| Titel: | Ueber die Vervielfältigung der Daguerre'schen Lichtbilder durch den Druk; von Dr. Berres in Wien. | 
| Fundstelle: | Band 79, Jahrgang 1841, Nr. LXXXI., S. 388 | 
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                        LXXXI.
                        Ueber die Vervielfaͤltigung der Daguerre'schen Lichtbilder durch
                           den Druk; von Dr. Berres in
                           Wien.
                        Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie. Decbr.
                              1840, S. 337.
                        Berres, uͤber die Vervielfaͤltigung der
                           Daguerre'schen Lichtbilder durch den Druk.
                        
                     
                        
                           Seit der wichtigen Entdekung Daguerre's, heliographirte
                              Bilder auf der jodirten Silberplatte zu erzeugen, wurde in mir der Wunsch, die von
                              der Natur selbst gezeichneten Bilder bleibend zu machen, und durch irgend eine
                              Methode so zu fixiren, daß sie für wissenschaftliche Zweke benüzt werden können,
                              immer lebhafter. Ich begann dem Gegenstande mein volles Nachdenken zu schenken,
                              entwarf Plane, und leitete diesen entsprechend Versuche ein. Bald gelang es mir zu
                              bemerken, daß das Queksilber mit dem Silber verbunden die Angriffe der Säure für
                              eine geraume Zeit hintanzuhalten vermöge, und mit dieser Entdekung gewann mein
                              Streben neue Hoffnung, meine Plane eine festere Basis. Es wurde mir nun bei
                              Beobachtung eines Lichtbildes klar, daß der Anflug des Queksilbers auf der
                              Silberplatte, da er die lichten Stellen des abgebildeten Gegenstandes in einer dem
                              Urbilde entsprechenden Schattirung darstellt, dem Dekfirnisse der Kupferstecher
                              gleich, diese Stellen der Platte zu schüzen vermag, und die Wirksamkeit der Säure
                              somit sich bloß auf jene Punkte hinwenden dürfte, welche von dem Queksilberamalgam
                              und vom Jode befreit geblieben, daher eine blanke Silberfläche darbieten.
                           Die in jener Epoche mit größerer Zuversicht unternommenen Versuche scheiterten jedoch
                              noch immer, da ich die Stärke der Säure noch nicht handzuhaben verstand und
                              gleichsam mit Feuer und Schwert zu Felde zog; indeß war ich dennoch so glüklich, im
                              Sturme dieser Experimente mein erstes geäztes Bild – einen durch das
                              Hydro-Oxygengas-Mikroskop photographirten Pflanzendurchschnitt am 5.
                              April d. J. zu gewinnen, welches Bild auch das Gepräge jenes Verfahrens vollkommen
                              an sich trägt. Ich entwarf daher eine Methode, welche mir schon vorhinein einen
                              bessern Erfolg zu sichern versprach, und begann die Operation mit einer schwachen
                              Säure, suchte aber diese durch vorsichtige Zusäze von concentrirter Säure allmählich
                              zu Potenziren, und in der That waren von nun an meine Versuche mit einem
                              bestimmteren und erfreulicheren Erfolge gekrönt. Die bis dahin gemachten Erfahrungen
                              lehrten mich jedoch, daß die versilberten Kupferplatten (Plaques), wie man sie zum Daguerreotypiren besizt, zur Erzielung reiner
                              und scharfer Metallbilder nicht taugen. Ich begann daher statt dieser, Platten aus
                              chemisch reinem Silber bereitet anzuwenden. Nun war auch das Resultat meiner
                              Aezmethode ein bei weitem glänzenderes, und ich so sicher, daß ich mit Beruhigung
                              die am 18. April 1840
                              von der Wiener Zeitung aufgenommene Bekanntmachung an das wissenschaftliche Publicum
                              ergehen lassen konnte. Am 30. April brachte ich endlich – mit Vorzeigung
                              eines scharfen Abdrukes eines heliographirten Kupferstiches von Stöber, das Mädchen mit dem Schmetterlinge darstellend
                              – mein Verfahren, die Lichtbilder zu fixiren und zum Druke vorzubereiten, in
                              der k. k. Gesellschaft der W. Aerzte zur öffentlichen Kenntniß, von wo aus mein
                              Bericht fast in allen mehr verbreiteten Zeitungen und wissenschaftlichen
                              Zeitschriften aufgenommen wurde.
                           Seit der Zeit der Veröffentlichung meiner Erfindung habe ich auf gut bereiteten
                              Platten mit immer steigendem günstigem Erfolge mein Verfahren bei dem Aezen zu
                              vereinfachen und den Erfolg zu sichern gesucht. So gewann ich bis nun eine
                              bedeutende Anzahl von Bildern, welche sich bereits in den Händen vieler
                              ausgezeichneten Personen befinden. Ich benuzte jezt drei MethodenDie Wahl einer stärkeren oder schwächeren Säure hängt von der Platte und von
                                    der Temperatur ab, während welcher man das Aezen vornimmt. Ist die Platte
                                    weich und sehr blank polirt, dann hält sie keine starke Säure aus und man
                                    muß, um das Bild zu erhalten, mit einer 10–13gradigen Säure sich
                                    begnügen.Ist das Gefüge der Platte fest und sehnicht, die Oberfläche nicht zu
                                    glänzend, dann ist es gerathen, den Angriff mit einer Säure von 20–26
                                    Gr. zu machen und dann erst mit der Säure von 10 Gr. fortzuäzen.Bei hoher Temperatur äzt man glüklich mit schwächern Säuren, bei kälterer
                                    Temperatur entsprechen starke Mischungen der Säure.Am zwekmäßigsten ist eine ganz reine und noch nicht gebrauchte Säure, denn
                                    diese greift in die Tiefe. Schon benuzte Säuren, in welchen noch etwas
                                    Silber suspendirt ist, äzen in die Breite., um das gewünschte Ziel zu erringen. Die erste Methode führt schnell zum
                              Zweke, die Platte kann jedoch nur wenige Exemplare im Druke liefern, indeß die
                              zweite Bereitungsart eine längere Zeit und große Aufmerksamkeit erfordert, jedoch
                              den Vortheil liefert, daß das erzeugte Metallbild, wie jede gravirte Platte zum
                              Druke taugt und viele Hunderte scharfer Abdrüke gewinnen läßt.
                           Die erste Methode besteht darin, daß ich die mit einem scharfen Lichtbilde versehene,
                              an ihrer Rükenseite mit Asphaltfirniß geschüzte Silberplatte in eine Mischung von
                              71/2 Theil Salpetersäure von 40 Gr. und 8 Theile destillirtem Wasser einlege, bis
                              zum erfolgten Angriffe, welcher sich durch eine leichte, milchige Trübung kund
                              macht, ruhig liegen lasse, dann aber durch beständiges Schaukeln der Flüssigkeit
                              nicht allein das an den mordirten Stellen sich ansammelnde salpetersaure Silber,
                              welches das weitere Aezen hindern könnte, zu entfernen, sondern auch die vom
                              Queksilberamalgam bedekten Stellen in Schuz zu nehmen trachte. Dieses Verfahren wird
                              so lange fortgesezt, bis das Metallbild stark hervortritt, und die Halbtöne in demselben sichtbar
                              werden. Hierauf wird dasselbe mit Wasser, dann mit flüssigem Ammoniak gewaschen,
                              durch Schwingen in der Luft schnell abgetroknet und mit gereinigter Baumwolle sanft
                              abgerieben. Nun ist es zum Druke tauglich.
                           Bei Benuzung der zweiten Methode wird der Angriff ebenfalls mit derselben Säure
                              – d.h. mit einer 17–18 grad. Säure – gemacht, das Aezen so
                              lange fortgesezt, bis die dunkeln, d.h. die im Daguerreotyp blanken, spiegelnden
                              Stellen einen zarten grauen Mordant erhalten haben; dann wird das Bild mit Wasser,
                              wohl auch, wenn viel Höllenstein auf demselben liegen geblieben wäre, mit
                              Ammoniakflüssigkeit gewaschen und nach einer wiederholten Reinigung mit Wasser in
                              eine 12 bis 13grad. Säure eingelegt, und diese sanftere Einwirkung durch 12 bis 18
                              Stunden nach dem Verhältnisse der Dichtigkeit des Metalls und beabsichtigter Schärfe
                              des Bildes fortgesezt. In dieser Beize wird die Flüssigkeit blau-weißlich und
                              das Bild schwarz und verkohlt. Hat die Säure hinreichend und der Vorzeichnung genau
                              eingegriffen, dann wird das Bild oftmals mit Wasser abgewaschen, mit Terpenthinöhl
                              und Alkohol gereinigt. Auf diese Art gewinnt man tiefgeäzte Matrizen, welche mehrere
                              hundert Abdrüke liefern und durch die Jacobi'sche
                              Methode, d.h. mittelst des galvanischen Processes Kupfer aufzutragen, vervielfacht
                              werden können.
                           Die dritte Methode besteht endlich darin, daß man das Lichtbild mit einer 9gradigen
                              Säure so lange fortäzt, bis das Bild eine hinreichende Tiefe erhalten hat. Will dieß
                              nicht ganz gelingen, so lasse ich am Ende des Aezprocesses noch über dasselbe eine
                              20 bis 24gradige Säure auf einige Secunden einwirken. Gereinigt und abgetroknet wird
                              nun die Platte zum Druk übergeben.
                           Die Bahn, welche mit dieser meiner neuen Bilderäzkunst (Gravure) eröffnet wird, läßt sich bei der gehörigen Benuzung kaum in
                              vorhinein bemessen und überbliken.
                           1) Es können alle äußeren Gegenstände bei klarem Lichte aufgenommen und geäzt, daher
                              alle Ansichten von Städten und Landschaften, militärischen Stellungen etc. schnell
                              durch den Druk mitgetheilt werden.
                           2) Es können durch das Hydro-Oxygengas-Mikroskop dem unbewaffneten Auge
                              unsichtbare Gegenstände vergrößert, photographirt, geäzt und vervielfältigt
                              werden.
                           3) Es können Kupferstiche in gleicher oder in jeder beliebigen Form und in jedem
                              Maaßstabe aufgenommen, geäzt und in dem neuen Formate multiplicirt werden.
                           4) Dasselbe gilt auch von Landkarten, Situationszeichnungen, Hand- und
                              Drukschriften etc. Daher wird man von alten, seltenen und vergriffenen Kupferstichen
                              und typographirten Werken, ohne das Original im mindesten zu beschädigen, vollkommen
                              gleiche Abbilder erzeugen und vervielfachen können.
                           5) Auch Oehlgemälde, Portraits von lebenden Personen und Abbildungen der
                              mannichfaltigen naturhistorischen Gegenstände lassen sich nach gemachten Versuchen
                              sehr getreu wiedergeben, äzen und durch den Druk benuzen und verbreiten.
                           Ueberblike ich nur den Nuzen, welchen diese Erfindung den Wissenschaften zu liefern
                              verspricht, so kann ich nicht umhin, diese als ein sehr glükliches Ereigniß unserer
                              Zeit und die neue Bereicherung in der Kunst, Gegenstände naturgetreu darzustellen,
                              schon in dieser Hinsicht höchst wichtig zu halten. Auf jeden Fall ist aber der
                              Daguerreotypie durch meine Erfindung erst der Stempel der Nüzlichkeit und
                              praktischen Brauchbarkeit eingeprägt worden.
                           Indeß hat diese neue Bereicherung, welche so segenreiche Früchte zu liefern
                              verspricht, kaum das zarteste Kindesalter überstanden und benöthigt einer kräftigen
                              Pflege noch. Als wahrhaft unerläßliche Bedingnisse, um meiner Bilderäzkunst und dem
                              Silberstiche schnell emporzuhelfen und beide baldigst auf einen erfreulichen Grad
                              der Vollkommenheit zu bringen, muß ich vor Allem folgende Erfordernisse bezeichnen:
                              1) Sollte eine Regierung oder ein Mann vom Fache, mit Kenntnissen, Muth und
                              Geldmitteln ausgerüstet, sich der Sache annehmen, meine Methode benuzen und die
                              Kunst, die heliographischen Bilder zu äzen, Pflegen. 2) Müßte die Bereitungsart der
                              zur Auffassung der Lichtbilder bestimmten Silberplatten mit der größten Sorgfalt und
                              Sachkenntniß überwacht werden. Unerläßlich ist ein chemisch reiner Zustand des
                              Silbers, eine feste, sehnichte Beschaffenheit und Dichtigkeit der Platten, endlich
                              ein dem Aezgeschäfte nicht zuwideres, die Oberfläche der Platten schonendes,
                              möglichst reines Poliment. 3) Verbesserung der Camera in
                              Bezug des Sehfeldes und der Helligkeit, damit ein größerer Bezirk allseitig gleich
                              stark aufgenommen und auch bewegliche Gegenstände schnell aufgefaßt werden könnten.
                              4) Scharfe, vom Jod möglichst gereinigte und mit Queksilber genau verbundene
                              Lichtbilder. 5) Eine verbesserte, ungemein feine, intensive Drukerschwärze. 6) Eine
                              eigene, der Zartheit der Gegenstände angepaßte Drukerpresse. Indem das ganze
                              Verfahren bei der Erzeugung der geäzten, heliographirten Metallbilder ein höchst
                              sublimer chemischer Proceß ist, und die nach meiner Methode gewonnenen Metallbilder,
                              selbst auch mikroskopisch betrachtet, die Bestandtheile der Gegenstände wiedergeben,
                              so ist das gewöhnliche Verfahren bei dem Druke durchaus unzureichend, und es müßte
                              ein sanft und dennoch kräftig wirksamer elastischer Preßapparat componirt werden,
                              welcher allseitig
                              und gleichmäßig eingreift und die sorgfältig und gleichförmig aufgetragene Schwärze
                              dem Papiere genau einprägt.
                           Die Abdrüke meiner heliographirten Silberäzbilder tragen einen eigenen Charakter. Sie
                              gleichen ungemein dem Daguerreotyp, besizen auch, wie dieses, keinen Kernschatten,
                              wohl aber viele Abstufungen vom Licht zum Schatten hin. Der Hauptunterschied
                              zwischen diesem Bilde und dem künstlich – durch Menschenhände erzeugten
                              – ist wohl die ungemeine Getreuheit in der Zeichnung, in dem Verhältnisse der
                              relativen Größen der Objecte und des Perspectivs. Sie sind ebenfalls durch einen
                              Naturproceß erzeugt, der keine Mühe kennt, keine Aufgabe zu verwikelt oder zu groß
                              findet, daher auch in die kleinsten Details eingeht und sie richtig und nach ewig
                              getreuen Gesezen wieder gibt. Das Verhältniß zu den Kunstwerken ist daher, daß das
                              gelungenste Kunstwerk, genauer geprüft und untersucht, immer ärmer wird und endlich
                              unbefriedigt läßt, indeß das von der Natur gezeichnete Bild eine Fülle von immer
                              neuen Gegenständen unsern Betrachtungssinnen entgegenstellt und somit sein Werth
                              immer höher steigt.