| Titel: | Die Wirkung der schwefligen Säure auf die Untersalpetersäure; Krystalle der Bleikammern; Theorie der Schwefelsäure-Fabrication; von F. de la Prevostaye. | 
| Fundstelle: | Band 79, Jahrgang 1841, Nr. XLV., S. 210 | 
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                        XLV.
                        Die Wirkung der schwefligen Saͤure auf die
                           Untersalpetersaͤure; Krystalle der Bleikammern; Theorie der
                           Schwefelsaͤure-Fabrication; von F. de la Prevostaye.
                        Im Auszuge aus den Annales de Chemie et de Physique.
                              LXXIII. S. 362.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              III.
                        de la Prevostaye, uͤber die Krystalle der
                           Schwefelsaͤurekammern und die Theorie der
                           Schwefelsaͤure-Bildung.
                        
                     
                        
                           Es sind schon zahlreiche Untersuchungen zur Aufklärung der Theorie der
                              Schwefelsäure-Bildung angestellt worden. Selbst jezt sind die Chemiker noch
                              keineswegs darüber einig. Die Hauptschwierigkeit schien immer in der Kenntniß der
                              Zwischenproducte zu liegen, deren speciellen Untersuchung sich Clément und Déformes,
                                 Gay-Lussac, Henri, Berzelius, Bussy und Gauthier de Claubry unterzogen. Diese Producte sind es auch, welche den
                              Gegenstand vorliegender Arbeit ausmachen. Es wird daher nothwendig seyn, hier in
                              Kürze die Resultate früherer Untersuchungen, das was mit Gewißheit aus denselben
                              hervorging und was sie noch zu wünschen übrig ließen, anzuführen.
                           Zur Zeit des Erscheinens der Wandlung von Clément
                              und 
                              Déformes
                              Annales de Chymie. Tom. LIX. 1805. waren die Sauerstoffverbindungen des Stikstoffs noch wenig gekannt. Sie
                              wiesen zwar sehr gut nach, daß diese Verbindungen bei der
                              Schwefelsäure-Bildung eine sehr wichtige Rolle spielen; allein sie täuschten
                              sich hinsichtlich der Natur der dabei sich erzeugenden krystallinischen Verbindung,
                              welche sie als aus Schwefelsäure und Stikstoffoxyd zusammengesezt betrachteten.
                              Durch eine kleine Menge Wassers in einer Atmosphäre von Kohlensäure zersezt, gibt
                              dieselbe rothe Dämpfe, was mit dieser Hypothese nicht im Einklang steht. Diesen
                              wichtigen Versuch verdankt man Gay-Lussac (1816).
                              Dieser berühmte Chemiker schloß daraus, daß diese Krystalle an salpetrige Säure
                              gebundene Schwefelsäure enthalten, was er nothwendig folgern mußte, weil damals
                              keine andere zwischen dem Stikstoffoxyd und der Salpetersäure stehende Verbindung
                              als jene Säure bekannt war. Ueberdieß hielt man sie für identisch mit den bei der
                              Destillation des trokenen salpetersauren Bleioxyds entstehenden Dämpfen, welche
                              Dämpfe in Berührung mit Schwefelsäure bald Krystalle gaben, was man für einen
                              bestätigenden Beweis ansah. Dulong stellte jedoch bald
                              darauf einen festen Unterschied auf zwischen der salpetrigen Säure und der
                              Untersalpetersäure, und von da an mußte man unter diesen beiden wählen und die
                              Krystalle als die eine oder die andere enthaltend betrachten. Der zulezt angeführte
                              Versuch veranlaßte allgemein die Annahme, daß sie Untersalpetersäure enthalten.
                              Später analysirte William Henri
                              Annales of Philos. Mai 1826. die in einer zur Lufterneuerung der Bleikammern dienenden Röhre gefundenen
                              Krystalle, und fand in denselben:
                           
                              
                                 wasserfreie Schwefelsäure
                                 68,800
                                 
                              
                                 salpetrige Säure
                                 13,073
                                 
                              
                                 Wasser
                                 18,927
                                 
                              
                           Die Identität dieser Krystalle und jener der Bleikammern
                              voraussezend, stellte er für die lezteren die Formel Az² O³, 5SO³ + 5H² O auf. Die angeführten Zahlen würden zwar besser mit 6 Atomen Wasser
                              übereinstimmen; der Verfasser aber dachte vielleicht, daß bei der Analyse einer
                              Substanz, welche das Wasser so begierig anzieht, der Fehler sich eher auf das Mehr
                              hinneigt. Etwas später bestätigten Berzelius in seinem
                              Lehrbuch der Chemie und Bussy in einer im Journal de Pharmacie (1830) Bd. XVI. enthaltenen
                              Abhandlung, die Resultate dieser Analyse hinsichtlich der Natur der Bestandtheile,
                              indem sie einestheils zeigten, daß die Schwefelsäure ein Gemenge von Stikstoffoxyd
                              und Sauerstoff, wenn sie im gehörigen
                           
                           Verhältnisse vorhanden sind, um salpetrige Säure zu bilden,
                              ohne Rükstand absorbire, und nur dann etwas zurüklasse, wenn ein anderes Verhältniß
                              obwaltete, und anderntheils durch die Beobachtung, daß die flüssige
                              Untersalpetersäure, wenn man sie in eine mit concentrirter Schwefelsäure gefüllte
                              Eprouvette bringt, sich in salpetrige Säure, welche absorbirt wird, und in
                              Salpetersäure, welche weiße, stechende Dämpfe ausstößt, zersezt.
                           In demselben Jahre analysirte auch Gauthier de Claubry
                              Polytechn. Journal Bd. XL. S.
                                       192. die aus der Verbindung der Schwefelsäure mit der Untersalpetersäure unter
                              Einfluß des Wassers hervorgehenden Krystalle, und fand sie zusammengesezt aus:
                           
                              
                                 wasserfreier Schwefelsäure
                                 5
                                 Atomen
                                 
                              
                                 salpetriger Säure
                                 2
                                     –
                                 
                              
                                 Wasser
                                 4
                                     –
                                 
                              
                           Seine Zahlen geben jedoch nur 3 Atome Wasser.
                           Dieß sind meines Wissens die einzigen Arbeiten über diesen Gegenstand. Sie scheinen
                              darin übereinzustimmen, daß die weißen Krystalle Schwefelsäure, salpetrige Säure und
                              Wasser enthalten; in welchem Verhältniß, bleibt allerdings noch sehr ungewiß, was,
                              wie wir sehen werden, gar nicht zu verwundern ist.
                           Diese Ungewißheit hat in Folge der neueren Fortschritte der Wissenschaft sogar noch
                              zugenommen. Man konnte bis jezt noch keine Verbindung zwischen der trokncn
                              schwefligen Säure und der troknen Untersalpetersäure zuwege bringen. Ist diese
                              Verbindung möglich? Man möchte es zu glauben versucht seyn, betrachtet man
                           
                              
                                 die Schwefelsäure
                                 SO² + O
                                    
                                 
                              
                                 in Regnault's
                                    Chlorverbindung
                                 SO² + Cl² 
                                 
                              
                                 in der Jodverbindung
                                 SO² + J² 
                                 
                              
                                 und endlich in Pelouze's Stikstoffschwefelsäure
                                 SO² +
                                       Az² O² 
                                 
                              
                           Auch von Dumas wurde diese
                              Hypothese aufgestellt.
                           Diese verschiedenen Meinungen sollen nun, auf neue Versuche gestüzt, erörtert
                              werden.
                           Daß die trokne schweflige Säure nicht auf die troknen rothen Dämpfe einwirkt, ist
                              längst bekannt. Aber die Elasticität der Gase tritt ihrer Verbindung als Hinderniß
                              entgegen; es war daher nothwendig, diese Körper in flüssigem Zustande
                              zusammenzubringen, was auf folgende Weise geschah. Queksilber und Schwefelsäure
                              wurden in eine kleine Retorte (Fig. 26) gebracht, deren
                              Hals in eine Röhre hineinging, welche eine mehr als einen Meter lange Säule frisch
                              ausgeglühten Chlorcalciums enthielt. Der andere Theil der Röhre war zweimal gekrümmt. Die erste
                              Krümmung C tauchte in ein Frostgemenge; hier verdichtete
                              sich die schweflige Säure; die zweite Krümmung E war zur
                              Aufnahme der flüssigen Untersalpetersäure bestimmt; sie war an ihrem Ende ausgezogen
                              und endigte sich in einen kleinen Trichter. Die Untersalpetersäure wurde durch
                              Destillation wohl ausgetrokneten salpetersauren Bleioxyds erhalten. Sie wurde
                              ebenfalls in einer Uförmigen, in ein Frostgemenge
                              tauchenden Röhre aufgefangen. Nachdem Alles so vorgerichtet war, wurde die Retorte
                              M entfernt und Untersalpetersäure in den Trichter
                              F gegossen, bis die Menge der Flüssigkeit in E ungefähr jener der in C
                              condensirten schwefligen Säure gleichkam. Hierauf verschloß man mittelst des
                              Löthrohrs das Ende B und zog F zu einer Spize aus; nachher vermischte man die beiden Flüssigkeiten; die
                              ausgezogene und offene Spize wurde sogleich in eine mit Queksilber angefüllte
                              Eprouvette gebracht. Die beiden Flüssigkeiten wirkten nicht merklich aufeinander,
                              sie gingen wieder in den gasförmigen Zustand über und begaben sich unter die
                              Glasgloke. Kaum sah man Spuren einer festen, weißlichen Substanz, welche an den
                              Wänden der Röhre hing. Also auch im flüssigen Zustande vereinigen sich, wenigstens
                              unter den gewöhnlichen Umständen, die beiden sehr troknen (entwässerten) Körper
                              nicht. Wenn man aber anfangs die Röhre an der Lampe bei B und F zuschmilzt und dann die beiden
                              Flüssigkeiten vermischt, so werden sie fast augenbliklich grün und trüben sich. Nach
                              und nach macht sich ein leichter gelblichweißer Niederschlag bemerkbar, welcher 25
                              bis 26 Stunden lang immer zunimmt, während welcher Zeit die Temperatur der Röhre
                              beständig höher ist als die der umgebenden Körper. Dieß erkennt man schon bei dem
                              bloßen Berühren derselben; ein kleiner Thermometer, welcher die Röhre nur an einigen
                              Punkten berührt, zeigt einen Unterschied von mehreren Graden an. Ungefähr 9/10 der
                              Masse werden fest. Ueber dem weißen Absaze bleibt eine grünliche Flüssigkeit, jedoch
                              nur in sehr geringer Menge, wenn die Untersalpetersäure nicht in Ueberschuß
                              vorhanden ist. Beim Oeffnen der Röhre verspürt man einen, manchmal sehr heftigen
                              Stoß. Die grüne Flüssigkeit verschwindet unter Verbreitung rother Dämpfe. Aus
                              Vorsicht darf man die Röhre erst nach drei Tagen, und nachdem man die Krümmung
                              einige Zeit in ein Frostgemenge gestekt hat, öffnen. Einmal zersprang bei einer der
                              ersten Darstellungen dieser Substanz die Röhre im Augenblike, als man sie öffnete,
                              in tausend Stüke, und die Splitter wurden mit solcher Heftigkeit fortgeschleudert,
                              daß eine große Scheibe eines nahen Fensters an drei Punkten durchgeschlagen wurde.
                              Bei zwei anderen Darstellungen harst der Apparat von freien Stüken an der Stelle,
                              wohin er gebracht worden
                              war; doch ist es wahrscheinlich, daß die Röhre in diesen beiden Fällen entweder
                              einen Fehler hatte, oder nicht hermetisch verschlossen war.
                           Man sieht also, daß diese beiden Körper unter starkem Druk, welcher sie flüssig
                              erhält, und nach Verlauf einiger Zeit sogar in vollkommen trokenem Zustande auf
                              einander einwirken können. Was wird aber dabei gebildet? Die Verbindung findet nicht
                              ohne eine vorausgehende Zersezung eines der beiden auf einander wirkenden Körper
                              statt, was die Bildung der erwähnten grünlichen Flüssigkeit zu beweisen scheint. Da
                              es sehr schwer wäre, diese zu sammeln, so muß das feste Product untersucht werden.
                              Diese Untersuchung bietet aber große Schwierigkeiten dar, welche alle aus seinem
                              außerordentlichen Bestreben, Wasser anzuziehen, entstehen. Es müssen daher die
                              sorgfältigen Vorsichtsmaßregeln, welche dabei mit dem besten Erfolge angewandt
                              wurden, genau angegeben werden.
                           Um eine reine, immer gleiche Substanz zu erhalten, muß sie zuvörderst geschmolzen
                              werden. Man öffnet die Röhre durch Abbrechen der Spize, wobei augenbliklich eine
                              Explosion erfolgt, die aber sehr schwach ist, wenn man die erwähnten
                              Vorsichtsmaßregeln beobachtet. Man verschließt das Ende F mittelst des Löthrohrs und bringt dann den Apparat in ein Oehlbad,
                              dessen Temperatur von einem oder zwei Thermometern angezeigt wird. Bei ungefähr
                              120° C. öffnet man die Röhre von Neuem. Es entweichen einige Augenblike lang
                              rothe Dämpfe, welche aber nur eingemengt waren, denn die Substanz erleidet nicht die
                              geringste Veränderung. Man erhizt langsam fort, bis zum Schmelzen der Substanz, was
                              bei 217° beginnt. Da die obere Schichte des Oehlbades eine minder hohe
                              Temperatur hat, so erfolgt das Schmelzen des Ganzen erst bei einer Temperatur von
                              230°; diese Zahlen wurden mehreremal, nachdem die Temperatur erniedrigt und
                              wieder gesteigert worden war, gleich gefunden. So fand das Festwerden durch Erkalten
                              auch immer bei 217° statt. Dieser Punkt ist schwieriger zu bestimmen, als der
                              Schmelzpunkt, weil die im festen Zustande undurchsichtige Substanz im flüssigen
                              Zustande durchsichtig wird und noch lange nach dem Festwerden, manchmal bis zu
                              190° durchsichtig bleibt. War der Körper eine Zeit lang der feuchten Luft
                              ausgesezt worden, so schmilzt er bei niedrigerer Temperatur; doch hierauf kommen wir
                              später zurük. Fährt man mit dem Erhizen fort, so fängt die Substanz an zu
                              destilliren, was ungefähr beim Siedepunkt des Queksilbers eintritt, welcher Punkt
                              aber nicht ganz genau bestimmt werden konnte. In allen Fällen destillirt sie
                              unverändert und verdichtet sich in geringer Entfernung von dem erhizten Theile
                              vollkommen weiß und rein.
                           
                           Ihre Farbe wechselt schnell mit der Temperatur. Beim Ueberdestilliren ist sie roth,
                              fast wie die flüssige Untersalpetersäure. Gegen 220 oder 230° hin ist die
                              Flüssigkeit gelb, dem Brennöhl sowohl an Consistenz, als im Ansehen ziemlich
                              ähnlich. Kurz nach dem Festwerden, wobei sie undurchsichtig wird, nimmt sie eine
                              hellgelbe, sehr schöne Farbe an, die aber immer blasser wird, bis der Körper bei
                              einer niedrigen Temperatur in glänzend weißen, seidenartigen Büscheln erscheint. Die
                              krystallinische Form ist durch das Mikroskop deutlich erkennbar. Im Allgemeinen
                              erscheinen die Krystalle um so schöner und schärfer, je rascher das Erkalten
                              erfolgte. Sie scheinen gerade rechtwinklige Prismen mit vier Seitenflächen P zu seyn, deren entgegengesezte Kanten durch ein paar
                              Flächen T (Fig. 27) abgestumpft
                              sind. Gewöhnlich ist die Zuspizung dieser flachen und sehr langen Prismen nicht
                              sichtbar.
                           Der Verf. schritt zu einer sorgfältigen Analyse dieses Körpers, welche folgendes
                              Resultat lieferte:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 79, S. 215
                              Bestandtheile; Gefunden; Atome;
                                 Berechnet; Schwefel; Stikstoff; Sauerstoff
                              
                           das der Formel SO² Az² O⁴ + SO² O
                              entspricht.
                           Wasser enthält die Substanz nicht. Sie färbt die Haut dunkelroth, oder vielmehr der
                              berührte Theil erscheint ganz braun und blau. Doch geht diese Färbung schnell ins
                              Gelbe über und verschwindet bald gänzlich, so daß höchstens noch eine sehr geringe
                              schwärzliche Nuance sichtbar bleibt. An der Luft zersezt sie sich nach und nach
                              unter Wasseranziehung und Verbreitung des Geruches nach Untersalpetersäure. In viel
                              Wasser getaucht entwikelt sich augenbliklich eine beträchtliche Menge reinen
                              Stikstoffoxyds. Dessenungeachtet gibt die zurükbleibende
                              Schwefelsäure-Auflösung beständig den Geruch dieses Körpers von sich und hält
                              folglich noch viel davon zurük, was sich auch durch einen Versuch bestätigte.
                           Die Basen im Hydratzustand zersezen ebenfalls diese Substanz. Trokener Baryt zersezt
                              sie zwar nicht bei gewöhnlicher Temperatur, wird aber bei erhöhter plözlich glühend.
                              In der Luft enthaltenden Röhre erschienen rothe Dämpfe und es blieb schwefelsaurer
                              Baryt zurük.
                           Die Einwirkung des trokenen Ammoniakgases wurde nicht hinlänglich erforscht; man
                              bemerkte bloß, daß sich auf der Oberfläche des Körpers eine weiße, sehr harte, die
                              Absorption schnell aufhaltende Kruste bildete, welche Substanz eine Art Sulfamid zu seyn
                              schien; es war keine Spur von Zersezung bemerkbar. – Ließ man einen Strom
                              Ammoniakgas durch die geschmolzene Masse streichen, so entwikelte sich eine große
                              Menge Stikstoff. hiebei blieb ein weißer, aus saurem schwefelsaurem Ammoniak
                              bestehender Körper zurük.
                           Salpeter-, Oxal- und Essigsäure zersezen diesen Körper. Die Salzsäure
                              gibt eine Art Königswasser mit demselben. Concentrirte Schwefelsäure wirkt bei
                              gewöhnlicher Temperatur nicht auf ihn ein, welche Eigenschaft zur Bestimmung seiner
                              Dichtigkeit benüzt wurde, die man = 2,14 fand. In der Wärme wird er von der
                              Schwefelsäure ohne Zersezung aufgelöst; die Mischung erfolgt aber nicht sogleich,
                              und sie sind im specifischen Gewichte so sehr von einander verschieden, daß er
                              einige Zeit auf dem geschmolzenen Körper schwimmt. Wenn die Vermischung vollkommen
                              geschehen ist, so hat die Flüssigkeit eine grünlichgelbe Farbe, welche Färbung sogar
                              sehr charakteristisch ist und Spuren dieses Körpers in der Schwefelsäure erkennen
                              läßt. Durch die Hize werden sie nicht getrennt, sondern destilliren miteinander
                              über. Wenn bei gewöhnlicher Temperatur die Schwefelsäure in großem Ueberschusse
                              vorhanden ist, so ist das Ganze flüssig und farblos; im entgegengesezten Fall ist
                              die Masse fest, halbdurchsichtig, beinahe farblos und besizt bloß eine geringe gelbe
                              Nuance, in Grün stechend. Die wasserhaltige oder schon mit Schwefelsäure verbundene
                              Substanz löst sich selbst in der Kälte in einer frischen Portion dieser Säure auf.
                              Die Auflösung scheint in allen Verhältnissen zu erfolgen, und wenn sie wieder in den
                              festen Zustand übergeht, erhält man stets ähnliche Krystalle. Je mehr sie
                              Schwefelsäure enthält, desto niedriger ist ihr Schmelzpunkt. Die geschmolzene Masse
                              ist gewöhnlich sehr klebrig, weßwegen sie ohne Zweifel, wenn sie einmal flüssig ist,
                              so schwierig wieder in den festen Zustand übergeht. Eine solche Auflösung, welche
                              bei 60° schmolz, blieb bei einer 10° nicht übersteigenden Temperatur
                              noch flüssig. Wird das Festwerden durch Schütteln bewirkt, so erhöht sich, wie sich
                              erwarten ließ, die Temperatur bedeutend; es erscheinen an mehreren Stellen in der
                              Flüssigkeit plözlich kleine mattweiße, undurchsichtige, feste Blättchen, welche an
                              der Stelle, wo sie sich bildeten, schwebend bleiben. Die Anwesenheit eines einzigen
                              solchen ruft das rasche Entstehen vieler anderer hervor.
                           Wird die reine Substanz der Luft ausgesezt, so ziehen alle Punkte ihrer Oberfläche
                              Feuchtigkeit daraus an. Die Stikstoffverbindung wird auf der obern Schicht
                              theilweise zersezt, und es bleibt Schwefelsäure zurük; aber die Substanz ist so fest
                              und wird von der Schwefelsäure so wenig angegriffen, daß diese nur sehr langsam und
                              erst, wenn die Säure
                              schon sehr viel Wasser angezogen hat, zunimmt. Beim Erhizen wird die Masse
                              gleichartig, zu einer der eben erwähnten ganz ähnlichen Auflösung; es scheint, daß
                              wenigstens innerhalb gewisser Gränzen ein ungefähr gleiches Gewicht Wasser die
                              Stelle des sich entwikelnden Stikstoffoxyds einnimmt.
                           Mit Indigo gibt die gehörig concentrirte schwefelsaure Auflösung eine Reihe der
                              prachtvollsten Farben; in der Kälte nämlich ein Grün, welches beim Erwärmen ins Rosa
                              und dann durch alle erdenklichen Nuancen in ein mehr oder weniger dunkles Purpur
                              übergeht.
                           Nachdem die quantitative Zusammensezung dieser Substanz und ihre Eigenschaften
                              gehörig bestimmt worden sind, so ist der Vorgang bei ihrer Bildung sehr
                              einleuchtend. Man kann ihn durch folgende Formel darstellen:
                           
                              
                                 2 (Az²
                                    O⁴ + SO²) =
                                 SO², O
                                    
                                 
                              
                                 
                                 SO² Az² O⁴ + Az² O³
                                    
                                 
                              
                           Die salpetrige Säure, ist es, welche beim Oeffnen der Röhre mit solcher
                              Geschwindigkeit in den gasförmigen Zustand übergeht, daß das Gefäß zerbricht, wenn
                              man nicht vorsichtig genug verfahren hat. Auch bildet diese in Verbindung mit der
                              Untersalpetersäure im Ueberschusse die erwähnte grüne Flüssigkeit, welche wirklich
                              auch alle Eigenschaften der von Dulong entdekten besizt.
                              (Annales de Chim. etc. t. II. p. 323.)
                           Die rationelle Formel kann nur seyn:
                           
                              
                                 Az² O³, 2SO³ oder:
                                 SO², Az² O⁴ 
                                 
                              
                                 
                                 SO², O.
                                    
                                 
                              
                           Wir wollen nun die Gründe, welche für oder gegen diese leztere geltend gemacht werden
                              können, untersuchen. Gegen sie kann gesagt werden:
                           1) daß wenn die schweflige Säure theils mit Sauerstoff, theils mit Untersalpetersäure
                              verbunden ist, nicht wohl einzusehen ist, warum, da doch die beiden
                              zusammentretenden Flüssigkeiten sich nicht ohne Zersezung verbinden können, sich
                              dabei wasserfreie Schwefelsäure bildet;
                           2) man kann Krystalle erhalten, wenn man auf Schwefelsäure Stikstoffoxyd und
                              Sauerstoff, oder auch ein Gemenge von Untersalpetersäure und Stikstoffoxyd etc. in
                              den zur Bildung von salpetriger Säure nöthigen Verhältnissen bringt. Diese und alle
                              andern Verfahrungsarten, welche ich angeben könnte, führen immer darauf zurük, daß
                              die zusammentretenden Elemente der Schwefelsäure und der salpetrigen Säure, die
                              Bildung weißer Krystalle zur Folge haben. Wie soll nun aber in einen auf diese Art
                              entstandenen Körper schweflige Säure kommen? Ist es wahrscheinlich, daß die
                              salpetrige Säure desoxydirend auf die Schwefelsäure wirkt? Und doch findet eine
                              vollkommene Identität
                              zwischen diesen Krystallen und den hier besonders in Rede stehenden statt; denn die
                              erstern lösen sich in der Kälte in Schwefelsäure ohne Zersezung auf und färben sie
                              beim Erwärmen gerade so wie die wasserfreie Verbindung. Diese leztere krystallisirt
                              beim Erkalten, wenn man sie in einem beträchtlichen Gewichte Schwefelsäure auflöst.
                              Die Krystalle stellen allerlei Figuren vor, doch begegnet man immer der in Fig. 28
                              abgebildeten Anordnung. Läßt man die Krystalle, welche man nach den verschiedenen
                              angegebenen Verfahrungsarten bereitet hat, schmelzen, so nehmen sie beim
                              Krystallisiren genau dieselbe Gestalt an.
                           Auf den ersten Einwurf kann man erwiedern, daß die hiebei entstehende Verbindung eine
                              sehr beständige und feste sey. Dieser Körper SO²,
                              Az² O⁴ , welcher nicht allein und ohne die Anwesenheit von SO², O existiren
                              kann, erinnert an eine sehr ähnliche von Heinrich Rose
                              entdekte, nämlich das schwefelsaure Schwefelchlorid, deren Zusammensezung durch die
                              Formel SCl⁶, 5 SO³ , ausgedrükt wird. Man wird die
                              Analogie dieser beiden Verbindungen anschaulicher finden, wenn man diese leztere
                              Formel auf folgende Weise schreibt:
                           S⁶Cl⁶ O¹⁵, oder S² Cl² O⁵, oder endlich
                           
                              
                                 
                                    
                                    
                                 SO² Cl² SO² O,
                                    was genau entspricht 
                                       der Formel:
                                   
                                 SO² Az² O⁴SO² O.
                                 
                              
                           Hienach ließ sich vermuthen, daß unter dem Einflusse der wasserfreien Schwefelsäure
                              die trokene schweflige Säure und Untersalpetersäure sich ohne Zersezung verbinden,
                              was auf folgende Weise sich auch wirklich nachweisen läßt.
                           In einer jener zweimal gekrümmten, zur Darstellung der Substanz dienenden Röhren
                              (Fig.
                                 26), ließ man wasserfreie Schwefelsäure sich verdichten. Hierauf bereitete man
                              flüssige schweflige Säure und flüssige Untersalpetersäure, beide in sehr trokenem
                              Zustande, und jede besonders. Zuerst goß man trokene schweflige Säure auf die
                              wasserfreie Schwefelsäure in der Biegung C; und zulezt
                              brachte man wie gewöhnlich die Untersalpetersäure in E,
                              verschloß die Enden an der Lampe und vermischte die Flüssigkeiten. Die Verbindung
                              ging beinahe auf der Stelle und ohne die geringste sichtbare Zersezung vor sich. Es
                              bildete sich keine grüne Flüssigkeit mehr. Die auf diese Weise erhaltene Substanz
                              schmolz bei 215° und besaß alle Eigenschaften des durch die Einwirkung der
                              trokenen schwefligen Säure und Untersalpetersäure entstandenen Körpers.
                           Was den zweiten Punkt betrifft, so findet man die Krystalle der reinen wasserfreien
                              Substanz und jene der wasserfreien Schwefelsäure vollkommen ähnlich, dieselben
                              länglichen Nadeln, dieselben Gruppirungen. Durch das Mikroskop wäre es, wenn sie sich in einer und
                              derselben Röhre eingeschlossen befänden, unmöglich, sie zu unterscheiden. Dieser
                              offenbare Isomorphismus scheint klar darzuthun, daß die neue
                                 Substanz als wasserfreie Schwefelsäure betrachtet werden muß, in welcher ein
                                 Aequivalent Sauerstoff durch ein Aequivalent Untersalpetersäure ersezt
                                 wird.
                           Es läßt sich durch diese Hypothese die Eigenschaft der Schwefelsäure, diese Substanz
                              in allen Verhältnissen aufzulösen und innerhalb sehr ausgedehnter Gränzen immer
                              feste, krystallisirbare Verbindungen zu geben, vollkommen erklären, was bei der
                              entgegengesezten Hypothese schwer gehen würde.Es ist zu bemerken, daß die Formel der von Henri
                                    untersuchten Krystalle SO², Az²
                                    O⁴ +
                                       H² O + 4 (SO² O, H² O) oder, wenn man 6 Atome Wasser annimmt, SO² Az² O⁴, SO² O + 3 (SO³, 2H² O) geschrieben werden kann. Ich weiß nicht, ob genaue Versuche angestellt worden sind, welche die
                              Existenz der von einigen Chemikern angenommenen Schwefelsäure mit einem halben Atom
                              Wasser beweisen. Wenn dieß nicht der Fall ist, so könnte man vermuthen, daß sich die
                              wasserfreie Schwefelsäure ebenfalls in mehreren Verhältnissen auflöst und mehrere
                              krystallisirbare Verbindungen mit der Schwefelsäure, welche ein Atom Wasser enthält,
                              bildet.
                           Nichts ist nun leichter, als die verschiedenen von ausgezeichneten Chemikern
                              erhaltenen Resultate zu erklären. Offenbar haben sie verschiedene Substanzen
                              analysirt, welche aus dem einzigen Grunde, weil sie krystallisirten, für identisch
                              gehalten wurden. Statt dieses durchaus unzulänglichen Charakters muß ein anderer,
                              weit genauerer, nämlich der Schmelzpunkt angenommen werden.
                           Vorstehende Untersuchungen scheinen über das, was in den Bleikammern vorgeht, ein
                              helles Licht zu werfen und gestatten die Theorie der
                                 Schwefelsäure-Fabrication mit Sicherheit aufzustellen.
                           1) Neues Verfahren. Man leitet in die Bleikammern
                              schweflige Säure, Salpetersäure und Wasserdämpfe. Um den Vorgang bei diesem neuen
                              Verfahren kennen zu lernen, leitete ich einen Strom schwefliger Säure in eine
                              Salpetersäure enthaltende Flasche. Leztere wurde nacheinander vermittelst einer
                              gekrümmten Röhre mit einer Schwefelsäure enthaltenden Flasche, einem mit Wasser
                              befeuchteten Ballon und einem trokenen Ballon in Verbindung gesezt. Die
                              Salpetersäure wurde gänzlich zersezt. Die erste Flasche enthielt bald nur noch reine Schwefelsäure. Rothe Dämpfe gingen von dem ersten
                              Gefäße in das zweite über. Schweflige Säure verbreitete sich auch darin, denn sie hatte sich
                              bei den beiden lezten Versuchen aus den weißen festen Krystallen, wie bei dem ersten
                              Versuche, gebildet. Bei diesem war alle Schwefelsäure der zweiten Flasche zu einer
                              krystallisirten, fast farblosen, oder vielmehr grünlichgelben festen Masse erstarrt.
                              Die Reactionen sind also im Grunde dieselben wie bei dem alten Verfahren.
                           2) Altes Verfahren. In eine Bleikammer, deren Boden mit
                              Schwefelsäure bedekt war, und in welche fortwährend Wasserdämpfe eingelassen wurden,
                              leitete ich schweflige Säure, Stikstoffoxyd und Luft, oder mit andern Worten,
                              schweflige Säure und im Entstehen begriffene Untersalpetersäure. Man nimmt
                              gewöhnlich an, daß diese beiden Körper, welche sich im trokenen Zustande nicht
                              verbinden, sich unter Mitwirkung des Wassers, als Schwefelsäure und salpetrige Säure
                              verbinden können, und daß ferner die gebildeten Krystalle durch die geringste Menge
                              überschüssigen Wassers zersezt werden. Es ist doch wenigstens sonderbar, daß das
                              Wasser auf diese Art zwei einander durchaus entgegengesezte Resultate hervorbringen
                              kann. Ich kann aber jezt versichern, daß dem nicht so ist, weil, nach meinen
                              Versuchen, das Wasser, bei Einwirkung auf die wasserfreie Verbindung, sogleich
                              dieselbe zu zersezen anfängt, was offenbar nicht der Fall wäre, wenn es seine
                              Elemente vereinigt zu erhalten im Stande wäre. Betrachten wir also die Sache
                              näher:
                           Schwefelsäure bildet sich, wenn man Wasser, schweflige Säure und Sauerstoff
                              zusammenbringt, noch mehr aber beim Zusammenbringen von schwefliger Säure und
                              Untersalpetersäure; aber auch in diesem Falle geht die Einwirkung keineswegs schnell
                              vor sich; im Gegentheil reagiren dieselben Körper sehr schnell bei Gegenwart
                              wasserfreier oder wasserhaltiger Schwefelsäure, um im ersten Falle die Verbindung
                              SO² O, SO²
                              Az² O, und im
                              zweiten Falle die SO² O, 8O² Az² O⁴ nebst wasserhaltiger
                              Schwefelsäure zu bilden.
                           Daraus geht nun mit Gewißheit hervor: 1) daß die Krystalle sich nur bei Anwesenheit
                              von Schwefelsäure und niemals anders bilden; 2) daß das Wasser sie immer in freiem
                              Zustande zerstört. Wenn bei dem in öffentlichen Vorlesungen gewöhnlich angestellten
                              Versuche das Wasser zur Bildung der Krystalle unentbehrlich erscheint, so geschieht
                              dieß nur auf indirecte Weise und unter Bildung von Schwefelsäure. Man würde sie bei
                              diesem Versuche auch wirklich weit schneller und reichlicher erhalten, wenn man zur
                              Befeuchtung der Wände des Ballons Schwefelsäure anwendete.
                           Bei der neuen Darstellungsweise tritt die Salpetersäure einen Theil ihres
                              Sauerstoffes an die schweflige Säure ab, um sie in Schwefelsäure umzuwandeln.
                              Nachdem sie nun zu Untersalpetersäure reducirt worden ist, wirkt sie wie die Untersalpetersäure,
                              welche bei dem alten Verfahren aus dem Stikstoffoxyd und dem Sauerstoff der Luft
                              entsteht, d.h. sie tritt abwechselnd Sauerstoff an die schweflige Säure ab und
                              entzieht solchen wieder der Luft. Das Wasser spielt hiebei zwei sehr verschiedene
                              Rollen: direct wirkt es, indem es die schweflige Säure und die Untersalpetersäure in
                              innigere Berührung bringt und auf diese Weise die Oxydation der erstern durch den
                              Sauerstoff der leztern begünstigt. Das ist aber nicht seine wichtigste Function,
                              weil diese Reaction langsam erfolgt; es wirkt auf eine andere Weise,
                              gemeinschaftlich mit der Schwefelsäure noch weit energischer. Leztere nämlich
                              bewirkt eine rasche Bildung weißer Krystalle so wie auch einen diken und schweren
                              fahlgelben Dampf, welcher davon sehr viel enthält. Das Wasser zersezt sie sogleich
                              und wandelt sie in wasserhaltige Schwefelsäure und salpetrige Säure oder
                              Stikstoffoxyd um. Die Reaction dieser leztern beginnt wieder und geht ins
                              Unbestimmte fort. Dieß ist, wenn ich mich nicht irre, die wahre Theorie der
                              Schwefelsäure-Fabrication. Folgendes ist in Kürze das Resultat meiner
                              Versuche:
                           1) die Bildung einer neuen Verbindung, welche bei Einwirkung der schwefligen Säure
                              auf die Untersalpetersäure entsteht;
                           2) die Erklärung der so verschiedenen Resultate, welche die Chemiker bei Untersuchung
                              der Krystalle der Bleikammern erhielten;
                           3) eine vollständigere und genauere Theorie der verwikelten Erscheinungen, welche bei
                              der Schwefelsäure-Fabrication vorkommen.
                           
                        
                     
                  
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