| Titel: | Ueber die Conditionirung und den Wassergehalt der Seide; von Dr. Egen. | 
| Fundstelle: | Band 77, Jahrgang 1840, Nr. CXI., S. 439 | 
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                        CXI.
                        Ueber die Conditionirung und den Wassergehalt der
                           								Seide; von Dr. Egen.
                        Im Auszug aus den
                           								Verhandlungen des Vereins zur Befoͤrderung des Gewerbfleißes in Preußen, 1840,
                              									2te und 3te Lieferung.
                        Egen, uͤber die Conditionirung und den Wassergehalt der
                           								Seide.
                        
                     
                        
                           Die Seide ist eine so stark hygroskopische Substanz, daß sie in freier Luft dem
                              									hygrometrischen Zustande derselben in seinem Wechsel rasch folgt. Die in den warmen
                              									Gegenden Italiens an der Luft getroknete Seide enthält noch immer gegen 9
                              									Gewichtsprocente Feuchtigkeit; in sehr feuchter Luft kann die Seide sogar über 30
                              									Gewichtsprocente Feuchtigkeit aufnehmen, ohne eigentliche Nässe zu zeigen. Man mußte
                              									also bei einem Handelsartikel, dessen Geldwerth so beträchtlich ist, bald ein Mittel
                              									haben, den Normalfeuchtigkeitszustand in beglaubigter Weise festzustellen, und so
                              									bildeten sich die Seiden-Conditionen (Conditione delle
                                 										sete, Conditions des soies), welche anfangs als Privatinstitute bestanden,
                              									später aber unter die Beaufsichtigung des Staats gestellt wurden.
                           Die älteste öffentliche Seidencondition ist in Turin und
                              									hat folgende Einrichtung: Ein großer Saal dient als Seidenmagazin; zwei große runde
                              									Zimmer dienen zur eigentlichen Austroknung; zwei andere Zimmer nehmen die Seide nach
                              									der Austroknung auf; andere Räume dienen zur Wohnung des Directors, der Unterbeamten
                              									und als Magazin für das Brennmaterial, welches meistens in Kohlen besteht. –
                              									In der Mitte der runden Zimmer steht ein Ofen, dessen Rauchröhre geradlinig zur
                              									kuppelförmigen Deke emporgeht. Die Deke hat in der Mitte eine verschließbare
                              									Oeffnung, um täglich mehreremale die Luft erneuern zu können. Die Seidenstränge
                              									werden an Rahmen (telaj), die in gleicher Entfernung vom
                              									Ofen an den Wänden stehen, aufgehängt; in derselben Entfernung vom Ofen befinden
                              									sich die Thermometer. In den Monaten Mai, Junius, Julius und August werben bei
                              									heiterem Wetter bei Tage die Fenster geöffnet, bei Nacht aber verschlossen, und es
                              									findet dann keine Heizung statt. Bei Nebel und Regenwetter aber und wenn das
                              									Thermometer unter 15° R. steht, soll die Zimmertemperatur durch Heizung auf
                              									18 bis 20° R. gebracht werden. In den acht übrigen Monaten des Jahres soll
                              									dieselbe Temperatur durch Heizung hervorgebracht werden; nur bei strenger Kälte kann
                              									sie, unter einer von dem Director bei der Handelskammer eingeholten Autorisation,
                              									einige Grade unter 20° gehalten werden. Auf den Stand des Barometers oder
                              									Hygrometers wird nicht geachtet. Die Seide verbleibt zu allen Zeiten 24 Stunden in der
                              									Austroknung. Wenn nach Beendigung der Condition die Seide ohne Heizung mehr als 3
                              									Proc. und bei Heizung mehr als 3 1/2 Proc. verloren hat, so wird sie auf Kosten des
                              									Verkäufers zum zweitenmal conditionirt. Wird der vorbemerkte Verlust nicht erreicht,
                              									so wird die Seide in ein anderes wohlverschlossenes Zimmer, das ohne Luftloch und
                              									ohne Feuerung ist, gebracht und in Strängen 24 Stunden lang aufgehängt. Ergibt sich,
                              									daß das Gewicht der Seide sich gleich geblieben ist, oder zugenommen hat, so wird
                              									sie als genugsam getroknet erachtet; wenn aber das Gewicht sich vermindert hat, so
                              									wird sie zum zweitenmal conditionirt. Den Eigenthümern der Seide ist es gestattet,
                              									dieselbe in der Condition oder im Depotzimmer in Augenschein zu nehmen. Unter 50
                              									Pfd. Seide Turiner Gewicht darf nicht zur Condition geschikt werden. Die Gebühren
                              									betragen für je 200 Pfd. Seide 4 Fr. 50 Cent. (100 Pfd. preuß. = 22 4/5 Sgr.) Wird
                              									wegen zu großen Verlustes bei der ersten Austroknung eine zweite Troknung
                              									nothwendig, so müssen diese Gebühren doppelt bezahlt werden. Die Seide wird von dem
                              									Eigenthümer frei zur Condition geliefert.
                           Aehnlich verfährt man in der im Jahre 1805 an der Stelle der Privatconditionen in Lyon errichteten öffentlichen Anstalt. Es wird aber die
                              									Seide in Lyon nicht aufgehängt, sondern in Schränken mit Fächern, deren Boden und
                              									Wände aus Drahtgittern bestehen, in einfacher Lage ausgebreitet, wobei die fest
                              									zugedrehten Stränge losgewikelt werden. Die Temperatur ist zu verschiedenen Zeiten
                              									verschieden bestimmt worden. In dem Decrete vom 13. April 1805 wurde festgesezt, daß
                              									dieselbe bei einem Barometerstande von 27–28 Zoll zwischen 16 und 17°
                              									R., bei einem Barometerstande von 27 Zoll auf 18°, bei einem Barometerstande
                              									zwischen 26 und 27 Zoll zwischen 19 und 20° solle erhalten werden. Man sezte
                              									wahrscheinlich voraus, daß bei niedrigem Barometerstande südliche und westliche
                              									Winde wehen und diese Winde so feucht seyen, daß die Austroknung durch eine höhere
                              									Temperatur müsse compensirt werden. Zugleich wurde bestimmt, daß, wenn man dahin
                              									gelangen sollte, ein Hygrometer mit einer sichern Gradeintheilung zu construiren,
                              									man die Beobachtung desselben der Beobachtung des Barometers vorziehen werde. Durch
                              									das Decret vom 17. April 1806 wurde die Temperatur auf 18 bis 20° R.
                              									festgesezt, ohne weiter auf das Barometer Rüksicht zu nehmen. Nach einer Bestimmung
                              									vom 29. Nov. 1824 wird jezt die Temperatur in den verschiedenen Monaten also
                              									regulirt:
                           
                              
                                 Im Januar und Februar
                                 zwischen
                                 16 und 18 Grad R.
                                 
                              
                                  –  März
                                     –
                                 17   –  
                                    											19    –
                                 
                              
                                  –  April
                                     –
                                 18   –  
                                    											20    –
                                 
                              
                                 Im Mai
                                 zwischen
                                 19 und 21 Grad R.
                                 
                              
                                  –  Junius
                                     –
                                 20   –  
                                    											22    –
                                 
                              
                                  –  Jul., Aug. u.
                                    											Sept.
                                     –
                                 21   –  
                                    											23    –
                                 
                              
                                  –  Oktober
                                     –
                                 19   –  
                                    											21    –
                                 
                              
                                  –  November
                                     –
                                 18   –  
                                    											20    –
                                 
                              
                                  –  December
                                     –
                                 17   –  
                                    											19    –
                                 
                              
                           In jedem Saale müssen zwei Thermometer 5 Fuß hoch über dem
                              									Boden, aber weder an den Wänden noch an den Fenstern hangen und mit einem Gitter
                              									umgeben seyn, damit sie nicht mit der Hand berührt werden können. Die Schränke
                              									dürfen nicht unmittelbar an den Wänden stehen und müssen Füße von 6 Zoll Höhe haben.
                              									Die Austroknung dauert 24 Stunden. Es ist dem Ueberbringer der Seide gestattet, bei
                              									dem Einlegen derselben in die Schränke gegenwärtig zu seyn und den Schrank mit
                              									seinem Privatsiegel zu verschließen. Dann ist derselbe jedoch gehalten, nach Verlauf
                              									von 24 Stunden sich wieder in die Condition zu begeben, um das Siegel abzunehmen.
                              									Ist derselbe nach Ablauf der 25sten Stunde nicht wieder erschienen, so ist es dem
                              									Director gestattet, den Schrank zu öffnen. – In dem Decrete vom 13. April
                              									1805 wurde bestimmt, daß, wenn die Seide bei der 24stündigen Austroknung 3 Proc.
                              									verliert, die Conditionirung wiederholt werden soll. Ein Decret vom 17. April 1806
                              									sezt den Verlust der Seide auf 4 1/2 Proc. fest, dessen Ueberschreitung eine zweite
                              									Conditionirung und zwar von 48 Stunden nothwendig macht. Ein späteres Decret vom 26.
                              									Jul. 1829 sezt diesen Gewichtsverlust, welcher eine zweite Conditionirung zur Folge
                              									hat, auf 2 1/2 Proc. fest. – Die Gebühren bezahlt zur Hälfte der Verkäufer,
                              									zur anderen Hälfte der Käufer. Wird eine zweite Conditionirung nothwendig, so trägt
                              									der Verkäufer allein die Kosten derselben. Durch Beschluß der Handelskammer vom 24.
                              									Decbr. 1829 wurden die Gebühren für das Kilogramm von Organsine auf 8 Cent. (100
                              									Pfd. = 30 Sgr.) für jede Conditionirung von 24 Stunden, und für Trame auf 12 Cent.
                              									(100 Pfd. = 45 Sgr.) für jede Conditionirung von 48 Stunden festgestellt. Für Ballen
                              									unter 20 Kilogr. werden für Organsine 1 Fr. 60 Cent. (= 12 4/5 Sgr.) und für Trame 2
                              									Fr. 40 Cent. (= 19 1/5 Sgr.) entrichtet.
                           Die Seidenconditionen in St. Etienne und St. Chamond scheinen in derselben Art
                              									eingerichtet zu seyn, wie die Anstalt in Lyon.
                           An anderen Orten des nördlichen Italiens und des südlichen Frankreichs, wo
                              									Seidenconditionen vorhanden sind, wird ein ganz ähnliches Verfahren angewendet. Dieß
                              									Verfahren hat aber sehr bedeutende Mängel. Wird nämlich in einem Zimmer von
                              									12–15' Höhe die Temperatur durch Heizung bis aus 20 und mehr Grade erhöht, während die
                              									äußere Temperatur mehr oder weniger niedriger steht, so wird, wenn das Zimmer nicht
                              									vollkommen abgesperrt werden kann, was beim Conditioniren unmöglich ist, warme Luft
                              									entweichen und kalte eindringen. Die kältere Luft breitet sich zunächst am Boden
                              									aus, während die wärmeren Luftschichten in die Höhe steigen. In einem solchen Zimmer
                              									finden in der Regel zwischen den Luftschichten am Boden und an der Deke
                              									Temperaturdifferenzen von 5 bis 6° statt. Da nun ein Theil der Seide beim
                              									Conditioniren nur 6 Zoll über dem Boden liegt, während ein anderer Theil in der Nähe
                              									der Deke der Einwirkung einer um mehrere Grade wärmeren Luftschicht ausgesezt ist,
                              									so kann die Austroknung unmöglich gleichmäßig ausfallen.
                           Da die Austroknung der Seide unter sonst gleichen Umständen neben der Temperatur auch
                              									von dem Feuchtigkeitszustande der Luft abhängt, welcher sehr veränderlich ist, und
                              									um so mehr, je nördlicher der Ort liegt, so wurden besonders in Lyon bald die Unvollkommenheiten des eingeführten
                              									Verfahrens erkannt. Schon seit dem Jahre 1824 wurden im Auftrage der Handelskammer
                              									von Lyon Versuche angestellt, das Conditionsverfahren zu vervollkommnen. Der
                              									Director der Condition, Felissent, wurde im Jahre 1828
                              									besonders beauftragt, solche Versuche fortzusezen. Derselbe erklärte aber erst im
                              									April 1831 der Handelskammer, daß er jezt im Stande sey, eine abgeschlossene Arbeit
                              									vorzulegen. Um diese Zeit kündigte auch Paul Andrieu, ein
                              									Angestellter der Condition, an, daß er Verbesserungsvorschläge in Betreff der
                              									Seidenaustroknung vorzulegen habe. Damals hielt sich der Pariser Mechaniker
                              									Léon Talabot in Lyon auf, der sich durch verwandte
                              									Arbeiten der Handelskammer empfohlen hatte und von ihr veranlaßt wurde, der
                              									Verbesserung der Seidenconditionirung sein Nachdenken zuzuwenden. Alle drei
                              									bearbeiteten Denkschriften über ihr Verfahren, die der Handelskammer eingereicht und
                              									später in Druk gegeben worden sind. Die Handelskammer ernannte eine
                              									Specialcommission, bestehend aus wissenschaftlich gebildeten Männern, Technikern und
                              									Sachkundigen, um die vorgeschlagenen Verfahrungsarten einer Prüfung zu unterwerfen,
                              									und sowohl diese Commission als auch die Handelskammer sprachen sich auf
                              									entschiedene Weise zu Gunsten des Vorschlags von Talabot
                              									aus. Aus mehreren Andeutungen scheint hervorzugehen, daß nach den Vorschlägen von
                              										Felissent und Andrieu das
                              									ältere Verfahren nur in unwesentlichen Punkten sollte umgestaltet werden, während
                              										Talabot ein durchaus neues System der Austroknung
                              									aufstellte.
                           Die Handelskammer hatte eine stets gleiche Austroknung der conditionirten Seide
                              									verlangt; Talabot stellte sich selbst die Forderung darin noch höher, daß
                              									auch der Grad der Austroknung genau bestimmt werden solle. Er construirte einen
                              									Apparat, dessen Beschaffenheit im Einzelnen er nicht näher beschreibt, in welchem
                              									eine Seidenprobe von 40 bis 50 Grammen Gewicht einem kräftigen heißen Luftstrome von
                              									etwa 110° C. Temperatur einige Stunden lang ausgesezt werden kann. Die Seide
                              									liegt auf einer Art Garnwaage, die das Gewicht nach Graden angibt, so daß der
                              									Gewichtsverlust, also das Fortschreiten der Austroknung, in jedem Momente erkannt
                              									werden kann. Sobald die Waage eine längere Zeit hindurch stationär geworden, wird
                              									die Austroknung als vollendet angesehen. Die Waage gibt für weniger als 1/1000 des
                              									aufgelegten Gewichts einen merklichen Ausschlag. Auch scheint es keinem Zweifel
                              									unterworfen und die Versuche haben es vollkommen bestätigt, daß eine etwa
                              									dreistündige Austroknung in einem kräftigen Luftstrome von 105–110° C.
                              									Temperatur, wenn auch nicht die Seide absolut aller Feuchtigkeit beraubt, doch zu
                              									allen Zeiten denselben Grad der Trokne herbeiführen muß. Nun kommt es noch darauf
                              									an, einen conventionellen Feuchtigkeitsgrad der verkäuflichen Seide festzusezen, und
                              										Talabot schlägt vor, die zulässige Feuchtigkeit zu 10
                              									Proc. vom Gewichte der conditionirten Seide, also zu 11 1/9 Proc. vom Gewichte der
                              									absolut getrokneten Seide zu bestimmen, weil er annimmt, daß die nach dem bisherigen
                              									Verfahren conditionirte Seide im Mittel diese Feuchtigkeit noch enthalte.
                           Talabot verfährt nun bei der Conditionirung also: nachdem
                              									er aus dem Seidenballen zwei ganz gleiche Proben genommen, wird die eine absolut
                              									getroknet. Aus dem Gewichte vor und nach dem Troknen ergibt sich ihr anfänglicher
                              									Feuchtigkeitszustand. Es sey z.B. das Gewicht vor dem Troknen = q, nach dem Troknen q¹; dann enthielte die Seide = (q
                              									– q¹)100/q¹ Proc. Feuchtigkeit. Das Conditionsgewicht der Probe ist dann
                              										10.q¹/q, und das
                              									Conditionsgewicht der zweiten Probe ist, wenn dessen ursprüngliches Gewicht = p gesezt wird, = 10pq¹/9q. Nun bringt Talabot die Seide des Ballens auf kreisförmige Gitter,
                              									die über einander liegen, und bedekt diese mit einer Gloke aus Blech; einige in die
                              									Blechdeke eingesezte Glasscheiben erlauben, die Vorgänge im Innern zu sehen. In
                              									dieser Gloke wird mittelst Dampfheizung ein Luftstrom, dessen Temperatur die der
                              									Atmosphäre um etwa 20° C. übersteigt, von Oben nach Unten durch die Lagen
                              									Seide geleitet. In dem Apparate liegt die zweite Seidenprobe auf einer Waage, wie
                              									sie früher beschrieben worden, übrigens mit der übrigen Seide genau derselben
                              									Einwirkung des warmen Luftstroms ausgesezt. Sobald nun die Waage das im Voraus berechnete
                              									Conditionsgewicht der Seidenprobe anzeigt, ist die Operation beendigt und das
                              									Gewicht des Seidenballens, wie es jezt gefunden wird, ist das verlangte
                              									Conditionsgewicht.
                           Soll dieses Verfahren zu richtigen Resultaten führen, so sezt es voraus: 1) daß die
                              									beiden Seidenproben beim ersten Abwägen durchaus in demselben Zustande der
                              									Feuchtigkeit sich befinden; 2) daß die Austroknung der zweiten Probe mit der
                              									Austroknung der übrigen Seide durchaus gleichmäßig fortschreite; 3) daß die
                              									verschiedenen Partien des Seidenballens an allen Stellen gleichmäßig austroknen.
                           Gegen die Genauigkeit dieser Voraussezungen lassen sich begründete Zweifel erheben.
                              									Wie leicht können zwei Stränge Seide, die neben einander lagen, nicht durchaus
                              									gleich feucht seyn. Die zweite Probe wird vom Ballen getrennt und mag leicht in der
                              									Zeit, wo die erste Probe absolut getroknet wird, ihren Feuchtigkeitszustand
                              									verändern, so daß dieselbe, wenn sie auch mit der übrigen Seide unter der Gloke
                              									denselben Einwirkungen ausgesezt wird, doch schon früher oder später, als die übrige
                              									Seide, das Conditionsgewicht annimmt. Dann scheint es auch sehr schwierig zu seyn,
                              									die Temperatur und Richtung eines Luftstroms so zu reguliren, daß bei der Raschheit
                              									der Austroknung durch denselben unter den vorbezeichneten Umständen diese
                              									Austroknung in allen Theilen gleichmäßig fortschreite, so mancherlei Mittel in
                              									Ventilen und anderen Zurüstungen Talabot auch gebraucht
                              									haben mag, um des Luftstroms völlig Herr zu werden. Gerade diese Künstlichkeit des
                              									Apparates, so wie die erkannte Nothwendigkeit aller dieser Zurüstungen, legen für
                              									denselben kein günstiges Zeugniß ab.
                           Bei den ersten Versuchen, welche im Sommer 1831 mit dem neuen Apparate angestellt
                              									wurden, ging Talabot insoweit von seinem im Allgemeinen
                              									beschriebenen Verfahren ab, daß die Seide erst in den Aequilibrirapparat gebracht
                              									wurde, um in allen Theilen dieselbe Trokenheit anzunehmen, und dann erst die beiden
                              									Proben gezogen wurden. Durch dieses Verfahren wird der erste der Einwürfe
                              									weggeräumt, aber die Seide muß jezt zweimal der Austroknung ausgesezt werden, und
                              									die beiden andern Bedenken bleiben in ihrer vollen Kraft bestehen. Beim ersten
                              									Versuche wurden vier Partien schöne piemontesische Organsine-Seide, jede
                              									ursprünglich 500 Grammen schwer, erst ungleich befeuchtet, dann an verschiedenen
                              									Stellen in den Aequilibrirapparat gebracht und hier der Austroknung und
                              									Aequilibrirung sieben Stunden lang überlassen. Die drei Thermometer zeigten in der
                              									Reihenfolge von Oben nach Unten in dem Apparate eine Temperatur von 39°,1,
                              									von 39°,7 und von 39°,9 C., also eine Differenz von 0°,8. Nun
                              									wird zwar behauptet, das eine Thermometer sey unrichtig gewesen; aber diese
                              									Behauptung ist nicht bewiesen worden. Nach der Austroknung hatten die vier
                              									Seidenpartien die folgenden Gewichte: 465,3 – 464,4 – 467,0 –
                              									465,9 Grammen. Sie hatten also gegen den sehr trokenen anfänglichen Zustand gegen 7
                              									Proc. an Feuchtigkeit verloren, und gerade die Partien am meisten, welche am
                              									stärksten waren angefeuchtet worden. Der Unterschied in der Austroknung, also
                              									wahrscheinlich der Fehler der Aequilibrirung, beträgt 0,6 Proc. Ob aber dieser
                              									Fehler der Aequilibrirung selbst muß zugeschrieben werden, oder auf einer
                              									ursprünglichen Differenz des Feuchtigkeitszustandes beruht, ist durch die Versuche
                              									nicht ermittelt worden.
                           Beim zweiten Versuche wurden vier Partien Seide, jede von 1000 Grammen ursprünglichem
                              									Gewicht, in den Aequilibrirapparat gebracht; zwei Partien waren zugefaltet, die
                              									beiden andern losgefaltet. Die drei Thermometer zeigten jezt nur eine Differenz von
                              									0°,2 bei einer Temperatur von 38°,3 C.; später aber nahm das mittlere
                              									Thermometer plözlich eine Abweichung von 3 1/2 Grad an. Nach mehreren Stunden hatten
                              									die zugefalteten Stränge Seide 7,04 Proc. und die losgefalteten 7,53 Proc.
                              									Feuchtigkeit verloren. Hieraus geht hervor, daß der äußere Zustand der Seide im
                              									Apparate auf die Austroknung einen sehr bedeutenden Einfluß ausübt. Nachdem die
                              									Seidenpartien die Nacht hindurch der Einwirkung der Luft ausgesezt gewesen waren,
                              									fanden sich die losgefalteten Stränge um 1/2 Proc. feuchter als die zugefalteten
                              									Stränge. Die Seidenpartien wurden nochmals in den Aequilibrirapparat gebracht; es
                              									fand sich jezt nur noch ein Unterschied in der Austroknung der zugefalteten und
                              									losgefalteten Stränge von 1/5 Proc., während derselbe, wie oben bemerkt, früher 1/2
                              									Proc. betragen hatte.
                           Fernere Versuche, die von Talabot vor der
                              									Specialcommission angestellt wurden, bezogen sich auf die absolute Austroknung der
                              									Seide und sie scheinen allen Zweifel gegen die Sicherheit dieses Verfahrens zu
                              									beseitigen. Eine Partie Seide von 10 Grammen Gewicht war von Talabot mehr als zwei Monate lang einer Temperatur von 118° C.
                              									ausgesezt gewesen und wog dann = 8,870 Grammen. Während eines Tages der gewöhnlichen
                              									Luft ausgesezt, hatte sie fast ihr ursprüngliches Gewicht wieder angenommen. Vor der
                              									Commission in den Apparat gebracht, ging sie in 3 bis 4 Stunden wieder auf das
                              									Gewicht von 8,870 Grammen zurük. Eine zweite Partie Seide wog nach der
                              									Conditionirung in der öffentlichen Anstalt = 10,040 Grammen, nach der absoluten
                              									Austroknung = 9,110 Gram. und enthielt also 10,2 Proc. Feuchtigkeit.
                           
                           Später wurden Versuche mit folgenden Seidenarten angestellt, um zu finden, wie viel
                              									Feuchtigkeit die verkäufliche Seide in der Regel enthalte.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 77, S. 446
                              Gewicht beim Ankauf; Gew. nach der
                                 										Austroknung; Feuchtigkeit; Rohseide von Beaucaire; Organsinseide von Vivarais;
                                 										Organsinseide von den Cevennen; Tramseide aus Italien; Verlust im Mittel
                              
                           Eine andere Seidenprobe von 59,373 Grammen Gewicht wurde zu wiederholten Malen
                              									absolut ausgetroknet und in der Zwischenzeit der freien Luft ausgesezt. Sie kam in
                              									dem Apparate in den meisten Fällen auf 53,450 Grammen zurük; die größten
                              									Abweichungen betrugen 0,04 Grammen, also nur 1/11 Proc., welcher Fehler mit
                              									derselben Wahrscheinlichkeit den Abwägungen, als der Austroknung, zugeschrieben
                              									werden kann.
                           Hiemit wurden die Versuche des Jahres 1831 geschlossen. Die Commission stattete einen
                              									Bericht an die Handelskammer ab, worin dem Verfahren von Talabot vor den älteren und den von Felissent
                              									und Andrieu in Vorschlag gebrachten Verfahrungsweisen
                              									entschieden der Vorzug eingeräumt und dasselbe zur Annahme für die öffentliche
                              									Condition empfohlen wurde.
                           Nach Vollendung dieser Untersuchungen legte die Handelskammer die drei Projecte dem
                              									Minister des Handels und der öffentlichen Arbeiten vor, damit dieselben von Neuem
                              									durch eine Commission, die unter den gelehrten Körperschaften der Hauptstadt gewählt
                              									würde, geprüft werden möchten. Der Minister überwies diese Prüfung dem
                              									Berathungscomité für Künste und Manufacturen, und dieses Comité sandte
                              									im Sommer 1833 den Akademiker d'Arcet nach Lyon, wo auf
                              									Befehl des Ministers eine neue Commission ernannt wurde, bestehend aus Mitgliedern
                              									der Handelskammer, aus Seidenhändlern, aus Fabrikanten und aus wissenschaftlichen
                              									Sachverständigen. Diese Commission zog später noch Deputirte der Städte Avignon,
                              									Nimes, Aubenas und St. Etienne hinzu und schritt im Julius 1833 zur Prüfung der drei
                              									in Vorschlag gebrachten Verfahrungsarten. Die Resultate ihrer Versuche sprachen nicht sehr zu Gunsten des Talabot'schen Aequilibrirverfahrens, dagegen hat sich die Methode des
                                 										absoluten Austroknens dabei vollkommen bewährt. Nach dem Bericht der
                              									Commission, welcher aber erst im Februar 1835 von d'Arcet
                              									an das Comité consultatif des arts et
                                 										manufactures abgestattet wurde, erfolgte eine ministerielle Entscheidung unter dem 20. März
                              									1835, welche vorschrieb „es solle ein vollständiger Apparat angefertigt
                                 										werden und derselbe während mehrerer Monate im Gebrauch bleiben.“ Die
                              									Handelskammer wurde zu gleicher Zeit ermächtigt, die nöthigen Ausgaben zu
                              									bestreiten, um den neuen Conditionsapparat ausführen zu lassen, welcher aber erst im
                              									Oktober 1838 zu Stande kam.
                           Um diese Zeit ernannte die Handelskammer eine Commission von 9 Mitgliedern, bestehend
                              									aus 3 Mitgliedern der Kammer, aus 3 Fabrikanten und 3 Seidenhändlern, um die
                              									Versuche im Großen zu leiten und zu überwachen; die Ausführung der Versuche selbst
                              									wurde von der Kammer dem Fabrikanten Gamot übertragen;
                              									sie dauerten von Anfang November 1838 bis Mitte November 1839. Durch diese
                              										VersucheFolgendes Werk gibt über die Verhandlungen, welche in dem Zeitraum von 1833
                                    											bis jezt in Lyon über die Seiden-Conditionirung geführt worden sind,
                                    											vollständigen und actenmäßigen Aufschluß: Resultat
                                       												des expériences faites à Lyon en 1839, sous la direction et surveillance d'une Commission
                                       												spéciale, nommée par la Chambre de Commerce, pour l'Essai
                                       												en Grand du nouveau procédé de Mrs. Talabot
                                    											frères, pour le conditionnement de la soie par
                                       												la dessication absolue: comprenant les Procès-Verbaux des
                                       												séances de la Commission, et les délibérations
                                       												prises, à ce sujet, par la Chambre de Commerce. Lyon
                                    											1839. gewann die Commission die Ueberzeugung, daß es
                                 										unmöglich sey, ein Aequilibrirverfahren aufzustellen, welches seinen Zwek völlig
                                 										erreicht; sie beschloß daher in allen Fällen von dem Aequilibriren Abstand zu
                                 										nehmen, das Conditioniren aber von nun an in folgender Art in Ausführung bringen
                                 										zu lassen.
                           Wenn ein Ballen Seide zur Condition gebracht wird, so bestimmt man sofort sein
                              									Brutto- und Nettogewicht. Es werden darauf aus dem Ballen an verschiedenen
                              									Stellen 27 Stränge Seide gezogen, diese in 3 Bündel, jeder von 9 Strängen, getheilt,
                              									und jeder Bündel sofort genau gewogen. Verkäufer und Käufer haben das Recht, bei
                              									diesen Operationen gegenwärtig zu seyn. Der Seidenballen wird darauf sofort wieder
                              									zur Disposition des Eigenthümers gestellt. Von den obigen 3 Seidenbündeln werden
                              									zwei in verschiedenen Apparaten der absoluten Austroknung unterworfen. Wenn die
                              									Gewichtsverluste bis auf 1/2 Proc. mit einander übereinstimmen, so werden diese
                              									Bestimmungen für richtig erachtet und nach dem Mittel aus beiden Resultaten das
                              									Conditionsgewicht des Ballens, unter Hinzufügung von 10 Proc. zu dem Gewichte der
                              									absolut trokenen Seide für Feuchtigkeit, berechnet. Wenn aber die Gewichtsverluste
                              									zwischen 1/2 Proc. und 1 Proc. von einander abweichen, so wird auch der dritte
                              									Bündel Seide absolut getroknet. Und wenn nun wiederum die drei Resultate nicht mehr als 1
                              									Proc. von einander unterschieden sind, so wird nach dem Mittel derselben das
                              									Conditionsgewicht berechnet. Wenn jedoch zwischen den beiden ersten oder zwischen
                              									allen drei Austroknungen sich Unterschiede von mehr als 1 Proc. ergeben, so werden
                              									alle drei Bündel 24 Stunden später einer neuen Austroknung in verschiedenen
                              									Apparaten unterworfen. Nach dem Mittel aus den erhaltenen Resultaten wird dann das
                              									Conditionsgewicht berechnet. Bei der Abwägung muß das Gewicht des ganzen Ballens bis
                              									auf 10 Gramme, das Gewicht der Tarra bis auf 1 Gramm, das Gewicht der drei Bündel
                              									vor und nach der absoluten Austroknung bis auf 5 Milligramme genau bestimmt
                              									werden.
                           Nach diesen Vorschriften wurden in dem Zeitraume vom 19. Jul. bis zum 15. Novbr. d.
                              									J. 61 Ballen Seide conditionirt. Der größte Unterschied zwischen den Resultaten der
                              									Austroknung der beiden Probebündel betrug 0,263 Proc. oder 1/4 Proc., so daß also in
                              									keinem vorkommenden Falle das Austroknen des Reservebündels erforderlich wurde. Die
                              									mittlere Differenz beträgt nur 0,119 Proc., also noch nicht 1/8 Proc. Diese
                              									Genauigkeit muß allerdings als vollkommen ausreichend für den öffentlichen Verkehr
                              									anerkannt werden.
                           Diese Versuche liefern noch das folgende sehr bemerkenswerthe Resultat. Der mittlere
                              									Verlust bei der Condition fand sich zu 3,25 Proc., so daß also die 61 Seidenballen
                              									im Mittel 13,25 Proc. Feuchtigkeit enthielten. Unter diesen Ballen enthielten 17 =
                              									14 bis 16 Proc. Feuchtigkeit. Nur ein einziger Ballen, der aus der alten
                              									öffentlichen Condition kam, dort aber 4,4 Proc. Feuchtigkeit verloren hatte, wurde
                              									um 0,4 Proc. zu troken befunden. – Eine zweite Reihe von 32 Conditionirungen
                              									nach dem neuen Verfahren wurde schon im November des Jahres 1838 ausgeführt. Die
                              									absolute Austroknung wies im Mittel eine Feuchtigkeit von 13,14 Proc. nach. Es kamen
                              									8 Fälle vor, in welchen die Feuchtigkeit 14 bis 17 Proc. erreichte. Diese Resultate
                              									stimmen also mit denen der vorstehend bezeichneten Versuche sehr genau überein. Es
                              									wurden bei diesen Versuchen 5 Ballen untersucht, welche in der öffentlichen Anstalt
                              									nach dem alten Verfahren conditionirt worden waren. Es ergab sich die
                              									Feuchtigkeit:
                           
                              
                                 des 1sten Ballens
                                 =   9,4 Proc.
                                 
                              
                                  –  
                                    											2ten    –
                                 = 10,8  –
                                 
                              
                                  –  
                                    											3ten    –
                                 = 11,0  –
                                 
                              
                                  –  
                                    											4ten    –
                                 = 10,7  –
                                 
                              
                                  –  
                                    											5ten    –
                                 =   9,6  –
                                 
                              
                                 ––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Das Mittel beträgt
                                 = 10,3 Proc.
                                 
                              
                           
                           Der Feuchtigkeitsgehalt der nach dem ältern Verfahren conditionirten Seide stellt
                              									sich hier etwas höher heraus, als er in frühern Versuchen sich ergab. Auch hier
                              									kommen wieder Abweichungen von 1 1/2 Proc. vor, die für einen geregelten Gang des
                              									öffentlichen Verkehrs als zu groß erscheinen.
                           Der Apparat zum absoluten Austroknen hat sich im Laufe des ganzen Jahres vollkommen
                              									bewährt. Es wurden dieselben Seidenstränge zu verschiedenen Malen und im
                              									verschiedenen Zustande der Feuchtigkeit der absoluten Austroknung ausgesezt; sie
                              									gingen regelmäßig auf dasselbe Gewicht wieder zurük. Ein einzigesmal fand sich ein
                              									Unterschied von 0,125 Procent.
                           Der Apparat ist in folgender Art eingerichtet. Ein
                              									glokenförmiges Gefäß steht, die Oeffnung nach Oben gekehrt, auf einem kleinen Tische
                              									von 17 Zoll Höhe über dem Boden. Die Gloke ist 19'' tief und 13 1/2'' weit. Sie
                              									besteht aus Kupferblech und hat doppelte Wände, welche 3/4'' von einander abstehen.
                              									Ein cylindrisches Gefäß aus Kupferblech ist über diese Gloke gestürzt. Von einem
                              									Dampfkessel führt eine Röhre den Dampf seitwärts in den Raum zwischen den
                              									Doppelwänden der Gloke. Eine zweite Röhre führt den Dampf und das condensirte Wasser
                              									aus dem untern Theile dieses Raumes in ein Gefäß mit Wasser. Eine dritte Röhre geht
                              									von Unten durch den kleinen Tisch und sezt die atmosphärische Luft mit der Luft
                              									zwischen den beiden Gefäßen in Verbindung. Der oben befindliche Boden des äußern
                              									Gefäßes hat in der Mitte eine Oeffnung, um der feucht gewordenen warmen Luft den
                              									Austritt zu verstatten, wogegen durch die untere Röhre atmosphärische Luft in den
                              									Apparat eindringt. Durch die Oeffnung im Dekel geht auch ein Messingdraht, an
                              									welchem die Seidenstränge im innern Raume der Gloke, jedoch ohne die Wände zu
                              									berühren, hängen. Der Draht ist oben an dem einen Arme einer gewöhnlichen, jedoch
                              									genauen, Waage befestigt. Das Abwägen der absolut getrokneten Seide muß durchaus
                              									innerhalb des Apparats geschehen, weil die Seide in diesem Zustande außerordentlich
                              									schnell wieder Feuchtigkeit annimmt, sobald sie mit der freien Luft in Berührung
                              									tritt. Der Dampfkessel ist mit einem Manometer versehen, und die Versuche haben
                              									nachgewiesen, daß dasselbe einen Dampfdruk von 35 bis 45 Centimeter, also von 13 1/2
                              									bis 17 Zoll anzeigen müsse, wenn die Temperatur im Apparate 108 bis 109° C.
                              									betragen soll. Bei dieser Temperatur ist fortwährend ausgetroknet worden und es hat
                              									sich mit Sicherheit herausgestellt, daß Schwankungen im Thermometerstande von
                              									mehreren Graden auf das Endresultat keinen Einfluß ausüben. Die Austroknung ist in 2
                              									1/2 bis 3 Stunden beendigt. Die kleinern Apparate können 80 bis 90 Gram., also 5 1/2 bis 6 Loth
                              									Seide aufnehmen; der große Apparat ist für 500 Gramme, also für stark 1 Pfd. Seide,
                              									eingerichtet und gibt die befriedigendsten Resultate.
                           Dieß sind die sehr wichtigen Versuche, welche von der im Jahre 1838 zusammenberufenen
                              									Commission angeordnet und unter ihrer Aufsicht ausgeführt wurden. Nachdem dieselben
                              									beendigt waren, stattete die Commission an die Handelskammer über ihre Arbeiten
                              									einen ausführlichen Bericht ab und empfahl derselben einstimmig das vorstehend
                              									beschriebene neue Conditions-Verfahren zur ungesäumten Einführung statt des
                              									ältern für die öffentliche Seiden-Condition.
                           Die Kammer sprach darauf in protokollarischer Beschlußnahme den Wunsch aus, daß Se.
                              									Majestät der König ehrfurchtsvoll möge gebeten werden, durch einen Act seiner
                              									königlichen Macht die noch bestehenden gesezlichen Vorschriften für das bisherige
                              									Verfahren in der öffentlichen Seiden-Condition aufzuheben, und dagegen dem
                              									neuen Verfahren gesezliche Kraft zu verleihen.
                           Somit ist nunmehr in Lyon das alte Conditionsverfahren als abgeschafft und das neue
                              									als eingeführt zu betrachten. Dasselbe ist, wenn das Aequilibriren wegfällt,
                              									einfacher als das alte Verfahren, nur sezt es voraus, daß das Abwägen der
                              									Seidenproben von einem zuverlässigen Manne geschehe, der mit der Theorie feiner
                              									Abwägungen vertraut sey und zur Ausführung derselben Geschik habe. Wenn solche
                              									Abwägungen bis auf 5 Milligramme genau in zuverlässiger Weise täglich ausgeführt
                              									werden sollen, so sind obige Bedingungen durchaus unerläßlich.
                           In den Vorschriften für die Ausübung des neuen Conditionsverfahrens ist, wie oben
                              									bemerkt, festgesezt worden, daß die absolute Austroknung der drei Seidenproben nach
                              									24 Stunden soll wiederholt werden, wenn die erste Operation einen Unterschied von
                              									mehr als 1 Proc. nachgewiesen hat. Die angeordnete Wiederholung kann nun freilich
                              									den Fehler aufdeken, wenn derselbe in dem absoluten Austroknen, oder in den
                              									Gewichtsbestimmungen vorgekommen ist. Wenn aber die zweite Operation in ihren
                              									Resultaten mit der ersten übereinstimmt, so liegt darin der Beweis, daß die
                              									aufgefundenen Differenzen in den zu großen Ungleichheiten des Feuchtigkeitszustandes
                              									des Seidenballens begründet sind. Dieser Fall ist in den von der Commission in
                              									Vorschlag gebrachten und von der Handelskammer angenommenen Bestimmungen für das
                              									neue Conditionsverfahren nicht vorgesehen. Es scheint mir, als müsse in diesem Falle
                              									ein AequilibrirenHr. Dr. Egen bringt
                                    											zum Aequilibriren der Seide folgenden Apparat in Vorschlag: in einem Saale,
                                    											in welchem am besten durch Dampfheizung eine mäßige Erhöhung der
                                    											Temperatur stattfindet, sollen verticale Räder mit zwei Ringen und
                                    											Armsystemen, zwischen welchen Ringen vergitterte Behälter für die Seide so
                                    											angebracht werden, daß durch die Lage des Schwerpunkts unter ihrer
                                    											Umdrehungsachse ihr Boden bei einer langsamen Umdrehung des Rades stets nach
                                    											Unten gekehrt bleibt, aufgestellt werden und in ihren Behältern die Seide
                                    											mehrere Stunden lang den Kreislauf ihrer Umdrehung mitmachen. Ein solches
                                    											Rad muß bei regelmäßigem Gange die verschiedenen mit Seide versehenen
                                    											Behälter abwechselungsweise genau in dieselben Verhältnisse der
                                    											Lufteinwirkung versezen und darum eine möglichst gleichförmige Austroknung
                                    											bewirken; da der Umlauf dieser Räder nur ein sehr langsamer zu seyn braucht,
                                    											so wird ein einziger Arbeiter fortwährend viele derselben in Bewegung sezen
                                    											können. Jedes Rad könnte sich in einem besonderen durch Vergitterung
                                    											abgesperrten Raum bewegen, so daß es also für jeden Eigenthümer möglich
                                    											würde, sich seines Eigenthumes durch Versiegelung völlig zu versichern.In der That hat auch die Commission einen Aequilibrir-Apparat
                                    											versucht, welcher in allen wesentlichen Stüken mit dem von Hrn. Dr. Egen in Vorschlag
                                    											gebrachten Rade übereinstimmt, und sich entschieden vortheilhafter als alle
                                    											anderen bewies. des Seidenballens, und zwar auf Kosten des Verkäufers, und erst dann ein wiederholtes
                              									absolutes Austroknen von zwei respective drei Seidenproben vorgenommen werden.