| Titel: | Ueber die Stahlsorten des Handels; von Hrn. Schauer. | 
| Fundstelle: | Band 77, Jahrgang 1840, Nr. LVI., S. 223 | 
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                        LVI.
                        Ueber die Stahlsorten des Handels; von Hrn.
                           									Schauer.
                        Aus den Verhandlungen des Vereins zur
                                 								Befoͤrderung des Gewerbfleißes in Preußen, 1839, S. 224.
                        Schauer, uͤber die Stahlsorten des Handels.
                        
                     
                        
                           Man kann annehmen, daß in der neuern Zeit im Allgemeinen der englische Stahl
                              									schlechter, der deutsche besser geworden sey. Den Grund des leztern Umstandes dürfte
                              									in der nacheifernden Verbesserung der Methoden, der des erstem darin zu suchen seyn,
                              									daß die englischen Fabrikanten selbst das Bedürfniß geringerer Stahlsorten
                              									fühlten.
                           Der früher so berühmte Huntsmanstahl hatte, außer der
                              									Nichtschweißbarkeit alles englischen Gußstahls, noch die Nachtheile, nicht gut Formveränderungen zu
                              									vertragen und beim Härten leicht zu reißen – was im Allgemeinen bei
                              									englischem Stahle um so mehr der Fall ist, je besser er hart wird. Der jezt
                              									käufliche mit dem Stempel Huntsman versehene Stahl ist in
                              									mehrfacher Beziehung verschieden von dem früheren. Wenn auch nicht schweißbar, so
                              									erlangt er doch noch eine hinreichende Härte (zuweilen aber auch nicht), besizt bei
                              									dieser einen größern Grad von Elasticität, hat aber vielfältig ungleiche Mischung,
                              									was ein ungleiches (stellenweises) Hartwerden und öfteres Springen zur Folge hat.
                              									Dagegen erleidet er eine Formveränderung mit weniger Nachtheil, verlangt einen
                              									höhern Hizgrad zum Härten, ja er muß sogar stark rothwarm gemacht werden; es thut
                              									ihm Ueberwärmung weniger Schaden, da er durch Ueberschmieden wieder verbessert
                              									werden kann, und dadurch beinahe alle früheren Eigenschaften wieder erlangt. Allein
                              									die Eigenschaft, welche dem praktischen Arbeiter am mehrsten gilt, nämlich den
                              									besonders großen Härtegrad und gleichzeitiges Nichtspringen beim Härten, erreicht
                              									auch der gegenwärtige Huntsmanstahl nie.
                           Man hat in den lezten zwei Jahren in Berlin eine Art englischen Gußstahl mit dem
                              									Zeichen Parker, Sheffield, verarbeitet, welcher in
                              									einiger Beziehung besser als der lezte Huntsmanstahl ist,
                              									im Punkte des Reißens beim Härten jedoch keine bessere Eigenschaft bewährt hat.
                           Man soll früher auch in Deutschland, außer dem sogenannten steyrischen Stahl, eine
                              									Art Gußstahl gefertigt haben, der dem englischen nicht nachgestanden hat, allein
                              									unter der Menge nur immer wenig gute Stüke lieferte.
                           Rühmlich hat sich der steyrische Stahl (der sogenannte Fäßchenstahl, vom Verpaken in
                              									Kisten und Fässern so genannt) bisher unter den deutschen Sorten behauptet und
                              									während langer Jahre unter diesen immer die erste Stelle eingenommen. Eine Art
                              									Gußstahl, hat er dennoch die Eigenschaft, sich bei einiger Vorsicht gut und
                              									vollständig schweißen zu lassen, ohne dadurch wesentlich bemerkbar in seiner
                              									Qualität schlechter zu werden; er nimmt auch einen ziemlich hohen Härtegrad an.
                              									Diesen beiden Eigenschaften verdankt er seine ausgebreitete Anwendbarkeit in den
                              									Fällen, wo der englische, des Schweißprocesses wegen, zurükgesezt werden mußte. Die
                              									sämmtlichen deutschen Sorten zwischen dem steyrischen und Federstahl (gewissermaßen
                              									die beiden Gränzen), als Rundstempel-, Brillenstahl, Dreibrand, Schweizer,
                              									westphälischer Stahl u.s.w. besizen keine wesentlichen Vorzüge; für eine bessere
                              									Gattung unter diesen gilt noch der Rundstempelstahl, die übrigen aber sind so
                              									untergeordnet, daß sie nur für die gewöhnlichsten Schmiedearbeiten, zum Verstählen
                              									grober Schneidewerkzeuge angewendet werden können. Man wendet diese ordinären Sorten
                              									mehrfältig zu Werkzeugen an, welche, aus reinem Eisen gefertigt, nicht ausreichend
                              									für den Gebrauch sind und aus Stahl dargestellt eben nicht zu hoch im Preise zu
                              									stehen kommen.
                           Wie der englische und steyrische Stahl in ihren Eigenschaften, als bessere Gattungen,
                              									sich auszeichnen, so hat auch der deutsche sogenannte Federstahl, welchen man im
                              									Allgemeinen, obschon mit Unrecht, für die geringste Gattung hält, seine
                              									entschiedenen guten Eigenschaften. Von ihm läßt sich behaupten, daß er unter allen
                              									Stahlsorten die vielfältigste Anwendung gefunden hat; denn legt man ihm auch keinen
                              									höhern Werth als den andern geringern Sorten bei, so findet sich der Beweis in dem
                              									sehr bedeutenden Verbrauch für die Anfertigung von Klingen und Federn unter jeder
                              									Form.
                           Der Federstahl, Gerbstahl, ist vom Gußstahl wesentlich
                              									verschieden. Er ist, seiner Textur nach, eine aus übereinander liegenden dünnen
                              									Streifen bessern und schlechtem Stahls, die zwar einerlei Ursprung haben, aber doch
                              									in sich verschieden sind, bestehende Masse, welche durch die eigenthümliche Art der
                              									Vereinigung beider durchaus nicht gleichförmig werden kann. Ist nämlich bei der
                              									Bereitung dieser Stahlart die Verbindung des Eisens mit dem Kohlenstoff vor sich
                              									gegangen, so wird die flüssige Masse, aus welcher der Federstahl gefertigt werden
                              									soll, nicht wie der Gußstahl in Formen ausgegossen, sondern man schweißt die weiche
                              									Masse und strekt sie sofort unterm Hammer aus, wodurch man Stangen gewinnt. Die
                              									weiche Masse ist und kann nie so gleichförmig gemischt seyn, wie es beim völlig
                              									flüssigen Gußstahl der Fall ist und durch die Bereitungsart desselben seyn kann.
                              									Wenn daher Gleichförmigkeit erzielt werden soll, so werden die Stangen entweder jede
                              									für sich, in kurzen Stüken, oder mehrere zusammengenommen, über einander gelegt,
                              									geschweißt und ausgestrekt, welche Operation man Gerben
                              									nennt. Es ergibt sich von selbst, daß durch eine solche gewaltsame Bearbeitung,
                              									selbst bei einer reichhaltigen Verbindung des Eisens mit Kohlenstoff, dennoch nur
                              									ein mittelmäßiges Resultat erzielt werden kann, und daß, da vielfältig in einzelnen
                              									Stangen harte und weiche Streifen (Adern) getroffen werden, die Masse vor dem Gerben
                              									durchaus nicht gleichförmig gemischt seyn konnte. Diese Ungleichförmigkeit der
                              									Mischung des Stahls in Stangen ist jedoch eine nothwendige Eigenthümlichkeit
                              									desselben, sobald er nicht aufhören soll, Federstahl zu seyn. Auch kann nicht in
                              									Abrede gestellt werden, daß durch fortgesezten Gerbeproceß sich die Gleichförmigkeit
                              									der Mischung der einzelnen Stangen bis zu einem ungleich höhern Grade steigern läßt,
                              									vorausgesezt, daß der aufgenommene Kohlenstoff nicht herausbrennt, was aber wirklich der Fall
                              									ist. Durch dieses Gleichförmigmachen verliert nur der Stahl an Zähigkeit und später
                              									beim Härten an Elasticität, was im entgegengesezten Falle in der ungleichen Mischung
                              									der Stangen, d.h. der übereinander liegenden und durcheinander sich flechtenden
                              									Streifen besseren und schlechteren Stahls, seinen Grund findet. Im Ganzen erlangter
                              									auch eine ungleiche Härte, da die einzelnen Stellen, welche sich als besserer Stahl
                              									erweisen, härter werden als die, welche es weniger sind. Somit wird die Wirkung des
                              									einen durch die des andern aufgehoben, und als Mittel von beiden stellt sich eine
                              									Eigenschaft heraus, die alle andern Stahlsorten weniger besizen, d.h. der höchste
                              									Grad der Elasticität im federharten Zustande. Im Zustande seines höchsten
                              									Härtegrades steht er aber noch weit hinter dem steyrischen Stahl.
                           Nicht in Deutschland allein, sondern sogar auch in England macht man vom Federstahl
                              									vielfältige Anwendung. Wo es dem Engländer für besondere Arbeiten an Federstahl
                              									gebricht, muß er sich den englischen Stahl zu diesem Zweke besonders präpariren; er
                              									macht jedoch lieber vom deutschen Stahl Anwendung, sobald er ihn haben kann.
                           Im Allgemeinen ist dem praktischen Arbeiter der Bruch im glasharten Zustande bei
                              									unverdorbenem Stahle die Scala, nach der er sich richtet und nach welchem er auf die
                              									Qualität der Masse mit Sicherheit zu schließen weiß. Je geringer die Qualität, desto
                              									grobkörniger und lebhafter im Glanze ist der Bruch und desto Heller seine Farbe; je
                              									höher aber die Qualität, desto feinkörniger, milder im Glänze und mattgrauer ist der
                              									Bruch. Die Schweißbarkeit steht dabei in umgekehrtem Verhältnisse zur Qualität. Zu
                              									bemerken ist noch dabei, daß durchs Schweißen die Verbindung von Stahl auf Stahl von
                              									einerlei Qualität leichter erfolgt, als von zwei verschiedenen, schwerer aber noch
                              									die von Stahl auf Eisen herzustellen ist, da der Stahl eher in Fluß kommt, als das
                              									Eisen. Eine wesentliche Eigenschaft ist ferner noch die, daß im Zustand des höchsten
                              									Härtegrades der Stahl immer noch einen gewissen Grad von Elasticität besizt, und bei
                              									einerlei Gattung wird derjenige den Vorzug haben, welcher bei demselben Härtegrad
                              									den größeren Elasticitätsgrad zeigt.
                           Die Veränderung der verschiedenen Härtegrade wird dadurch erlangt, daß man dem Stahl
                              									mehr oder weniger Wärme zuführt, je nachdem es die Umstände erfordern; es ist die
                              									gleichzeitige Farbenerscheinung in technischer Hinsicht ein wichtiger Fingerzeig für
                              									die Beurtheilung. Je mehr Wärme gegeben wird, desto mehr wird der glasharte Zustand
                              									verändert und dem federharten näher gebracht; über die blaue Farbe hinaus erscheint
                              									die graue, bei der ein angehendes Weichwerden stattfindet. Alsdann erscheinen bei
                              									fortgeseztem Erwärmen die angegebenen Farben noch einmal, nur schmuzig und vermischt; hier hat aber auch
                              									dann das sogenannte Hartseyn aufgehört.
                           Daß die Masse durch Zuführung von Wärme eine Texturveränderung erleidet, und daß in
                              									dieser der Grund des Farbenspiels liegt, darf wohl nicht erst bemerkt werden. Sogar
                              									in der Glashärte selbst, als Gränze des Hartseyns, findet ein bemerkbarer
                              									Unterschied statt, wobei ebenfalls das Korn im Bruch bei unverdorbenem Stahl als
                              									Anhaltepunkt genommen werden kann; daher auch die Erfahrung bestätigt, daß, da
                              									englischer Stahl den feinsten Bruch zeigt, dieser unter allen Gattungen den höchsten
                              									Härtegrad erreicht, und lezterer in eben dem Maaße abfällt, als die Qualität
                              									geringer wird. Doch darf man nicht übersehen, daß bei einer und derselben Gattung
                              									dieser höchste Härtegrad nicht etwa einer Veränderung unterworfen wäre; es findet
                              									diese bestimmt statt, je nach der Behandlung, und zwar durch Ueberwärmung; sie
                              									reducirt guten Stahl mehr als schlechten, und zwar äußert sich der Einfluß derselben
                              									dahin, daß die Textur bedeutend verändert wird, da durch die Ueberwärmung
                              									Kohlenstoff entweicht und der Stahl in Folge dessen eine neue Eigenschaft, nämlich
                              									die des Sprödeseyns, erhält, wobei er zugleich von seiner höchsten Härte etwas
                              									einbüßt. In eben dem Maaße, in welchem die Ueberwärmung stattgefunden hat, wird die
                              									Sprödigkeit hervortreten, und kann man dieß sogar so weit treiben, daß der
                              									Cohäsionszustand der Masse dadurch ganz aufgelöst wird, wie dieß z.B. beim
                              									englischen Stahl der Fall ist, wenn er dem Schweißproceß unterworfen werden
                              									soll.
                           Die Schweißstahlsorten geben durch Ueberwärmung weniger Veranlassung zu Besorgnissen.
                              									Sobald diese dem Schweißprocesse, als dem höchsten Grade der Ueberwärmung,
                              									unterworfen werden, muß nothwendig eine Bearbeitung mittelst des Hammers erfolgen,
                              									und das Resultat hievon ist, daß die Masse wieder durch die Bearbeitung bis zu einem
                              									gewissen Grade verdichtet und verbessert wird. Man weiß sehr gut, daß auch die
                              									geringsten Stahlsorten durch zu große Schweißhize mürbe, kurz und für die weitere
                              									Verarbeitung unbrauchbar werden. Sie besizen ebenfalls im unverdorbenen Zustande bei
                              									der größten Härte einen gewissen Grad von Elasticität, der freilich immer dem
                              									Verhältnisse des schlechten Stahls zum guten angehören wird. In demselben
                              									Verhältnisse steht ferner auch die Möglichkeit, schlechten Stahl öfter als guten
                              									Härten zu können.
                           Wo Springen und Reißen bei den besseren Sorten stattfindet, kann man in vielen Fällen
                              									auf eine nicht gleichförmig gemischte Masse schließen, besonders hat dieß aber noch
                              									seinen Grund darin, daß beim Ablöschen im Wasser durch das Abschreken der Masse die
                              									Textur plözlich und gewaltsam verändert wird. Ein dritter Grund ist endlich noch der, daß beim
                              									Abkühlen im Wasser die dasselbe zunächst berührenden Außenseiten des Gegenstandes
                              									zuerst erkalten, daß dieß langsam von Außen nach Innen geht und daß in eben
                              									demselben Verhältnisse auch das Hartwerden erfolgt.
                           Die Eigenschaft, daß nach dem Härten sich harte und weiche Stellen zeigen, hat sich
                              									bis jezt beim englischen Stahle mehr gefunden, als bei den deutschen Sorten; bei den
                              									lezteren und besseren derselben lassen sie sich wenigstens nicht so entschieden
                              									auffinden. Mitunter findet sich, daß ein Stük Stahl der ersteren Gattung beim ersten
                              									Härten nicht hart wird, sondern eher weich bleibt, obschon ein hinreichender
                              									Wärmegrad gegeben ist, und dieß erst beim zweiten Härten, gewöhnlich bei derselben,
                              									zuweilen aber auch nur bei einer höheren Temperatur erfolgt. Wo dieß aber auch dann
                              									nicht oder nur ungenügend geschieht, ist die Masse geradezu in diesem Zustande
                              									schlecht und muß in solchem Falle unterm Hammer ausgestrekt, d.h. wieder verdichtet
                              									werden; alsdann nimmt sie in der Regel einen guten Härtegrad und sogleich beim
                              									erstenmale an. Diese Erscheinung bietet vorzugsweise der Rundstahl dar, und es ist
                              									Grund zu glauben, daß Rundstahl überhaupt, besonders in stärkeren Dimensionen, in
                              									der Masse nie so dicht und compact ist, als Quadratstahl, was das ungenügende
                              									Hartwerden zur Folge haben möchte.
                           Es wird nicht am unrechten Orte seyn, hier zu bemerken, daß man in neuerer Zeit noch
                              									zwei Gattungen Stahl kennen gelernt hat, welche, ebenfalls als deutsches Fabricat,
                              									alle Aufmerksamkeit des gewerbtreibenden Publicums verdienen. Diese sind der
                              									Meteorstahl von Fischer in Schaffhausen und der von Krupp in Essen, beides Gußstahlarten, beide schweißbar.
                              									Den Vorzug behauptet jedoch der von Krupp. Den
                              									Meteorstahl, obgleich als den früher gekannten von beiden, hat man hier im Handel
                              									als rohes Material fast gar nicht, weßhalb er Vielen fremd seyn möchte; dagegen ist
                              									er zu Feilen verarbeitet mehr gekannt. Er hat sich bei diesen sehr bewährt; solche
                              									Feilen verdienen alle Anerkennung, jedoch weniger ihrer Güte, als ihrer Eleganz
                              									wegen. Der Meteorstahl möchte in der Qualität dem steyerischen etwa gleich,
                              									vielleicht auch wohl noch etwas höher stehen als lezter, sobald er naturgemäß
                              									behandelt wird. – Der Stahl, welchen die Fabrik des Hrn. Krupp gegenwärtig liefert, ist ganz geeignet, den
                              									englischen in allen Stellen nicht nur zu vertreten, sondern seiner Schweißbarkeit
                              									wegen sogar noch zu übertreffen. Er verlangt eine sorgfältige Behandlung, besonders
                              									beim Schweißproceß, dagegen hat er der so eben bemerkten Eigenschaft wegen einen
                              									Werth, welcher seine Anwendbarkeit in eben dem Maaße steigern muß.
                           Noch möchte hinzugefügt werden können, daß die Form, welche man dem Stahle bei seiner
                              									Ausarbeitung für den Handel gibt, nicht ganz ohne Einfluß auf seinen inneren Gehalt
                              									ist. Man unterscheidet im Wesentlichen Rundstahl und Quadratstahl; lezterer mit
                              									einigen Abweichungen in seinen Breitedimensionen. Nun hat aber die Erfahrung
                              									gelehrt, daß bei einerlei Qualität sich der englische Rundstahl immer schlechter
                              									hält als der Quadratstahl, und daß, alle Eigenschaften in Betracht gezogen, erster
                              									stets weniger zuverlässig als lezter ist. Es hat dieß einzelne Mechaniker vermocht,
                              									den Rundstahl so gut wie ganz außer Anwendung zu lassen und sich dafür des
                              									Quadratstahls zu bedienen. – Quadratstahl wird nur mittelst Hammerwerken zu
                              									den erlangten Dimensionen, sie mögen so gering seyn wie sie wollen, ausgestrekt, bei
                              									welcher Operation eine Verdichtung der Masse nach beiden Seiten unausbleiblich ist,
                              									und zwar nicht ohne Vortheil für den Stahl selbst. Dasselbe geschieht mit dem
                              									Quadrateisen, welches erst, sobald es unterm Stirnhammer ausgeschweißt ist, so lange
                              									ausgestrekt wird, bis es vom Walzwerke nur nach der Länge gestrekt und dann
                              									zerschnitten wird, wenn es in geringen Dimensionen verarbeitet werden soll. Dabei
                              									ist die Wirkung des Walzwerkes nur zusammendrükend in der Richtung von der
                              									Oberfläche auf die Unterfläche, also verdichtend und strekend gleichzeitig, bis das
                              									Zerschneiden stattfindet. Anders aber verhält es sich hierin mit dem Rundstahle so
                              									wie mit dem Rundeisen; beide Massen werden, so wie die rohe Form nur von der Art
                              									ist, daß sie vom Walzwerke aufgenommen werden können, sogleich unter die Walzen
                              									gegeben und so lange ausgestrekt, bis der verlangte Durchmesser da ist. Das
                              									Verdichten der Massentheile durch Zusammendrüken ist hiebei in Rüksicht auf das
                              									Ausstreken nach der Länge zu gering, und findet auch nur central statt, d.h. von
                              									allen Außenpunkten nach dem Mittelpunkte zu.
                           ––––––––––
                           Hr. Karsten erklärt sich in einem Nachtrage gegen den vom
                              									Verfasser im Eingange aufgestellten Saz. Man bedient sich, sagt er, in England noch
                              									desselben Materials wie immer, und die Technik hat doch gewiß keine Rükschritte
                              									gemacht. In Deutschland mögen in der Technik einige Fortschritte gemacht worden
                              									seyn, indeß haben diese zufällig den Stahl weniger als das Roheisen und das
                              									Stabeisen betroffen. Es ist wohl möglich, daß an den englischen Stahl jezt mehr
                              									Anforderungen gemacht werden, als billig geschehen sollte.
                           Gleiches läßt sich nur mit Gleichem vergleichen. Wenn in Deutschland von englischem
                              									Stahle die Rede ist, so wird darunter nur Gußstahl verstanden. Englischer Gußstahl
                              									kann folglich nur mit deutschem Gußstahle verglichen werden. Der bessere Gußstahl
                              									aus der Krupp'schen Fabrik gibt dem englischen wohl nichts nach.
                              									In England wird schon seit 60 Jahren Gußstahl bereitet, und zwar lediglich aus dem
                              									am mehrsten dazu geeigneten schwedischen Eisen, welches die Gruben von Danemora
                              									liefern. Ohne dieses Material würde es um den guten Ruf des englischen Gußstahls
                              									geschehen seyn. In Deutschland mögen die ersten Versuche zur Gußstahlbereitung
                              									vielleicht vor 30 Jahren gemacht worden seyn, jedoch mit einem ungünstigen,
                              									wenigstens mit einem schwachen Erfolge. Die Hindernisse waren: unzwekmäßige Wahl des
                              									Materials, Mangel an vollständiger Schmelzhize und an vollkommen feuerfesten
                              									Tiegeln. Die Technik hat die beiden lezten Hindernisse besiegt. Ein gutes, dem
                              									Danemora Eisen fast nahe kommendes Material hat man in dem siegenschen und in dem
                              									steyerisch-illyrischen Stabeisen gefunden, weßhalb darüber kein Zweifel mehr
                              									seyn kann, daß Deutschland aus deutschem Eisen eben so guten Gußstahl zu liefern
                              									vermöge, als England aus schwedischem Eisen.
                           Zu allen größeren Stahlarbeiten, die eine größere Festigkeit und Federkraft als Härte
                              									erfordern, muß England sich entweder mit Cementstahl, wovon der bessere auch nur aus
                              									schwedischem Eisen erfolgen kann, indem das englische Eisen sehr schlechten
                              									Cementstahl liefert, begnügen, oder es muß Rohstahl aus Deutschland beziehen. Der
                              									süddeutsche Rohstahl findet daher nach England einen starken Absaz; Siegen (und
                              									Westphalen) sind mehr auf den Absaz nach Osten und Nordosten und nach Frankreich
                              									angewiesen. Eine Vergleichung zwischen englischem und deutschem Rohstahle kann also
                              									aus dem Grunde nicht stattfinden, weil England keinen Rohstahl producirt. Aber auch
                              									eine Vergleichung zwischen englischem und deutschem Cementstahl läßt sich nicht
                              									anstellen, weil England keinen Cementstahl ins Ausland sendet, indem es nicht einmal
                              									den eigenen Bedarf bestreiten kann, und weil in Deutschland jezt nicht viel mehr
                              									Cementstahl bereitet wird, als etwa zur Darstellung des wenigen deutschen Gußstahls
                              									erforderlich ist.
                           Es könnte daher nur noch die Frage entstehen, ob England auch solchen Gußstahl
                              									liefere, welcher die Festigkeit und Elasticität des besten Robstahls und dabei
                              									zugleich eine mehr gleichartige Härte besizt. Diese Frage fällt, bis jezt
                              									wenigstens, verneinend aus, obgleich die Wahrscheinlichkeit nicht zu läugnen ist,
                              									daß es bei der fortschreitenden Technik dahin kommen (vielleicht schon gekommen seyn) würde, wenn die Fabricationskosten eines
                              									solchen Gußstahls nicht größer wären, als die des besten deutschen Rohstahls. Es
                              									scheinen nur financielle Rüksichten und durchaus nicht technische Hindernisse zu
                              									seyn, welche von der Bereitung eines solchen Gußstahls abhalten. – Umgekehrt
                              									wird aber Deutschland aus seinem Rohstahle niemals dauernd und mit Vortheil so harte und gleichmäßig gute Stahlsorten liefern, als England (und Deutschland) durch
                              									die Gußstahlbereitung darzustellen vermögen.
                           Man gibt im Allgemeinen dem süddeutschen Rohstahle den Vorzug vor dem siegenschen,
                              									und vielleicht nicht mit Unrecht. Die Ursache liegt im Material, nicht in der
                              									Arbeitsmethode, wie umfassende Versuche gezeigt haben, die seit 2 Jahren im
                              									Siegenschen angestellt worden sind, indem Siegensches Rohstahlroheisen nach
                              									steyerscher Art und (das beste) steyersche Rohstahlroheisen nach Siegener Methode zu
                              									Rohstahl umgearbeitet wurde. Immer bleibt dieß Urtheil aber nur ein allgemeines,
                              									indem Siegen Rohstahl erzeugt, der dem besten steyerschen und kärnthner Stahle
                              									gleichgestellt werden kann, und aus Steyermark und Kärnthen Rohstahl in den Handel
                              									kommt, der von dem siegenschen in der Güte weit übertroffen wird.