| Titel: | Miszellen. | 
| Fundstelle: | Band 78, Jahrgang 1840, Nr. XIV., S. 71 | 
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                        XIV.
                        Miszellen.
                        Miszellen.
                        
                     
                        
                           Beitrag zur Geschichte der Erfindung, die Wasserdämpfe als
                              bewegende Kraft zu benuzen.
                           Die Erfindung, die Daͤmpfe des siedenden Wassers zu einer starken bewegenden
                              Kraft anzuwenden, war wenigstens schon zu Justinian's
                              Zeiten unter den Griechen bekannt. Moͤgen immerhin Englaͤnder,
                              Franzosen und Nordamerikaner sich uͤber die Ehre streiten, wer zuerst die
                              Dampfkraft auf die Bewegung der Schiffe angewendet; mag immerhin der Amerikaner Fulton geglaubt haben, daß er beim Kochen des Theewassers
                              zuerst die Kraͤfte des Dampfes entdekt habe: so ist doch keiner von ihnen der
                              erste Beobachter der gewaltigen Kraft der Wasserdaͤmpfe, und keiner von ihnen
                              ist der Erfinder der Anwendung dieser Kraft. Die
                              Erfindung und Anwendung gebuͤhrt, so weit mir die Geschichte dieses
                              Gegenstandes bis jezt vorliegt, lediglich den
                              Griechen.
                           Agathias, welcher zu den byzantinischen
                              Geschichtschreibern gehoͤrt, und dessen Geschichtbuͤcher in dem Corpus Scriptorum historiae Byzantinae als Pars III. Bonnae 1828 mit
                              abgedrukt sind – nach welcher Ausgabe ich allegiren werde –
                              erzaͤhlt uns zum Jahre 557 nach Christi Geburt, S. 289 ff. die nachstehende
                              Thatsache: Anthemius, ein beruͤhmter Mathematiker,
                              Baumeister und Maschinenverfertiger, geboren zu Trallas, mithin ein Grieche aus
                              Kleinasien, wurde vom Kaiser Justinian nach
                              Konstantinopel berufen, wo er Maschinen, welche die hoͤchste Bewunderung
                              erregten, verfertigte.
                           Das Haus des Anthemius war mit dem Hause seines Nachbars
                              Zeno in mehreren Partien verbunden, uͤber
                              welchen Umstand der Geschichtschreiber sich nicht deutlich genug ausspricht. Anthemius gerieth uͤber dieses
                              Bauverhaͤltniß mit Zeno in einen Rechtsstreit, und
                              verlor den Proceß, weil, wie ausdruͤklich bemerkt wird, Zeno ein geschikterer Redner war. Anthemius
                              suchte sich zu raͤchen, und baute eine Dampfmaschine, die ich nach den Worten
                              des Geschichtschreibers jezt moͤglichst genau beschreiben will. Er stellt
                              große Kessel im Boden seines Hauses auf, fuͤllt dieselben mit Wasser an und
                              umgibt sie mit ledernen Schlaͤuchen, die unten so weit sind, daß sie den
                              ganzen Umfang der Kessel verschließen. Mit diesen Schlaͤuchen verbindet er
                              lederne Roͤhren, die sich in der Form einer Trompete verengen, und in einer
                              richtigen Proportion endigen. Die Enden dieser Roͤhren befestigte er dann so
                              genau an den Balken des Zeno'schen Hauses, daß die in den
                              Roͤhren enthaltene Luft zwar mit ungehinderter Kraft in die Hoͤhe
                              steigen, aber nicht herausstroͤmen oder durchbrechen kann.
                           
                           Nach diesen insgeheim gemachten Vorkehrungen legt Anthemius ein kraͤftiges Feuer unter die Kessel und erregt eine
                              große Flamme. Sobald nun das Wasser heiß und kochend geworden, entwikelte sich ein
                              starker Dunst (Dampf, άτμός, vapor) der schnell und dicht in
                              die Hoͤhe stieg, und der, da er (von den Kesseln aus) keinen anderen Ausweg
                              hatte, in die Roͤhren trieb, wo er zusammengepreßt mit verstaͤrkter
                              Kraft in die Hoͤhe strebte, bis er das Dach mit fortgesezter Gewalt angriff,
                              und dasselbe so sehr erschuͤtterte und bewegte, daß das Holzwerk nach und
                              nach zitterte und krachte. Die Hausgenossen des Zeno, von
                              Furcht und Schreken ergriffen, eilten in die Straßen u.s.w.
                           In dieser Erzaͤhlung, welche uns der Geschichtschreiber gelegentlich bei der
                              Erwaͤhnung der Theorie des Aristoteles
                              uͤber Erdbeben gibt, liegt der vollstaͤndige Beweis, daß die Griechen
                              zu Justinian's Zeitalter die Kraft der
                              Wasserdaͤmpfe und ihre Anwendung zur bewegenden Kraft genau kannten. Ob der
                              Geschichtschreiber aber die Construction des Apparats der Dampfmaschine und
                              namentlich der Roͤhren richtig aufgefaßt habe, ist eine andere Frage, die ich
                              zur Beurtheilung der Maͤnner vom Fache verstellen muß. Mir genuͤgt es,
                              nachgewiesen zu haben, daß die Griechen schon mit der Wirkung der
                              Wasserdaͤmpfe bekannt waren.
                           Nun noch einige Bemerkungen:
                           Anthemius war, wie der Geschichtschreiber Agathias wiederholt bemerkt, ein ausgezeichneter
                              Mathematiker und Verfertiger bewunderungswuͤrdiger Maschinen. Welche Arten
                              von Maschinen er verfertigte, und zu welchen Zweken, ist eben so wenig angegeben,
                              als ausdruͤklich gesagt, daß er die
                              Wasserdaͤmpfe bei denselben in Anwendung gebracht habe. Es scheint indessen
                              aus folgenden Worten des Agathias, S. 291, ὁ δὲ ἐκ
                                 τής ὁκείας
                                 αύτὸν
                                 ἀντελύπησε
                                 τέχνης
                                 τρόπῳ
                                 τοιῷδε, d.h. „er aber
                                 (Anthemius) vergalt ihm (dem Zeno) aus der ihm eigenen Kunst auf folgende
                                 Weise“ der Schluß gezogen werden zu duͤrfen, daß Anthemius bei seinen Maschinen auch die
                              Wasserdaͤmpfe gebraucht habe, denn wenn von der Dampfmaschine, welche er aus
                              Rache uͤber den verlorenen Proceß gegen Zeno's
                              Haus richtete, namentlich angefuͤhrt wird, daß er sie aus der ihm eigenen Kunst eingerichtet und sich dabei der
                              Daͤmpfe bedient habe, so moͤchte der Schluß, oder, wenn man lieber
                              will, die Vermuthung, daß er die ihm voͤllig bekannte Dampfkraft auch auf
                              andere, zu seiner Zeit bewunderte Maschinen uͤbertragen habe, nicht ganz
                              grundlos erscheinen, zumal da auch das Wort τέχνη auf praktische Anwendung
                              hindeutet.
                           Die Griechen waren in Kuͤnsten, Wissenschaften und Erfindungen weiter, als wir
                              gewoͤhnlich glauben. In den byzantinischen Geschichtschreibern, die seit den
                              in Bonn veranstalteten Abdruͤken leicht zu
                              erhalten sind, liegen ohne Zweifel noch manche Nachrichten und Andeutungen, welche
                              wohl verdienten hervorgezogen zu werden. Moͤchten daher Sach- und
                              Sprachkundige diese Quellen, abgesehen von deren historischem Werthe, fuͤr
                              Kunstfertigkeiten und Erfindungen genauer studiren und besser benuzen, als bisher
                              geschehen ist.
                           Derselbe Anthemius, von dem in diesem Aufsaze die Rede
                              ist, war derjenige Baumeister, welcher zur Wiederherstellung der beruͤhmten,
                              aber durch ein großes Erdbeben zerstoͤrten Sophien-Kirche in
                              Konstantinopel den Bauplan machte und den Bau anfing, aber wegen eingetretenen
                              Ablebens nicht vollenden konnte (Agathias, S. 295).
                           Um dem Zweifel vorzubeugen, ob die ledernen Roͤhren
                              stark genug waren, die Kraft der Daͤmpfe auszuhalten, bemerke ich, daß es dem
                              Anthemius bei seiner Vorrichtung gegen Zeno's Haus nur auf die Hervorbringung einer zitternden
                              Bewegung und nicht auf die Sprengung des Balkenwerks ankam. Zu diesem Zweke konnten
                              starke lederne Roͤhren wohl hinreichen, und scheinen selbst fuͤr die
                              Erregung einer zitternden Bewegung umsichtig gewaͤhlt zu seyn.Arago in seiner Geschichte der Dampfmaschinen
                                    (Annales du Bureau des longitudes) und
                                    andere Schriftsteller bemerken, daß schon Hero
                                    von Alexandria 120 Jahre vor Christi Geburt den Dampf als bewegende Kraft
                                    gekannt habe; ich muß diese Nachricht aber auf ihrem Werthe beruhen lassen,
                                    da mir Hero's
                                    Pneumatica nicht zur Hand sind. A. d. V.
                              
                           Dr. Degen, Protoconsul in
                              Luͤneburg.
                           
                        
                           
                           Ueber Faivre's vereinfachte Dampfmaschine.
                           Wir haben dieser Dampfmaschine bereits im polyt. Journal Bd. LXVIII. S. 323 erwaͤhnt und
                              bemerkt, daß sie in der Werkstaͤtte von Derosne in
                              Paris (rue des Batailles, 7) verfertigt wird. Hr. Dr. Hermann sagt in seinem
                              Berichte uͤber die lezte Industrieausstellung in Paris (Nuͤrnberg
                              1840) daruͤber Folgendes: „Unter allen vorgelegten aͤußeren
                                 Modificationen der Dampfmaschine schien uns keine so eigenthuͤmlich und
                                 neu zu seyn, wie die von Faivre, welche vor vier
                                 Jahren erfunden, seitdem in der Anwendung sich erprobt hat. Hier ist unstreitig
                                 die Dampfmaschine auf die einfachste Form gebracht; denn außer dem Dampfkessel
                                 sieht man gar nichts als den Cylinder, der mit seinem etwas uͤber
                                 halbkugeligen Ende oder Fuß senkrecht in einer concentrischen Pfanne steht, die
                                 in geringer Hoͤhe uͤber dem Boden angemessen befestigt ist. In
                                 dieser Pfanne oscillirt der Cylinder, so daß sein Kolbenstiel unmittelbar die
                                 Kurbel des Schwungrades treibt, womit zugleich das Maaß der Schwankungen gegeben
                                 ist. Statt der Steuerung befinden sich in dem kugeligen Fuße des Cylinders, so
                                 wie in der Pfanne angemessen gestellte Oeffnungen, die, indem der Cylinder
                                 oscillirt, abwechselnd uͤber einander stehen und geschlossen werden, so
                                 daß der Dampf durch die eine Pfannenoͤffnung ein-, durch die
                                 andere ausgeht. Ohne den Dampfkessel nimmt eine solche Maschine von 6
                                 Pferdekraft, bei 6 Fuß Hoͤhe nur etwa 3 Quadratfuß Raum ein, so daß in
                                 Derosne's Werkstaͤtte an vier
                                 verschiedenen Drehbaͤnken und anderen Vorrichtungen vier solche Maschinen
                                 standen, die alle aus einem Kessel gespeist wurden. Es leuchtet ein, daß bei
                                 dieser Construction weit weniger Reparaturen als bei kuͤnstlicher
                                 Steuerung vorkommen muͤssen, und sie weit groͤßere Festigkeit
                                 gewaͤhrt als Cylinder, die in Achsen haͤngen. Der Fuß des
                                 Cylinders und die Pfanne reiben sich zwar nach laͤngerem Gebrauche aus,
                                 bleiben aber stets concentrisch und koͤnnen am Ende leicht ersezt werden.
                                 Seit vier Jahren sollen die erwaͤhnten Maschinen bei Derosne, ohne Abnuͤzung des Fußes und der
                                 Pfanne, arbeiten. Sie eignet sich besonders da, wo man nur wenig
                                 Pferdekraͤfte noͤthig hat und wenig Raum zur Aufstellung besizt;
                                 wegen der Leichtigkeit ihrer Aufstellung auch in solchen Faͤllen, wo man
                                 bloß momentan eine Dampfmaschine bedarf, z.B. bei Bauten, zum Steinsagen etc.
                                 Sie soll unter allen, bei kleiner Kraft, am wenigsten Feuerung beduͤrfen
                                 und hiedurch die Anwendung kleiner Maschinen gleich vortheilhaft, wie die der
                                 staͤrkeren machen; im Ankaufe kommt sie zugleich wohlfeiler als jede
                                 andere:
                              
                           
                              
                                 
                                    fuͤr Pferdekraͤfte
                                        1
                                        2
                                        3
                                        4
                                        8
                                        12
                                    
                                 
                                    kostet sie mit Kessel
                                      2400
                                      3300
                                      4100
                                      4900
                                      7600
                                      9700 Fr.
                                    
                                 
                              
                           
                              Bereits sind 24 solche Maschinen, von zusammen 160 Pferdekraͤften,
                                 fuͤr verschiedene Fabriken gefertigt worden. Zu mehr als 12
                                 Pferdekraͤften ist die Construction weniger geeignet. Der Preis einer
                                 solchen Maschine ist so maͤßig, daß es wohl des Aufwandes werth
                                 waͤre, sie durch Ankauf zu uns zu verpflanzen.“
                              
                           
                        
                           Die Locomotiven von Stehelin und
                              Huber.
                           Stehelin und Huber in
                              Bitschweiler (Oberrhein), deren Verbesserungen an den Roͤhrenkesseln der
                              Locomotiven im polyt. Journal Bd. LXXV. S.
                                 324 besprochen wurden, haben seit kurzer Zeit bereits 16 Dampfwagen
                              gebaut. Ihre Locomotive fuͤr die Eisenbahn nach St. Germain wurde allgemein
                              als ein Meisterwerk auch in Bezug auf sorgfaͤltige Ausfuͤhrung
                              erkannt; sie kostete 40,000 Fr. Der Cylinder hat 13 Zoll Durchmesser. Die
                              Oberflaͤche des Heizraumes ist in diesen Maschinen groͤßer als
                              gewoͤhnlich; so auch der Durchmesser der Raͤder. Sie liefert 848,000
                              Liter Dampf in der Stunde, was etwa 50 Proc. mehr seyn soll, als bei den bisherigen
                              Systemen eine Maschine von gleicher Groͤße zu geben vermochte. Der
                              groͤßere Durchmesser des Cylinders gibt dem Kolben und also jeder
                              Radumdrehung mehr Kraft; bei groͤßeren Raͤdern bedarf man geringere
                              Geschwindigkeit des Kolbens, was die Abnuͤzung vermindert; die
                              Vorderraͤder, von groͤßerem Durchmesser als gewoͤhnlich,
                              greifen die Bahn weniger an. Die Erwaͤrmung des Wassers im Tender geschieht
                              durch zwei Kupferroͤhren, die den uͤberfluͤssigen Dampf des
                              Kessels abfuͤhren, wodurch viel Brennstoff erspart wird.
                           In ihren Eisenwerken (Hohoͤfen und Frischwerken), sodann in der
                              Maschinenfabrik selbst sind etwa 1000 Arbeiter beschaͤftigt. (Dr. Hermann a. a. O.) 
                           
                        
                           
                           Labbé's Zapfenlager für Schwungräder.
                           Labbé (rue Amelot, No.
                              52 in Paris) lieferte zur lezten Industrieausstellung in Paris zwei Arten von neuen
                              Zapfenlagern fuͤr senkrechte und waagrechte Schwungraͤder. Die
                              waagrechte Achse laͤuft zwischen vier Rollen, die sie saͤmmtlich
                              beruͤhren und deren Zapfen in zwei eisernen Ringen sich drehen, welche die
                              Rollen in gleichen Entfernungen halten; diese vier Rollen laufen in
                              halbkreisfoͤrmigen Vertiefungen, so daß die Achse des Schwungrades bald auf
                              einer Rolle ruht, waͤhrend eine aus der Rinne heraus-, die
                              entgegengesezte in die Rinne hineintritt, bald auf zweien, waͤhrend die
                              beiden anderen sich außerhalb der Vertiefung befinden. Beim senkrechten Stande der
                              Achse des Schwungrades geht sie durch die Mitte einer ringfoͤrmigen Rinne, in
                              der drei Kugeln, durch bauchige Kegel auseinander gehalten, sich frei bewegen. Auf
                              diesen Kugeln ruht das Rad mit einem am oberen Ende der Achse angebrachten
                              halbkugelfoͤrmigen Stuͤk; unten laͤuft die Achse in einem
                              senkrechten Loche, um sie senkrecht zu halten. An beiden Vorrichtungen sezte die
                              lange Dauer des Umlaufes der Raͤder, auch bei geringem Anstoße, in
                              Verwunderung. (Dr. Hermann a.
                              a. O.)
                           
                        
                           Benoît's Webestuhl für Lichterdochte.
                           Die Fortschritte in der Kunst einer glaͤnzenden Beleuchtung durch Oehl, Gas,
                              Stearin u.s.w. haben ihre Gemeinnuͤzigkeit noch lange nicht so weit erstrekt,
                              daß auch die niederen Volksclassen derselben theilhaftig waͤren, und es war
                              daher in unserer Zeit noch keineswegs uͤberfluͤssig, wenn Hr. Benoît (Neubourg, Dept. de
                                 l'Eure) sich damit abgab, einen Webestuhl zu construiren der in
                              oͤkonomischer Hinsicht, und was die Guͤte betrifft, einen Bestandtheil
                              dieser Beleuchtung fuͤr die aͤrmere Classe verbessert. Im Preise
                              kommen die auf demselben gemachten Dochte um wenigstens 3 Viertheile wohlfeiler
                              durch den Zeitgewinnst, indem eine Menge Handarbeiten dabei erspart werden. An
                              Guͤte gewinnen sie dadurch, daß sie nicht mehr in großer Quantitaͤt
                              auf lange Zeit in Vorrath gemacht zu werden brauchen, wodurch sie einer gewissen
                              Verderbniß entgehen (mèches eventées).
                              Dieser wohlfeile Webestuhl ist in mehreren Departements Frankreichs schon sehr
                              verbreitet, indem ein Jeder ohne vorgaͤngige Lehre sich seine Dochte selbst
                              darauf bereiten kann, deren 24 zugleich fertig werden. Die Société d'Encouragement wird die Beschreibung und Abbildung
                              dieser einfachen Maschine spaͤter in ihrem Bulletin liefern, und hat dem Erfinder die silberne Medaille zuerkannt.
                              (Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement. Aug. 1840)
                           
                        
                           Budy's
                              neue Verzinnung.
                           Nach vielen Bemuͤhungen ist es Hrn. Budy gelungen,
                              eine Legirung statt des reinen Zinns zum Verzinnen anzuwenden, welche sich durch
                              ihre ungemeine Dauerhaftigkeit auszeichnet. Dieselbe ist nicht nur auf Kupfer,
                              sondern auch, und ganz vorzuͤglich, auf Eisengußwaaren anwendbar. Ohne einen
                              merklich staͤrkeren Ueberzug zu bilden, dauert derselbe doch 5–6 mal
                              laͤnger als die gewoͤhnliche Verzinnung, wie sich hievon viele
                              urtheilsfaͤhige Wirthe und Garkoͤche uͤberzeugt haben. Das
                              Gußeisen nimmt diese Verzinnung eben so gerne an wie das Kupfer, und altes so gut
                              wie neues. Die verzinnten Gußwaaren werden einen so angenehmen Gebrauch
                              gewaͤhren, als das Kupfer, ohne der Gesundheit so gefaͤhrlich zu seyn,
                              wie man sich durch Versuche uͤberzeugt hat. Hr. Budy erhielt von der Société
                                 d'Encouragement fuͤr seine Erfindung die goldene Medaille. (Bulletin de la Société d'Encouragement.
                              Aug. 1840)
                           
                        
                           Nasmyth's Verfahren Scheiben von belegtem Spiegelglas durch den Luftdruk
                              in concave oder convexe Spiegel zu biegen.
                           Die Schwierigkeit, große Spiegel fuͤr Teleskope zu erhalten, verbundem mit dem
                              Umstande, daß das gewoͤhnliche Spiegelmetall sehr schwer, sproͤde und
                              leicht oxydirbar ist, veranlaßte Hrn. Nasmyth, mit Folie
                              belegtes Spiegelglas zu Teleskopen zu benuzen, welches bekanntlich auch mehr Licht als alle Metallspiegel
                              reflectirt. Um einer Scheibe von Spiegelglas eine concave oder convexe Form zu
                              geben, muß ein gewisser Druk gleichfoͤrmig auf ihre Oberflaͤche
                              wirken, wozu Nasmyth (wie bereits im polyt. Journal Bd. LXXIV. S. 442 erwaͤhnt wurde) das
                              Gewicht der Atmosphaͤre benuzt. Eine Scheibe von mit Folie belegtem
                              Spiegelglas, welche 39 engl. Zoll im Durchmesser hat und 3/16 Zoll dik ist, wird in
                              eine wenig tiefe gußeiserne Schale eingepaßt und eingekittet, so daß der Raum oder
                              die Kammer hinter dem Glase vollkommen luftdicht ist; durch eine mit dieser Kammer
                              communicirende Roͤhre kann man dann beliebig Luft ausziehen oder
                              einblasen.
                           Um einen concaven Spiegel zu erzeugen, ist so wenig Kraft erforderlich, daß wenn man
                              mit dem Munde die Luft aus der Kammer durch die Roͤhre auszieht, das Gewicht
                              der Atmosphaͤre, welches in diesem Falle 3558 Pfd. betraͤgt, die mit
                              gleichem Druk auf eine Flaͤche von 1186 Quadratzoll wirken, das Glas
                              noͤthigt, eine Concavitaͤt von beinahe drei Viertel eines Zolles
                              anzunehmen, was bei einem Durchmesser von 39 Zoll weit mehr ist, als man fuͤr
                              teleskopische Zweke jemals braucht. Wenn man wieder Luft zulaͤßt,
                              erhaͤlt das Glas sogleich seine fruͤhere ebene Oberflaͤche, und
                              treibt man durch die Kraft der Lungen Luft ein, so wird es beinahe in demselben
                              Grade convex, als es vorher concav war. Man koͤnnte die concave Form dadurch
                              constant machen, daß man in die luftdichte Kammer eine eiserne Scheibe bringt,
                              welche in der gewuͤnschten Form abgedreht ist, und durch den Luftdruk das
                              Glas in der ihm bei seiner festen Beruͤhrung mit der eisernen Scheibe
                              gegebenen Form erhaͤlt. (London Journal of arts.
                              Sept. 1840, S. 40.)
                           
                        
                           Ueber die Auflöslichkeit des Aethers in Wasser.
                           In kaltem Wasser scheint der Aether aufloͤslicher zu seyn, als in warmem; denn
                              wenn man das Wasser, womit man den rohen Aether gewaschen hat, in glaͤsernen
                              Retorten uͤber der Spirituslampe erwaͤrmt, steigen augenbliklich von
                              der Stelle, worauf die Lampe am staͤrksten wirkt, Aetherkuͤgelchen bis
                              zur Groͤße eines Kirschkernes empor. Das Wasser truͤbt sich immer mehr
                              von abgeschiedenem und feinzertheiltem Aether, bis es, nahe am Siedepunkt desselben,
                              sich auf einmal vollkommen aufhellt, waͤhrend der fast vollstaͤndig
                              abgeschiedene Aether in einer Schichte von betraͤchtlicher Dike obenan
                              schwimmt und uͤberzudestilliren anfaͤngt.
                           Ueberhaupt enthaͤlt das Waschwasser des Aethers meist sehr viel davon
                              aufgeloͤst. Bei einer Verarbeitung von 15 Maaß Weingeist auf Aether, wobei
                              das Destillat in drei zusammen verbundenen, der Winterkaͤlte ohne
                              kuͤnstliche Abkuͤhlung ausgesezten geraͤumigen Vorlagen
                              verdichtet wurde, wurde der Aethergehalt des in den beiden ersten Vorlagen
                              gewonnenen Destillates, welche vorzugsweise das Wasser und den unzersezten Weingeist
                              enthalten mußten, vor dem Waschen durch Rectification concentrirt. Obgleich also die
                              Waschwasser so sehr viel Weingeist nicht enthalten konnten, lieferten sie, circa 10 Maaß betragend, bei der Destillation aus einer
                              kupfernen Blase etwas uͤber 1 Maaß ziemlich reinen Aether. Die Benuzung
                              dieser Waschwasser darf daher um so mehr allgemein empfohlen werden, als das
                              Abtreiben des darin aufgeloͤsten Aethers aͤußerst leicht und schnell
                              von Statten geht. Das erhaltene Destillat schuͤttelt man mit etwas Wasser,
                              und reinigt es vollends durch Rectification.
                           
                              W. v. E.
                              
                           
                        
                           Neue Bestimmung der stöchiometrischen Zahl des
                              Kohlenstoffs.
                           Dumas und Strass haben bei 14
                              mit der moͤglichsten Genauigkeit angestellten Analysen als Resultat erhalten,
                              daß die stoͤchiometrische Zahl des Kohlenstoffs (wenn der Sauerstoff = 100)
                              75 und nicht 76,52 ist, was also gegen die bisherige Annahme eine Differenz von 2
                              Proc. ausmacht. Es werden daher viele Formeln fuͤr organische Koͤrper,
                              besonders sehr kohlenstoffhaltige, abgeaͤndert und manche Analysen wieder
                              vorgenommen werden muͤssen. Uebrigens stimmt die Zahl 75 mit der Annahme des
                              Dr. Prout
                              uͤberein, daß naͤmlich das Atomgewicht des Kohlenstoffs gerade
                              sechsmal so groß wie das des Wasserstoffs ist, so wie sie auch viel besser als das
                              bisherige Aequivalent des Kohlenstoffs mit den Analysen des Kalkspaths, Arragonits
                              und Marmors, welche Thenard und Biot so sorgfaͤltig anstellten, so wie mit den von Biot
                              und Arago bestimmten Dichtigkeiten des Sauerstoffs und
                              der Kohlensaͤure uͤbereinstimmt. (Comptes
                                 rendus, August 1840, Nr. 7.)
                           
                        
                           Jeuch, über die Aufbewahrung des
                              Eises in hölzernen Kästen in Gebaͤuden uͤber der Erde.
                           Die gewoͤhnliche Weise, das Eis in der Erde in gemauerten und mit Holz
                              gefuͤtterten Gruben aufzubewahren, ist mit manchen Kosten verbunden und
                              leistet nur halbgenuͤgende Dienste, auch ist dafuͤr ein eigenes, im
                              Schatten liegendes Grundstuͤk und eine Grube mit Wasserabfluß nothwendig. Bei
                              dieser Einrichtung fault alles Holz sehr bald, verursacht daher
                              immerwaͤhrende, kostbare Reparaturen und das Eis haͤlt sich nicht,
                              wenn es nicht in sehr großer Masse vorhanden ist; denn die 6° R.
                              Waͤrme, welche die Erde enthaͤlt, schmelzen dasselbe immerfort. Alle
                              diese aufgezaͤhlten Nachtheile besizen die Eiskaͤsten uͤber der
                              Erde nicht. Erst im September und Oktober beginnt das Eis ein wenig zu schmelzen, wo
                              bald der Winter wieder eintritt, haͤlt sich uͤbrigens 2 Jahre lang
                              frisch und braucht nur alle Jahre oben wieder nachgefuͤllt zu werden,
                              entweder mit Eis, oder bei Mangel desselben bloß mit frischem Schnee.
                           Ein solcher Eisbehaͤlter besteht aus einem hoͤlzernen kubischen Kasten,
                              1000 Kubikfuß inneren Raum enthaltend (also von 10 Fuß), und von starken
                              2zoͤlligen Bohlen oder Brettern wasserdicht zusammengefuͤgt. Um diesen
                              Kasten ist in einem Abstande von 4 bis 4 1/2 Zoll ein Mantel von 1zoͤlligen
                              Brettern gebaut und der hohle Zwischenraum fest mit Haͤksel (1 Zoll lang
                              geschnittenes Stroh) ausgefuͤllt. An einer der Seitenwaͤnde ist so
                              hoch oben als moͤglich ein doppeltes Thuͤrchen von 2 Fuß Breite und 3
                              1/2 Fuß Hoͤhe angebracht. Der Boden des inneren Kastens muß
                              vorzuͤglich gut gefuͤgt werden, damit der Haͤksel unter
                              demselben nicht naß werden kann, in welchem Falle das Eis schmelzen und das Holz
                              verderben wuͤrde. Auf diesen Boden ist ein hoͤlzerner Rost gelegt und
                              auf diesen das Eis fest wie Quadermauerwerk geschichtet; die Fugen werden mit Schnee
                              ausgefuͤllt. Unter dem Roste auf dem Boden des Kastens ist eine kleine
                              Ablaufroͤhre von der Ausflußweite eines Federkieles anzubringen und mit einem
                              Hahne zu versehen, der zuweilen geoͤffnet werden muß, um das sich unter dem
                              Roste sammelnde Wasser abzuzapfen. Noch ist zu bemerken, daß es gut ist, den inneren
                              Kasten mit einer auch nur gemeinen Oehlfarbe anzustreichen, und eine Vorrichtung
                              anzubringen, mittelst welcher der Raum unter dem Roste jedes Jahr gereinigt werden
                              kann, denn die Unreinigkeiten des Eises sammeln sich hier zum Schaden desselben.
                              – Der Raum, in welchem ein solcher Eisbehaͤlter angebracht werden
                              kann, soll die Schattenseite haben, troken und vor Luftwechsel verwahrt, uͤberhaupt gegen alle
                              aͤußeren Einwirkungen unempfindlich seyn. Aus diesen Gruͤnden darf die
                              Thuͤre des Kastens nicht der Thuͤre des ihn umgebenden Locales gerade
                              gegenuͤber stehen; auch duͤrfen in lezterem keine Fenster angebracht
                              werden, und endlich soll rings um den Kasten so viel Raum seyn, daß ein Mensch
                              bequem durchgehen kann; denn die zu große Naͤhe der Mauern aͤußert
                              sich sogleich nachtheilig am Eise im Kasten, wie die Erfahrung lehrt. (v. Ehrenberg's Zeitschrift, Bd. IV. S. 176.)
                           
                        
                           Die Krapplake der Madame Gobert.
                           Madame Gobert in Paris fabricirt Krapplak, der alles
                              bisher Erzeugte bei Weitem uͤbertrifft. Er bewaͤhrte sich so gut, daß
                              sich die beruͤhmtesten Maler in Paris dessen bedienen. Seit der Entdekung des
                              kuͤnstlichen Ultramarins soll im Bereiche der Farbendarstellung nichts so
                              Wichtiges geleistet worden seyn. Auch hat diese Frau zum erstenmal den in der
                              Krappwurzel so reichlich vorhandenen gelben Farbstoff behufs der Anwendung
                              dargestellt. (Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement. Aug. 1840.)
                           
                        
                           Leserré's apothetisches Tintenfaß.
                           Bekanntlich verdirbt die Tinte sehr gern in den bisher bekannten
                              Tintenfaͤssern in Folge des Einflusses der atmosphaͤrischen Luft,
                              welche das gerbstoffsaure Eisenoxydul bestaͤndig hoͤher zu oxydiren strebt. Die feine
                              Vertheilung des faͤrbenden Stoffes leidet darunter. Die Tinte verdikt sich
                              ferner durch Verdampfung ihres Wassers, sie zersezt sich, sezt Schimmel an, u.s.f.
                              Um allen diesen Uebelstaͤnden zu begegnen, hat Hr. Leserré folgendes Tintenfaß erdacht.
                           Dasselbe besteht 1) aus einem Reservoir von Porzellan oder
                              Glas von beliebiger Form, jedoch mit einem kurzen Halse, wie ein Becher, endigend.
                              Die Muͤndung dieses Theiles ist von einem messingenen Reife umgeben, in
                              welchem ein Ventil mit Knopf angebracht ist, um beim Bedarfs Luft einlassen zu
                              koͤnnen. 2) besteht es aus einem das Becherchen
                              (godet) genannten, unten mit einem Boden versehenen,
                              cylindrischen Rohre, durch welchen Boden ein sehr kleines Loͤchlein geht. Die
                              obere Oeffnung desselben ist mit einem messingenen Gehaͤuse umgeben, auf
                              welches ein genau schließender und sich leicht oͤffnender Dekel paßt. Wenn
                              man nun Tinte in das Reservoir bringt, so muß ein Theil des Raumes leer gelassen
                              werden, welchen das Becherchen ausfuͤllt. Nun folgt, daß, wenn das Becherchen
                              wohl verschlossen in das Reservoir gestekt wird, es zugleich mittelst eines
                              Schraubenganges, mit welchem es versehen ist, dasselbe auch verschließt; daß aber,
                              sobald man den Dekel des Becherchens oͤffnet und den Knopf am Ventile des
                              Reservoirs druͤkt, die Luftsaͤule auf die Oberflaͤche der Tinte
                              druͤken und sie zwingen muß, durch das unten am Becherchen angebrachte Loch
                              einzudringen. Folglich kann die Tinte nach Wunsch und in beliebiger Menge in das
                              Becherchen gebracht werden, wo sie die Einwirkung der Luft nur auf einer sehr
                              kleinen Oberflaͤche zu erleiden hat, welcher man auch zu jeder Zeit, indem
                              man das Becherchen nach dessen Gebrauche verschließt, Einhalt thun kann.
                           Auch zum Gebrauche anderer farbiger Tinten mit fluͤchtigen Bestandtheilen ist
                              dieses Tintenfaß zu empfehlen; ganz vorzuͤglich aber zum Gebrauche
                              unausloͤschlicher Tinte, deren faͤrbender Bestandtheil Kohle ist, die,
                              im Wasser unaufloͤslich, sich immer auf den Boden sezt und
                              bestaͤndiges Aufruͤhren nothwendig macht. Da durch das Becherchen die
                              Tinte heraufgezogen wird, welche sich auf dem Boden des Reservoirs befindet, so ist
                              man sicher, immer gleich dike und gleich gehaltreiche Tinte zu haben. (Bulletin de la Société d'Encouragement
                              August 1840.)
                           Es befindet sich bereits eine neue Art Tintenfaͤsser im Handel, die zwar von
                              dem oben beschriebenen etwas verschieden sind, aber auf demselben Principe beruhen.
                              Ueber einer gewissen, von Innen bezeichneten Hoͤhe des Reservoirs
                              naͤmlich befindet sich ein Loch, durch welches das Reservoir mit einem an der
                              Außenseite angebrachten kleinen Naͤpfchen
                              communicirt. Ein im Dekel des Reservoirs mittelst einer Schraube auf und ab
                              bewegbarer (unten geschlossener) Cylinder bewirkt, wenn er sich abwaͤrts
                              bewegt, einen Druk auf die Tinte, mit welcher das Reservoir nur bis zum Zeichen
                              angefuͤllt seyn darf, so daß die Tinte sich uͤber ihr Niveau erhebt
                              und durch das Loch in das aͤußere Naͤpfchen laͤuft, welches
                              nach dem Gebrauche ebenfalls bedekt werden kann. Dieses Product der eleganten
                              Industrie ist von Porzellan mit Goldverzierung, die Dekel mit dem Schraubenkopfe von
                              Messing sehr zierlich gearbeitet und existirt unter verschieden modificirten
                              aͤußeren Ausstattungen.
                           
                              – x.
                              
                           
                        
                           Nekrolog.
                           Als wir vor neun Jahren den Nekrolog unseres verehrten Mitarbeiters, des
                              koͤnigl. bayer. Hofrathes und Professors, Directors der koͤnigl.
                              chirurgischen Schule in Landshut etc., Hrn. Med. Dr.
                              Joseph August Schultes liefertenBd. XLII. S. 222 des polytechn. Journals., ahndeten wir nicht, daß wir schon so bald die traurige Pflicht zu
                              erfuͤllen haͤtten, die Lebensgeschichte seines nun gleichfalls
                              verblichenen, ihm geistesverwandten Sohnes, welcher seit dem Tode seines Vaters die
                              Mitredaction unseres Journals uͤbernahm, zu liefern. Nicht ohne tiefe Wehmuth
                              und innige Ruͤhrung uͤber den Verlust dieses Mannes, der eben so
                              ausgezeichnet durch seine umfassende wissenschaftliche Bildung, als durch die
                              vortrefflichen Eigenschaften seines Herzens, in der schoͤnsten Reife des
                              Lebens, inmitten seines gemeinnuͤzigen Strebens uns und der Wissenschaft viel
                              zu fruͤhe entrissen wurde, uͤbergeben wir hiemit den Lesern unseres
                              Journales einen kurzen Umriß der Lebensgeschichte desselben.
                           
                           Julius Hermann Schultes wurde zu Wien den 4. Februar 1804
                              geboren. Bald nachdem er den ersten Elementarunterricht erhalten hatte, gab ihm sein
                              Vater Anleitung in der Botanik, lehrte ihn nicht bloß Pflanzen zu sammeln, zu ordnen
                              und zu unterscheiden, sondern zeigte ihm auch die Behandlung lebender
                              Gewaͤchse vom Samen bis zur Frucht, wozu sich ihm in dem botanischen Garten,
                              welchem er vorstand, die beste Gelegenheit darbot. Auf diese Weise wurde bei Schultes schon in fruͤhester Jugend der Grund zu
                              seinen botanischen Kenntnissen gelegt, so daß er in einem Alter von zehn Jahren
                              bereits an 6000 Pflanzen kannte, und sich selbst aus den bei seinen botanischen
                              Excursionen gesammelten ein kleines Herbarium angelegt hatte. Gleichzeitig
                              unterrichtete ihn sein Vater in der Geometrie nach Euklid, und in mehreren lebenden Sprachen; besonders betrieb er die
                              franzoͤsische mit Auszeichnung, und erwarb sich darin so große Fertigkeit,
                              daß er selbst in franzoͤsischen Gedichten sich versuchte. Nebenbei wurden
                              aber auch andere Sprachen nicht vernachlaͤssigt, und er betrieb außer den
                              classischen Sprachen des Alterthumes noch italienisch und spanisch, spaͤter
                              dann auch englisch und hollaͤndisch. Das Studium der neuen Sprachen, der
                              Geometrie und Botanik fuͤllten auch da noch seine Nebenstunden aus, als er
                              das Gymnasium in Landshut besuchte. Das Gymnasium mußte Schultes jedoch nach dem Willen seines Vaters bald verlassen, da dieser
                              nicht im Sinne hatte, seinen Sohn fuͤr den gelehrten Stand heranzubilden,
                              sondern wollte, daß er sich der Handlung widme. Zu diesem Behufe brachte ihn
                              derselbe in ein Handlungshaus nach Wien; zugleich sorgte er auch dafuͤr, daß
                              der begonnene Unterricht in den lebenden Sprachen, der Mathematik und Botanik
                              gehoͤrig fortgesezt werde.
                           Allein dem aufstrebenden Geiste des jungen Schultes, bei
                              welchem durch das Studium der Botanik bereits eine besondere Vorliebe fuͤr
                              Naturwissenschaft angeregt war, sagte das Einfoͤrmige seiner neuen
                              Berufsbestimmung durchaus nicht zu. Er folgte ihr, weil es einmal der Wille seines
                              Vaters war, dem er mit unbedingtem Gehorsam zu folgen gewohnt war. Er kam daher
                              Allem willig nach, was ihm in seinem neuen Berufe uͤbertragen wurde, erwarb
                              sich Kenntnisse in der Buchfuͤhrung, in der kaufmaͤnnischen
                              Correspondenz, und vorzuͤglich auch in der Waarenkunde; nebenbei unterließ er
                              aber auch nicht, seine botanischen Kenntnisse zu erweitern. Jeden Abend, wo er sich
                              erholen durfte, eilte er mit groͤßter Freude in den botanischen Garten, nahm
                              an den Arbeiten der Gaͤrtner Antheil, sammelte sich Pflanzen und
                              benuͤzte zur Bestimmung derselben die vorhandenen botanischen Werke. Da diese
                              Vorliebe fuͤr Botanik denen, welche die Aufsicht uͤber ihn
                              fuͤhrten, nicht entgangen war, so gab der Vater auf Anrathen derselben, den
                              Bitten des Sohnes, ihn wieder zuruͤk zu nehmen, und seine Studien fortsezen
                              zu lassen, nach, und ließ ihn im Jahre 1818 wieder in das vaͤterliche Haus
                              nach Landshut kommen, wo er sich dem fruͤher abgebrochenen Unterrichte in den
                              alten Sprachen und den uͤbrigen Lehrzweigen des Gymnasialunterrichts mit
                              ungemeinem Fleiße hingab, so daß er bald nach erstandener Pruͤfung das
                              Gymnasialabsolutorium sich erwarb.
                           Wenn diese Vorschule dem jungen Schultes auch in mancher
                              Hinsicht widerwaͤrtig war, so finden wir darin doch die Begruͤndung zu
                              allem demjenigen, worin spaͤter derselbe als Arzt, Naturforscher und
                              Gelehrter hervorragte. Das fruͤhzeitige Auf, und Zusammenfassen von Merkmalen
                              an Naturgegenstaͤnden, das scharfe Unterscheiden, das Zusammenstellen an sich
                              ungleichartiger Naturdinge nach ihren uͤbereinstimmenden Merkmalen, erwekten
                              in demselben die Beobachtungsgabe, verliehen ihm Schaͤrfe und Gewandtheit im
                              Urtheilen, und legten den Grund zu der tiefen Einsicht in das Naturleben, was ihn in
                              seinem spaͤteren selbststaͤndigen Wirkungskreise so sehr
                              auszeichnete.
                           Im Jahre 1819 besuchte Schultes die naturwissenschaftlichen Lehrvortraͤge
                              seines Vaters an der Universitaͤt zu Landshut, assistirte demselben in der
                              Botanik, und verlegte sich außerdem mit allem Fleiße auf Physik, Chemie und
                              Anatomie. Nachdem er so die naturwissenschaftlichen Lehrgegenstaͤnde mit
                              aller Gruͤndlichkeit erfaßt, und die uͤbrigen allgemeinen oder
                              philosophischen Wissenschaften nebenher mit dem besten Erfolge absolvirt hatte, ließ
                              ihn erst sein Vater zu dem Studium der Medicin uͤbertreten.
                           Sein unermuͤdeter Fleiß, so wie die ausgezeichneten Fortschritte, welche er in
                              allen Zweigen seines Studiums machte, erwarben ihm die Liebe und
                              Hochschaͤzung seiner Lehrer, denen er fortan mit der groͤßten
                              Ehrerbietigkeit ergeben war, so wie auch das Vertrauen seiner Commilitonen, welche an ihm die
                              Treuherzigkeit und Charakterfestigkeit besonders schaͤzten.
                           In den lezten Jahren seiner medicinischen Studien nahm er den regsten Antheil an den
                              gelehrten Arbeiten seines Vaters. Nachdem er viele Uebersezungen und Bearbeitungen
                              aus franzoͤsischen, englischen, italienischen Zeitschriften, sowohl
                              fuͤr Technik als fuͤr Medicin, an der Seite des leztgenannten
                              geliefert halte, erschien auch im Jahre 1823 eine Uebersezung aus dem
                              Hollaͤndischen von S. Strathing's chemischen
                              Handbuche fuͤr Probirer, Gold- und Silberarbeiter (Augsburg und
                              Leipzig in der v. Jenisch und Stage'schen Buchhandlung); dann im darauffolgendem Jahre diejenige von Vitali's Grundriß der Faͤrberei, nebst einem
                              Anhange uͤber die Drukerkunst (mit Zusaͤzen und einem Anhange von Dr. J. G. Dingler und Dr. W. H. v. Kurrer in der J.
                              G. Cotta'schen Buchhandlung, und endlich sahen wir ihn
                              mit seinem Vater als Mitarbeiter des fruͤher von Schultes und Roemer herausgegebenen, nun aber
                              von Schultes, Vater und Sohn, erschienenen Systema Vegetabilium
                              Linnaei Systema Vegetabilium Editio nova, speciebus
                                       inde ab editione XV detectis aucta et locupletata. Curantibus J. J.Roemeret J. A.Schultes. (Nach Roͤmer's Tod) J. A.Schulteset Jul. Herm. Schultes. 7 Baͤnde in 9 Thl. mit 3 Baͤnden
                                    Mantissen. und bei dem vierten Mantissenbande und dem zweiten Theile des siebenten
                              Bandes im Gebiete der Pflanzenkunde selbststaͤndig auftreten.
                           Nachdem er schon im Jahre 1822 in Gesellschaft seines Vaters und des
                              Begruͤnders dieses Journals (Dr. J. G. Dingler) eine Reise gemacht hatte, wobei fast alle
                              Universitaͤts- und groͤßeren Staͤdte Deutschlands
                              besucht wurden, indem der Zwek hauptsaͤchlich darin bestand, diebie persoͤnliche Bekanntschaft ausgezeichneter Maͤnner jedes
                              Faches zu machen, unternahm er im Jahre 1824 mit seinem Vater noch eine zweite Reise
                              durch Frankreich, England, Holland, Belgien, und machte nach seiner Ruͤkkehr
                              dann sein Examen pro gradu bei der medicinischen
                              Facultaͤt in Landshut, bestand dasselbe mit ganz besonderer Auszeichnung und
                              erlangte (am 26. Februar 1825) nach vorausgegangener Vertheidigung seiner Thesen sine praeside, die Doctorwuͤrde. Seine
                              Inaugural-Dissertation: „De nosocomiis
                                    quibusdam belgicis, britannicis, gallicis commentariolum“
                              Landshut, bei Franz Seraph. Storno, 1825. 4. 38 S., welche in sehr gutem, fließendem
                              Latein abgefaßt ist, und die er zugleich mit seinen Streitsaͤzen druken ließ,
                              enthaͤlt sehr schaͤzenswerthe Bemerkungen uͤber die innere
                              Einrichtung und Verwaltung jener Spitaͤler, welche er auf seiner Reise zu
                              sehen Gelegenheit hatte, so wie uͤber Krankenpflege und
                              Mortalitaͤtsverhaͤltnisse in denselben etc., und wurde mit großem
                              Beifalle aufgenommen.
                           Von nun an arbeitete Schultes emsig mit seinem Vater
                              theils fuͤr Zeitschriften, theils fuͤr das Systema Vegetabilium, unterstuͤzte denselben vom Jahre 1826 an, wo
                              er zum Direcror der chirurgischen Schule zu Landshut ernannt wurde, im
                              Spitaldienste, hielt in Erkrankungsfaͤllen oder in Abwesenheit der
                              Professoren der Geburtshuͤlfe, Chirurgie und Therapie mit Wissen der
                              vorgesezten Kreisstelle unentgeldlich deren Lehrvortraͤge, und war
                              uͤberdieß im vaͤterlichen Hause fuͤr seine Geschwister der
                              wachsamste und sorgfaͤltigste Bruder. Diese Tugenden des Sohnes erfreuten und
                              staͤrkten das Herz des Vaters, welcher 1830 zu kraͤnkeln anfing und im
                              darauffolgenden Jahre nach einer langwierigen und hoͤchst schmerzhaften
                              Krankheit in Landshut starb. Auch waͤhrend dieser Krankheit zeigte sich der
                              treffliche Charakter des jungen Schultes im
                              schoͤnsten Lichte; unermuͤdet pflegte er bei Tag und Nacht mit der
                              groͤßten Sorgfalt seinen Vater, besorgte die Klinik und die
                              Lehrvortraͤge, so wie die literarischen Arbeiten fuͤr denselben. Vom
                              Augenblike des Todes seines Vaters an war er der zweite Vater fuͤr seine
                              Geschwister. Mit verdoppelter Thaͤtigkeit und mit der groͤßten Strenge
                              gegen sich selbst erfuͤllte er hier seine Pflicht, einzig fuͤr das
                              Wohl seiner Geschwister bedacht.
                           Schultes hatte anfangs nicht im Sinn, von der praktischen
                              Medicin Nuzen zu ziehen; seine Vorliebe fuͤr die Naturwissenschaften, und
                              insbesondere fuͤr Botanik, hatte in ihm schon laͤngst den Wunsch rege
                              gemacht, dereinst sich ganz dem Lehrfache zu widmen, um ungestoͤrt sein
                              Lieblingsstudium betreiben zu koͤnnen; allein die Sorge fuͤr seine
                              fuͤnf unversorgten Geschwister, welche damals um ihn waren, machten es nothwendig,
                              vor der Hand seinen Plan zu aͤndern, und sich mit der Ausuͤbung der
                              Medicin zu befassen. Er entschloß sich demgemaͤß, seine aͤrztliche
                              Proberelation und den Staatsconcurs zu machen, welche beide er 1831 mit Auszeichnung
                              bestand, und sich sodann zu Ende desselben Jahres als praktischer Arzt in
                              Muͤnchen niederließ.
                           Seine wissenschaftliche Bildung, die gluͤkliche Behandlung der Kranken, die
                              sich ihm anvertrauten, verbunden mit seinem aͤußerst collegialen,
                              freundlichen und offenen Benehmen am Krankenbette, so wie sein hoͤchst
                              bescheidenes und anspruchloses Wesen, erwarben ihm in kurzer Zeit Eingang zu den
                              hoͤheren und gebildeten Staͤnden und verschafften ihm solches
                              Zutrauen, daß er bald zu den ausgezeichnetsten Aerzten Muͤnchens gerechnet
                              wurde. Seine aͤrztliche Wirksamkeit war unuͤbertrefflich. Mit der
                              zaͤrtlichsten Theilnahme, mit beispielloser Uneigennuͤzigkeit ließ er
                              Allen, die seine Huͤlfe nachsuchten, die liebreichste Behandlung zu Theil
                              werden. Des Zutrauens seiner Patienten hatte er sich in einem hohen Grade zu
                              erfreuen; ja in den meisten Familien, bei denen er als Hausarzt aufgenommen war,
                              wurde er nicht nur als Arzt, sondern zugleich auch als Freund geliebt und
                              geschaͤzt. Er konnte sich ruͤhmen, wie vielleicht nur wenige Aerzte,
                              daß waͤhrend der neun Jahre, in denen er Praxis in Muͤnchen
                              ausuͤbte, ihm nie eine Familie, die seine Dienste einmal in Anspruch
                              genommen, untreu wurde. Sein aͤrztlicher Wirkungskreis vergroͤßerte
                              sich auch in den lezten Jahren seines Lebens sehr bedeutend.
                           Neben seiner ausgedehnten zeitraubenden Praxis befaßte sich Schultes in den freien Stunden noch mit wissenschaftlichen Arbeiten, auch
                              im Gebiete der Botanik. Die Fortsezung des Systema mußte
                              aber leider unterbleiben, da es ihm an Zeit gebrach, das Begonnene zu vollenden.
                           Er war ein sehr fleißiger Mitarbeiter des polytechnischen Journals, auf welches er
                              taͤglich mehrere Stunden verwendete; er lieferte dafuͤr nicht nur
                              Uebersezungen aus englischen, franzoͤsischen, italienischen und
                              hollaͤndischen Zeitschriften, sondern dasselbe verdankt ihm auch mehrere
                              schaͤzbare Originalaufsaͤze. Wir erinnern in dieser Beziehung unter
                              andern nur an jenen gediegenen Bericht uͤber die im Oktober 1835 in
                              Muͤnchen gehaltene Industrieaufstellung (Bd. LVIII. S. 322), woruͤber
                              sich selbst Seine Majestaͤt der Koͤnig in sehr schmeichelhaften
                              Ausdruͤken auszusprechen geruhten. Mehrere kleinere Aufsaͤze
                              uͤber verschiedene, theils botanische, theils medicinische
                              Gegenstaͤnde, ließ er in englische und franzoͤsische Journale
                              einruͤken.
                           Seine wissenschaftlichen Leistungen im Gebiete der Botanik fanden allgemeine
                              Anerkennung, und sicherten ihm einen ehrenvollen Plaz unter den
                              vorzuͤglichsten Botanikern. Er war Mitglied mehrerer gelehrten
                              Gesellschaften, und stand mit einigen der ausgezeichnetsten Gelehrten des In-
                              und Auslandes in Verbindung.
                           Als der fruͤher bestandene aͤrztliche Verein in Muͤnchen wegen
                              Mangels an reger Theilnahme seiner Mitglieder sich gewissermaßen von selbst
                              aufgeloͤst hatte, trug Schultes im Jahre 1832 zur
                              Begruͤndung des juͤngeren aͤrztlichen Vereins wesentlich bei.
                              Auf seine Vermittlung hin geschah es, daß dieser spaͤter mit dem
                              aͤltern vereinigt wurde. Seine Geschaͤftsfuͤhrung als
                              Secretaͤr des Vereins kann hinsichtlich der Ordnung und Puͤnktlichkeit
                              als Muster aufgestellt werden.
                           Schultes biederer Charakter, sein offenes heiteres Wesen,
                              sein treffliches Herz hatten ihm viele Freunde erworben, von denen die meisten ihm
                              mit inniger Liebe bis an sein Ende treu geblieben sind, so wie Schultes hinwiederum mit ganzer Seele und seltener Hingebung an seinen
                              Freunden hing.
                           Von Jugend auf gewohnt seine Zeit zwekmaͤßig zu benuzen und damit
                              haushaͤlterisch umzugehen, war er fast taͤglich vom fruͤhesten
                              Morgen bis zum spaͤter Abend unausgesezt beschaͤftigt, so daß er sich
                              haͤufig nur wenige Stunden Ruhe goͤnnte. Aber leider mochte diese
                              außerordentliche Anstrengung bei der eben in Muͤnchen herrschenden
                              Schleimfieber-Epidemie dazu beigetragen haben, daß er selbst von dieser
                              Krankheit befallen wurde, welche auch sein Ende herbeifuͤhrte, dem er vom
                              Anfange der Kranheit an ungescheut und mit kaltem Verstande entgegensah, einzig und
                              allein fuͤr das Schiksal seiner hinterlassenen Geschwister besorgt, die durch
                              seinen Hintritt ihrer groͤßten Stuͤze beraubt wurden.
                           Er starb nach dreiwoͤchentlichem Krankenlager am 1. Sept. dieses Jahres in
                              einem Alter von 36 Jahren.