| Titel: | Ueber die Beleuchtung mit Steinkohlengas; von Hrn. Blondeau de Carolles. | 
| Fundstelle: | Band 79, Jahrgang 1841, Nr. LXI., S. 311 | 
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                        LXI.
                        Ueber die Beleuchtung mit Steinkohlengas; von
                           Hrn. Blondeau de
                              Carolles.
                        Aus den Comptes rendus 1840, 2me Sem., No. 26.
                        Blondeau de Carolles, uͤber die Beleuchtung mit
                           Steinkohlengas.
                        
                     
                        
                           Während alle Industriezweige unaufhörlich im Fortschreiten begriffen sind, blieb die
                              Gasbeleuchtung in Frankreich allein stationär; die Gasfabriken, welche Paris
                              beleuchten, arbeiten noch nach denselben Principien und mit Apparaten, welche nach
                              denselben Grundsäzen construirt sind, wie zu der Zeit, wo die neue Beleuchtung in
                              Frankreich eingeführt wurde.
                           Bei einer näheren Untersuchung der gegenwärtig gebräuchlichen Methoden das Gas zu
                              bereiten und zur Beleuchtung anzuwenden, überzeugt man sich jedoch bald, daß in
                              dieser Hinsicht noch viel zu thun ist; es werden nämlich, wie ich im Folgenden
                              zeigen werde, die Steinkohlen nicht vollkommen zersezt; ferner ist das Verfahren das
                              Gas zu reinigen keineswegs zwekmäßig; endlich sind auch die Apparate zum Messen des
                              Gases sehr unvollkommen und eine Regulirung der Flamme konnte bisher noch gar nicht
                              bezwekt werden.
                           Seitdem man die Steinkohlen zur Gewinnung des Leuchtgases benuzt, gelang es
                              keineswegs die Ergiebigkeit derselben zu erhöhen; ja man ist heutzutage nicht einmal
                              so weit wie im Jahre 1727, wo Dr. Hales aus 158 Gran Newcastle-Steinkohlen 180 Kubikzoll Gas erhielt
                              (340 Liter aus dem Kilogramm). Jezt erhält man gewöhnlich 230 bis 250 Liter aus dem
                              Kilogramm Brennmaterial.
                           Ein Hauptgrund, weßwegen keine Verbesserung in der Zersezung der Steinkohlen gemacht
                              wurde, ist der, weil man in den Fabriken immer der Meinung war, daß das Gas um so
                              schlechter wird, je mehr man davon aus den Steinkohlen producirt. Diese irrige
                              Ansicht gründete man auf eine wissenschaftliche Thatsache: man glaubte, daß wenn
                              auch die Steinkohle bei einer niedrigen Temperatur nur wenig Gas liefert, in diesem
                              Falle dagegen auch fast reines Doppelt-Kohlenwasserstoff- oder
                              Leuchtgas entsteht, bei höherer Temperatur aber Einfach-Kohlenwasserstoff
                              erzeugt wird, welcher ungeachtet seiner größeren Menge doch nicht so viel Licht
                              producirt, wie der Doppelt-Kohlenwasserstoff. Diese Erklärung ist natürlich
                              nicht mehr stichhaltig, seitdem man weiß, daß die Gasarten ihre Leuchtkraft nur
                              flüchtigen Producten verdanken, welche ihnen beigemischt oder darin aufgelöst sind und die ihnen, wie
                              auch ihre chemische Zusammensezung seyn mag, eine genügende Leuchtkraft
                              ertheilen.Dieser Saz ist bis jezt aber weder durch wissenschaftliche Untersuchungen,
                                    noch durch technische Resultate genügend erwiesen, man vergl. polytechn.
                                    Journal Bd. LXXVII. S. 138.A. d. R.
                              
                           Vor Allem muß man nun wissen, wie viel Gas ein Kilogramm Steinkohlen liefern kann, um
                              beurtheilen zu können, wie weit man in den Gasfabriken vom Ziel noch entfernt ist;
                              alsdann sind die Umstände zu bestimmen, welchen die Steinkohle ausgesezt werden muß,
                              um den möglich höchsten Ertrag zu liefern.
                           Ich habe mich überzeugt, daß ein Kilogramm Steinkohlen 510 Liter eines zur
                              Beleuchtung geeigneten Gases liefern kann, während man in den Gasfabriken wegen des
                              fehlerhaften Systems bei der Destillation höchstens 250 Liter daraus erhält; damit
                              man aber der Zahl nahe kommt, welche die chemische Analyse angibt, muß die
                              Steinkohle in dünnen Schichten unmittelbar mit den Wänden des Apparats in Berührung
                              gebracht werden, so daß ihre Elemente durch die Einwirkung einer starken Hize sich
                              zu einer permanenten Gasart verbinden können, die man dann noch eine lange Streke
                              heißer Röhren oder Oberflächen durchlaufen lassen muß, um die bituminösen
                              Substanzen, welche sie mit sich reißt, vollkommen zu zersezen. Auf diese Art gelang
                              es mir aus einem Kilogramm Steinkohlen 380 Liter Gas zu erhalten, also 130 Liter
                              mehr, als man in den Fabriken bekommt.
                           Die gewöhnliche Art das Steinkohlengas zu reinigen, läßt auch viel zu wünschen übrig.
                              Außer Schwefelwasserstoff, wovon es nicht immer sorgfältig genug befreit wird,
                              enthält es auch Ammoniak und Schwefelkohlenstoff, welchen lezteren man ihm bisher
                              noch gar nicht zu entziehen suchte. Der Kalk, dessen man sich gewöhnlich zum
                              Reinigen des Gases bedient, zersezt das schwefelwasserstoffsaure Ammoniak,
                              bemächtigt sich des Schwefelwasserstoffs und macht das Ammoniak frei, welches sich
                              also mit dem Leuchtgas vermischt, ihm einen unangenehmen Geruch ertheilt und
                              überdieß seine Leuchtkraft vermindert. Das Leuchtgas sollte also davon befreit
                              werden, ehe es in den Gasometer gelangt; dieß habe ich durch Kohks, welche mit einer
                              Schichte salzsauren Kalks überzogen waren, bewerkstelligt; beide Substanzen besizen
                              bekanntlich die Eigenschaft, das Ammoniak zu absorbiren.
                           Der in der Steinkohle enthaltene Schwefel verbindet sich bei hoher Temperatur mit dem
                              Kohlenstoff zu Schwefelkohlenstoff; lezteren kann man weniger flüchtig machen, wenn
                              man ihn mit Schwefel, den er auflöst, in Berührung bringt. Eine Schichte Schwefel, zu
                              einer Schichte mit salzsaurem Kalk schwach getränkter Kohls gefügt, reicht hin, um
                              das Gas vollkommen zu reinigen, so daß es beim Verbrennen keine schweflige Säure
                              mehr bildet.Schon Séguin (polytechn. Journal Bd. LXXVI. S. 295) hat den Schwefel
                                    als Reinigungsmittel des Leuchtgases von Schwefelkohlenstoff angewandt.A. d. R.
                              
                           Die Gasmesser, womit man die Quantität des consumirten Leuchtgases zu bestimmen
                              pflegt, sind sehr unvollkommene Apparate; ich habe daher eine genauere Messung
                              desselben und zwar nach anderen Principien zu erzielen gesucht, was mir auch gelang;
                              sie gründet sich darauf, daß das Leuchtgas bei der Temperatur, wo seine Verbrennung
                              stattfindet, mit Wasserdampf gesättigt ist, so daß man, wenn man lezteren durch
                              gebrannten Kalk, Aezkali oder geschmolzenen salzsauren Kalk absorbiren läßt, aus der
                              Gewichtszunahme dieser Substanzen die Menge des consumirten Gases bestimmen kann.
                              Das Messen wird also in diesem Falle durch das Wägen ersezt.
                           Endlich gelang es mir auch einen sehr einfachen Apparat zum Reguliren des
                              ausströmenden Gases zu erfinden.