| Titel: | Ueber die wachsartige Substanz des Zukerrohrs; von Hrn. Avequin in Neu-Orleans. | 
| Fundstelle: | Band 79, Jahrgang 1841, Nr. XCVI., S. 441 | 
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                        XCVI.
                        Ueber die wachsartige Substanz des Zukerrohrs;
                           von Hrn. Avequin in
                           Neu-Orleans.
                        Aus dem Journal de Chimie médicale, Febr. 1841, S.
                              73.
                        Avequin, uͤber die wachsartige Substanz des
                           Zukerrohrs.
                        
                     
                        
                           Eine große Anzahl Pflanzen schwizt auf ihren Blättern oder ihren Früchten eine
                              Substanz aus, welche man Pflanzenwachs genannt hat. Tingry zu Genf war der erste Chemiker, der dessen erwähnte. Proust dehnte seitdem diese Entdekung auf eine Menge
                              Früchte, die Pflaumen und Kirschen, auf beinahe alle, vorzüglich die meergrünen
                              Blätter aus. Die Kohl-, die Iris-Arten, mehrere Gramineen, die Schilfe
                              enthalten dessen ebenfalls. Die in den tropischen Gegenden heimischen Kürbisse sind
                              von einer diken Schichte dieser Substanz bedekt; keine Pflanze aber liefert deren so
                              viel als das Zukerrohr.
                           Diese Substanz ist nicht auf allen Pflanzen, die sie enthalten, von gleicher
                              Beschaffenheit; man könnte im Gegentheil behaupten, daß sie immer in einigen Stüken
                              in ihren physischen und chemischen Eigenschaften abweicht, und daß jede Pflanze eine
                              ihr eigenthümliche Wachssubstanz enthält. Ich behalte mir vor, in einer eigens
                              diesem Gegenstande gewidmeten Abhandlung hievon den unwiderleglichen Beweis zu
                              liefern. Die auf dem Zukerrohr befindliche Substanz stimmt einigermaßen mit jener
                              des Wachsbaums (Gagel, Myrica) überein und ist, meines
                              Wissens wenigstens, noch niemals untersucht worden. Ich habe sie in der
                              vergleichenden Analyse des gestreiften und des otaheitischen Zukerrohrs aufgeführt,
                              ohne jedoch ihre Eigenschaften einem besondern Studium unterworfen zu haben, weil
                              ich sie mir damals nicht in hinlänglich großer Menge verschaffen konnte. Ich benenne
                              diese Substanz Cerosin (Cérosie, von ϰηϱος, Wachs), was
                              an ihre Zusammensezung und einige ihrer wesentlichsten Eigenschaften erinnern
                              wird.
                           Diese Substanz findet sich auf der Rindenoberfläche des violetten Zukerrohrs (Saccharum violaceum) reichlicher vor, als auf den andern
                              Varietäten. Auch die
                              stengelumfassende Basis der Blätter ist damit überdekt. Sie zeigt sich als weißer
                              oder meergrüner Staub, welcher der Rinde (Schale) anhängt, und kann mit einer
                              Messerklinge oder einem andern Schneidinstrumente leicht davon abgeschabt werden.
                              Nach diesem folgt das gestreifte Zukerrohr, welches viel davon liefert. Das
                              otaheitische Rohr gibt kaum das Drittheil des leztern; das kreolische beinahe gar
                              keine. Diese leztere Varietät hat nur einen Ring von dieser Substanz an der Basis
                              jedes Knotens, an welchem sie sich nur in sehr kleiner Quantität vorfindet. Ich muß
                              bei dieser Gelegenheit bemerken, daß die schlechtesten Varietäten des Zukerrohrs die
                              sind, welche am meisten Stearin liefern. Das violette Rohr ist sehr hart, sehr
                              holzig und enthält wenig Saft.Gestreiftes ZukerrohrBatavia, Java.Otaheitisches RohrOtahetti.Creolisches RohrMalabar, Bengalen, Bourbon.
                              
                           Nachdem ich mir, wie oben erwähnt, durch Abschaben eine gewisse Quantität der rohen
                              Substanz verschafft habe, lasse ich dieselbe, um sie rein zu erhalten und sie von
                              der violetten, mit dem Chlorophyll, mit welchem sie untermischt ist, identischen
                              Substanz zu befreien, in Alkohol von 35 oder 36° maceriren. Wenn nach öfterer
                              Wiederholung dieses Verfahrens der Alkohol nichts mehr auszieht, wird sie mit
                              siedendem Alkohol von 36° behandelt, welcher sie vollkommen auflöst. Ich
                              seihe nun durch ein dichtes Leinentuch, presse stark aus und destillire den Alkohol
                              wieder ab. Man braucht hierauf die Substanz nur im Wasserbade schmelzen zu lassen,
                              um sie rein zu erhalten.
                           Diese Substanz ist im Wasser unauflöslich; eben so in kaltem Alkohol von 36°.
                              In siedendem Alkohol hingegen ist sie vollkommen auflöslich und wird beim Erkalten
                              nicht davon ausgeschieden; sie stokt vielmehr zu einer opalisirenden Masse und
                              gleicht einer alkoholischen Lösung von thierischer Seife. Je stärker der Alkohol
                              ist, desto besser löst sie sich in der Wärme in ihm auf. Vier Gran dieser Substanz
                              genügen, um eine Unze Alkohol von 36° in den festen Zustand zu versezen und
                              ihm die Consistenz und das Aussehen des Opodeldoks zu ertheilen, womit man ihn
                              verwechseln könnte. – In kaltem Schwefeläther ist sie unauflöslich; im warmen
                              löst sie sich schwer und nur in geringer Menge auf; beim Erkalten läßt sie der
                              Aether in Gestalt kleiner körniger Krystalle fallen.
                           Diese Substanz ist von etwas matt gelber Farbe, sehr hart, von glänzendem Bruche und
                              läßt sich in einem Mörser leicht pulvern, wo sie dann weißer erscheint. – In
                              die Form einer Kerze gebracht, brennt sie mit schöner weißer Flamme, wie Wachs oder
                              Wallrath. – Bei 82° C. schmilzt sie, und erstarrt wieder bei
                              80°. Sie hat, wie ich glaube, unter allen Substanzen dieser Art den höchsten
                              Schmelzpunkt. – Im Wasserbad geschmolzen und in geringer Menge in ein kaltes,
                              die Wärme gut leitendes Gefäß gegossen, erstarrt sie augenbliklich, und zieht sich
                              bei Berührung des kalten Körpers zusammen; die untere Fläche zeigt dann deutlich
                              regelmäßige Linien in Folge des plözlichen Zusammenziehens beim Festwerden dieser
                              Substanz. – Das spec. Gewicht derselben ist = 0,961 bei 10° C.-
                              Sie ist geruchlos oder von kaum zu bestimmendem Geruche. – Mit Alkalien
                              verbindet sie sich nur sehr schwer. – Die atmosphärische Luft ist ohne
                              Einwirkung auf dieselbe. Ich habe Zukerrohr-Cerosin mehrere Jahre in einem
                              schlecht verschlossenen Fläschchen aufbewahrt, ohne daß es sich in seinen physischen
                              Eigenschaften verändert hätte. – Sie kann Krystallgestalt annehmen; um dieß
                              zu bewirken, läßt man sie im Wasserbade in einem Porzellanschälchen schmelzen und
                              langsam wieder erkalten. Wenn die Oberfläche erstarrt ist, durchbricht man sie
                              mittelst einer erwärmten Messerklinge und läßt das Flüssige ausfließen. Das Innere
                              des Schälchens zeigt dann eine Menge sehr deutlicher krystallinischer, abgestumpfter
                              und durcheinanderliegender Nadeln.
                           Diese Substanz ist von allen Varietäten des Zukerrohrs gewonnen gleich und bietet in
                              mehrfachen Hinsichten Interesse dar: 1) ihres sehr hohen Schmelzpunkts wegen; 2)
                              ihrer Consistenz wegen, in welcher sie beinahe dem Holze gleichkömmt; 3) wegen ihrer
                              Krystallisation; 4) wegen ihrer möglichen Anwendung als Luxuskerze zur Beleuchtung
                              und 5) wegen ihrer Eigenschaft, den Alkohol in den festen Zusaz zu versezen, welche
                              kein Körper dieser Art mit ihr gemein hat. 153 violette Rohre, welche sorgfältig und
                              ohne Epidermis mit hinwegzunehmen, abgekrazt wurden, lieferten mir 170 Gramme
                              Cerosin. Diese Substanz wurde erst zwei Monate nach ihrer Gewinnung gewogen. Ich
                              glaube, daß ich auf diese mechanische Weise nicht mehr als die Hälfte erhalten habe,
                              und daß wohl noch eben so viel auf dem Rohr zurükgeblieben ist.
                           Die 170 Gramme hinterließen nach dem Ausziehen der violetten Substanz mittelst
                              Alkohols 154 Gramme. – In einem andern Versuche erhielt ich durch das Schaben
                              mehr als 2 Gramme Cerosin von einem violetten Rohr.
                           Ein Morgen Zukerrohr gibt ungefähr 18,000 Rohrstengel, folglich 36 Kilogramme
                              Cerosin. Eine Pflanzung, die aus 300 Morgen Rohres besteht, könnte mehr als 10,000
                              Kilogr. Cerosin abwerfen.
                           
                        
                           
                           Ueber die Zusammensezung der Cerosins.
                           Hr. Dumas, welcher vorstehender Beschreibung das
                              unbedingteste Lob ertheilt, hat diese Substanz einer Analyse unterworfen. Nachdem er
                              sie zu diesem Zweke noch einmal in siedendem Alkohol aufgelöst hatte, ließ er sie
                              durch Erkalten krystallisiren, sammelte sie auf einem Filter, in welchem er sie
                              aussüßte und dann troknete. – Sie stellte alsdann feine, perlmutterglänzende,
                              sehr leichte, das Papier ganz und gar nicht fettende, demselben nicht anhängende,
                              und zwischen den Fingern sich nicht erweichende Blättchen dar. Folgendes ist das
                              Resultat seiner Analyse, in welchem er das Atomgewicht des Kohlenstoffs zu 75
                              annimmt:
                           
                              
                                 C⁹⁶
                                 3600
                                      81,4
                                 
                              
                                 H¹⁰⁰
                                   625
                                      14,1
                                 
                              
                                 O²
                                   200
                                        4,5
                                 
                              
                                 
                                 ––––
                                    –––––
                                 
                              
                                 
                                 4425
                                    100,0.