimmtes Gewicht des angewandten Saftes im luftleeren
                              Raume austroknete, fand er, daß derselbe nur unbedeutend über 20 Proc. feste
                              Substanz enthielt. Hr. Péligot hatte 21,3 gefunden. Da nun der unkrystallisirbare
                              Rohrzuker eine geringere Drehkraft hat als der krystallisirbare, so wäre davon auch
                              ein größeres Gewicht nöthig, um die beobachtete Drehung zur Rechten hervorzubringen,
                              wenn nämlich eine gewisse Portion der Masse aus solchem bestehen würde – ein
                              Beweis, daß diese Drehung ganz dem krystallisirbaren Zuker zuzuschreiben ist,
                              wenigstens zwischen kaum bestimmbaren Gränzen.
                           Durch diese physikalische Probe wird also die Analyse Péligot's auf einem gänzlich
                              verschiedenen Wege bestätigt und das Resultat, welches sie gab, war eine nothwendige
                              Folge des von ihm erhaltenen. Der Grund, weßwegen ich diesen Versuch der Akademie
                              mittheile, ist kein anderer, als weil derselbe mir Gelegenheit darbietet zu zeigen,
                              welchen Nuzen man auf den Colonien und in den Zukerraffinerien aus derartigen, so leicht
                              anzustellenden physikalischen Beobachtungen ziehen könnte.
                           Da es jezt ausgemacht ist, daß der natürliche Rohrzukersaft nach dem Filtriren fast
                              nur krystallisirbaren Zuker enthält, so ergibt die Bestimmung der durch ihn
                              bewirkten Drehung der Polarisationsebene, unmittelbar nach seinem Auspressen
                              vorgenommen, sogleich seine Stärke oder seinen Zukergehalt für jeden Ort, jeden
                              Boden, jede Art des Anbaues, und man könnte so die Ernten von fünfzig Zukerfabriken
                              an einem Vormittage vergleichen. Wiederholt man dieselbe Probe nach einer jeden der
                              verschiedenen Operationen, welche mit dem natürlichen Safte vorgenommen werden, um
                              ihn abzudampfen, zu klären, zu verkochen, zu körnen, so erfährt man sogleich und in
                              jedem Augenblike die gute oder nachtheilige Einwirkung einer jedweden auf ihn. Und
                              alles dieses kann man nöthigenfalls sogar in Zahlen erfahren, denn da der veränderte
                              Rohrzukersaft eine andere Drehkraft ausübt, als der krystallisirbare, und diese
                              Kraft sich durch die Säuren ungleichförmig mobificirt, so läßt sich durch diese
                              Unterschiede leicht herausfinden, wie viel sich nach jeder Operation von dem einen
                              erzeugt und von dem anderen zurükbleibt.
                           In den Zukerraffinerien ist dieses Verfahren eben so nüzlich und auch nicht
                              schwieriger anzuwenden. Man verkauft und kauft täglich Partien Rohzuker von
                              bedeutendem Werthe, über welche man nur nach ihrer größeren oder geringeren Färbung,
                              nach ihrem Korn und durch die Kenntniß ihres Ursprungsortes ein Urtheil zu fällen im
                              Stande ist. Alle diese Kennzeichen sind aber sehr unbestimmt und unsicher und sezen
                              die Käufer wie die Verkäufer vielen Täuschungen aus, ganz abgesehen von den
                              Verfälschungen, worüber man im Handel zu klagen anfängt. Nun kann man aber sehr
                              genau erfahren, wie viel krystallisirbaren Zuker diese Producte enthalten, wenn man
                              davon ein bestimmtes Gewicht in Wasser auflöst und die Drehung ermittelt, welche sie
                              dem polarisirten Licht ertheilen; es wäre nur nöthig, daß man einmal aus dem
                              Rohzuker den in ihm angeblich enthaltenen unkrystallisirbaren Zuker mit Alkohol
                              auszieht, um dessen eigenthümliche Drehkraft und deren Modification unter dem
                              Einfluß der Säuren auszumitteln. Ich habe diese sehr leicht anzustellende
                              Untersuchung nicht vorgenommen und glaubte sie billigerweise denjenigen überlassen
                              zu dürfen, welche daraus pekuniären Gewinn zu ziehen vermögen. Wenn sie aber einmal
                              angestellt ist, läßt sich in Zeit von einer Viertelstunde bestimmen, wie viel
                              krystallisirbaren Zuker ein Muster unverfälschten Rohzukers enthält, und wenn man
                              noch die Dichtigkeit der Auflösung sowohl mit der directen als mit der durch die
                              Säuren umgekehrten Drehung vergleichen würde, so erführe man sogleich, ob der Zuker betrügerischer
                              Weise mit fremdartigen Substanzen vermengt wurde. Wenn die Raffineurs die von mir
                              empfohlene Probe in den verschiedenen Stadien des Raffinirprocesses anstellen
                              wollen, so können sie stets augenbliklich und ganz verläßlich erfahren, ob durch
                              ihre Verfahrungsarten ein günstiger oder ungünstiger Einfluß auf den Zuker ausgeübt
                              wurde, was gewiß ihr Interesse erheischt. Wer von ihnen zuerst in seiner Fabrik
                              diese Probirmethode einführt, ist offenbar gegen alle anderen im Vortheil, denn er
                              kennt nicht nur genau den Werth der Producte, welche er kauft, sondern auch die
                              Wirkungen aller Operationen, die er nach einander damit vornimmt, während die
                              anderen erst durch das günstige oder ungünstige Endresultat darüber belehrt
                              werden.
                           Ich habe im Vorhergehenden vorausgesezt, daß der Rohrzukersaft immer und allenthalben
                              bloß aus krystallisirbarem Zuker besteht; sollte man befürchten, daß in dieser
                              Hinsicht Verschiedenheiten bestehen möchten, so kann man sich davon leicht durch die
                              oben beschriebenen Verfahrungsarten versichern, und dieß müßte natürlich immer
                              gleich anfangs bei jedem in Arbeit zu nehmenden Saft geschehen.
                           
                        
                           Zusaz.
                           Wir glauben diesen Aufsaz zur besseren Würdigung für Techniker mit einigen
                              Erläuterungen versehen zu müssen.
                           Das Phänomen des polarisirten Lichts, welches Hr. Biot zur Untersuchung von Pflanzensäften
                              anwendet, besteht darin, daß man, durch Reflection von einem schwarzen Spiegel,
                              polarisirtes Licht durch eine Flüssigkeit, und von da durch eine Turmalinscheibe
                              gehen läßt, deren ebene Flächen mit der Krystallaxe dieses Minerals parallel sind.
                              Biot wendet zu diesem Endzwek einen messingenen Tubus
                              an, der als Ocularglas die Turmalinscheibe, und statt des Objectivglases einen
                              Spiegel von geschwärztem Glase hat, dessen Stellung so gerichtet werden kann, daß
                              er, parallel mit der Axe des Tubus, und also durch die Turmalinscheibe zum Auge
                              polarisirtes Licht reflectirt. Betrachtet man den Spiegel durch die Turmalinscheibe,
                              während man diese umdreht (zu welchem Endzwek das Instrument mit der nothwendigen
                              Vorrichtung versehen ist), so sieht man nach 1/4 Umdrehung, daß alles Licht
                              weggenommen und das Feld dunkel ist; nach noch 1/4 Umdrehung wird es wieder klar,
                              nach einer anderen 1/4 Drehung dunkel, und zulezt, wenn die Scheibe in ihre erste
                              Richtung kommt, wird es wieder klar. Schiebt man nun, statt das Licht durch die Luft
                              im Tubus gehen zu lassen, einen anderen Tubus in denselben, der an beiden Enden mit
                              parallelen, planen Glasscheiben verschlossen, und mit einer Flüssigkeit gefüllt ist,
                              so daß das Licht durch diese hindurchgeht, so verhalten sich zwar die meisten
                              Flüssigkeiten wie die Luft, andere aber bringen eine Veränderung hervor. Statt daß
                              das Licht durch 1/4 Drehung verschwindet, entstehen schöne Regenbogenfarben, die in
                              einer gewissen Ordnung einander folgen, und dabei findet der Umstand statt, daß
                              diese Ordnung entsteht bei einer Substanz, wenn die Turmalinscheibe nach Rechts, bei
                              einer anderen, wenn sie nach Links gedreht wird. Diese Erscheinung gehört zu
                              denjenigen, welche die Circularpolarisation ausmachen; es wird also die
                              Polarisationsebene nach Rechts oder nach Links gewendet, je nachdem durch Drehen
                              nach Rechts oder Links in dem eintretenden Farbenwechsel eine gewisse Ordnung
                              entsteht. Auch ist dabei zu bemerken, daß ein in ungleichen Verhältnissen in Wasser
                              gelöster Körper, der nach Rechts gedreht wird, für die Entstehung einer gewissen
                              Farbe eine darnach abgepaßte, ungleich große Drehung erfordert, zu deren Bestimmung
                              das Instrument mit Gradbogen und Nonius versehen ist. Es ist längst bekannt gewesen,
                              daß eine Auflösung von Rohrzuker die Polarisationsebene nach Rechts wendet. Die
                              ausführliche Abhandlung Biot's
                              über diese Phänomene ist in Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie Bd. XXVIII. S. 165
                              übersezt.
                           D. Red.