| Titel: | Bericht der HHrn. Thenard, d'Arcet und Dumas über Selligue's neues Verfahren Leuchtgas zu bereiten. | 
| Fundstelle: | Band 77, Jahrgang 1840, Nr. XXXIV., S. 138 | 
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                        XXXIV.
                        Bericht der HHrn. Thenard, d'Arcet und Dumas uͤber Selligue's neues Verfahren Leuchtgas zu
                           								bereiten.
                        Aus den Comptes rendus No. 22.
                        Ueber Selligue's Leuchtgasbereitung.
                        
                     
                        
                           Hr. Selligue benuzt zur Leuchtgasbereitung die Oehle,
                              									welche man bei der Destillation des bituminösen Schiefers erhält; solcher kommt z.B.
                              									im Dept. Saône-et-Loire in der Nähe
                              									von Autun vor, wo bereits drei Etablissements zur Gewinnung des Schieferöhls von
                              									Hrn. Selligue gegründet wurden, nämlich eines zu
                              									Saint-Légerdu-Bois, Kanton Epinac, ein zweites zu Surmoulin,
                              									Kanton Autun, und ein drittes zu Igornay, Kanton Cardesse. In diesen Anstalten
                              									werden die bituminösen Schiefer in geschlossenen Gefäßen der Destillation
                              									unterworfen; sie hinterlassen dabei als Rükstand eine kohlige Substanz, welche in
                              									vielen Fällen als desinficirende oder entfärbende Kohle benuzt werden könnte, jedoch
                              									bis jezt noch nicht verwerthet wurde. Die flüchtigen Producte dieser Schiefer sind
                              									Oehle, welche im Wesentlichen aus verschiedenen Kohlenwasserstoffarten bestehen;
                              									übrigens entwikeln sich bei der Destillation der Schiefer auch entzündbare Gasarten,
                              									die man in den Feuerraum des Ofens leitet und folglich bei der Operation selbst als
                              									Brennmaterial benuzt.
                           Die Schiefer von Autun liefern bei der Destillation sehr verschiedene Quantitäten
                              									Oehl; alle diejenigen, welche weniger als 6 Proc. geben, werden verworfen.
                              									Diejenigen, welche man in der Regel benuzt, liefern im Durchschnitt 10 Proc. Oehl; man
                              									findet aber nicht selten solche, die 20 bis 25 Proc. und sogar gewisse Varietäten,
                              									welche 50 Proc. ihres Gewichts öhliger Producte geben.
                           Die öhligen Producte, welche man bei der Destillation dieser Schiefer erhält, sind
                              									folgendermaßen zusammengesezt:
                           1400 Kilogr. der flüssigen Producte, die man täglich in zwei Anstalten gewinnt,
                              									bestehen aus:
                           
                              
                                   498 Kilogr.
                                 eines leichten Oehls, dessen Dichtigkeit zwischen
                                    											0,766und 0,810 wechselt; dieses wird zur
                                    											Gasbereitungangewandt;
                                 
                              
                                   362
                                    											  –
                                 eines viel fixiren Oehls, welches zum Brennen
                                    											inLampen benuzt werden kann;
                                 
                              
                                   168
                                    											  –
                                 einer fetten Substanz, welche 12 Procent Paraffin
                                    											enthält;
                                 
                              
                                   242
                                    											  –
                                 Theer.
                                 
                              
                                 –––––––
                                 
                                 
                              
                                 1300 (?)
                                 
                                 
                              
                           Die Oefen, womit Hr. Selligue diese verschiedenen Producte
                              									gewinnt, sind sinnreich gebaut und können zu vielen ähnlichen Operationen benuzt
                              									werden, nämlich überall, wo es sich darum handelt, eine trokene Destillation in
                              									großem Maaßstabe auszuführen und alle Producte von einander zu trennen.
                           Die verschiedenen Substanzen, welche man aus den Schiefern von Autun gewinnt, werden
                              									alle ihre Anwendung in den Gewerben finden; gegenwärtig wollen wir aber die
                              									Aufmerksamkeit der Akademie der Wissenschaften nur auf das leichteste und
                              									flüchtigste Oehl lenken, welches zur Leuchtgasbereitung dient.
                           Man vermuthet schon seit langer Zeit, daß das Leuchtgas seine Leuchtkraft
                              									hauptsächlich öhligen Dämpfen verdankt, die das in der Regel nur wenig gekohlte
                              									Wasserstoffgas, welches immer in diesem Gase vorwaltet, begleiten. Diese Ansicht
                              									wird durch das Resultat, zu welchem Hr. Selligue gelangt
                              									ist, bestätigt.
                           Mehrere ausgezeichnete Gelehrte, welche die Bereitung und Eigenschaften des
                              									Leuchtgases gründlich studirt haben, stellten als Grundsaz auf, daß das
                              									Kohlenoxydgas bei der Verbrennung der Leuchtgase immer schädlich ist; daß es nämlich
                              									den Glanz der Flamme vermindert, indem es ihre Temperatur erniedrigt, weil es bei
                              									seiner Verbrennung nur wenig Wärme entwikelt. Diese Ansicht ist nicht gegründet und
                              									die Verfahrungsarten des Hrn. Selligue können in dieser
                              									Hinsicht nicht den geringsten Zweifel übrig lassen.
                           Ueber diese beiden Hauptpunkte der Leuchtgastheorie erhalten wir also durch die
                              									Versuche des Hrn. Selligue eine Aufklärung, welche
                              									notwendig zu Abänderungen in dem bisher bei der Leuchtgasfabrication befolgten Gang führen muß, denn
                              									es ist klar, daß man dabei an Grundsäzen hielt, welche sich nicht bestätigen.
                           Hr. Selligue verfährt bei der Bereitung seines Gases
                              										folgendermaßen:Sein Apparat ist im polytechn. Journal Bd.
                                       												LXXI. S. 29 beschrieben und abgebildet.
                              								
                           Drei Röhren, welche in einem Ofen von neuer und sehr sinnreicher Construction
                              									senkrecht stehen, werden darin zum Rothglühen erhizt. Die erste und zweite enthalten
                              									Kohle, welche in dem Maaße, als sie verschwindet, wieder ersezt wird, was von fünf
                              									zu fünf Stunden geschieht. Diese Kohle hat zum Zwek, die Zersezung des Wassers zu
                              									bewirken, welches beständig in einem dünnen Strahl in die erste Röhre geleitet wird,
                              									wo es sich in Wasserstoffgas und Kohlensäure oder Kohlenoxyd verwandelt. Da man aber
                              									die Erzeugung von Kohlensäure möglichst zu vermeiden suchen muß, so leitet man die
                              									Gasarten der ersten Röhre in die zweite folgende, wo sie wieder mit glühender Kohle
                              									in Berührung kommen, welche die anfangs gebildete Kohlensäure auf Kohlenoxyd
                              									reducirt. Bei der getroffenen Einrichtung ist diese Röhre die heißeste von allen
                              									dreien, was die gänzliche Zersezung der Kohlensäure begünstigt.
                           Die dritte Röhre ist mit Ketten aus Eisen gefüllt, um eine große weißglühende
                              									metallische Oberfläche herzustellen, welche die Hize auf eine gleichförmige und
                              									schnelle Weise unter den sie durchstreichenden Gasarten oder Dämpfen verbreitet. In
                              									sie gelangen nämlich einerseits die Gasarten, welche bei der Zersezung des Wassers
                              									in den zwei vorhergehenden Röhren entstanden; andererseits wird aber auch beständig
                              									ein Strahl Schieferöhl in sie geleitet. Dieses Oehl zersezt sich in neue flüchtigere
                              									Producte, und geht gänzlich mit den Gasarten in einen Kühlapparat, worin ein Theil
                              									der Oehle wieder verdichtet wird.
                           Das Schieferöhl wirb also nicht gänzlich in Gas verwandelt, aber dasjenige, welches
                              									sich nicht in Substanzen, die als Gas functioniren, umändert, findet sich unversehrt
                              									wieder. Sehr bemerkenswerth ist, daß sich auf den Gelenken der in der Röhre
                              									hängenden Kette durchaus keine kohlige Materie ablagert. Obgleich also das
                              									Schieferöhl durch die Hize bei dieser Operation offenbar zersezt wird, so ist seine
                              									Zersezung doch durch seine Zerstreuung in einem großen Gasvolumen (welches durch die
                              									Zersezung des Wassers entsteht und dem Oehl als Lösungsmittel dient) auf eine
                              									glükliche Weise modificirt.
                           Aus der dritten Röhre entweichen also Wasserstoff- und Kohlenoxydgas, welche
                              									von der Zersezung des Wassers herrühren, nebst den Gasen oder Dämpfen, welche von
                              									der Zersezung des Oehls herrühren. Wenn man in den Apparat stündlich 4 Liter Wasser
                              									und 5 Liter Schieferöhl gelangen läßt, verschafft man sich in zwanzig Stunden
                              									210,000 Liter eines zur Beleuchtung geeigneten Gases.
                           Das so bereitete Gas erfordert keine andere Reinigung, als daß man es durch einen
                              									Kühlapparat leitet, worin sich das unzersezte Oehl, so wie auch der Wasserdampf,
                              									welcher der Zersezung widerstand, verdichten.
                           Von dem Kühlapparate gelangt das Gas in den Gasometer.
                           Selligue's Leuchtgasbereitung ist so einfach und
                              									erfordert einen so wenig kostspieligen und einen so kleinen Raum einnehmenden
                              									Apparat, daß sie sich ganz besonders für Manufacturen und andere Privatanstalten
                              									eignet, welche das für ihren Bedarf erforderliche Leuchtgas selbst bereiten wollen.
                              									Die nicht bedeutenden Gestehungskosten dieses Gases lassen es übrigens auch zur
                              									Beleuchtung der Städte benuzen.
                           Folgende zwei Thatsachen müssen wir nun besonders hervorheben:
                           Die Erfahrung hat erwiesen, daß dieses Leuchtgas, wenn es von dem Gasometer weit
                              									weggeleitet wird, nicht nur nichts an Güte verliert, sondern noch brauchbarer wird.
                              									In einer Entfernung von 8000 Meter von dem Gasbehälter lieferte es sogar eine
                              									reinere Flamme als beim Austreten aus demselben.
                           Bis auf 25° C. unter den Nullpunkt abgekühlt verlor es nicht merklich an
                              									Leuchtkraft.
                           Es war nöthig, diese zwei Thatsachen genau zu erheben, da es sich von einem Gase
                              									handelt, dessen Leuchtkraft offenbar durch das Vorhandenseyn brennbarer
                              									Kohlenwasserstoff-Dämpfe bedingt ist, welche sich in der Kälte oder in langen
                              									Leitungsröhren daraus zu vollständig hätten ablagern können. Die Erfahrung zeigt
                              									aber, daß wenn sich auch unter diesen Umständen solche aus dem Gase absezen, noch
                              									immer genug davon zurükbleibt, um die gehörige Wirkung hervorzubringen.
                           Ein Brenner dieses Gases, welcher eben so viel Licht liefert, wie 1 2/3 Brenner einer
                              										Carcel'schen Lampe, verzehrt stündlich 105 bis 120
                              									Liter Gas.
                           Da dieses Gas von Schwefelverbindungen ganz frei ist, so verbreitet es natürlich
                              									keinen üblen Geruch. Eben deßwegen wirkt es auch nicht auf die metallenen
                              									Reflectoren, was Hrn. Selligue in Stand sezte, solche bei
                              									Beleuchtung der Städte mit seinem Gase anzuwenden, und zwar mit großem Vortheil,
                              									denn ein parabolischer Reflector, welcher an einem seiner Brenner angebracht ist,
                              									verbreitet auf eine
                              									Entfernung von 80 Meter so viel Licht, daß man eine Drukschrift von mittlerer Größe
                              									lesen kann.
                           Wir haben selbst den Gasapparat des Hrn. Selligue in der
                              									königl. Buchdrukerei und denjenigen, womit Dijon und Batignolles beleuchtet werden,
                              									untersucht, auch Nachrichten über die Gasapparate eingezogen, welche Hr. Selligue in einigen anderen Städten errichtete.
                           Es steht fest, daß sich Hr. Selligue ein unbestreitbares
                              									Verdienst dadurch erworben hat, daß er eine nüzliche Unwendung von den Oehlen
                              									machte, welche man durch trokene Destillation aus den Schiefern gewinnen kann; es
                              									ist ferner erwiesen, daß es ihm gelang, durch Zersezung des Wassers mittelst Kohle
                              									aus öhligen Substanzen die möglich größte Gasmenge, welche sie liefern können,
                              									wohlfeil zu erzeugen. Der Apparat zur Gaserzeugung, dessen Erfindung ihm angehört,
                              									leistet Alles, was man wünschen kann.
                           Die Bemühungen des Hrn. Selligue verdienen somit die ganze
                              									Theilnahme der Akademie der Wissenschaften, welche ihn durch ihre Beifallsbezeugung
                              									ermuntern sollte, auf der neuen Bahn, die er betrat, und wobei er bereis einen
                              									günstigen Erfolg erzielte, zu beharren.
                           Die Folgerungen dieses Berichts werden von der Akademie angenommen.
                           
                        
                           Zusaz.
                           Hr. Grouvelle, Civilingenieur in Paris, welcher sich
                              									bisher vorzugsweise mit der Leuchtgasfabrication nach Selligue's Methode beschäftigte, hatte die Gefälligkeit, mir Bemerkungen
                              									in Bezug auf die im polyt. Journal Bd. LXXII. S.
                                 										141 von mir gemachten zukommen zu lassen; es sind im Wesentlichen
                              									folgende:
                           
                              „Durch die Fabrication und Verwendung von wenigstens 20 Mill. Kubikfuß
                                 										Leuchtgas ist es nun außer Zweifel gesezt, daß 1 Kilogr. Schieferöhl in Selligue's Apparat 65 Kubikfuß eines Gases liefert,
                                 										dessen Leuchtkraft mehr als doppelt so groß ist wie diejenige, welche nach dem
                                 										gewöhnlichen Verfahren die Oehle zu zersezen gewonnen werden könnte, d.h. 1
                                 										Kilogr. Schieferöhl, welches nach Selligue's
                                 										Verfahren in 65 Kubikfuß Leuchtgas verwandelt wird, liefert eine Summe Lichts,
                                 										welche wenigstens zweimal so groß ist wie die aus einem Kilogr. Oehl bei der
                                 										Zersezung desselben nach der alten Methode möglicherweise zu
                                 										gewinnende.“
                              
                           
                              „Treibt man die Gaserzeugung aus einem Kilogr. Oehl (mittelst Wasser) bis
                                 										auf 220 Kubikfuß, also zu weit, so erhält man in Summa aus jedem Kilogr. Oehl
                                 										eine Gesammtquantität Licht, welche größer ist, als sie dasselbe Kilogr. Oehl,
                                 										in bloß 65 Kubikfuß Leuchtgas (Wassergas) verwandelt, liefert, obgleich allerdings
                                 										die respective Leuchtkraft des Gases immer geringer
                                 										wird, je mehr Gas mit derselben Menge Oehl durch Wasserdampf producirt wird. Das
                                 										Kohlenoxydgas scheint folglich die Leuchtkraft des Wassergases zu erhöhen, ohne
                                 										Zweifel, weil es bei seiner Verbrennung mehr Wärme entwikelt.“
                              
                           
                              „Nach der Analyse Peligot's, dem Adjunct des
                                 										Prof. Dumas, besteht das neue Leuchtgas in 99
                                 										Raumtheilen aus:
                              
                           
                              
                                 
                                    Kohlenoxydgas
                                    28
                                    
                                 
                                    Kohlenwasserstoffarten
                                    56
                                    
                                 
                                    Freiem Wasserstoffgas
                                    15
                                       											
                                    
                                 
                                    
                                    –––
                                    
                                 
                                    
                                    99
                                    
                                 
                              
                           
                              „Die Dichtigkeit des Gases fand er = 0,65, was ziemlich mit der nach der
                                 										Analyse berechneten übereinstimmt.“
                              
                           Gegen die von mir geäußerte Vermuthung, daß bisweilen durch Verbindung von
                              									unzerseztem Wasserdampfe mit Oehldampf im dritten Cylinder des neuen Gasapparates
                              									das von Hare entdekte gasförmige Kohlenwasserstoffhydrat
                              									erzeugt werden dürfte, führt Grouvelle folgende
                              									Thatsache, als damit in Widerspruch stehend, an: „Wenn man den Oehlzufluß
                                 										bei einem in Thätigkeit befindlichen Selligue'schen
                                 										Apparate unterbricht, ohne den Wasserstrahl oder Wasserdampfstrom abzusperren,
                                 										so erhält man weder Kohlensäure noch Wasserdampf, sondern Kohlenoxydgas und
                                 										Wasserstoffgas, welches leztere nur sehr wenig Kohlenstoff enthält.
                              								
                           
                              „Hinsichtlich der Zusammensezung des sogenannten Wassergases, sagt Grouvelle, ist wenigstens so viel gewiß, daß es kein
                                 										bloßes Gemisch von Wasserstoff und Oehldampf, welches seine Leuchtkraft in der
                                 										Kälte verlieren könnte, sondern vielmehr eine chemische Verbindung ist, die in der Rothglühhize
                                 										zwischen zwei Substanzen erfolgt, wovon sich die eine im statu nascente befindet; denn wenn man das Wassergas auf –
                                 										18° C. erkältet, sezt es gar nichts ab und verliert auch nichts von
                                 										seinen Eigenschaften.“
                              
                           
                              „Für diese Ansicht spricht auch ein Versuch, den ich mehrmals wiederholt
                                 										habe: wenn man nämlich die Retorten des Selligue'schen Apparates zu stark erhizt, hört
                                 										die Verbindung zwischen den zwei Substanzen augenbliklich auf; das in den
                                 										Apparat gelassene Oehl wird durchaus nicht mehr zersezt, sondern destillirt bloß
                                 										über und verdichtet sich vollständig in dem Kühlapparate. Das Gas besteht dann
                                 										aus nicht leuchtendem Wasserstoff, mit Kohlenoxyd vermischt. Sobald die
                                 										Temperatur der Retorten aber wieder auf die Kirschrothglühhize fällt, findet die
                                 										chemische Verbindung statt, alles Oehl wird zersezt und durch das Gas
                                 										fortgeführt; lezteres sezt in dem Kühlapparate fast gar nichts mehr ab und liefert
                                 										eine weiße und glänzende Flamme.“
                              
                           „Daß man nach Selligue's Verfahren ein ganz
                                 										reines und mit glänzendem Lichte brennendes Leuchtgas erhält, wird selbst von
                                 										den eifrigsten Gegnern desselben, den Steinkohlengas-Fabrikanten
                                 										zugegeben; auch hat die Erfahrung gelehrt, daß Selligue's Gasapparat von verständigen Arbeitern mit derselben
                                 										Regelmäßigkeit und Sicherheit wie die alten Gasapparate dirigirt werden
                                 										kann.“ Ich habe in der oben citirten Notiz durch Berechnungen zu
                              									zeigen gesucht, daß die Angaben von Payen und Grouvelle über die Leuchtkraft des Selligue'schen Leuchtgases sowohl unter sich als mit den bis jezt
                              									bekannten Thatsachen und Erfahrungen in Widerspruch stehen. Der Widerspruch jener
                              									Angaben unter sich ist nun allerdings durch die Erläuterungen Grouvelle's gehoben; daß jedoch die beim Verbrennen des sogenannten
                              									Wassergases erzeugte Lichtquantität nach unserer bisherigen Theorie und Erfahrung
                              									ganz unerklärlich bleibt, wirb selbst von den französischen Akademikern anerkannt,
                              									welche aus den Resultaten des Hrn. Selligue den Schluß
                              									ziehen, daß man bis jezt bei der Leuchtgasbereitung von ganz unhaltbaren Grundsäzen
                              									ausging. Es. ist daher um so mehr zu bedauern, daß jene berühmten Chemiker sich
                              									nicht im Geringsten bemühten, über die Zusammensezung des Selligue'schen Leuchtgases durch analytische und synthetische Versuche ins
                              									Klare zu kommen, und sie haben, indem sie in ihrem Berichte nur die Richtigkeit
                              									einer im Großen gemachten Erfahrung bestätigten, offenbar weder der Wissenschaft
                              									noch der Industrie einen großen Dienst geleistet.
                           Während Grouvelle bemerkt, daß niemals unzersezter
                              									Wasserdampf aus dem dritten Cylinder des Apparates entweicht (selbst wenn bloß
                              									Wasser und gar kein Oehl in denselben gelangt), daß folglich auch nie das von Hare entdekte gasförmige Kohlenwasserstoff-Hydrat
                              									erzeugt werden kann, sagen die französischen Akademiker in ihrem Berichte
                              									ausdrüklich, daß im Kühlapparate außer Oehl auch unzersezter Wasserdampf verdichtet
                              									wird.
                           Nach der Angabe der Berichterstatter erhält man aus 100 Liter Schieferöhl (von 0,766
                              									bis 0,810 spec. Gew.) und 80 Liter Wasser mittelst des Selligue'schen Apparates 210,000 Liter Leuchtgas; wenn man jedoch annimmt,
                              									daß das Wasser durch die Kohle in Kohlenoxyd- und Wasserstoffgas zersezt
                              									wird; daß das Schieferöhl aus 6 Aequivalenten Kohlenstoff und 5 Aequivalenten
                              									Wasserstoff, was höchst wahrscheinlich ist, besteht, und sich in öhlbildenden
                              									Kohlenwasserstoff und Kohlenstoff zersezt; daß ferner lezterer durch den aus dem
                              									Wasser freigewordenen Wasserstoff vollständig in öhlbildendes Kohlenwasserstoffgas verwandelt
                              									wird, weil im dritten Cylinder keine Kohle zurükbleibt – so müßte man
                              									wenigstens 40,000 Liter mehr Gas erhalten, als wirklich gewonnen wird. Es ist auch
                              									gar nicht wahrscheinlich, daß ein nach Peligot's
                              									analytischem Resultate zusammengeseztes Gasgemisch dieselbe Leuchtkraft wie das
                              									Wassergas besizen wird.
                           E. Dingler.