| Titel: | Ueber die Theorie des Daguerre'schen Verfahrens Lichtbilder zu erzeugen und die Anwendung des Daguerreotyps, um von lebenden Personen Portraite zu nehmen; von Dr. W. Draper, Professor der Chemie an der Universität in New-York. | 
| Fundstelle: | Band 78, Jahrgang 1840, Nr. XXII., S. 120 | 
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                        XXII.
                        Ueber die Theorie des Daguerre'schen Verfahrens Lichtbilder zu erzeugen
                           und die Anwendung des Daguerreotyps, um von lebenden Personen Portraite zu nehmen; von
                           Dr. W. Draper,
                           Professor der Chemie an der Universitaͤt in New-York.
                        Aus dem Philosophical Magazine and Journal of Science,
                              Sept. 1840, S. 217.
                        Draper, uͤber die Theorie des Daguerreotyps.
                        
                     
                        
                           Theorie des Daguerreotyps.
                           Bei Daguerre's Verfahren wird
                              eine Fläche reinen Silbers der Einwirkung von Joddampf ausgesezt, wobei ein
                              besonderes Jodsilber entsteht, welches unter gewissen Umständen gegen das Licht
                              ungemein empfindlich ist. Die verschiedenen Operationen, welche mit der Silberplatte
                              vorgenommen werden, wie das Poliren, Abwaschen mit Salpetersäure, Erwärmen etc.
                              haben nur zum Zwek, ihre Oberfläche zu reinigen; durch die Behandlung des Bildes mit
                              unterschwefligsaurem Natron wird die Platte zulezt noch von ihrem für das Licht
                              empfindlichen Ueberzug befreit.
                           
                           Nur eine der verschiedenen Operationen ist in theoretischer Hinsicht noch
                              unaufgeklärt, nämlich die Reaction des Queksilberdampfes; warum verdichtet sich der
                              Queksilberdampf in Form weißer Kügelchen auf denjenigen Stellen der
                              Jodsilberschichte, welche dem Einfluß des Lichts ausgesezt waren, und zwar in einer
                              der Menge des auffallenden Lichts genau proportionalen Quantität?
                           Es gibt mehrere analoge Thatsachen, welche hiebei berüksichtigt zu werden
                              verdienen:
                           1) Wenn man mit einem Stük Spekstein oder Agalmatolit auf Glas schreibt, so sind zwar
                              die verzeichneten Buchstaben unsichtbar; wenn man aber auch die Oberfläche des
                              Glases nachher gut reinigt, so kommen sie doch zum Vorschein, sobald man das Glas
                              anhaucht.
                           2) Wenn man auf ein Stük sehr klaren und kalten Glases oder noch besser auf eine
                              kalte polirte Metalltafel einen kleinen Gegenstand, etwa ein Metallstük legt und die
                              Oberfläche einmal überhaucht, den Gegenstand hierauf sorgfältig beseitigt, so sieht
                              man, so oft man wieder auf die Oberfläche haucht, ein Sonnenbild desselben und diese
                              sonderbare Erscheinung zeigt sich sogar noch mehrere Tage nach dem ersten
                              Versuche.
                           3) Wenn bei dem bekannten Versuch auf Glas mit Flußsäure zu äzen der Dampf sehr
                              schwach war, bemerkt man nach Beseitigung des Wachses keine Spuren auf dem Glase;
                              haucht man aber darüber, so verdichtet sich die Feuchtigkeit in der Art, daß der
                              ganze Gegenstand sichtbar wird.
                           Wir müssen die chemischen Veränderungen, welche das Jodsilber im Sonnenlicht
                              erleidet, von den mechanischen Veränderungen des empfindlichen Ueberzugs wohl
                              unterscheiden: Jodsilber wird im Sonnenlichte schwarz, und der gute Erfolg bei
                              Daguerre's Verfahren hängt
                              ganz davon ab, daß die Operation unterbrochen wird, bevor diese Veränderung
                              eintritt.
                           Der Jodüberzug ist nicht unumgänglich nöthig, um Bilder
                              mittelst Queksilberdampf hervorzubringen, sondern es scheint dazu nur eine
                              metallische Oberfläche erforderlich zu seyn. Wenn man nämlich ein Lichtbild vom
                              Queksilber reinigt, die Platte durchgehends mit Tripel polirt, mit Salpetersäure
                              abwascht und ganz glänzend macht, so wird das ursprüngliche Bild – wenn sie
                              nur nicht erwärmt worden ist – durch Queksilberdampf wieder zum Vorschein
                              kommen. Gehört diese Erscheinung nicht in das Gebiet der oben angeführten?
                           Ich bereite das Silberblech für Lichtbilder auf folgende Art vor: nachdem es gehörig
                              planirt worden ist, lasse ich es mit Tripel und Oehl so gut als möglich Poliren,
                              worauf ich es erhize und mit Salpetersäure abwasche, wie es Daguerre
                              vorschreibt, sodann aber mit (feingeschlemmtem und gut getroknetem) Kreidepulver
                              abreibe und zulezt noch mit reinem und trokenem Baumwollzeug übergehe; dadurch
                              erhält die Platte ein tiefschwarzes Lüster, und die Oxydschichte, welche die
                              Salpetersäure zurükgelassen haben könnte, wird vollkommen beseitigt.
                           Um die Silberplatte mit Jod zu überziehen, benuze ich eine beiläufig 2 Zoll tiefe
                              Schachtel, auf deren Boden ich das Jod in groben Stükchen lege, und halte, ohne ein
                              Tuch dazwischen zu bringen, die Silberplatte, welche ich für diese Operation mit
                              einem Griff versehe, einen halben Zoll über den Krystallen, wobei sie sich nach
                              1–3 Minuten vollkommen mit Jod überzieht; um dieses Erfolges sicher zu seyn,
                              sind keine metallenen Streifen erforderlich, und wenn die Ränder und Eken durchaus
                              rein waren, wird der goldene Anflug gleichförmig erscheinen.
                           Daguerre rathet die Silberplatte nach dem Jodiren ohne
                              Zeitverlust in die Camera obscura zu bringen, und
                              keineswegs soll man nach ihm über eine Stunde warten, weil sie sonst die
                              photogenischen Eigenschaften nicht mehr in dem erforderlichen Grade besize. Ich habe
                              wenigstens bei meiner Vorbereitung der Platte gefunden, daß sie die Empfindlichkeit
                              nicht so bald verliert, und als ich sie 12–24 Stunden lang im Dunkeln ließ,
                              wurde ihre Empfindlichkeit oft sogar auffallend größer.
                              Wer sich viel mit der Darstellung von Lichtbildern abgegeben hat, wird oft bemerkt
                              haben, daß der Jodüberzug nicht an allen Stellen gleich empfindlich ist und oft nur
                              die Lichter herauskommen, während die Schatten sich nicht entsprechend entwikeln;
                              dieß findet aber gerade bei einer Platte, welche mehrere Stunden aufbewahrt worden
                              ist, nicht in solchem Grade statt und auf diese Thatsache (die ich keineswegs zu
                              erklären beabsichtige) mache ich hauptsächlich deßwegen aufmerksam, weil sie für
                              Reisende, die sich mit der Aufnahme von Lichtbildern befassen, wichtig ist;
                              dieselben werden finden, daß das Jodsilber seine Empfindlichkeit in vielen Tagen
                              nicht verliert.
                           Nach Herschel muß das Objectivglas einer photographischen
                              camera obscura nothwendig vollkommen achromatisch
                              seyn, und auch Daguerre empfiehlt in seiner Abhandlung
                              ein solches Objectivglas anzuwenden. Dieser Ansicht bin ich keineswegs. Alle
                              Sonnenstrahlen, vielleicht mit Ausnahme der gelben,
                              lassen einen Eindruk auf dem Jodsilber zurük; die weniger
                              brechbaren Strahlen wirken jedoch viel langsamer als diejenigen am entgegengesezten
                              Ende des Spectrums. Bei den gewöhnlichen Gläsern findet die kräftigste Wirkung im
                              Indigoblau oder an der Gränze des Blau statt. Die Nezhaut empfängt nun aber einen Eindruk mit
                              gleicher Leichtigkeit von jedem der verschiedenen Strahlen, indem das gelbe Licht so
                              schnell auf sie wirkt wie das rothe oder blaue. Das Sehen wird daher unabhängig von
                              der Zeit verrichtet, weil das Auge alle Farben des Spectrums mit gleicher
                              Leichtigkeit und Geschwindigkeit auffängt. Anders ist es aber bei der Darstellung
                              von Lichtbildern; bei der Wirkung des Lichts auf präparirtes Silberblech kommt auch
                              die Zeit in Betracht; der blaue Strahl kann z.B. seine volle Veränderung
                              hervorgebracht haben, wenn der rothe erst langsam zu wirken anfängt, und der rothe
                              kann seine Wirkung beendigt haben, ehe noch der gelbe eine merkliche hervorgebracht
                              hat. Es ist daher klar, daß man zur Darstellung guter Lichtbilder nicht nothwendig
                              ein achromatisches Objectivglas haben muß; denn wenn die Silberplatte in einem
                              gewissen Zeitpunkte weggezogen wird, wo nämlich die kräftigsten Strahlen ihre
                              Wirkung gerade vollbracht haben, werden die mehr zerstreuten aber weniger wirksamen
                              noch nicht Zeit gehabt haben, einen Eindruk zurükzulassen, und so arbeitet man in
                              der That mit einem temporär monochromatischen Licht.
                           Aus diesem Grunde habe ich auch meine Camera obscura mit
                              einer doppelt convexen, nicht achromatischen Linse versehen. Ich verschaffte mir
                              einige sehr schöne Bilder mit einer gewöhnlichen Brillenlinse von 14 Zoll
                              Brennweite, die am Ende einer Cigarrenbüchse, welche als Camera diente, angebracht war; eine Linse von diesem Durchmesser ist für
                              Silberplatten von 4 Zoll Länge auf 3 Zoll Breite ganz geeignet, um die
                              vollkommensten Lichtbilder zu erzeugen. In diesem Falle verursacht freilich die
                              chromatische Aberration wegen der Größe der Focallänge im Vergleiche mit der
                              Oeffnung wenig Schwierigkeiten; wenn man aber bei derselben Focallänge die Oeffnung
                              auf 3 oder 4 Zoll vergrößert, so wird die Zerstreunng sehr merklich, und doch kann
                              man sich nach der so eben angegebenen Methode gute Bilder verschaffen, weil dann die
                              Hauptschwierigkeit durch die sphärische Aberration herbeigeführt wird.
                           Ich habe schon bemerkt, daß der wirksamste Strahl für das Daguerreotyp bei Anwendung
                              von farblosem französischem Tafelglas wahrscheinlich im indigoblauen Raume liegt;
                              hieraus folgt, daß man die Länge der Camera obscura,
                              nachdem man sie für den leuchtenden Focus gerichtet hat, verkürzen sollte. Für eine
                              Camera obscura, wo die Linse 15 Zoll Brennweite hat,
                              beträgt die erforderliche Verkürzung selten über drei Zehntel eines Zolles. Bei
                              Anwendung des leuchtenden Focus erhält man ein undeutliches Bild.
                           Bei der Behandlung der Platte mit Queksilberdämpfen kommt sehr wenig darauf an, unter
                              welchem Winkel sie gestellt wird. Einige Zeit war man der Meinung, sie müsse notwendig unter einem
                              Winkel von 45–48° geneigt seyn, um den Dampf anzunehmen; hierin wurde
                              aber Daguerre's Abhandlung
                              offenbar mißverstanden. Die Platten nehmen den Queksilberdampf in der horizontalen
                              eben so gut wie in jeder anderen Lage an; eine schwache Neigung hat vielleicht den
                              Vortheil, daß der Dampf gleichförmig über die jodirte Fläche hinströmt, der
                              Hauptzwek bei Anwendung eines Winkels von 45° ist aber, daß man der Operation
                              durch das Glas zusehen kann. Bisweilen ist es vortheilhaft, das Queksilber zum
                              zweitenmal zu erhizen, wenn nämlich das Bild beim erstenmal sich nicht deutlich oder
                              auch gar nicht entwikelte.
                           Daguerre gab zwei Methoden an, um die für das Licht
                              empfindliche Schicht von der Silberplatte zu entfernen; man soll es nämlich entweder
                              mit unterschwefligsaurem Natron oder mit einer Auflösung von gewöhnlichem Kochsalz
                              abwaschen; jenes entspricht dem Zwek vollkommen, dieses bei weitem nicht so gut. Es
                              gibt aber noch eine andere Methode, welche sehr einfach und überdieß wohlfeiler als
                              die erste der zwei angeführten ist. Nachdem man die Platte in kaltes Wasser getaucht
                              hat, legt man sie in eine mäßig starke Auflösung von gewöhnlichem Kochsalz; darin
                              bleibt sie ohne alle Veränderung; berührt man sie nun aber an einer Eke mit einem
                              blank gefeilten Zinkstük, so trennt sich die gelbe Jodsilberschichte wie eine Woge
                              davon und verschwindet. Dieß ist ein ganz frappantes Verfahren; das Zink und Silber
                              bilden nämlich mit der Salzlösung eine Volta'sche Kette, worin das Zink oxydirt
                              wird, das Silber aber von seiner Oberfläche Wasserstoffgas zu entbinden anfängt,
                              welches im statu nascente die Jodsilberschichte zersezt
                              und Jodwasserstoffsäure erzeugt, die im Wasser sehr auflöslich ist. Während also bei
                              dem Abwaschen der Platte mit unterschwefligsaurem Natron das Jodsilber aufgelöst
                              wird, zersezt es sich bei diesem Verfahren. Man darf das Zink nicht zu lange mit der
                              Platte in Berührung lassen, weil es sonst Fleken absezt, und um dieß zu vermeiden,
                              nimmt man bei großen Platten die Berührung an den vier Eken nach einander vor.
                           Nach dem Abwaschen des Bildes zeigen sich alle Fehler, welche bei den verschiedenen
                              Operationen begangen wurden. Wenn eine dünne Queksilberschichte darauf zurükblieb,
                              weil sie nicht lange genug (mittelst der Weingeistlampe) erhizt wurde, so sind die
                              Schatten nicht deutlich.
                           Es ist nicht schwer, ein Bild vom Monde zu erhalten. Ich habe mittelst einer Linse
                              von 3 Zoll Durchmesser und eines Heliostats die Mondstrahlen auf eine Platte
                              convergirt und in einer halben Stunde ein sehr kräftiges Bild bekommen.
                           
                        
                           
                           Portraitiren mittelst des
                                 Daguerreotyps.
                           Bei meinen ersten Versuchen, lebende Personen zu portraitiren, habe ich das Gesicht
                              derselben mit einem weißen Pulver bestäubt, in der Meinung, daß ich sonst kein Bild
                              erhalten könnte; ich überzeugte mich aber bald von meinem Irrthum, indem sich selbst
                              bei schwachem Tageslicht die Gesichtszüge scharf abbildeten.
                           Wenn sich die Sonne, die sizende Person und die Camera
                                 obscura in derselben senkrechten Ebene befinden und man eine doppelt
                              convexe, nicht achromatische Linse von 4 Zoll Durchmesser und 14 Zoll Brennweite
                              anwendet, kann man sich im Freien vollkommene
                              Miniaturbilder, und zwar nach der Beschaffenheit des Lichts, in Zeit von
                              20–90 Secunden verschaffen. Der Anzug wird ebenfalls bewunderungswürdig
                              wiedergegeben, selbst wenn er schwarz seyn sollte; die geringen Unterschiede der
                              Beleuchtung sind hinreichend, ihn zu charakterisiren, so wie auch um jeden Knopf,
                              jedes Knopfloch und jede Falte zu zeigen. Theils wegen der Stärke solchen Lichts,
                              welches man nicht ohne Verzerrung der Gesichtszüge aushalten kann, hauptsächlich
                              aber wegen des Umstandes, daß die Sonnenstrahlen unter einem zu großen Winkel
                              auffallen, haben solche Bilder den Fehler, daß sie die Augen nicht deutlich zeigen,
                              indem der Schatten von den Augenbraunen und der Stirne sich auf ihnen kreuzt.
                           Um gute Bilder zu erhalten, bringt man den Kopf der sizenden Person und die (Camera obscura in eine solche Stellung, daß die sie
                              verbindende Linie mit den einfallenden Strahlen einen Winkel von weniger als 10 Grad
                              macht, so daß aller Raum unter den Augenbraunen beleuchtet und ein schwacher
                              Schatten von der Nase geworfen wird. Hiebei muß man natürlich Reflexionsspiegel
                              anwenden, um den Strahl zu richten. Ein einziger Spiegel würde genügen und Zeit
                              ersparen, es ist aber oft praktischer, zwei anzuwenden; den einen stellt man nämlich
                              mittelst eines geeigneten Mechanismus so, daß er die Strahlen in senkrechten Linien
                              reflectirt und den zweiten über ihn, um sie in einem unwandelbaren Laufe gegen die
                              sizende Person zu richten. An einem heiteren Tage kann man mittelst einer
                              empfindlichen Platte Portraite in Zeit von 5–7 Minuten im zerstreuten
                              Tageslicht erhalten.
                           Da nun aber das Auge das reflectirte Sonnenlicht unmöglich lange ertragen kann, so
                              ist es unumgänglich nöthig, die Lichtstrahlen durch ein blaues Medium zu leiten,
                              welches ihnen ihre Wärme und den unerträglichen Glanz benimmt. Ich benuzte hiezu
                              blaues Glas, bisweilen auch schwefelsaures Ammoniakkupfer, welches in einem weiten
                              Behälter aus Tafelglas eine Schichte von beiläufig 1 Zoll Dike bildete und so
                              verdünnt war, daß es dem Auge das Licht zu ertragen gestattete, doch nicht mehr als
                              nöthig war, davon zurükhielt. Bei Anwendung gefärbten Glases braucht man keine große
                              Fläche von solchem, denn wenn man die Operation lange genug fortsezt, sieht man von
                              den Rändern und Eken der Glastafel keine Spur auf dem Portrait; unterbricht man die
                              Operation aber vor der gehörigen Einwirkung des Lichts, so findet man auf dem
                              Portrait gewöhnlich einen der Figur des Glases entsprechenden Flek.
                           Bei der von mir benuzten Camera obscura dienten als
                              Objective zwei doppeltconvexe Linsen, deren vereinter Focus für parallele Strahlen
                              nur 8 Zoll ist; sie haben im Lichten 4 Zoll im Durchmesser und sind in ein Rohr
                              eingesezt, dessen vordere Oeffnung nach Daguerre's Vorschrift auf 3 1/2 Zoll verengert ist.
                           Der Stuhl, worauf sich die Person sezt, muß hinten mit einer Stange versehen seyn,
                              welche sich in einen eisernen Ring endigt, der den Kopf in jeder erforderlichen Lage
                              stüzt. Man braucht nur den Hinteren Theil oder die Seite des Kopfs gegen diesen Ring
                              anzulegen, um ihn so ruhig erhalten zu können, daß das Gesicht auf das Genaueste
                              copirt werden kann. Die Hände darf man niemals auf der Brust aufliegen lassen, weil
                              sie sonst in Folge des Ausathmens auf dem Portrait verwischt und undeutlich zum
                              Vorschein kommen, und auch die Adern am Halse dadurch zerstört werden, welche sonst
                              bei ganz ruhigem Verhalten auffallend schön zum Vorschein kommen.
                           Wir haben schon bemerkt, daß es vortheilhaft ist, eine solche Anordnung zu treffen,
                              daß das Licht unter einem kleinen Winkel auf das Gesicht auffällt. Dadurch beseitigt
                              man auch den Schatten vom Hintergründe gänzlich, zu welchem Zwek überdieß der Stuhl
                              3 bis 6 Fuß vom Hintergrund entfernt werden sollte.
                           Den Hintergrund für Lichtportraite kann Jeder nach seinem Geschmak arrangiren;
                              wünscht man einen ganz gleichförmigen, so eignet sich eine Deke oder ein Tuch von
                              hellgrauer Farbe, auf zwekmäßige Art aufgehängt, sehr gut dazu. Eine besondere
                              Aufmerksamkeit verdient aber die Farbe desselben; wäre es weiß, so würde es zu viel
                              Licht reflectiren und daher auf dem Bilde früher zum Vorschein kommen, als das
                              Gesicht der Person sich ausdrüken konnte; da Weiß die verschiedenen Strahlen alle
                              reflectirt, so würden sich überdieß wegen der chromatischen Aberration an allen
                              Rändern des Bildes Fleken zeigen. Will man zugleich Vasen, Urnen oder andere
                              Zierrathen auf dem Bild erscheinen lassen, so darf man dieselben begreiflicherweise
                              nicht gegen den Hintergrund aufstellen, sondern muß sie vorwärts bringen, bis sie
                              sich vollkommen deutlich auf dem verdunkelten Glase der Camera obscura zeigen.
                           Ebenso kommen auch die Farben der verschiedenen Theile des Anzugs in Betracht, wenn man
                              gute Copien erzielen will; die weißen Theile desselben müssen sich nämlich früher
                              abbilden, als z.B. die gelben und schwarzen deutlich geworden sind. Man hilft sich
                              hiebei auf die Art, daß man einer Person mit schwarzem Rok und offener Weste von
                              derselben Farbe, für einige Zeit ein Vorderkleid von hellgrauer oder Fleischfarbe
                              anlegt, weil sich sonst, ehe noch ihr Gesicht und die feinen Schattirungen des
                              Tuchkleides gehörig abgebildet sind, das Hemd schon blau oder sogar schwarz, mit
                              einem weißen Hof umgeben, reproduciren müßte. Wo jedoch die weißen Theile des Anzugs
                              keine große Fläche ausmachen oder eine schiefe Lage haben, sind diese
                              Vorsichtsmaßregeln überflüssig; der weiße Hemdkragen bildet sich z.B. auf dem
                              Portrait nicht viel schneller als das Gesicht aus. So muß man auch beim Portraitiren
                              von Damen darauf sehen, daß ihr Anzug keine stark contrastirenden Farben
                              darbietet.
                           Die ganze Kunst mittelst des Daguerreotyps Miniaturportraite zu erzielen besteht also
                              darin, das Licht in fast horizontalen Strahlen durch ein blau gefärbtes Medium auf
                              das Gesicht der Person zu richten, welche durch einen einfachen Mechanismus in
                              unverrükter Stellung erhalten wird, und zwar in solcher Entfernung von dem
                              Hintergrund oder in solcher Lage in Bezug auf die Camera
                                 obscura, daß ihr Schatten nicht als ein Theil ihres Körpers copirt wird;
                              die Oeffnung der Camera obscura sollte wenigstens 3 1/2
                              – 4 Zoll weit seyn (je weiter desto besser), wenn das Objectivglas
                              aplanatisch ist.
                           Bei Anwendung zweier Spiegel dauert das Portraitiren vierzig Secunden bis zwei
                              Minuten, je nach der Intensität des Lichts; benuzt man aber nur einen Spiegel, so
                              braucht man beiläufig um ein Viertel weniger Zeit. Im Freien ist im directen
                              Sonnenlichte kaum eine halbe Minute erforderlich.
                           Die oben beschriebene Einrichtung der Camera obscura
                              liefert umgekehrte Bilder, indem sich die rechte und linke Seite vertauschen. Hr.
                              Woolcott, ein talentvoller
                              Mechaniker in New-York, nahm unlängst ein Patent auf die Anwendung eines
                              elliptischen Spiegels zum Portraitiren; ein solcher hat beiläufig 7 Zoll Oeffnung
                              und gestattet ihm, bequem mit Silberplatten von 2 Zoll im Quadrat zu operiren. Der
                              Hohlspiegel gewährt gegen die convexe Linse den Vortheil, daß man das Bild in seiner
                              richtigen Lage, nämlich nicht umgekehrt erhält;
                              dagegen hat er auch wieder den großen Nachtheil, daß er die Größe der Silberplatte
                              beschränkt und die etwas vom Centrum entfernten Theile auf eine sehr verworrene Art
                              wiedergibt. Bei
                              Anwendung der Linse lassen sich Platten von einem Fuß im Quadrat und selbst noch
                              größere benuzen.
                           Miniaturportraite, welche nach der angegebenen Methode dargestellt wurden, haben in
                              den meisten Fällen, jedoch nicht immer, eine auffallende Aehnlichkeit; auch zeigen
                              sich auf ihnen alle Eigenthümlichkeiten des Individuums, z.B. ein Muttermal,
                              Sommersprossen, Warzen. Wegen des Umstandes, daß Gelb und Gelblichbraun viel früher
                              auf das präparirte Metall im Daguerreotyp wirken, geben Personen, deren Gesicht voll
                              Sommersprossen ist, zu den sonderbarsten Resultaten Veranlassung; ihr Gesicht
                              erscheint weiß, mit genau so vielen schwarzen Fleken besprengelt, als der Sizende
                              gelbe hatte. Das Auge wird wunderschön copirt, so lebhaft und naturgetreu, daß
                              Jedermann darüber erstaunt.