| Titel: | Ueber die amerikanischen Dampfboote im Vergleiche mit den englischen. | 
| Fundstelle: | Band 77, Jahrgang 1840, Nr. XIX., S. 81 | 
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                        XIX.
                        Ueber die amerikanischen Dampfboote im Vergleiche
                           								mit den englischen.Man vergleiche hierüber das polyt. Journal Bd.
                                    											LXXI. S. 435. A. d. R.
                           							
                        Aus dem Civil Engineers and Architects Journal. April
                              									1840, S. 117.
                        Ueber die amerikanischen Dampfboote im Vergleiche mit den
                           								englischen.
                        
                     
                        
                           Da man noch immer sagen hört, daß die Amerikaner den Engländern im Baue der
                              									Dampfschiffe voraus sind, so wollen wir von beiden die zwei berühmtesten Dampfboote,
                              									nämlich den auf dem Hudson fahrenden Rochester und den
                              									auf der Themse fahrenden Ruby mit einander verglichen und
                              									dabei in Bezug auf ersteren das zum Grunde legen, was David Stevenson in seiner Sketch of the Civil Engineering
                                 										of North America darüber berichtet.
                           Der Rochester hat 209 Fuß 10 Zoll Länge, 24 Fuß Breite, 8 Fuß 6 Zoll Tiefe im
                              									Kielraume, und geht dabei mit seiner Durchschnittszahl von Passagieren an Bord 4 Fuß
                              									tief im Wasser. Die Ruderräder haben 24 Fuß Durchmesser; und die Schaufeln, deren 24
                              									von 10 Fuß Länge vorhanden sind, tauchen unter diesen Umständen 2 Fuß 6 Zoll tief in
                              									das Wasser ein. Zum Treiben des Fahrzeuges dient eine einzige Maschine, deren
                              									Cylinder 43 Zoll Durchmesser und 10 Fuß Kolbenhub hat. Der Dampf, welcher unter
                              									einem hohen Druke erzeugt wird, wird auf der Hälfte des Hubes abgesperrt und
                              									verdichtet. Unter gewöhnlichen Umständen arbeitet die Maschine mit Dampf, der 25 bis
                              									30 Pfd. Druk hat, wo dann der Kolben in jeder Minute ungefähr 25 Doppelhube macht.
                              									Bei Wettfahrten mit anderen Fahrzeugen dagegen und bei voller Geschwindigkeit wird
                              									der Druk im Kessel bisweilen bis 45 Pfd. auf den Quadratzoll getrieben, wo dann der
                              									Kolben 27 Doppelhube macht, oder mit anderen Worten, sich in einer Minute durch
                              									einen Raum von 540 Fuß, oder in einer Zeitstunde durch 6,13 engl. Meilen bewegt. In
                              									diesem Falle durchläuft der Umfang der Ruderräder in jeder Zeitstunde 23,13 engl.
                              									Meilen. Hr. Stevenson fuhr unter derlei Verhältnissen auf
                              									dem Rochester, und gibt an, daß derselbe mit 27 Doppelhuben in der Minute und 45
                              									Pfd. Dampfdruk auf den Quadratzoll bei eben zurükkehrender Fluth 16,55 engl. Meilen
                              									in der Zeitstunde zurüklegte. Er bemerkt dabei, daß das Boot beinahe die größte
                              									Geschwindigkeit, die ihm seine Maschinen zu geben im Stande sind, erreicht haben
                              									dürfte, wobei jedoch nicht klar ist, ob damit gemeint ist, daß die Feuerung auf das
                              									Höchste gesteigert wurde, oder daß 45 Pfd. auf den Quadratzoll der höchste Druk ist,
                              									den der Kessel auszuhalten vermochte, ohne Schaden zu leiden.
                           Nehmen wir nun an, daß der Dampf bei dieser großen Geschwindigkeit dermaßen
                              									ausgestrekt (wiredrawn) wird, daß er 4,71 Pfd. seines
                              									Drukes verliert (eine Annahme, die wahrscheinlich bedeutend größer seyn dürfte, als
                              									der in Wirklichkeit stattfindende Verlust), so kann man annehmen, daß der
                              									Initialdruk des Dampfes im Cylinder (mit Einschluß des Luftdrukes) 55 Pfd. auf den
                              									Quadratzoll betrug. Da das diesem Druke entsprechende Dampfvolumen 507,3 ist, und da
                              									der Dampf auf der Hälfte des Hubes abgesperrt wurde, so mußte dessen mittlerer Druk,
                              									den am Ende des Cylinders verloren gehenden Raum mit 1/20 des Inhaltes des Cylinders
                              									in Anschlag gebracht, während des Hubes 46,47 Pfd. betragen haben. Zieht man hievon
                              									den Druk im Verdichter, den Hr. Stevenson zu 5 Pfd. auf
                              									den Quadratzoll anschlug, ab, so bleibt ein mittlerer effectiver Druk von 41,47 Pfd.
                              									auf den Quadratzoll, der mit dem Flächenraume des Kolbens, nämlich mit 1452,2
                              									Quadratzoll, multiplicirt 60222,73 Pfd. für den auf die Oberfläche des Kolbens
                              									wirkenden Gesammtdruk gibt. Multiplicirt man diese Zahl mit der Geschwindigkeit des
                              									Kolbens, nämlich mit 540, und theilt man das Product durch 33000, so ergibt sich
                              									eine Bruttokraft von 985,463 Pferdekräften. Betrachtet man jedoch den Druk im
                              									Verdichter als einen Theil der Belastung der Maschine, was, wenn man zwei Maschinen
                              									mit einander vergleichen will, gewiß billig ist, indem es ein Fehler ist, wenn der
                              									Druk im Verdichter bedeutend ist, so findet man die Bruttokraft der Maschinen des
                              									Rochester zu 1104,3 Pferdekräften.
                           Diese Daten als richtig angenommen mußte die Wassermenge, welche zum Behufe der
                              									Speisung der Maschine in Dampf verwandelt wurde, auf die Minute 5,9041 Kubikfuß und
                              									auf die Stunde 354,246 Kubikfuß betragen.
                           Betrachtet man den Durchschnitt des mittleren Theiles des Rochester als ein Rechtek,
                              									so kann dessen Flächenraum nicht über 96 Quadratfuß betragen. Die zum Treiben
                              									desselben mit einer bestimmten Geschwindigkeit erforderliche Kraft muß zu diesem
                              									Flächenraume in einem Verhältnisse stehen, welches von der Gestalt des Rumpfes
                              									abhängt. Da aber auch angenommen ist, daß die Kraft wie der Kubus der
                              									Geschwindigkeit wechselt, so kann man die Gesammtkraft, welche erforderlich ist, um
                              									ein bestimmtes Boot mit einer bestimmten Geschwindigkeit fortzutreiben, durch die
                              									Formel KAV³ bezeichnen, in welcher K ein von der Gestalt des Bootes abhängiger Coëfficient, A der Flächenraum des getauchten Durchschnittes des
                              									mittleren Theiles, und V die Geschwindigkeit ist.
                           Der Diamond Company in Gravesend angehörige Ruby hat 155 Fuß Länge, 19 Fuß Breite,
                              									und geht mit 300 Passagieren an Bord vorne 4 Fuß 4 Zoll, hinten 4 Fuß 8 Zoll tief im
                              									Wasser. Der Flächenraum des getauchten Durchschnittes seines mittleren Theiles
                              									beträgt 65,6 Quadratfuß. Die Schaufelräder haben 17 Fuß 2 Zoll Durchmesser und 14
                              									Schaufeln von 9 Fuß Länge und 18 Zoll Tiefe, welche unter obigen Umständen 20 Zoll
                              									tief tauchen. Die Triebkraft liefern zwei Maschinen, jede zu 50 Pferdekräften. Die
                              									Cylinder haben 40 Zoll Durchmesser, 3 Fuß 6 Zoll Kolbenhub. Der Dampf im Kessel hat
                              									um 3 1/2 Pfd. mehr Druk als die atmosphärische Luft; das Vacuum in den Verdichtern
                              									zeigt 28 1/4 Zoll. Auf die Minute kommen 31 1/2 Umläufe, und die Geschwindigkeit des
                              									Fahrzeuges beträgt 13,5 engl. Meilen in der Zeitstunde. Der Flächenraum beider
                              									Kolben zusammen beträgt 2513,28 Quadratzoll, und der effective Druk, den der Dampf
                              									auf jeden Quadratzoll des Kolbens ausübt, 3,5 + 13,852 Pfd. = 17,352 Pfd., die, wenn
                              									man sie mit dem Flächenraume der Kolben multiplicirt, einen Gesammtdruk von 43610,43
                              									Pfd. geben. Multiplicirt man diese Zahl mit der Geschwindigkeit der Kolben, welche
                              									220,5 Fuß beträgt, und theilt man das Product durch 33000, so erhält man eine
                              									Bruttokraft von 291,4 Pferdekräften. Nimmt man ferner den in dem Verdichter
                              									stattfindenden Druk, gleichwie dieß oben an dem Rochester geschah, für einen Theil
                              									der Belastung, so ergibt sich, indem der Druk auf jeden Kolben 3,5 + 14,71 = 18,21
                              									Pfd. beträgt, eine Bruttokraft von 305,81 Pferdekräften. Von dieser Kraft, die wir
                              										P nennen wollen, wird ein Theil auf Ueberwindung der
                              									Reibung der Maschine und des Widerstandes des Dampfes im Verdichter, indem das
                              									Vacuum kein vollkommenes ist, verwendet; und man kann annehmen, daß dieser Theil an
                              									Maschinen von gleichem Baue, die nach einem und demselben Systeme arbeiten, zu der
                              									Bruttokraft P in einem constanten Verhältnisse steht.
                              									Man kann sonach den übrigbleibenden Theil der Kraft, der bloß zum Treiben des
                              									Fahrzeuges verwendet wird, durch den Ausdruk KP,
                              									in welchem K ein constanter Coëfficient ist,
                              									bezeichnen.
                           Da oben gezeigt worden, daß diese Quantität auch durch K'A'V'³ bezeichnet werden kann, wenn K'
                              									der Widerstandscoëfficient des Ruby, A' dessen
                              									getauchter Durchschnitt des mittleren Theiles, und V'
                              									dessen Geschwindigkeit ist, so erhält man KP = K'A'V'³.
                           Wenn P' die Bruttokraft ist, welche erforderlich ist, um
                              									ein Fahrzeug von der
                              									Gestalt des Ruby, dessen getauchter mittlere Durchschnitt jedoch jenem des Rochester
                              									oder A gleich ist, mit einer Geschwindigkeit V, welche jene des Rochester ist, zu treiben, so erhält
                              									man:
                           KP' = KP AV³/A'V'³, oder P' = P AV³/A'V'³.
                           Und substituirt man hiefür alle die bekannten Werthe, so
                              									erhält man:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 77, S. 84
                              
                           eine Zahl, die etwas weniger als 3/4 der Bruttokraft der
                              									Maschine des Rochester beträgt.
                           Die Effectivkraft der Maschinen des Ruby, d.h. die auf die Schaufelräder wirkende
                              									Kraft, beträgt (wenn man sie aus dem Widerstande gegen die Schaufeln nach der von
                              										Mornay in dem Anhange zu Tredgold's Werk über die Dampfmaschine gegebenen Formel, jedoch mit
                              									Verdoppelung des Coëfficienten berechnet, indem Mornay seither gefunden hat, daß der Widerstand, auf den ein sich im
                              									Wasser bewegender Körper trifft, doppelt so groß ist, als er nach der allgemein
                              									angenommenen Theorie seyn sollte) 267,86 Pferdekräfte. Berechnet man sie dagegen
                              									nach de Pambour's Formel, welcher gemäß von dem auf den
                              									Kolben wirkenden Effectivdruke zuerst 1 Pfd. per
                              									Quadratzoll für die Reibung ohne Last, und dann 1/8 des Ueberrestes für die der Last
                              									zuzuschreibende Reibung abgezogen werden soll, so erhält man nur 240,285
                              									Pferdekräfte. Beide Methoden würden ein gleiches Resultat geben, wenn der Druk im
                              									Kessel um 5,38 Pfd. stärker wäre, als der Luftdruk; wahrscheinlich sind aber in den
                              									beiden Berechnungen einige Irrthümer; auch ist die Differenz nicht so gar groß,
                              									indem sich die beiden Resultate wie 9 zu 10 verhalten. Um jedoch den Amerikanern gar
                              									keinen Zweifel zu lassen, wollen wir den Druk in den Kesseln zu 5 Pfd. auf den
                              									Quadratzoll annehmen, wonach sich die Bruttokraft auf 331 und die verwendbare Kraft
                              									nach de Pambour auf 262,315 Pferdekräfte berechnet, so
                              									daß also das Verhältniß der lezteren zur ersteren oder K
                                 										= 0,79249 ist.
                           Nimmt man die Bruttokraft zu 331 anstatt zu 305,81 Pferdekräften an, so gibt dieß für
                              										P', d.h. für die Bruttokraft, welche erforderlich
                              									ist, um das größere Fahrzeug von einer dem Ruby gleichkommenden Gestalt mit einer
                              									Geschwindigkeit von 16,55 engl. Meilen in der Zeitstunde zu treiben, 892,46
                              									Pferdekräfte, die, wenn man sie mit K multiplicirt,
                              									707,27 als die disponible, auf die Schaufelräder anzuwendende Kraft
                              									herauswerfen.
                           Die Kraft, welche durch Reibung und andere Verluste aufgezehrt wird, betrüge hienach an den
                              									nach dem Principe des Ruby gebauten Maschinen 185,19, an den Maschinen des Rochester
                              									dagegen 397,03 Pferdekräfte. Die Londoner Ingenieurs vermögen somit nicht nur
                              									Maschinen zu bauen, mit denen Schiffe mit 16,55 engl. Meilen in der Zeitstunde
                              									fortgetrieben werden können, sondern sie erreichen dieses Resultat sogar mit einem
                              									Kraftaufwande, der nur 9/11 jener Kraft beträgt, welche die Amerikaner hiezu
                              									brauchen. Allerdings kommt dagegen in Betracht, daß die engl. Maschinen von 892,46
                              									Pferdekräften mehr Wasser verdampfen und somit mehr Brennmaterial verbrauchen als
                              									die amerikanischen Maschinen von 1104,3 Pferdekräften, indem sich an lezteren der
                              									Dampf im Cylinder expandirt. Allein es ist klar, daß, wenn man das Expansionsprincip
                              									auch an den engl. Maschinen befolgte, die Ersparniß an Brennmaterial mit der
                              									Ersparniß an Dampf im Verhältnisse stehen würde, und sogar noch weiter getrieben
                              									werden könnte, als an der Maschine des Rochester.