| Titel: | Bericht des Hrn. Theodor Olivier über die von Hrn. Decoster in Paris errichteten Werkstätten, zur Construction von Maschinen zum Kämmen und Spinnen des Flachses. | 
| Fundstelle: | Band 78, Jahrgang 1840, Nr. XLV., S. 211 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        XLV.
                        Bericht des Hrn. Theodor Olivier uͤber die von Hrn.
                           Decoster in Paris
                           errichteten Werkstaͤtten, zur Construction von Maschinen zum Kaͤmmen und
                           Spinnen des Flachses.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement. Sept. 1840, S. 325.
                        Olivier, uͤber Decoster's Flachspinnmaschinen.
                        
                     
                        
                           Jedes Land soll die Producte seines Bodens zu verarbeiten suchen; so lange als die
                              Industrie nicht dahin gelangt ist, diesen Zwek zu erreichen, soll die Regierung die
                              Versuche aufmuntern, und die allmählichen Verbesserungen, welche dahin wirken,
                              belohnen. Nachdem endlich der Zwek erreicht ist, und die im Lande verfertigten
                              Producte mit den Producten des Auslandes concurriren können, soll die Regierung
                              geeignete Geseze zum Schuze der Nationalindustrie erlassen. Frankreich erzeugt eine
                              große Menge Flachs; es hat also das größte Interesse dieses Product seines Bodens zu
                              verarbeiten. Napoleon erkannte sehr wohl, von welcher
                              Wichtigkeit für Frankreich die mechanische Flachsspinnerei seyn würde und sezte im
                              Jahre 1810 einen Preis von einer Million Franken für die Lösung dieser nüzlichen
                              Aufgabe aus.
                           Niemand zweifelt, daß Hr. Girard der Erfinder der ersten wirklich brauchbaren Maschinen zum
                              Spinnen des Flachses sey; man muß anerkennen, daß die von ihm im Jahre 1813
                              angewendeten Maschinen die Aufgabe lösten, und daß sie seither durch ihn
                              vervollkommnet wurden. Die Vorfälle von 1814 führten in Frankreich eine andere
                              Regierung ein, welche durch andere Interessen beschäftigt, auf den ausgesezten Preis
                              und auf die Flachsspinnerei vergaß. Die Erfindung Girard's ging im Jahre 1815 nach England über, wo sie
                              vervollkommnet wurde, und seit dieser Zeit sind die englischen Flachsspinnmaschinen
                              wegen ihrer Vorzüglichkeit gesucht. Es ist Sache der Société d'encouragement, für Frankreich die Ehre dieser
                              wichtigen Erfindung kühn zurükzufordern.
                           Die Flachsspinnerei kehrt also aus England wieder auf französischen Boden zurük, von
                              welchem sie ausging.
                           Hr. Decoster hat in Paris eine
                              große Werkstätte zur Verfertigung von Maschinen zum Kämmen und Spinnen des Flachses
                              errichtet. Die Kämmvorrichtungen sind die von Girard
                              erfundenen, aber durch Hrn. Decoster sehr vervollkommnet worden, so daß er aus einer
                              unvollkommenen wenig leistenden Maschine eine sehr vortheilhafte Maschine gemacht
                              hat, welche die Handkämmerei, die einzige Art der Kämmerei, die in den meisten
                              Spinnereien Englands noch angewendet wird, sehr vermindert. Diese Kämmvorrichtung liefert wirklich ein
                              zum Spinnen ganz geeignetes Werg. Der Flachs, welcher durch diese Maschine geht,
                              braucht nicht mehr von der Hand gekämmt zu werden, oder wenigstens nur an seinem
                              Ende, um ihn von der kleinen Menge Werg zu befreien, welche die Maschine an diesem
                              Orte zurükläßt. Die von Hrn. Decoster erbauten Spinnmaschinen sind mit den bessern englischen
                              übereinstimmend; er hat nüzliche Verbesserungen, sowohl in der Ausführung, als auch
                              in der Zusammensezung und Aufstellung angebracht. Die Ateliers in der rue Stanislas zu Paris können mit den schönen Ateliers
                              von Schlumberger im Elsaß verglichen werden.
                           Hr. Decoster hat schon die
                              Maschinen von vierzehn Spinnereien erbaut. Seine Werkstätten sind gut gehalten, die
                              Werkzeuge vollständig und den mechanischen Arbeiten der Anstalt anpassend. Die Société d'encouragement muß mit Vergnügen
                              sehen, daß das so nüzliche Princip der Theilung der Arbeit bei den Maschinenfabriken
                              in der Art Eingang findet, daß viele anfangen nur eine einzige Gattung von Maschinen
                              oder nur Maschinen für verwandte Zweke zu construiren.
                           Wir finden in den Ateliers des Hrn. Decoster eine Vorrichtung beachtenswerth, deren Anwendung in den
                              Ateliers, wo die bewegende Kraft auf mehrere Punkte, die unter sich eine bestimmte
                              Entfernung haben, übertragen werden soll, sehr zwekmäßig ist. Wenn man einen
                              liegenden Wellbaum hat, der an gewissen, ungleich weit von einander entfernten
                              Stellen Rollen trägt, welche die Kreisbewegung z.B. auf gleich weit entfernte Achsen
                              übertragen sollen, so hat man zwei Zwischenrollen nöthig, die in verschiedenen
                              Ebenen angebracht sind. Damit diese Rollen den verlangten Effect erfüllen können,
                              muß die Achse jeder Zwischenrolle jede mögliche Stellung gestatten, so daß die
                              Bewegung im richtigen Verhältniß von der festen Rolle des liegenden Wellbaumes auf
                              die feste Rolle der zu bewegenden Achse übertragen wird, welche Stelle man ihr auch
                              anweisen mag. Dazu dient eine Stüze oder ein Lager, welches eine aus zwei Theilen
                              bestehende Achse aufnimmt; jeder Theil dient einer Rolle als Spindel; die zwei
                              Theile sind unter einander durch ein Kugelgelenk verbunden. Die eine der Achsen
                              trägt nämlich an ihrem Ende eine Kugel, welche zwischen zwei Lager geklemmt ist;
                              jedes Lager in der Form einer hohlen Schale bildet eine Halbkugel; das eine Lager
                              ist an dem Ende des einen Theiles der beweglichen Achse fest, das andere aber ein
                              für sich bestehendes Stük. Die zwei Lager umgeben die Kugel, und das für sich
                              bestehende wird gegen das feste, am Ende der Achse befindliche Lager mittelst einer
                              Schraube gedrükt, deren Mutter an der Stüze befindlich ist. Mehrere Arten von Aus- und Einlösungen,
                              die an den verschiedenen Maschinen angebracht sind, deren man sich als Werkzeuge zum
                              Hobeln, Abrichten und Zahnschneiden bedient, zeichnen sich besonders aus.
                           Die Maschinen zum Verarbeiten des Flachses, welche Hr. Decoster liefert, sind mit Sorgfalt ausgeführt,
                              sie arbeiten gut, und wir können hoffen, daß jezt die Flachsspinnereien ihre
                              Maschinen nicht mehr in England suchen werden, sondern von nun an die französischen
                              Mechaniker alle Bedürfnisse werden befriedigen können.