| Titel: | Ueber Clegg's atmosphärische Eisenbahn; von Dr. Mohr in Coblenz. | 
| Autor: | Dr. Karl Friedrich Mohr [GND] | 
| Fundstelle: | Band 78, Jahrgang 1840, Nr. LXIII., S. 322 | 
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                        LXIII.
                        Ueber Clegg's atmosphaͤrische Eisenbahn; von Dr.
                           Mohr in Coblenz.
                        Mohr, uͤber Clegg's atmosphaͤrische
                           Eisenbahn.
                        
                     
                        
                           Die atmosphärische Eisenbahn des Hrn. Clegg gehört zu den viel besprochenen Gegenständen unserer Zeit,
                              welche die Aufmerksamkeit der Techniker sowohl als des größeren Publicums in
                              Anspruch nehmen. Aus den sehr mangelhaften und auch unzuverlässigen Nachrichten, die
                              darüber ins Publicum gekommen sind, entsprangen Beurtheilungen dieser Erfindung, die
                              zum größten Theile sehr nachtheilig für dieselbe waren, und in welchen unter anderm
                              Schwierigkeiten erhoben wurden, welche bereits lange beseitigt waren. Es ist nicht
                              die Absicht auf diese zurükzukommen, sondern über diese Bahn einen getreuen Bericht
                              zu erstatten, wie derselbe aus eigener sorgfältiger Anschauung und Untersuchung
                              hervorgehen sollte.
                           Die atmosphärische oder pneumatische Eisenbahn ist bis zur Länge einer halben Meile
                              ausgeführt, zu Bayswater, etwa 3 engl. Meilen westlich von London. Probefahrten
                              werden wöchentlich zweimal am Montag und Donnerstag Nachmittags von 3 bis 5 Uhr
                              darauf gemacht und sind dem Publicum unentgeltlich zugänglich.
                           Ich benüzte den 7. September d. J. dazu, diese Bahn und ihren Gebrauch so genau, als
                              mir möglich, zu untersuchen und aufzuzeichnen. Maaße wurden zum Theil geschäzt, zum
                              Theil aber auch auf dem Papiere meines Notizbuches abgedrükt und nachher
                              ausgemessen. Die Gefälligkeit des Hrn. Clegg und aller bei der Bahn beschäftigten Leute verdient ehrenvolle
                              Anerkennung, indem es zuvorkommend gestattet wurde, alle verborgenen und beweglichen
                              Theile aufzudeken und zu bewegen, um jeden Zweifel bei den Wißbegierigen zu
                              entfernen. Da nämlich das Princip patentirt ist, und das Zutrauen des Publicums zu
                              einer größern Unternehmung unentbehrlich ist, so ist der eben genannte Weg der
                              öffentlichen Belehrung beliebt worden.
                           Bei der Clegg'schen Eisenbahn sind in wissenschaftlicher
                              und praktischer Beziehung zwei große Fragen zu beantworten, erstlich: die
                              Möglichkeit und Ausführbarkeit derselben, und zweitens: die Vortheile, welche aus
                              der Anwendung des Princips für den Commerz oder die betreffende Actiengesellschaft
                              entspringen sollen.
                           Was nun die erste Frage betrifft, nämlich die Möglichkeit und Ausführbarkeit
                              derselben, so muß dieselbe mit Ja beantwortet werden, was auch immer eingewendet
                              worden seyn mag. Es wird schwierig seyn, ohne Zeichnungen und Modelle das Spiel des
                              sehr sinnreichen Klappenapparates deutlich zu machen, doch soll es nach Möglichkeit
                              geschehen.Die im polytechnischen Journal Bd. LXXVII.
                                       S. 264 enthaltene Beschreibung finde ich sehr richtig, jedoch die
                                    S. 414 mitgetheilten, von Hrn. Clegg aufgestellten Berechnungen illusorisch und falsch. A.
                                    d. V.
                              
                           Bei der atmosphärischen Eisenbahn wird, wie bekannt, die bewegende Kraft durch eine
                              stehende Dampfmaschine erzeugt, und vermöge des Luftdrukes in einer verschlossenen
                              Röhre aus Gußeisen fortgepflanzt. Von einem Gewinn an Kraft kann also hier nicht die
                              Rede seyn. Die luftleere Röhre ist streng genommen nichts anderes als eine andere
                              Form des Seiles, womit auf gewissen Eisenbahnen, wie bei der Blackwall-Bahn
                              in London, die Kraft von der Maschine auf die Wagen fortgepflanzt wird. Bei der Clegg'schen Bahn findet nur eine Verdünnung und keine
                              Compression der Luft statt, wie ich öfters gehört hatte, denn die Klappen sind so
                              eingerichtet, daß sie nur einen Druk von Außen nach Innen aushalten können, während
                              sie von einem innern Druk aufgeblasen werden können. Eine zwischen den Schienen
                              liegende gußeiserne Röhre ist mit einem Längenschlize versehen, durch welchen
                              hindurch die Kraft vom Kolben in der Röhre nach Außen an den Wagen übergeführt wird.
                              Die Röhre besteht aus etwa 8 Fuß langen Stüken, welche am Ende mit einem Muff und
                              nicht mit Flantschen aneinander befestigt sind. Diese Röhren sind nicht ausgebohrt,
                              noch ausgeschliffen, noch aufgespalten, sondern, wie Hr. Clegg sagte, gerade wie sie aus der Gießerei
                              kommen. Jedes einzelne 8 Fuß lange Stük hat in passenden Distanzen von 2 Fuß 3
                              excentrische Bauchringe, welche zur Verstärkung der Röhre und Befestigung dienen.
                              Diese Bauchringe sind etwa 1 Zoll dik von Metall, ragen unten etwa 4 Zoll unter der
                              Röhre hervor, und sind am unteren Ende mit 2 flachen seitlichen Ansäzen versehen,
                              mit welchen die Röhre an die Querschwellen der Bahn durch Schrauben befestigt wird.
                              Durch diese Bauchringe wird die Röhre ganz frei in der Luft gehalten, und zugleich
                              eine solche Verstärkung des Metalls bewirkt, wodurch jeder Einfluß des
                              atmosphärischen Luftdrukes auf die Gestalt der Röhre vernichtet wird. Der lichte
                              Durchmesser der Röhre ist 8 3/4 Zoll hiesigen Maaßes. Ob die Enden der Röhren so
                              sehr exact aufeinander schließen, daß keine vor der folgenden um eine Kleinigkeit
                              hervorrage, scheint Hrn. Clegg
                              keine Sorge gemacht zu haben, indem er selbst sagte, die Röhren könnten um 1/4 Zoll
                              im Durchmesser Verschieden seyn, und dennoch müßte der Kolben hindurchgehen. Dieses
                              wird jedem
                              begreiflich, welcher den Kolben sieht. Lezterer ist etwa 18 Zoll lang, verschließt
                              die Röhre, aber nur an seinem vorderen Ende, durch eine Lederkappe, welche von der
                              hohlen Seite beständig durch den Luftdruk aufgeblasen, und an die Wände des
                              Cylinders angepreßt wird, so daß er sich an die Ungleichheiten der Röhre anschmiegt.
                              Man sieht leicht ein, wie man mit einem solchen Kolben so gar schwache Curven
                              durchlaufen könne. Alle Unebenheiten der Röhre sind durch ein Uebermaaß von fetter
                              Schmiere ausgefüllt und überzogen, so daß der Kolben sich eigentlich in einer Röhre
                              von Fett und Talg bewegt, wodurch natürlich die Reibung bedeutend vermindert wird,
                              und eine Abnuzung der Lederkappe, wie sie auch in ausgebohrten Cylindern von
                              Gußeisen bei unmittelbarer Berührung eintreten müßte, gar nicht stattfindet. Man
                              wundert sich in der That mehr, wie man es unternehmen konnte, mit solchem
                              unvollkommenen, ja elenden Apparate diese Aufgabe zu lösen, als darüber, daß sie in
                              der That gelöst ist. Damit nun der Kolben, wegen seines excentrischen
                              Eingriffspunktes am Wagen, nicht schief gezogen werde, sind besondere
                              Vorsichtsmaßregeln getroffen. Vor dem Kolben ist die Achse durch eine eiserne Stange
                              von 6 Fuß Länge fortgesezt und hinter dem Kolben 12 Fuß lang, so daß die ganze Achse
                              an 18 Fuß lang ist. An deren Spize ist zuerst ein Leitkolben von etwa nur 6 Zoll
                              Durchmesser, welcher dennoch die Röhre nicht verschließt, sondern über den Boden
                              gleitet und ein Hemmen des wirklichen Kolbens verhindert; 6 Fuß von der Spize kömmt
                              der wirkliche Kolben mit seiner Lederkappe, hinter dem Kolben kommen 4
                              Frictionsrollen, welche über den Boden der Röhre gleiten, aber die Klappen noch
                              nicht heben, dann kommt eine 5te Frictionsrolle in der Achse des Kolbens senkrecht
                              stehend, welche einen Zoll höher ist, als der lichte Durchmesser der Röhre, welche
                              also, wenn sie über den Boden der Röhre rollt, oben alle Klappen aufstoßen muß, und
                              nun kömmt die Verbindungsplatte zwischen Kolben und Wagen; diese schießt unter die
                              eben von der lezten Frictionsrolle gehobene Klappe, hält sie so lange schwebend, bis
                              sie durchgegangen ist, und läßt nun die Klappe wieder auf ihre Stelle niederfallen,
                              sobald sie durchgegangen ist. Die Verbindung der Kolbenachse mit dem Wagen ist durch
                              ein eisernes Blech bewerkstelligt, welches 1/2 Zoll dik, und 12 Zoll breit, und so
                              gebogen ist, daß die Klappe nicht eben senkrecht aufzustehen braucht, um diese
                              Verbinbungsplatte Passiren zu lassen. Hinter diesem Theile ist die Achse des Kolbens
                              noch um fernere 6 Fuß verlängert und mit Frictionsrollen versehen, welche aber in
                              dem bereits wieder verschlossenen Rohre laufen müssen, und deren Durchmesser also
                              kleiner als der der Röhre seyn muß.
                           
                           Wir haben nun noch den Bau und das Spiel der Klappen zu beschreiben, welche immer als
                              der wunderlichste Theil der ganzen Erfindung angesehen wurden, und deren gelungene
                              und erfolgreiche Ausführung noch von Vielen, ungeachtet der bestimmtesten
                              Erklärungen, bezweifelt wird. Auch ich gehörte zu den Ungläubigen, weil mir Niemand
                              Details der Construction mittheilen konnte, und glaubte erst, als ich meine Hände
                              hineinlegte. Ich will demnach versuchen, die Construction dieser Klappen so sinnlich
                              darzustellen, als dieses ohne Zeichnung möglich ist. Der Schliz in der Röhre ist
                              nach dem Abdruk in meinem Notizbuche 1 1/2 rheinl. Zoll weit, und das Metall an
                              seinem Rand 1/4 Zoll dik. Zu beiden Seiten des Schlizes ist die Röhre außerhalb
                              flach auf der einen Seite etwa 1 Zoll breit, auf der entgegengesezten etwa 2 1/2
                              Zoll; hinter diesen Ebenen sind auf beiden Seiten senkrechte, die ganze Länge der
                              Röhre fortlaufende Längenrippen, gleichsam dünne Schienen von ungleicher Höhe. Auf
                              der Seite, wo die Fläche 2 1/2 Zoll breit ist, und die wir kurz die breite Seite
                              nennen wollen, zum Unterschiede von der andern 1 Zoll breiten, welche die schmale
                              Seite heißen mag, ist die senkrechte Leiste 3 Zoll hoch, auf der schmalen Seite ist
                              die Leiste nur 1 Zoll hoch. Beide Leisten sind mit der Röhre zusammengegossen. Auf
                              der 3 Zoll hohen Leiste ist mit Lederriemen und Nieten ein sogenannter Wetterdekel
                              von Schwarzblech angebracht, welcher schief über die niedrige Leiste herabhängt und
                              den ganzen Klappenapparat bedekt. Die einzelnen Stüke dieses Wetterdekels sind etwa
                              4 Fuß lang, werden ebenfalls durch Rollen gehoben, allein da sie nicht nothwendig
                              zum Principe gehören, sondern bloß zum Schuze der Klappen gegen Regen und Schnee
                              vorhanden sind, so wollen wir ganz davon abstrahiren. Die Klappen selbst bestehen
                              aus Leder und Eisen.
                           Aus der breiten Seite des Schlizes ist eine Platte vom diksten Sohlleder mit
                              Schrauben auf die Fläche der Röhre befestigt. Die Beweglichkeit des Leders ersezt
                              hier die Charniere, welche man allgemein vermuthete.
                           Jede einzelne Klappe ist einen Fuß lang. Das Leder überragt den Schliz der Röhre und
                              geht auf der schmalen Seite bis beinahe an die niedrige Rippe, so daß zwischen
                              beiden nur so viel Raum übrig bleibt, um die heiße kupferne Klinge, welche die
                              Spalte wieder zuschmelzen muß, durchgehen zu lassen. Auf der unteren Seite des
                              Leders ist eine gußeiserne Platte angebracht, welche 1/4 Zoll dik ist, und 1 1/2
                              Zoll breit, so daß sie genau den Schliz in der Röhre ausfüllt, und dadurch die Röhre
                              bis zur Form eines leeren Cylinders ergänzt. Oberhalb des Leders ist wieder eine
                              gußeiserne Platte, die aber breiter ist als der Schliz, und welche durch einen auf
                              sie angebrachten Druk
                              die lederne Klappe auf die flachen Stellen der Röhre anpreßt, ohne sie durch den
                              Schliz durchdrängen zu können. Diese drei Theile, erstlich die breite eiserne
                              Platte, das Leber in der Mitte, und die schmale eiserne Schiene, um den Schliz
                              auszufüllen, darunter, sind durch drei Nieten, welche durch alle hindurchgehen,
                              miteinander verbunden, und vermittelst des Leders, welches allein auf die Röhre
                              befestigt ist, zu bewegen. Die Stoßfugen der Klappen sind dadurch vermieden, daß
                              jede Klappe die folgende um eine gewisse Größe überragt, so wie sie ihrerseits durch
                              die vorangehende bedekt wird. Es ist klar, daß man die Klappen nacheinander in
                              derjenigen Richtung wird lüften können, in welcher sie einander überlagern, indem
                              dadurch die lezte Klappe als die oberste allein gehoben wird. Allein auch in der
                              entgegengesezten Richtung lassen sich die Klappen heben, weil sie nicht durch
                              massive Charniere, sondern durch bewegliches Leder befestigt sind.
                           Um endlich noch die Fuge zwischen Leder und Röhre luftdicht zu verschmieren, ist ein
                              Apparat angebracht, von dessen erfolgreicher Wirksamkeit man sich kaum anders, als
                              durch den Augenschein überzeugen kann. Am hintern Ende des Wagens ist ein kleiner
                              Ofen angebracht, in welchem Holzkohlen verbrannt werden. Die Zugröhre ist 10 Fuß
                              lang horizontal in der Längenrichtung der Bahn dicht über der Stelle hingeleitet, wo
                              sie durch ihre Wärme wirken soll. Von hier an steigt die Röhre senkrecht auf, um den
                              Zug hervorzubringen, und geht vor der Hand unbeschüzt durch den Wagen hindurch, so
                              daß sich schon mancher Neugierige die Hände daran verbrannt hat. An dem
                              horizontalen, unter dem Wagen befindlichen Theile, ist in der ganzen Länge eine
                              kupferne Rippe angebracht, welche durch die Wärme des Zugrohres erhizt wird. Diese
                              Rippe hat eine solche Gestalt, daß sie gerade den Raum zwischen der Lederklappe und
                              der niedrigen Rippe auf der Röhre ausfüllt. Durch die Bewegung des Wagens auf der
                              Bahn folgt der Ofen und sein Zugrohr mit der kupfernen Schneide nothwendig mit, und
                              es gleitet nun der heiße Rand dieser Kupferrippe über die Kanten der eben wieder
                              zugefallenen Klappen hin, bringt das dort befindliche Wachs und Talg zum Schmelzen
                              und stellt dadurch einen luftdichten Verschluß dar.
                           Das Spiel der ganzen Maschinerie wird nach dieser Darstellung ziemlich leicht
                              verständlich seyn. Man nehme an, der Kolben steke in der Röhre an dem von der
                              stationären Dampfmaschine entferntesten Ende der Bahn. Indem nun leztere eine
                              Luftpumpe von 37 1/2 Zoll Durchmesser treibt, wird die Luft aus der Röhre entfernt,
                              und entsteht ein Druk der Atmosphäre auf die Hintere Seite des Kolbens, auf welcher
                              Seite die Röhre offen ist. Der Kolben bewegt sich durch die Rohre vermöge dieser
                              auf ihn wirkenden Kraft, und theilt seine Bewegung durch jene oben beschriebene
                              eiserne Platte dem Wagen mit, welcher dadurch auf den Schienen fortgeführt wird.
                           Nachdem der Kolben unter einer Klappe durchgegangen ist, wird diese von einer Rolle
                              gehoben, sogleich tritt nun jene Verbindungsplatte unter die Klappe, hält sie eine
                              Zeit lang aufrecht, und nachdem sie passirt ist, fällt die Klappe wieder zu. Ein
                              durch Federkraft angedrüktes Rädchen rollt nun über die Klappe und drükt sie auf die
                              Röhre fest auf, und die heiße kupferne Röhre verschmilzt die eben aufgerissene
                              Spalte mit Talg und Wachs, so daß nach jedem Gebrauch die Röhre sammt ihrer
                              continuirlichen Klappe im brauchbaren Zustande für die nächste Fahrt zurükgelassen
                              wird.
                           Die Möglichkeit der sogenannten atmosphärischen Eisenbahn ist demnach durch die
                              Wirklichkeit dargethan, und der Hergang der Operation vollkommen begreiflich, mit
                              welchen Schwierigkeiten auch immer der Erfinder zu diesen schönen Resultaten
                              gekommen seyn mag. Betrachten wir nun, ob dieses Princip die Vortheile leistet,
                              welche von ihm versprochen werden, und ob es überhaupt wahrscheinlich ist, daß es
                              jemals zu ausgedehnter Anwendung kommen werde. Die von dem Erfinder und den
                              Patentinhabern aufgestellten Berechnungen können hiebei keineswegs zum Anhaltspunkt
                              dienen, weil einestheils jeder Erfinder für seine Erfindung sehr parteiisch zu seyn
                              pflegt, anderntheils aber es im Interesse der Patentinhaber liegt, von ihrem Patente
                              eine möglich günstige Meinung im Publicum zu erregen, um den größten Vortheil daraus
                              für sich zu ziehen, mögen sie sich nun selbst über den Werth dieser Sache täuschen,
                              oder andere zu täuschen suchen.
                           
                        
                           Die Anlage der atmosphärischen Eisenbahn
                                 muß jedenfalls bedeutend höher zu stehen kommen, als die Anlage einer gemeinen
                                 Eisenbahn.
                           Zu einem schwunghaften Betriebe dieses Communicationsmittels gehören nothwendig zwei
                              nebeneinander liegende Bahnen, weil das Kreuzen der Wagenzüge an den
                              Ausweichungsstellen unendlich schwieriger ist als auf der gemeinen Eisenbahn, und
                              weil auf langen Routen gleichzeitig Wagenzüge in entgegengesezten Richtungen gehen
                              müssen. Ohne diese Concession würde die atmosphärische Eisenbahn einen ihrer größten
                              Vorzüge, nämlich die fast in jedem Augenblike mögliche Beförderung verlieren.
                           Der Ankauf des Terrains ist also bei beiden Eisenbahnsystemen in dieser Beziehung
                              ganz gleich. Die neue Eisenbahn kann schwächere Schienen gebrauchen, weil sie
                              leichtere Lasten und dieselben öfter befördert; dagegen hat sie die in ihrer Mitte
                              liegende Röhre mit ihrem sehr schwierig darzustellenden Klappenapparate, deren
                              Kosten die Ersparniß an den Schienen bei weitem übersteigen muß. Dieser
                              Röhrenapparat ist nicht nur sehr theuer durch die bedeutende Quantität daran
                              befindlichen Materials von Gußeisen, Stabeisen und Leder, sondern seine Darstellung
                              erfordert auch sehr viele Handarbeit, und jeder Mangel in der Güte dieser Arbeit
                              trägt wesentlich zum Mißlingen der ganzen Unternehmung bei. Die Bedingung, die Achse
                              dieser Röhre genau den Schienen parallel zu legen, ist sehr lästig und schwierig
                              auszuführen, abgesehen von dem Umstande, daß die Leder der einzelnen Röhrenstüke
                              luftdicht aufeinander passen müssen, und es ganz unmöglich ist, einzelne Röhrenstüke
                              bei einer Reparatur herauszunehmen und zu ersezen. Rechnet man noch hinzu, daß für
                              eine Menge stehender Dampfmaschinen Terrain angekauft werden muß, so wird sowohl die
                              Acquisition des Landes als die Construction der Bahn selbst bedeutend jene der
                              gemeinen Eisenbahn in Betreff der Kosten übersteigen. Man hat angeführt, daß die
                              Erdarbeiten billiger würden zu stehen kommen, indem man die Construction von
                              Tunnels, Erdeinschnitten und Viaducten würde vermeiden können, weil es eine
                              Eigenthümlichkeit dieses Princips wäre, daß vermittelst desselben große Lasten
                              selbst auf steigende Ebenen hinauf bewegt werden können. Wenn dieß wirklich der Fall
                              wäre, so würde die atmosphärische Eisenbahn im Falle eines vorwaltend ungünstigen
                              Terrains Ersparnisse bei der ersten Anlage gewähren können, dagegen bei gutem und
                              ebenem Terrain nothwendig bedeutend größere Ausgaben erfordern. Allein auch der
                              ganze eben versprochene Vortheil ist nur scheinbar. Der atmosphärische Druk auf den
                              Kolben ist bei einer gegebenen Construction eine gegebene endliche Größe, welche
                              durch die größte Anstrengung der Maschine nicht erhöht werden kann. Dieser Druk wird
                              auf der horizontalen Fläche zur Ueberwindung der Reibung und des Luftwiderstandes
                              verwendet; dagegen auf der schiefen Ebene muß ein Theil der Last als in senkrechter
                              Hebung begriffen angesehen werden. Ist die Steigung 1 auf 100, so wird von jeden 100
                              Cntrn. der Last 1 Cntr. Gegendruk dem Kolben erwachsen, gleichsam als würde 1 Cntr.
                              über eine Rolle aus einem Schacht heraufgezogen. Besizt der Kolben nicht diesen
                              Ueberschuß von 1 Cntr. Druk neben der zur Ueberwindung der Reibung nöthigen Kraft,
                              so wird er nicht im Stande seyn, die Last zu bewegen; besizt er aber diesen
                              Ueberschuß, so ist dieß ein Zeichen, daß er auf der Ebene einen nuzlosen Ueberschuß
                              von Kraft hat, und unter diesen Bedingungen kann man auch mit einer Locomotive
                              bergauf fahren. Daß aber bei Hrn. Clegg's wirklicher Bahn die Last eine steigende Ebene
                              hinaufgezogen wird, erklärt sich durch den Umstand, daß man bei einer stehenden
                              Maschine von 16 Pferdekräften auf einen einzigen Wagen mit 24 Personen Belastung
                              wirkt, während einer Locomotive von 20 bis 25 Pferdekräften 10 bis 12 Wagen, wovon
                              jeder mit 24 Personen besezt ist, angehängt werden. Uebrigens fuhr der Wagen auf der
                              Clegg'schen Bahn bedeutend langsamer, als dieses auf
                              der gemeinen Eisenbahn stattfindet. Gerade der Umstand, daß die Locomotive nicht
                              leicht Höhen ersteigen kann, zeigt an, daß sie ihre Kraft in der Ebene auf das
                              allerbeste utilisirt. Man kann der Maschine jeden Ueberschuß von Kraft geben, allein
                              nur auf Kosten von consumirtem Brennmaterial, und wenn bei irgend einem Systeme von
                              Fortpflanzung eine Last über eine Höhe fortgeschafft werden soll, so muß die Kraft
                              erzeugt werden, um die Last auf die ganze senkrechte Höhe zu heben, mag sie immer
                              durch Luftdruk, Seile oder Adhäsion an den Schienen der Last mitgetheilt werden.
                              Eine Locomotive, die durch einen Tunnel oder Erdeinschnitt führt, braucht weniger
                              Kraft, und also Kohlen, als eine stehende Maschine, welche die Last über die Höhe
                              des Berges bewegt. Die Frage ist also rein commerciell, ob die größere Anlage oder
                              der täglich größere Verbrauch von Material in einem besonderen Falle ökonomischer
                              ist. In England hat man sich immer für das größere Anlagecapital und die kleinere
                              Consumtion entschieden. Wenn nun aber auch in Beziehung der Ersteigung der Höhen die
                              atmosphärische Eisenbahn geringere Schwierigkeiten darbieten würde, so ist sie auf
                              der anderen Seite desto mehr an die Beobachtung der geraden Linie angewiesen, und
                              Curven können eben so schwierig dargestellt als auch befahren werden. Die
                              gußeisernen Röhren können natürlich nur gerade dargestellt werden; werden sie zu
                              einer Curve zusammengestellt, so ist es eigentlich nur eine Folge sehr günstiger
                              Eken. Diese werden freilich mit dem Fette verschmiert, allein das Durchgehen des
                              Kolbens durch die krumme Röhre muß jedenfalls mit Hindernissen verbunden seyn, die
                              nur durch ein Uebermaaß von Kraft unschädlich gemacht werden können.
                           
                        
                           Die Benuzung der atmosphärischen
                                 Eisenbahn muß viel theurer seyn als die der gemeinen Eisenbahn mit
                                 Locomotiven.
                           An dem Nachmittage des 7. Sept. 1840 zeigte das Barometer, welches mit einer
                              bleiernen Röhre durch den Kolben geht und mit dem Vacuum der Röhre immer in
                              Verbindung steht, einen Stand von 19 englischen Zollen beim Anfang der Fahrt an, und
                              fiel, als wir uns der Bahn näherten, bis auf 16 Zoll herunter. Man sagte uns, daß das Barometer im Mittel
                              zwischen 18 und 20 Zoll schwanke, und nehmen wir nun die für das Princip günstigste
                              Stellung von 20 Zoll an, so fehlen noch 10 Zoll bis zum gewöhnlichen
                              Barometerstande, welcher 30 engl. Zoll beträgt. Die Luftpumpe konnte das Vacuum
                              nicht höher bringen. Die unvermeidlichen Undichtheiten des Klappenapparats und der
                              Röhrenfugen ließen also bei 20 Zoll Queksilberhöhe so viel Luft einströmen, als die
                              Maschine herauszuschaffen vermochte, folglich war bei diesem Barometerstand alle
                              fernere Kraftanstrengung der Dampfmaschine verloren, einen höheren Effect als 2/5
                              des atmosphärischen Druks zu erlangen. Was sehr auffallend erscheinen muß, ist wohl
                              die Behauptung, daß der Kolben auch auf seiner hinteren Seite keinen vollen
                              atmosphärischen Druk erleidet, und dennoch habe ich mich davon vollkommen überzeugt.
                              Dieser Punkt ist übrigens noch nirgendwo erwähnt worden. Die gelüfteten Klappen
                              bieten nicht offenen Querschnitt genug dar, um die Luft hineinzulassen, welche den
                              vom Kolben durchlaufenen Raum ausfüllen soll. Es strömt deßhalb immer Luft zu dem
                              offenen Ende der Röhre hinein, und wenn man dieses Ende mit einer Klappe
                              verschließt, so erleidet der Wagenzug eine wirkliche Verzögerung. Hat nun der Wagen
                              bereits einen bedeutenden Theil seiner Bahn zurükgelegt, so muß die dem Kolben
                              nachfolgende Luft die ganze durchlaufene Länge der Röhre durchstiegen, wodurch eine
                              solche Verminderung des atmosphärischen Luftdrukes stattfindet, als nothwendig wäre,
                              um diese ganze Luftsäule in dieselbe Bewegung zu bringen. Es ist ja nicht
                              einleuchtend, daß voller Luftdruk nur auf einen ruhenden, aber nicht auf einen
                              bewegten Körper stattfindet; die hier stattfindende Bewegung würde zwar zu übersehen
                              seyn, wenn sie in freier Luft geschähe, wo von allen Seiten Luft hinzutreten könnte.
                              Allein in einer engen Röhre ist die Sache anders, denn es kann hier keine Luft in
                              die Stelle des Kolbens rüken, ohne daß alle in der Röhre vorhandene nachgezogen
                              wird. Darum wird der Druk der Atmosphäre nicht nach dem vollen jedesmaligen
                              Barometerstande in Rechnung gebracht werden können.
                           Als wir uns dem Ende der Bahn näherten, wurde die in der Röhre vorhandene Luft von 10
                              Zoll Spannung schneller in einen kleineren Raum geengt, als die Luftpumpe sie
                              entleeren konnte, wodurch das Barometer noch mehr fiel, und die innere Luft eine
                              Spannung bis zu 14 Zoll annahm, welches nahe eine halbe Atmosphäre beträgt.
                           Ein Seil theilt einem leeren gebundenen Wagenzuge seine ganze Kraft mit,
                              vorausgesezt, daß es nicht zerreißt. Bei Clegg's
                              atmosphärischer Eisenbahn consumirt die bloße Fort-Pflanzung der Kraft 1/3
                              aller Kraft. Von den übrigen 2/3 der Kraft wird nun bei der atmosphärischen Eisenbahn ein
                              fernerer großer Theil durch die eigenthümliche Art der Benuzung der Kraft
                              vernichtet. Sezen wir die Reibung in der Locomotive, gleich jener in der stehenden
                              Dampfmaschine, der sie aber gewiß nicht gleichkommt, weil leztere niederen Druk,
                              weite Cylinder, Luftpumpe und Schwungrad hat, so bleibt der atmosphärischen
                              Eisenbahn noch besonders die Reibung in der großen Luftpumpe, die Reibung des
                              Cylinders in der Röhre, die Steifigkeit des Leders und der ganze Apparat zur Hebung
                              und Schließung der Klappen zu berechnen, und nachdem dieses alles abgezogen ist,
                              bleibt erst die nuzbare Kraft zur Ueberwindung der Reibung auf den Schienen und in
                              den Achsen und des Luftwiderstandes übrig.
                           Der Luftwiderstand ist offenbar bei beiden Bahnsystemen, für gleiche Geschwindigkeit,
                              gleich, dagegen die Friction der Räder bei der atmosphärischen Bahn geringer, weil
                              sie keine Locomotive, als eine nicht nuzbare Last, mitzuschleppen hat. Diesen
                              Vortheil, die Locomotive zu Hause zu lassen, erkauft sie aber theuer durch einen
                              enormen Verlust von Kraft. Im Winter, wo durch die Kälte die Cohäsion des Talges und
                              Wachses zunimmt, muß die Reibung des Kolbens in der Röhre um eine unbestimmbare,
                              aber sehr bedeutende Größe wachsen.
                           Bei der vorhandenen Bahn, welche die Länge einer halben Meile beträgt, stand das
                              Barometer auf 19 Zoll. Es ist klar, daß je länger man die einzelnen Stationen macht,
                              ein desto unvollkommneres Vacuum erzeugt werden wird. Die Ansicht, daß man die
                              Stationen eine, zwei oder vier Meilen lang machen könne, ist bis jezt eine rein
                              hypothetische, und die Erfahrung muß erst darüber aussprechen. Nehmen wir aber die
                              Entfernung zweier stehenden Maschinen auf 2 engl. Meilen an, also viermal so lang,
                              als die ausgeführte Bahn ist, so können wir aus Analogie kaum einen Barometerstand
                              von 15 Zoll voraussezen, wobei die Hälfte aller Kraft durch eindringende Luft
                              vernichtet wird. Nach diesem Maaßstabe würden zwischen London und York oder
                              Liverpool mehr als 100 stehende Dampfmaschinen anzubringen seyn, zu deren Bedienung
                              mindestens 200 Menschen erforderlich wären. Nun fährt aber eine Locomotive in 10
                              Stunden, mit Einschluß alles Aufenthaltes und eines kleinen Mittagsessens in Derby,
                              von London nach York, und nimmt 8 bis 12 beladene Wagen mit. Sie erfordert nur 2
                              Menschen zu ihrer Bedienung und Koaks und Wasser genug. Es mag sich jeder den Schluß
                              ziehen, auf welcher Seite der Vortheil liegt, und ob 100 stehende Maschinen sammt
                              200 Mann Bedienung und beständigem Gebrauch während voller 10 Stunden nicht viel
                              theurer zu stehen kommen. Die atmosphärische Eisenbahn würde nur dann ihre ganze entwikelte Kraft benuzen,
                              wenn sie beständig im Gebrauche wäre; da aber die angenommenen Distanzen von 2 engl.
                              Meilen bei der gewöhnlichen Schnelligkeit der Locomotive, welche Hr. Clegg zu erreichen und zu
                              überflügeln verspricht, jedesmal in 4 Minuten zurükgelegt werden, so befindet sich
                              jede stehende Maschine in demselben Nachtheile, worin eine Locomotive ist, die
                              angeheizt wird, um während 4 Minuten gebraucht zu werden. Sobald der Wagenzug in den
                              Bereich der nächsten Dampfmaschine gelangt ist, brennt das Feuer der ersteren
                              nuzlos, wenn nicht sogleich ein neuer Train auf ihr losgelassen wird. Es müßte
                              demnach alle 4 bis 6 Minuten ein Train abgehen, welches unmöglich und überflüssig
                              ist, da selbst in der Stadt London Trains von 1/4 Stunde Zwischenzeit als genügend
                              anerkannt worden sind. Ebenso würde daraus folgen, daß alle stehenden Dampfmaschinen
                              ohne Unterbrechung geheizt werden müßten. Sobald eine der 100 Maschinen den Dienst
                              versagt und Reparatur bedürftig wird, ist die ganze Communication unterbrochen,
                              während man eine dienstunfähige Locomotive rasch durch eine andere ersezen kann. Ein
                              anderer Mangel der atmosphärischen Eisenbahn ist der, daß man bei besonderer
                              Veranlassung und Zudrang von Passagieren weder die Kraft noch die Zahl der
                              mitzunehmenden Passagiere über eine gewisse Größe vermehren kann, weil der
                              atmosphärische Druk und der Durchmesser der Röhre sich nicht ändern lassen. Im Monat
                              September sind Wagenzüge mit 3000 Personen in Sheffield angekommen, wo 4 Locomotiven
                              vorgespannt und 2 zum Drüken angesezt waren. Jahrmärkte, politische und
                              künstlerische Feste, Sonn- und Feiertage und ähnliche Veranlassungen machen
                              die Möglichkeit einer gesteigerten Communication sehr wünschenswerth, ja fast
                              unentbehrlich; die atmosphärische Eisenbahn schließt sie aber ganz aus. Wie wäre es
                              möglich, im Sommer alle die Rheingaubesuchenden von Frankfurt, die während des
                              ganzen Tages aufgebrochen sind, und die alle am Abend zu gleicher Zeit nach Hause
                              kommen wollen, mit Zügen von 24 Personen zu befördern, selbst wenn alle 6 Minuten
                              ein Zug abginge. Dasselbe gilt von den Sonntagsabendzügen zwischen Brüssel und
                              Antwerpen.
                           Neben dem Interesse, welches die atmosphärische Eisenbahn wegen ihrer anscheinenden
                              Abenteuerlichkeit überall erregt hat, welche aber in den Händen des Physikers und
                              Mechanikers zu einer sehr unangenehmen und unbedeutenden Wirklichkeit zusammenfällt,
                              hat sie die Aufmerksamkeit auswärtiger Regierungen in Betreff auf ihre Anwendbarkeit
                              und Einführung auf sich gezogen. So ungerecht es wäre, einem schönen, noch in der
                              Entwikelung begriffenen Unternehmen feindlich entgegenzutreten, eben so thöricht wäre es, sich
                              mit Hoffnungen zu täuschen, die von der Wissenschaft und Natur nicht anerkannt
                              werden. Das beste ist, die Wahrheit zu wissen. Alle Ueberraschung und Freude, die
                              ich bei dem ersten Anblik der wirklich thätigen pneumatischen Fortbewegung empfand,
                              konnte den trokenen kalten Zweifeln nicht zuvorkommen, welche eine genauere
                              Betrachtung erregte. Ehe ich die Bahn gesehen, zweifelte ich, nachdem ich sie
                              gesehen, verzweifelte ich. Ich trug kein Bedenken, meine Ansichten in demselben
                              Sinne gegen den preuß. General-Consul, Hrn. Hebeler in London, schriftlich auszusprechen,
                              und glaube kaum, daß das Clegg'sche Princip jemals in
                              größerer Ausdehnung zur Zufriedenheit des Publicums und der Actionnäre benuzt werden
                              wird.