| Titel: | Ueber die Umstände, unter welchen der Dampf positive Elektricität entwikelt; von Dr. Karl Schafhäutl. | 
| Fundstelle: | Band 80, Jahrgang 1841, Nr. XXXII., S. 132 | 
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                        XXXII.
                        Ueber die Umstände, unter welchen der Dampf
                           positive Elektricität entwikelt; von Dr. Karl Schafhäutl.Die frühern Abhandlungen des Verfassers über diesen Gegenstand findet man im
                                 polytechn. Journal Bd. LXXIX. S. 197 und
                                 384.
                           
                        Aus dem Philosophical Magazine, Febr. 1841, S.
                              95.
                        Schafhaͤutl, uͤber die Umstaͤnde, unter
                           welchen der Dampf positive Elektricitaͤt entwikelt.
                        
                     
                        
                           In einer Unterredung mit Hrn. Bradley sagte mir derselbe,
                              daß der unter einem Druk von ungefähr 40 Atmosphären aus den Kesseln des Perkins'schen Dampfgewehrs austretende Dampf nur schwach die
                              Goldblättchen eines Volta'schen Condensators in Bewegung zu sezen im Stande sey. Da
                              ich die Meinung aussprach, daß die Elektricität des ausströmenden Dampfes in einiger
                              Beziehung zu der in dem Kessel sich bildenden Kruste oder Ueberzug stehe, lud er
                              mich ein, einige Versuche hierüber in der Adelaide
                                 Gallery anzustellen, um wo möglich diesen Punkt aufzuklären.
                           Da Hrn. Perkin's Kessel so construirt ist, daß sich keine
                              Inkrustirung bilden kann, so wählte ich zu meinen Versuchen einen gewöhnlichen Marcet'schen Kessel, welcher aus einem kugelförmigen
                              eisernen Gefäße bestand, das ungefähr 5 Zoll im Durchmesser hatte, in dessen
                              Verticalachse ein Queksilbermanometer und in einem Winkel von 45° zu
                              demselben auf der einen Seite ein Thermometer und auf der andern eine Auslaßröhre
                              mit einem Hahne eingelassen wurde. Der untere Theil des Kessels war natürlich von
                              Queksilber erfüllt, über welches auf eine Höhe von 1 1/4 Zoll destillirtes Wasser
                              geschüttet wurde. In der Richtung der Auslaßröhre wurde eine Glasgloke von 9 Zoll
                              Durchmesser und 5 Zoll Tiefe aufgehangen, so daß die Entfernung des obern Theiles
                              der Gloke von der Mündung dieser Röhre ungefähr 9 Zoll betrug. Ein Bündel
                              Kupferdrähte wurde hierauf mit einem Ende an die Scheibe eines Volta'schen
                              Condensators befestigt, und das andere Ende ausgebreitet und in die Glasgloke
                              gestekt. Das Wasser im Kessel wurde dann zum Sieden gebracht, und als die
                              Queksilbersäule auf 31 Zoll gestiegen war, der Hahn geöffnet; der austretende Dampf
                              condensirte sich in der Glasgloke in großer Menge und die Goldblättchen des
                              Volta'schen Condensators entfernten sich schon nach den ersten paar Secunden
                              augenbliklich, ganz auseinandergetrieben, sogar bei einem Druk von nur 23 Zoll.
                              Derselbe Fall fand auch statt, wenn man die condensirende Platte von dem Elektroskop
                              entfernte, und die Goldblättchen wurden jederzeit positiv elektrisirt gefunden.
                           Der Dampf unter demselben Druk gegen die Kupferdrähte ohne Anwendung der Gloke
                              geleitet, gab keine Spur Elektricität.
                           Das destillirte Wasser, welches von dem von der Innenseite des Kessels herrührenden
                              Eisenoxydhydrat eine rothe Farbe angenommen hatte, wurde nun mit einer gesättigten
                              Kochsalzlösung verwechselt, welche ungefähr einen 3/4 Zoll hohen Raum über dem
                              Queksilber einnahm. Im Uebrigen wurde der Versuch ganz auf die vorige Weise
                              wiederholt, aber es konnte keine Spur Elektricität entdekt werden.
                           Nachdem der größte Theil des Wassers verdampft war, wurde der Kessel geöffnet, das
                              abgesezte Salz entfernt und er nach gutem Auswaschen wieder mit destillirtem Wasser
                              gefüllt. Als der Dampf einen Druk von 31 Zoll erreicht hatte, so wie das erstemal,
                              öffnete man wieder den
                              Hahn wie damals und leitete den Dampfstrahl gegen das Innere der Glasgloke nach
                              allen möglichen Richtungen; allein die Goldblättchen des Condensators blieben
                              unbewegt, oder hatten, wenn auch positiv elektrisirt, doch das Bestreben, wieder
                              zusammenzufallen.
                           Ich mußte den Kessel noch einmal füllen und war darauf bedacht, gerade so viel Wasser
                              wie in dem ersten Versuche zu nehmen. Bei dem zweiten Versuch trennten sich die
                              Goldblättchen wieder. Beim dritten Versuch berührte der Dampfstrahl die Außenseite
                              der Glasgloke sowohl als die innere. Beim vierten Versuch war der Erfolg wie beim
                              ersten, und später konnte keine Wirkung mehr hervorgebracht werden.
                           Der Kessel wurde nun noch einmal gefüllt und da ich bemerkt zu haben glaubte, daß die
                              Goldblättchen nur dann auseinander traten, wenn der Dampf mit einem eigenthümlich
                              brausenden und brudelnden
                                 Geräusch aus der Röhre trat, welches von dem zischenden Ton, der das
                              Entweichen des reinen Dampfes gewöhnlich begleitet, ganz verschieden war, so lenkte
                              ich meine Aufmerksamkeit bei diesen Versuchen vorzüglich darauf hin.
                           Das Wasser hatte die Höhe von ungefähr 1 1/2 Zoll, und sobald die Queksilbersäule 32
                              Zoll erreicht hatte, öffnete ich mit der einen Hand den Hahn, während ich mit der
                              andern die Achse der Glasgloke in die Richtung des Dampfstrahls brachte. Der
                              brausende Ton war sogleich hörbar, das condensirte Wasser floß vom Rande des Glases
                              ab und die Goldblättchen trennten sich zu gleicher Zeit im größtmöglichen Winkel.
                              Nachdem ich die Scheibe des Elektroskops entladen hatte, öffneten sich die Blättchen
                              wieder um einige Grade, was auch noch ein drittes und viertes Mal der Fall war, so
                              oft als die vibrirende Gloke mit den Drähten in Berührung kam. Die nassen innern
                              Wände der Gloke hatten also nicht bloß eine Ladung erhalten, sondern einen Theil
                              derselben noch lange nachdem der Dampf im Zuströmen aufgehört hatte, zurükgehalten,
                              und ich war nun im Stande, die gewünschte Erscheinung so oft ich wollte
                              hervorzurufen, indem das Eintreten derselben lediglich von jenem Zustande des
                              entweichenden Dampfes abhing, welcher das brausende und brudelnde Geräusch
                              hervorbringt, und dieses trat nur dann ein, wenn der Kessel 1 1/2 Zoll hoch gefüllt
                              war, und hörte auf, wenn die siedende Schichte geringer wurde; die Dampfentweichung
                              ohne diesen eigenthümlichen Ton, sogar unter einem Druk von 32 Zoll, machte die von
                              einanderstehenden Goldblättchen wieder zusammenfallen.
                           Die Temperatur der Glasgloke schien von geringem Einfluß zu seyn, indem die Wirkung
                              sowohl beim ersten Versuch, wo das Glas ganz kalt war, als nachdem die Gloke nach
                              mehreren Versuchen warm geworden war, eintrat; die einzige erforderliche Bedingung war jene Beschaffenheit
                              des Dampfes, welche das obenerwähnte brausende Geräusch
                              hervorbringt. Nun scheint dieses Geräusch lediglich von dem plözlichen Sieden des
                              Wassers und der Verwandlung eines Theiles desselben in feinen Schaum herzurühren,
                              indem der unter diesen Umständen austretende und gegen die Innenseite der Gloke
                              sprizende Dampf eine große Menge Wasser absezt, welches in Tropfen, oft in Strömen,
                              von dem Rande der Gloke abläuft.
                           Der Kessel war isolirt und der Hahn wurde mit einem trokenen, zusammengefalteten,
                              seidenen Tuch geöffnet; aber die Unterlassung aller dieser Vorsichtsmaßregeln hatte
                              nicht im geringsten einen störenden Einfluß auf diese Erscheinungen; ein Beweis, daß
                              die in der Glasgloke entwikelte Elektricität des Dampfes nicht in dem Dampf während
                              seines Durchgangs durch die 3 Zoll lange metallene Auslaßröhre des Kessels enthalten
                              seyn konnte, da sonst alle Elektricität in diesem engen metallenen Durchgang
                              abgesezt worden wäre. Aber die Verdichtung des Dampfes in Form von Nebel scheint zur
                              Erzeugung von Elektricität nicht hinzureichen; vielmehr scheint dessen Verdichtung
                              zu tropfbarflüssigem Wasser unerläßlich zu seyn, wenigstens bei diesem Experiment,
                              wo die Elektricität ausschließlich von der Absezung des tropfbarflüssigen Wassers in
                              der Gloke abhängt, oder vielleicht in Beziehung zu der Absonderung dieses flüssigen
                              Wassers aus dem Dampfe steht.
                           Dieser Umstand, daß der Dampf in Nebelgestalt nicht im Stande ist, Spuren von freier
                              Elektricität zu zeigen, scheint uns ein Leitfaden zur Aufklärung eines bisher
                              unenthüllten Phänomens zu seyn, daß nämlich nur gewisse Wolken fähig sind, Gewitter
                              zu erzeugen. Eine gewöhnliche, nur aus Feuchtigkeit bestehende Wolke scheint einem
                              bloßen Dampfstrahl in der Glasgloke zu entsprechen, indem beide aus kleinen hohlen
                              Wasserkügelchen oder Bläschen bestehen und nur sehr wenig Feuchtigkeit in der
                              Glasgloke oder in der Luft absezen, welche sich endlich zu kleinen Regentropfen
                              sammelt. Sezt hingegen der Dampf schnell eine große Menge flüssigen Wassers ab,
                              welches in der Gewitterwolke jenen wohlbekannten Regenguß hervorbringt, dann wird
                              Elektricität in großen Quantitäten frei, so daß ein Strahl des aus dem Marcet'schen Kessel ausströmenden Dampfes in drei
                              Secunden dieselben Wirkungen auf die Goldblättchen des Elektroskops hervorbrachte,
                              wie ein kleiner Funke einer Elektrisirmaschine mit einer 9 Zoll breiten Glasscheibe,
                              welcher bei feuchter Witterung hervorgerufen ward. Ich muß hier nur noch bemerken,
                              daß die plözliche Abscheidung des Wassers in Tropfen in den Gewitterwolken, wie ich
                              dieß bei einer frühem Gelegenheit schon sagte, durch eine plözliche Compression und Abkühlung, an
                              welchen die heftigen Luftströme gegen den Mittelpunkt der Gewitterwolke Schuld sind,
                              hervorgebracht zu werden scheint, denn ich fand, wenn ich in einer Gewitterwolke
                              stand, daß das Hygroskop während des Zunehmens des Windes auf den höchsten Grad der
                              Feuchtigkeit stieg, während zu gleicher Zeit das Thermometer fiel, worauf
                              unmittelbar eine Absonderung von Wasser und ein Bliz, entweder in einem und
                              demselben Augenblik, oder kurz aufeinander, erfolgte. Es scheint daher, daß auch die
                              aus dem Krater eines Vulcans aufsteigende Dampfsäule sich in einem ähnlichen Zustand
                              wie der aus der Röhre eines Marcet'schen Kessels
                              austretende brudelnde Dampf befindet, und daß die dabei leuchtenden Blize der
                              Absonderung des flüssigen Wassers von dem Dampfe und Rauche zuzuschreiben seyen, was
                              ich in meiner ersten Mittheilung über diesen Gegenstand, bevor ich noch diese
                              Versuche zu machen in den Stand gesezt war, schon andeutete.
                           Bei Fortsezung der erwähnten Versuche fand ich, daß der Drahtbüschel, welcher mit dem
                              Elektroskop verbunden wurde, um die in dem Dampf vermuthete Elektricität zu
                              absorbiren, auch weggelassen werden kann, und es war weiter nichts nothwendig, als
                              die Glasgloke gegen den Strahl des austretenden Dampfes zu halten; sobald das
                              eigenthümlich brausende Geräusch anfing, ging zu gleicher Zeit die Durchsichtigkeit
                              des Dampfstrahls zu einer milchweißen Undurchsichtigkeit über, das Innere der Gloke
                              wurde sogleich mit Elektricität geladen, die Gloke mochte 9 oder 18 Zoll von der
                              metallenen Ausgangsröhre entfernt seyn. Wurde die Innenseite der Gloke während
                              dieses Zustandes mit dem Knopf des Elektroskops in Berührung gebracht, so
                              divergirten die Goldblättchen sogleich sehr stark und durch mehrmalige Wiederholung
                              dieses Experiments können leicht Funken erhalten werden.
                           Wurde ein Kupferdraht durch die Auslaßröhre in den Kessel eingelassen, der die Achse
                              des austretenden Dampfbüschels bildete, so änderte dieser Drath, wenn er der
                              Glasgloke auch innerhalb der Länge eines Zolls genähert wurde, nicht im geringsten
                              die beschriebenen Erscheinungen; ein weiterer Beweis, daß die sich zeigende freie
                              Elektricität nicht in dem austretenden Dampf enthalten war, sondern erst während der
                              Condensation in der Glasgloke entwikelt wurde. Zinnfolie, womit die Außenseite der
                              Gloke bis auf 1 1/4 Zoll vom Rande überzogen wurde, verminderte die Quantität der
                              Elektricität bedeutend. Wurden 1 1/2 Zoll von dieser Bekleidung hinweggethan, so
                              verhielt sich die Gloke als wäre sie gar nicht überzogen, was vielleicht bloß dem
                              aus der Gloke hervortretenden Dampfe, der mit der Folie, wenn sie dem Rande so
                              nahe ist, in Berührung kömmt, zuzuschreiben ist.
                           War das Wasser im Kessel mit Kochsalz oder mit schwefelsaurem Kalk gesättigt und
                              sogar ein schwacher Ueberschuß von Schwefelsäure vorhanden, so blieb der von den
                              beiden Goldblättchen gebildete Winkel derselbe, wie wenn destillirtes Wasser
                              angewandt wurde.
                           Aus diesen Versuchen kann nun sicher geschlossen werden, daß die beobachtete freie
                              positive Elektricität in diesem Falle nur der plözlichen Verdichtung und Absonderung
                              des Wassers vom Dampfe zuzuschreiben sey, an welcher in meinem Experiment die
                              Berührung des Dampfs mit der innern Fläche der Glasgloke Schuld ist, von deren
                              Flächeninhalt die Menge der entwikelten Elektricität größtentheils abhängt. In einer
                              Dampfmaschine hat die Luft, in welcher sich die Wolle erzeugt, dieselbe Function,
                              wie hier die Glasoberfläche, und bei Gewittern erzeugen die Luftströme, welche sich
                              gegen den Mittelpunkt der entstehenden Wolke drängen, die eigenthümliche plözliche
                              Verdichtung und Absonderung von einem ähnlichen Wassergas, wie es der mit dem
                              erwähnten trudelnden Geräusche aus der Röhre des Kessels austretende Dampfbüschel
                              ist.
                           Ich muß hier den Leser besonders aufmerksam machen, daß, so wie der Dampfbüschel nur
                              unter gewissen Umständen Elektricität entwikelt, nämlich wenn der Dampf mit sehr
                              fein zertheiltem Wasser vor seiner Expansion vermischt ist, so auch die
                              Gewitterwolke in Bezug auf ihr Wassergas und fein zertheiltes Wasser in einem
                              ähnlichen Zustande sich befinden muß, welcher von dem einer regnerischen Atmosphäre
                              sehr verschieden ist, in welch lezterer die Verdichtung des wässerigen Dampfs in
                              Gestalt von Wolken nur in den höchsten und kältesten Regionen gleichmäßig und
                              allmählich vor sich geht, und wo während ihres Niedersteigens in gewissen Abständen,
                              von den höchsten zu den niedersten Regionen, die Atmosphäre allmählich und
                              gleichmäßig ihre Feuchtigkeit zu entladen anfängt, bis der Hygrometer den
                              Sättigungspunkt anzeigt, wo dann die Tropfenbildung beginnt.
                           Die durch Verdampfung etc. entwikelte Elektricität kann sich niemals in einem
                              metallenen Kessel zeigen und ist unter den günstigsten Umständen so schwach, daß ihr
                              Vorhandenseyn von den ausgezeichnetsten Naturforschern lange geläugnet wurde, bis es
                              Hrn. Dr. Harris gelang, ihre
                              Gegenwart auf unbestrittene Weise darzuthun. Auch erleidet diese Elektricität von
                              zugleich auftretenden chemischen Wirkungen einen bedeutenden Einfluß, wie Hr. Pouillet klar bewiesen hat, was aber bei meinen Versuchen
                              nicht der Fall war.
                           Zugleich mit der positiven Elektricität, welche ein Strahl verdichteten Dampfes
                              liefert, wird in dem Kessel und dem Wasser, und zwar so weit ich es zu
                              beurtheilen im Stande bin, eben so starke negative Elektricität entwikelt. Die
                              negative Elektricität einer Locomotivmaschine aber muß nothwendig durch den
                              chemischen Verbrennungsproceß, welcher zugleich in sehr hohem Grade vor sich geht,
                              so wie auch durch andere Ursachen: die unvollkommene Isolirung, die Spizen und
                              scharfen Ränder, modificirt werden, und ich war nicht im Stande, in meinem kleinen
                              Kessel Spuren negativer Elektricität zu entdeken, wenn nicht auch zu gleicher Zeit
                              positive Elektricität in der Glasgloke sichtbar war.