| Titel: | Ueber einen in Paris gezogenen Seidenwurm aus Louisiana (Bombyx cecropia Linn.; von Hrn. V. Audouin. | 
| Fundstelle: | Band 78, Jahrgang 1840, Nr. XXX., S. 146 | 
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                        XXX.
                        Ueber einen in Paris gezogenen Seidenwurm aus
                           Louisiana (Bombyx cecropia Linn.Eigentlich wurde er von LinnéPhalaena cecropia benannt.A. d. Uebers.; von Hrn. V.
                              Audouin.
                        Aus den Comptes rendus 1840, 2me sem., No.
                              3.
                        Audouin, uͤber einen Seidenwurm aus Louisiana.
                        
                     
                        
                           Es ist bekannt, daß die Gattung Bombyx viele Arten
                              enthält, deren Raupen ihre Cocons ausschließlich aus Seide spinnen, d.h. dem Faden
                              keinen fremdartigen Körper beimengen, woher sie den Namen Rein-Seidencocons erhielten. Der Bombyx des Maulbeerbaumes, Bombyx mori, gehört in diese Gattung, und zwar gebührt
                              ihm in derselben der erste Rang sowohl wegen der Güte und Menge des von ihm
                              gelieferten Stoffes, als auch weil er bisher die einzige Species war, die den
                              Gegenstand eines beträchtlichen Handels der civilisirten Völker, vorzüglich
                              Europa's, ausmachte. Es ist indessen heutzutage gewiß, daß mehrere andere Species
                              des Geschlechtes Bombyx ebenfalls in Anwendung gezogene
                              Seidenfäden liefern, die aber noch nicht auf ausgedehnte Weise zur Ausbeute gezogen
                              worden sind. Unter diese kann man einige ostindische Bombyx-Arten u.a. die
                              Bombyx mylitta zählen, deren Raupe ein mit einem
                              langen Stiele versehenes Cocon baut, das sie mittelst eines sehr dauerhaft und sehr
                              künstlich geformten Seidenringes an die Baumzweige befestigt. Die Akademie hat vor
                              einigen Jahren mehrere solche Cocons, welche von Hrn. Lamarre-Picot überbracht worden waren,
                              gesehen; aber die beiden Amerika sind es, und namentlich Nordamerika, welche jene
                              Species ernähren, die sehr beachtenswerthe Seiden liefern, von welchen die Einwohner auch Gebrauch
                              machen, entweder durch Abhaspeln, oder durch Karden der Cocons.
                           Louisiana ist unter anderen Gegenden des amerikanischen Continents mit mehreren
                              dieser Bombyx-Arten versehen.
                           Ich hatte vor einigen Jahren schon Anzeigen über diese Insecten erhalten, und hatte
                              mich an in Neu-Orleans wohnende Personen gewendet, um meine Erfahrungen zu
                              vervollständigen, ohne jedoch zum Zwek gelangen zu können, bis ich am 19. Febr. 1840
                              von Hrn. Lavallée,
                              Director der Centralschule der Künste und Manufacturen, Cocons erhielt, welche ihm
                              von seinem Schwager in Neu-Orleans gesandt worden waren. Diese Cocons, 16 an
                              der Zahl, schlossen Puppen ein, deren mehrere noch lebten. Ich räumte ihnen eine,
                              was Feuchtigkeit und Wärme betrifft, günstige Stelle ein, um das Auskriechen der
                              Schmetterlinge zu erzielen.
                           Was ihr Ansehen anbelangt, so haben diese Cocons viele Aehnlichkeit mit unserem Bombyx pavonia major aus der Umgegend von Paris. Sie
                              sind mehr oder weniger dunkel rothbraun, nähern sich jenen aber mehr durch ihren
                              Bau. An einem Ende sind sie etwas zugespizt, und hier befindet sich eine natürliche
                              Oeffnung, so daß der Schmetterling sein Cocon nicht zu durchbohren braucht, wie der
                              Bombyx des Maulbeerbaums, um heraus zu können, sondern nur Fäden bei Seite zu
                              schaffen, welche jedoch in hinlänglich durcheinander laufender Verbindung mit
                              einander stehen, um die Oeffnung von Außen nach Innen unzugänglich und
                              unüberschreitbar zu machen.
                           Es scheint, daß jedes dieser Cocons mittelst Flokseide seiner ganzen Länge nach an
                              einen Baumzweig befestiget ist; denn alle diejenigen, welche ich von Hrn. Lavallée erhalten habe, sind
                              noch mit einem Stükchen dieses Zweiges versehen, und mehrere hundert Cocons, deren
                              Puppen unglüklicherweise todt sind, welche mir erst vor Kurzem ein Landeigenthümer
                              in Neu-Orleans, Hr. Claudot-Dumont, zuschikte, zeigen ebenfalls Spuren der
                              Zweige.
                           Wie dem auch sey, diese verschiedenen Coconssendungen waren von gar keiner Anweisung
                              begleitet, die nur den Weg hätte zeigen können, um die sie hervorbringenden Raupen
                              zu ziehen. Im Gegentheil, es wurde von den sehr großen Schwierigkeiten gesprochen,
                              die bei ihrer Zucht aufstießen und von dem spärlichen Erfolge, den die zahlreich
                              angestellten Versuche hatten. Was jedoch gewiß war, ist, daß das Insect in Louisiana
                              häufig zu finden ist, in Wäldern auf gewissen Bäumen lebe, und daß die von den
                              Eingebornen in Masse nach Neu-Orleans gebrachten Cocons hier mit Erfolg
                              abgehaspelt werden können und eine im Handel sehr geschäzte Seide liefern, aus
                              welcher Stoffe von ausgezeichneter Güte fabricirt werden. Diese leztere Betrachtung
                              bestimmte mich, forschende Versuche in der Art anzustellen, daß auch im Falle des
                              Nichtgelingens doch einige der Wissenschaft ersprießliche Thatsachen gewonnen
                              würden.
                           Ich hatte, wie gesagt, am 19. Febr. 1840 von Hrn. Lavallée Cocons von reiner Seide
                              erhalten, welche aus Louisiana gekommen waren. Da die Jahreszeit noch nicht genug
                              vorgerükt war, um das Auskriechen einiger dieser Schmetterlinge durch Versuche
                              bezweken zu können, stellte ich sie an einen Ort, wo die Temperatur 10°
                              Celsius über 0 nicht übersteigen konnte. Diesen Umständen überließ ich sie bis zum
                              Morgen des 5. Mai, an welchem Tage ich mich entschloß, sie einer Temperatur zu
                              unterwerfen, die ich auf 15–20° C. steigerte und so hoch erhielt.
                           Am 17. Mai fand die erste Auskriechung statt. Der aus dem Cocon geschlüpfte
                              Schmetterling war männlichen Geschlechts, und die Untersuchung desselben ließ mich
                              ihn als zum Geschlechte Bombyx und zu der von Linné
                              Bombyx cecropia benannten Species gehörend erkennen.
                           Vom 17. bis zum 20. Mai entschlüpften noch weitere acht Individuen, deren fünf
                              Männchen und drei Weibchen waren. Ich brachte sie alle in sehr große, unten mit
                              Papier belegte und mit Flor bedekte Gefäße, und bewahrte sie in einer Temperatur von
                              20–25° C. auf. Am 19. wurden Eier gelegt. Da ich nicht Zeuge der
                              Begattung der Schmetterlinge war, fürchtete ich, zum Auskriechen dieser Eier nicht
                              zu gelangenDiese Folgerung ist nicht einleuchtend. A. d. Ueb.); dennoch suchte ich dieses zu begünstigen. Ihre Entwikelung und die
                              angestellte anatomische Untersuchung überzeugten mich bald, daß sie lebten, wovon
                              ich eine noch sichrere Probe am 25. Mai um 7 Uhr des Morgens erhielt, wo ich Zeuge
                              des Ausschlüpfens des ersten Eies war. Beim Ausschlüpfen aus dem Ei ist die Raupe 4
                              Millimeter lang; sie ist ganz schwarz und von zahlreichen schwarzen Stacheln bedekt,
                              die im Ei über einander liegen, im Moment des Auskriechens aber sich aufrichten und
                              entfalten; ich sah endlich deutlich, daß diese Stacheln im Kreise auf einer gewissen
                              Anzahl von Erhöhungen aufsizen.
                           Innerhalb zwei Tagen hatte ich das Vergnügen, noch dreißig andere Ausschlüpfungen zu
                              erleben. Aber wie sollte ich nun diesem vorerst erhaltenen Resultate weitere Folgen
                              geben? Welche Nahrung sollte ich diesen kleinen Raupen bieten? Sollte ich sie alle
                              demselben Regime unterwerfen, allen nichts als Maulbeerblätter geben, oder
                              Kirsch-, Weiden-, Eichenblätter, oder Blätter von gewissen Obstbäumen?
                              Welche Wahl treffen bei den verschiedenen, von Neu-Orleans erhaltenen, sich
                              widersprechenden Anweisungen? Oder war es nicht vorzuziehen, den einen Blätter
                              dieses, den anderen Blätter jenes Baumes zu geben? Lezteres Verfahren mußte offenbar
                              den Mißstand zur Folge haben, den Verlust vieler Raupen herbeizuführen; aber es gab
                              mir die Hoffnung, die Pflanze entdeken zu können, welche dieser Art von Seidenraupen
                              wirklich die angemessenste wäre.
                           Nach reiflicher Ueberlegung entschied ich mich, diesen lezteren Weg einzuschlagen,
                              und nahm mir vor, meine Versuche so viel als möglich zu vervielfältigen.
                           Ich hatte Ursachen, zu vermuthen, daß die Raupe im wilden Zustande lebeEiner der Gründe, der mich zu diesem Glauben veranlaßte, war, daß aus einem
                                    Bombyx-Cocon ein Schmarozerinsect aus
                                    der Familie der Ichneumoniden (Schlupfwespen) und aus dem Geschlechte Ophion ausgekrochen war. Wären die Raupen an
                                    einem verschlossenen Orte gezogen worden, wie in unseren Anstalten (magnaneries), so wäre es doch unwahrscheinlich,
                                    daß dieser Parasit hätte einkriechen und ein Ei in das Innere des Körpers
                                    der Raupen hätte legen können. A. d. O., und anderseits war ich beinahe gewiß, daß, da das Cocon immer an
                              Baumzweigen befestigt ist, sie sich auf den Blättern dieses Baumes aufhalte und sich
                              von ihnen nähre. Dieß mußte mich natürlich bestimmen, meine Versuche auf Sträucher
                              und Bäume zu beschränken. Ich theilte demnach meine dreißig Raupen in fünf Gruppen,
                              deren jeder ich einen Zweig von einem anderen Baume gab. In der Abhandlung, welche
                              ich zu veröffentlichen beabsichtige, werde ich die Vorsichtsmaßregeln mittheilen,
                              welche ich ergriff, um jedem meiner Versuche Genauigkeit zu sichern. Für den
                              Augenblik genügt es, die bald gewonnene Ueberzeugung auszusprechen, daß meine Raupen
                              den Blättern des Pflaumenbaums den Vorzug gaben. Nachdem ich dieses erste Resultat
                              gewonnen hatte, wurde ich bei neuen Eiausschlüpfungen, welche am 15. Junius
                              stattfanden, beherzter; ich hatte das Vergnügen, meine Zucht gedeihen zu sehen,
                              indem ich ausschließlich die schönen Raupen fütterte, die Sie hier sehen, und zwar
                              nicht nur mit den verschiedenen in Nordamerika heimischen Pflaumenspecien, welche
                              gegenwärtig im Museum d'histoire naturelle im Freien
                              gezogen werden, wie Prunus rectilinea, montana,
                                 hyemalis; sondern auch mit den Blättern der in Frankreich cultivirten Prunus spinosa und communis.
                              Die meisten dieser Raupen haben sich schon viermal gehäutet. Ich lege der Akademie
                              hiemit vor:
                           1) Raupen des ersten Alters, d.h. vor der ersten Häutung. Sie sind schwarz, mit
                              manchmal gelber Basis der Erhöhungen;
                           2) Raupen des zweiten Alters, d.h. die sich einmal gehäutet haben. Bei diesen ist der
                              ganze Körper gelb, schwarz punktirt und mit ebenfalls schwarzen Erhöhungen (Hökern)
                              mit Stacheln von derselben Farbe versehen (von beiden Alterssorten legte der Verf. sorgfältige
                              Abbildungen vor);
                           3) Raupen des dritten Alters, oder welche die zweite Verwandlung erlebt haben. Sie
                              erreichen manchmal 4 Centimeter (1'' 6''') Länge. Ihre Farben sind lebhaft und
                              schön; die Haut ist zart grün, an den Seiten gelblich. Auf dem Rüken ist sie blasser
                              und etwas bläulich. Sie ist aller Orten schwarz punktirt. Die Höker sind von
                              verschiedener Farbe. Auf dem Rüken sind zwei Reihen von schön jonquillegelben
                              Erhöhungen, nur die ersten vier dieser Erhöhungen sind glänzend roth; an den beiden
                              Seiten sind längs des ganzen Körpers zwei himmelblaue Erhöhungen. Was die
                              Mannichfaltigkeit dieser Farben und ihren Contrast noch erhöhet, das sind die
                              kleinen, stacheligen, glänzend schwarzen Haare, welche kronenförmig auf der Höhe
                              jedes dieser Höker stehen.
                           4) Raupen des vierten Alters, oder welche ihre dritte Häutung erfahren haben. Sie
                              sind manchmal über 5 Centimeter (1'' 10''') lang; es sind unter den vorliegenden
                              einige 6 Centimtr. lange. Sie sind in dieser Periode von sehr lebhafter
                              bläulichgrüner Farbe, die jedoch, und namentlich nach der ganzen Rükenlänge, leicht
                              ins Graue spielt, was der Raupe ein merkwürdiges, wachsglänzendes Aussehen ertheilt.
                              Der Vergleich, den ich mir hier zu machen erlaube, ist so treffend, daß jedermann,
                              der diese Raupen auf einem Blatt Papier in ihrem beinahe beständig unbeweglichen
                              Zustande sehen würde, sie für künstlich in Wachs gebildet halten würde. In diesem
                              vierten Alter hat die Haut keine schwarzen Fleken mehr; die Höker sind von derselben
                              Farbe wie im dritten Alter; nur sind die vier rothen Höker von einem Rosa, das mit
                              nichts besser als mit sehr durchsichtigem Johannisbeergelée verglichen werden
                              kann.
                           5) Mehrere dieser Raupen endlich haben ihr fünftes Alter erreicht, oder zum
                              viertenmal gewechselt. Sie haben beinahe eine eben so blaue Farbe der Haut, welche
                              aber mehr in das Wachsweiße zieht. Die vier Hökerreihen an den Seiten sind lebhaft
                              blau, jenen des vorigen Alters ziemlich ähnlich. Ein auffallender Unterschied aber
                              ist in der Färbung der beiden Rükenhökerreihen zu finden; die vier ersten nämlich
                              sind nun nicht mehr roth, sondern schön gelb wie die folgenden; ferner unterscheiden
                              sie sich durch ihre enorme Größe und ihre Gestalt einer zugerundeten Keule.
                           Mehrere dieser Raupen, welche das fünfte Alter erreicht haben, und sich merkwürdig
                              wohl befinden, sind nicht weniger als 1 Decim. (3 Zoll 8 Linien) lang; eine davon
                              mißt, wenn sie kriecht, nicht weniger als 12 Centimeter (4 Zoll 5 Linien). Diese
                              Raupen sind am 25. Mai aus dem Ei gekrochen und sind folglich 56 Tage alt (am Tage des Vortrags);
                              ich vermuthe, daß sie nun im Begriffe sind, ihre Cocons zu spinnen. Sobald ich deren
                              eine gewisse Anzahl besizen werde, werde ich sie mit Vergnügen Personen anvertrauen,
                              welche sich speciell mit der Seidenraupenzucht abgeben, damit diese die industrielle
                              Frage entscheiden mögen. Ich meinerseits wollte nur den wissenschaftlichen Theil
                              dieses Gegenstandes behandeln. Meine Abhandlung wird von mehreren Abbildungen
                              begleitet seyn, und in der Akademie niedergelegt werden.