| Titel: | Einiges über das Verhalten des Wassers auf stark erhizten Oberflächen. Aus einem Berichte, den Hr. Robiquet der Akademie in Paris über eine hierauf bezügliche Abhandlung des Hrn. Boutigny erstattete. | 
| Fundstelle: | Band 77, Jahrgang 1840, Nr. XXXI., S. 123 | 
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                        XXXI.
                        Einiges uͤber das Verhalten des Wassers
                           								auf stark erhizten Oberflaͤchen. Aus einem Berichte, den Hr. Robiquet der Akademie in Paris
                           								uͤber eine hierauf bezuͤgliche Abhandlung des Hrn. Boutigny erstattete.
                        Aus den Comptes rendus 1840, 1er Sem., No. 10.
                        Robiquet, uͤber das Verhalten des Wassers auf heißen
                           								Metallen.
                        
                     
                        
                           Obwohl Jedermann weiß, welche sonderbaren Erscheinungen das Wasser veranlaßt, wenn
                              									man es tropfenweise auf eine sehr heiße Metallplatte fallen läßt, so besizen wir
                              									bisher doch immer noch keine genügende Erklärung dieser Erscheinungen: ja bis in die
                              									neuesten Zeiten scheinen sich sogar nur wenige Physiker mit denselben beschäftigt zu
                              									haben. Eller dürfte der erste gewesen seyn, der darauf
                              									Rüksicht nahm; aber auch er beschränkte sich auf bloße Beobachtung und Beschreibung
                              									der Vorgänge. Leidenfrost gibt in einer im Jahre 1756
                              									unter dem Titel: „Do aquae communis
                                    											qualitatibus“ erschienenen Abhandlung an, daß ein
                              									Wassertropfen, den man in einen bis zum Weißglühen erhizten eisernen Löffel fallen
                              									läßt, lang zur Verdünstung braucht, und ein Kügelchen bildet, welches sich entweder
                              									um sich selbst dreht, oder unbeweglich und durchsichtig wie eine kleine
                              									Krystallkugel bleibt. Klaproth wiederholte im J. 1802
                              									diesen Versuch in Schalen aus Eisen, Platin und Silber, wobei er fand, daß der
                              									Wassertropfen in diesen verschiedenen Metallen, wenn sie sämmtlich zum Weißglühen
                              									erhizt worden, nicht mit gleicher Geschwindigkeit verdunstet. Rumfort, der die Ursache dieser Erscheinung zu ermitteln strebte, ließ die
                              									innere Seite eines silbernen Löffels über einem Kerzenlichte schwarz anlaufen, und
                              									brachte sodann einen Wassertropfen, welcher bei der gewöhnlichen Temperatur ein
                              									Kügelchen bildete, ohne die geschwärzte Oberfläche zu benezen, in denselben. Der Löffel konnte
                              									unter diesen Umständen so weit erwärmt werden, daß man ihn kaum mehr an seinem Ende
                              									zu halten vermochte, ohne daß der Wassertropfen dadurch merklich erwärmt worden
                              									wäre. Rumfort schloß hieraus, daß der Wassertropfen die
                              									Wärme reflectirte, und somit deren Eindringen in sein Inneres verhinderte. Im J.
                              									1825 übergab Pouillet der Akademie eine Abhandlung, in
                              									der er die Versuche erläuterte, welche er angestellt hatte, um die bei den
                              									chemischen Wirkungen sich entwikelnde Elektricität zu erforschen. Er gibt an, daß es
                              									ihm hiebei gelungen sey, einen großen, auf der Weißglühhize erhaltenen Platintiegel
                              									bis zur Hälfte mit Wasser zu füllen, und daß sich dieses Wasser eine Viertelstunde
                              									lang erhielt, ohne in Bewegung zu gerathen oder eine merkliche Verminderung zu
                              									erleiden. Da er bemerkt hatte, daß Wasser, welches mit Tinte oder mit sehr feinem
                              									Kohlenpulver geschwärzt worden, dagegen sehr rasch verdampfte, so glaubte er, daß
                              									die fragliche Erscheinung wahrscheinlich auf der Leichtigkeit beruhen dürfte, mit
                              									welcher der aus sehr heißen Körpern entbundene strahlende Wärmestoff die
                              									verschiedenen Medien durchdringt. Er fügte auch die Bemerkung bei, daß es wohl seyn
                              									könnte, daß der von den Wänden des weißglühenden Tiegels ausgestoßene Wärmestoff das
                              									Wasser durchdringt, ohne dabei von diesem absorbirt zu werden, und ohne mithin
                              									dieses so zu erwärmen, wie dieß durch minder heiße Wärmestrahlen geschehen
                              									würde.
                           Hr. Le Chevallier
                              									Journal de Pharmacie 1830, Tom. XVI. P. 666. fand seither, wie Hr. Pouillet, daß man, wenn man
                              									Wasser tropfenweise in einen bis zum Weißglühen erhizten Platintiegel fallen läßt,
                              									diesen auf solche Weise nicht nur gänzlich mit Wasser füllen, sondern auch lange
                              									Zeit in diesem Zustande erhalten kann, ohne daß dabei eine bedeutende Verdunstung zu
                              									bemerken wäre; daß hingegen, wenn man den Kessel vom Feuer nimmt, von dem Augenblike
                              									an, wo der Tiegel bis unter eine dunkle Rothglühhize herabsinkt, Plözlich ein
                              									Aufsieden des Wassers und eine rasche Verdampfung desselben eintritt. Ferner
                              									beobachtete Hr. Le Chevallier, daß, wenn man Wasser in
                              									ein glühendes metallenes Gefäß gibt, dieses mit einem aus demselben Metalle
                              									gearbeiteten Pfropfe genau schließt, und es nach einiger Zeit wieder öffnet, die
                              									Spannung des Dampfes keine Zunahme erleidet: zum Beweise, daß sich die Temperatur
                              									der Flüssigkeit während dieser Zeit nicht steigerte, obwohl kein Dampf verloren
                              									gehen konnte. Perkins hatte gleichfalls beobachtet, daß,
                              									wenn man einen Dampferzeuger, in welchem man eine kleine Oeffnung angebracht hatte,
                              									erhizte, anfangs bei dieser etwas Dampf ausströmte, was jedoch gleich aufhörte, so wie
                              									das Gefäß zum Rothglühen kam.
                           Hr. Baudrimont unternahm im J. 1836 eine Reihe von
                              									Versuchen, durch welche er die Unhaltbarkeit der vor ihm über diesen Gegenstand
                              									ausgesprochenen Meinungen darzuthun und dafür zu beweisen suchte, daß die von Hrn.
                              										Le Chevallier beobachteten Erscheinungen mit der
                              									größten Leichtigkeit durch die Verdampfung der Flüssigkeit erklärt werden können.
                              									Nach seiner Ansicht muß nämlich der erzeugte Dampf, wenn er sich so rasch bildete,
                              									daß er die Adhärenz der Flüssigkeit an dem Gefäße verhindern konnte, die Flüssigkeit
                              									aufheben, so daß sich diese nur mehr durch die Ausstrahlung erwärmen kann. Da sich
                              									aber fortwährend Dampf aus ihr entwikelt, welcher ihr durch die Berührung Wärmestoff
                              									entzieht, so kann ihre Temperatur nur sehr wenig steigen; ja ein zum Sieden gelangen
                              									derselben ist ganz unmöglich, denn damit dieses eintreten könnte, müßte die
                              									Flüssigkeit den Wänden des Gefäßes, worin sie enthalten ist, adhäriren, damit der
                              									Dampf, indem er gegen die Wände drükt, eher die Cohäsion der Flüssigkeit als deren
                              									Adhärenz an dem Gefäße überwinden kann.
                           Die Versuche, die hierauf Hr. Laurent unternahm, führten
                              									auch ihn wieder zu anderen Resultaten. Er fand nämlich, daß eine und dieselbe
                              									Wassermenge sich in einem benezten und abgekühlten Tiegel fünfmal schneller
                              									verflüchtigt, als in einem rothglühenden Tiegel. Es war allgemein angenommen, daß
                              									das Wasser bei diesen Versuchen nicht mit den Wänden des rothglühenden Tiegels in
                              									Berührung kommt, sondern von einer Dampfschichte getragen wird, und daher nicht zum
                              									Sieden kommen könne. Hr. Laurent gibt zu, daß das Wasser
                              									allerdings den Tiegel nicht fortwährend berührt; allein er behauptet, daß es in
                              									Schwingungen gerathe, wie eine Kugel, die man auf eine horizontale Fläche fallen
                              									läßt. Der Wassertropfen unterliegt seiner Ansicht nach einer vibrirenden Bewegung,
                              									die in jedem Augenblike wechselt, und welche durch den Dampf hervorgebracht wird,
                              									der sich jedesmal, so oft der Wassertropfen den Tiegel berührt, d.h. so oft der
                              									durch den Dampf emporgehobene Wassertropfen zurükfällt, um neuerdings wieder
                              									emporgeworfen zu werden, unter ihm bildet.
                           Hr. Boutigny behauptet nun, daß alle Erklärungen, die man
                              									vor ihm von diesen Erscheinungen zu geben versuchte, unzulässig sind. Er gibt jedoch
                              									zur Zeit selbst noch keine neue, sondern betrachtet seine Arbeit bloß als den
                              									Vorläufer einer größeren, an deren Schluß er die vielen und vielen Beobachtungen in
                              									Einklang zu bringen und dann eine Theorie aus ihnen abzuleiten suchen wird. Wir
                              									beschränken uns deßhalb
                              									auch auf vorläufige Andeutung der wichtigeren der in dem ersten Theile seiner
                              									Arbeiten aufgeführten Beobachtungen.
                           Man war bisher allgemein der Ueberzeugung, daß das Wasser nur bei einer sehr hohen
                              									Temperatur jene Erscheinung, welche Hr. Boutigny ziemlich
                              									unpassend mit dem Namen (Caléfaction bezeichnet,
                              									darbieten könne; und dennoch kann man sie auch in einem kleinen bleiernen Tiegel auf
                              									eine ganz ausgesprochene Weise beobachten, obwohl dieses Metall bekanntlich schon
                              									bei einer Temperatur von 260° C. in Fluß geräth. Hieraus läßt sich mit Hrn.
                              										Boutigny der Schluß ziehen, daß das Wasser bei einer
                              									etwas niedrigeren Temperatur als diese ist, in einen die Calefaction zeigenden
                              									Zustand (se caléfier) gerathen kann. Uebrigens
                              									erzeugt sich die Calefaction von diesem Temperaturgrade angefangen, fortwährend mit
                              									größerer oder geringerer Intensität. Hr. B. ist der Ansicht, daß diese Erscheinung
                              									bei den Dampfkesselexplosionen eine wichtige Rolle spielen dürfte, und behält sich
                              									vor, in dieser Beziehung specielle Versuche anzustellen.
                           Der Verf. hat seine Versuche mannichfach abgeändert und nach und nach Alkohol von
                              									verschiedenen Graden, Aether, Terpenthingeist, Citronenöhl, alkalische und
                              									Salzauflösungen, Säuren etc. der Calefaction unterworfen. Schon Pouillet untersuchte die Erscheinungen, welche mit der
                              									plözlichen Einwirkung der Wärme auf wässerige Baryt-, Strontian-,
                              									Kali- und Natron-Auflösungen verbunden sind, und gelangte hiebei zu
                              									dem merkwürdigen Resultate, daß während der ganzen Dauer des Versuches jener Körper,
                              									der sich verflüchtigt, sich in einem anderen elektrischen Zustande befindet, als der
                              									zurükbleibende. Hr. B. führt in seiner Abhandlung die sämmtlichen Beobachtungen an,
                              									welche er an den den Versuchen unterstellten Körpern zu machen Gelegenheit hatte. Es
                              									ist nicht möglich, hier in das Detail derselben einzugehen; nur ein Paar, die von
                              									besonderem Interesse zu seyn scheinen, erlaube ich mir anzuführen. Die eine betrifft
                              									nämlich den Aether, der, wenn man ihn tropfenweise in einen beinahe rothglühenden
                              									Platintiegel fallen läßt, die Erscheinung der Calefaction fast eben so gut zeigt,
                              									wie das Wasser, d.h. der sich ohne die Zeichen des Siedens wahrnehmen zu lassen, in
                              									Kugeln formt, welche sich rasch bewegen, ohne daß sie dabei den Kessel zu benezen
                              									scheinen. Dabei vermindert sich seine Quantität fortwährend, jedoch viel langsamer
                              									als dieß geschehen würde, wenn das Gefäß kalt wäre. Bei dieser langsamen Verdunstung
                              									entwikelt sich einer der durchdringendsten Dünste, den Hr. B. anfangs für
                              									Ameisensäure zu halten geneigt war, den er aber jezt lieber für Aldehyd, womit er,
                              									was den Geruch anbelangt, auch wirklich die größte Aehnlichkeit hat, erklären
                              									möchte. Ich wollte mir durch Wiederholung dieses merkwürdigen Versuches in einem geschlossenen
                              									Gefäße einige Gewißheit hierüber verschaffen, was mir jedoch nicht gelang. Das, was
                              									ich aufsammeln konnte, war nur Aether, der etwas brennzelig geworden war. Hr. B.
                              									glaubt, daß zur Erzeugung dieses reizenden Dunstes die Mitwirkung der
                              									atmosphärischen Luft unumgänglich nothwendig sey. Ich habe übrigens bei Wiederholung
                              									des Versuches unter den von Hrn. B. angedeuteten Umständen eine nicht uninteressante
                              									Beobachtung gemacht. Ich hatte nämlich, um zu erfahren, ob der sich entwikelnde
                              									Dunst von saurer Beschaffenheit ist, einen Streifen Lakmuspapier in den Tiegel
                              									gebracht, und fand, daß während der in den Tiegel hineinreichende Theil seine Farbe
                              									beibehielt und sich auch sonst nicht veränderte, der in der Fläche der Mündung
                              									befindliche Theil bräunlich wurde. Da hieraus folgt, daß die Temperatur an dieser
                              									lezteren Stelle eine höhere war, so ist sehr zu vermuthen, daß hier eine langsame
                              									Verbrennung, ähnlich jener, die bei den schönen Versuchen Döbereiner's stattfindet, vorgeht. Eine tiefere Prüfung und Untersuchung
                              									dieses merkwürdigen Resultates dürste wahrscheinlich auf gewisse, bisher noch
                              									unerklärte Erscheinungen bei den Selbstentzündungen einiges Licht werfen.
                           Eine zweite noch merkwürdigere Beobachtung des Hrn. B. bezieht sich auf die
                              									wasserfreie schweflige Säure, deren Flüchtigkeit bekanntlich so groß ist, daß sie
                              									sich nur in luftdicht verschlossenen Gefäßen in flüssigem Zustande erhalten läßt,
                              									und daß sie alsbald, so wie man ihr einen Austritt gestattet, zum Sieden geräth und
                              									sich in Gas verwandelt. Auch diese Säure nun zeigt, wenn man einige Tropfen davon in
                              									einen kleinen, beinahe zum Rothglühen erhizten Platintiegel fallen läßt, dieselben
                              									bei den anderen Flüssigkeiten beobachtbaren Erscheinungen der Calefaction. Sie
                              									geräth nämlich anfangs in lebhafte Bewegung, bildet sodann Kugeln, wird unbeweglich,
                              									opalisirend und scheint selbst zu krystallisiren. Faßt man den Tiegel mit einer
                              									Zange und schüttet man die kleine Kugel auf die Hand heraus, so bekommt man auf
                              									dieser das Gefühl von Kälte. Hr. B. dachte anfangs, daß die schweflige Säure während
                              									der Unbeweglichkeit, in welche sie geräth, durch Aufnahme von Sauerstoff aus der
                              									atmosphärischen Luft sich in Schwefelsäure verwandle; da sich jedoch diese Ansicht
                              									in den Resultaten nicht rechtfertigte, so nahm er später an, daß die schweflige
                              									Säure eine solche Erniedrigung der Temperatur erleide, daß sie dadurch zum Erstarren
                              									käme. Da jedoch Hr. Bussy diese Erstarrung nur mittelst
                              									der ungeheuren Kälte, welche durch Benezung von schneeförmiger Kohlensäure mit
                              									Aether entsteht, hervorzubringen vermochte, so schien mir die Annahme einer solchen
                              									Temperatur-Erniedrigung unter so ungünstigen Umständen nicht wohl möglich. Da
                              									übrigens doch offenbar eine Abkühlung stattfand, so konnte man höchstens annehmen, daß die Verdunstung,
                              									obwohl sie weit geringer war, als sie unter gewöhnlichen Umständen zu seyn pflegt,
                              									doch noch eine Kälte erzeugte, bei der zwar nicht die schweflige Säure selbst, wohl
                              									aber ein Theil der Feuchtigkeit der umgebenden Luft zum Erstarren kam, und bei der
                              									eine Verbindung der Säure mit Wasser bewirkt wurde. Schafft man nämlich das fest
                              									gewordene Kügelchen durch eine rasche Bewegung in eine Röhre, und verpfropft man
                              									diese alsogleich darauf, so verschwindet das Kügelchen; aber nicht ohne einen
                              									Rükstand zu lassen, sondern mit Hinterlassung eines deutlichen Thaues an der Stelle,
                              									an der es sich befand – eines Thaues, der selbst, wenn man die Röhre öffnet,
                              									noch bemerkbar ist. Die Erstarrung mag übrigens von dieser oder irgend einer anderen
                              									Ursache herrühren, so bleibt sie immer eine höchst merkwürdige, eine genaue
                              									Untersuchung verdienende Erscheinung.