| Titel: | Ueber die Conditionirung der Seide; von Hrn. Professor Dr. Egen. | 
| Fundstelle: | Band 80, Jahrgang 1841, Nr. XC., S. 353 | 
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                        XC.
                        Ueber die Conditionirung der Seide; von Hrn.
                           Professor Dr. Egen.Nachtrag zu der im polytechnischen Journal Bd.
                                    LXXVII. S. 439 enthaltenen Abhandlung.
                           
                        Auszug aus den Verhandlungen des Vereins zur Befoͤrderung des
                                 Gewerbfleißes in Preußen, 1840, 6te Lieferung, im polytechnischen
                                 Centralblatt 1841, Nr. 18 und 19.
                        Egen, uͤber die Conditionirung der Seide.
                        
                     
                        
                           Die zu Lyon im Jahre 1840 eingezogenen Erkundigungen brachten, statt der Nachricht
                              von der erfolgten königlichen Bestätigungsordonnanz der Talabot'schen Methode, nur die Kunde von mannichfachen Einreden, welche
                              die Seidenhändler, Moulinirer und Seidenproducenten der Einführung des neuen
                              Verfahrens entgegenstellten. Einen vollständigen Aufschluß gab aber erst die im
                              Oktober 1840 auf Befehl der Handelskammer in Lyon als Manuscript zur Vertheilung an
                              die Betheiligten gedrukte Schrift:
                           Nouvelles expériences pour l'essai en grand du
                                 conditionnement de la soie, par le procédé de M. M. L. Talabotfrères, faites à Lyon an mois d'Août
                                 1840, en vertu d'une décision de M. de Ministre de l'agriculture et du
                                 commerce, par les soins de la Chambre de commerce de la dite ville, et
                                 contradictoirement avec M. M. les délégués des Chambres de
                                 commerce de Nimes, Avignon et St. Etienne, et de la Chambre consultative de
                                 Privas. Lyon, Imprimerie deBarret1840.
                           Die neuen Verhandlungen und Untersuchungen sind für die Einführung des Talabot'schen Verfahrens wichtig, und legen für dessen
                              Genauigkeit und praktische Anwendbarkeit einen vollgültigen Beweis ab.
                           Die Resultate der angestellten Versuche sind so zusammengeordnet, wie sie auf die
                              drei vorzüglich vorgebrachten Einwürfe antworten.
                           
                        
                           I. Genauigkeit des Talabot'schen
                                 Verfahrens.
                           Im Allgemeinen sprachen mehrere Deputirte die Befürchtung aus, es könnten die
                              nothwendigen vielen und sehr genauen Abwägungen, besonders weil ein kleiner Fehler
                              in dem Gewichte der Proben auf den ganzen Ballen Seide von großer Bedeutung werde,
                              leicht zu Irrungen Veranlassung geben. Auf diesen Einwand antworteten die
                              Commissionsglieder, alle Abwägungen geschähen doppelt und durch geübte Hände, und
                              seyen von dem Director streng überwacht. Bei der geringsten Differenz zwischen den
                              beiden Abwägungen müßten sie wiederholt werden. Das Gewicht werde durch genaue
                              Waagen bestimmt, deren
                              Genauigkeit, Empfindlichkeit und guter Zustand unter genauer Aufsicht gehalten
                              werde.
                           Andere Deputirte machten den Einwand geltend, die Auswahl der dreißig Probestränge
                              (es wurde nämlich neuerdings festgesezt, statt der frühren 27 Stränge fernerhin 30
                              Stränge zur absoluten Austroknung zu verwenden) biete keine hinlängliche Garantie
                              einer beständigen Genauigkeit dar und scheine dem Mißbrauche zu weiten Spielraum zu
                              gestatten. Der Präsident erwiederte im Namen der Commission, daß die Angestellten,
                              die von dem Director gewählt wurden, als sachkundige und ehrenhafte Männer zu
                              betrachten wären, in deren Charakter man kein Mißtrauen sezen dürfe; der Director
                              selbst werde von der Handelskammer ernannt, und seine moralische und materielle
                              Verantwortlichkeit lege ihm die Pflicht auf, die Angestellten in ihren Verrichtungen
                              genau zu überwachen; die Handelskammer ernenne monatlich zwei Specialcommissäre, den
                              einen aus der Classe der Seidenhändler, den andern aus der Classe der
                              Seidenfabrikanten, welche die Condition täglich zu beaufsichtigen berufen seyen;
                              endlich stehe es sowohl dem Verkäufer als auch dem Ankäufer frei, bei der Auswahl
                              der Probestränge gegenwärtig zu seyn.
                           Welche Genauigkeit durch das neue Verfahren bei sorgfältiger Behandlung zu erreichen
                              sey, mußte durch Versuche nachgewiesen werden. Die folgenden Versuche wurden im
                              Laufe des Monats in Gegenwart der Deputirten angestellt.
                           Versuch 1. Ein Ballen französische Organsine wog netto = 114,860 Kilogramme.
                           Die Probebündel, jedes von 10 Strängen, wogen
                           
                              
                                 
                                   vor der Austroknung
                                   nach der Austroknung
                                      Verlust
                                 
                              
                                 Nr. 1
                                     526,650 Gramme.
                                     466,730 Gramme.
                                   12,84 Proc.
                                 
                              
                                  –   2
                                     525,670    
                                    –
                                     466,590    
                                    –
                                   12,67  –
                                 
                              
                                  –   3
                                     525,770    
                                    –
                                 
                                 
                                 
                              
                           Da die beiden Austroknungen bis auf 1/6 Proc. stimmen, so wurde das dritte Bündel
                              nicht getroknet. Das Conditionsgewicht des Ballens berechnet sich auf 112,058
                              Kilogr.; die Seide hatte also 12,75 Procent Feuchtigkeit, und durch das
                              Conditioniren 2,75 Proc. Gewicht verloren.
                           Versuch 2. Der Ballen wurde, nach Wegnahme von 30
                              Probesträngen, bei einem Gewichte von netto 113,33 Kilogr. der öffentlichen
                              Condition übergeben, welche das Conditionsgewicht zu 111,22 Kilogr. bestimmte.
                           Versuch 3. Nachdem der Ballen im Gewichte von 111,22 Kil.
                              aus der öffentlichen Condition zurükgeliefert war, wurden wieder 30 Probestränge
                              ausgewählt, und zwar wog das Bündel
                           
                           
                              
                                 
                                   vor der Austroknung
                                   nach der Austroknung
                                      Verlust
                                 
                              
                                 Nr. 1
                                     522,000 Gramme.
                                     470,800 Gramme.
                                   10,88 Proc.
                                 
                              
                                  –   2
                                     533,820    –
                                     481,050    –
                                   10,97  –
                                 
                              
                                  –   3
                                     523,700    –
                                 
                                 
                                 
                              
                           Da die beiden Austroknungen bis auf 1/10 Proc. stimmen, so blieb das dritte Bündel
                              unberüksichtigt. Das Conditionsgewicht des Ballens berechnet sich auf 110,293 Kil.,
                              welches von dem Conditionsgewichte des altern Verfahrens um 0,927 Kil. abweicht.
                              Berechnet man hingegen nach den Resultaten des ersten absoluten Austroknens den
                              Ballen von 113,282 Kilogr., so findet man ein Conditionsgewicht von 110,518 Kil.,
                              welches von den Resultaten der zweiten Operation nur um 0,225 Kil. oder um 1/5 Proc.
                              abweicht.
                           Versuch 4. Der Ballen Seide wurde jezt Abends strangweise
                              auf nasse Tücher gelegt, und der Haufen mit doppelten nassen Tüchern zugedekt. Die
                              Seide wog vor dieser Anfeuchtung 109,555 Kil., nach derselben am andern Morgen
                              110,597 Kil., hatte also 1,042 Kil. Feuchtigkeit, und zwar in sehr ungleichem Grade,
                              angenommen. Die Deputirten erkannten an, daß sich die Seide in einem durchaus
                              anomalen Feuchtigkeitszustande befinde.
                           Um dieß auch durch den Versuch nachzuweisen, wurde an drei Stellen, welche am
                              verschiedensten feucht zu seyn schienen, ein Strang Seide weggenommen, und diese
                              Stränge wurden absolut getroknet. Die drei Stränge wogen zusammen 0,153665 Kil., und
                              der erste enthielt 13,29 Proc., der zweite 11,59 Proc., der dritte 11,70 Proc.
                              Feuchtigkeit. Nunmehr wurden aus diesen Ballen 30 Stränge gewählt, und diese in drei
                              Bündeln von je 10 Strängen absolut getroknet. – Es wog:
                           
                              
                                 
                                   vor der Austroknung
                                   nach der Austroknung
                                      Verlust
                                 
                              
                                 Nr. 1
                                     528,500 Gramme.
                                     473,450 Gramme.
                                   11,63 Proc.
                                 
                              
                                  –   2
                                     508,720    
                                    –
                                     452,700    
                                    –
                                   12,37   –
                                 
                              
                                  –   3
                                     517,820    
                                    –
                                     464,100    
                                    –
                                   11,57   –
                                 
                              
                           Da die Verluste der beiden ersten Bündel um mehr als 1/2 Proc. von einander
                              abweichen, so mußte auch das dritte Bündel ausgetroknet werden. Die Deputirten
                              erklärten zu Protokoll: daß sie bei der absichtlich bewirkten so sehr ungleichen
                              Anfeuchtung der Seide über diese Differenz sich gar nicht wundern könnten.
                           Der mittlere Verlust beträgt 11,86 Proc. und das Conditionsgewicht des Ballens, unter
                              Hinzurechnung der weggenommenen Seide, 110,331 Kilogramme.
                           Versuch 5. Der angefeuchtete Ballen Seide wurde wieder
                              der Conditionirung nach dem ältern Verfahren übergeben. Statt der hinzugebrachten
                              Feuchtigkeit von 0,951 Proc. vom Bruttogewicht verlor derselbe nur 0,899 Proc., also
                              behielt die Seide 0,052 Proc. Feuchtigkeit zurük.
                           Versuch 6. Nach dieser Conditionirung wurden wieder 30
                              Stränge aus dem Ballen ausgewählt und diese nach dem neuen Verfahren behandelt. Es
                              fand sich das Bündelgewicht
                           
                              
                                 
                                   vor der Austroknung
                                   nach der Austroknung
                                      Verlust
                                 
                              
                                 Nr. 1
                                     490,400 Gramme.
                                     442,390 Gramme.
                                   10,85 Proc.
                                 
                              
                                  –   2
                                     504,550    –
                                     454,650    –
                                   10,97   –
                                 
                              
                                  –   3
                                     513,050    –
                                 
                                 
                                 
                              
                           Der mittlere Verlust beträgt 10,91 Proc. und das Conditionsgewicht des in seinem
                              Gewichte ergänzten Ballens berechnet sich daraus auf 110,325 Kilogr.
                           Hiemit wurde die erste Reihe von Versuchen am 8. August abgeschlossen. Die vier
                              Conditionirungen nach dem neuen Systeme hatten das folgende Handelsgewicht des
                              Ballens gegeben; nämlich
                           
                              
                                 
                                                       
                                    die erste
                                 = 110,518 Kilogr.
                                 
                              
                                 
                                                         –  
                                    zweite
                                 = 110,293   –
                                 
                              
                                 
                                                         –  
                                    dritte
                                 = 110,331   –
                                 
                              
                                 
                                                         –  
                                    vierte
                                 = 110,325   –
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                         Das Mittel
                                    betraͤgt
                                 = 110,367 Kil.
                                 
                              
                                 und die groͤßte
                                 Abweichung vom Mittel
                                 =    0,151  
                                    –
                                 
                              
                                 
                                                              oder
                                 =    0,137 Proc.,
                                 
                              
                           also beinahe 1/7 Proc.
                           Am 11. August wurde eine zweite Beobachtungsreihe vor mehreren neu angekommenen
                              Deputirten eröffnet. Der Deputirte Teraube von Privas
                              erklärte, daß er sehr bezweifle, ob aus der Untersuchung weniger Stränge auf den
                              Feuchtigkeitsgehalt des ganzen Ballens ein richtiger Schluß gemacht werden könne; er
                              könne selbst neuen, unter seinen Augen ausgeführten Versuchen dieser Art nur
                              geringen Werth beilegen. Der Deputirte Guérin von
                              Privas stimmte dieser Ansicht bei und wünschte, daß es möglich sey, einen ganzen
                              Ballen den Versuchen zu unterwerfen. Der dritte anwesende Deputirte hielt die
                              Versuche für ausreichend.
                           Versuche 7 und 8. Um nun den Wünschen der beiden ersten
                              Deputirten möglichst nachzukommen, wurden aus einem Ballen Organsine 6 Bündel von je
                              10 Strängen ausgewählt, 3 Bündel davon am 11. August und die drei andern am 12.
                              August den Versuchen unterworfen. Die drei ersten Bündel wogen
                           
                              
                                 
                                   vor der Austroknung
                                   nach der Austroknung
                                      Verlust
                                 
                              
                                 Nr. 1
                                     551,750 Gramme.
                                     481,780 Gramme.
                                   14,53 Proc.
                                 
                              
                                  –   2
                                     555,970    –
                                     485,040     –
                                   14,62   –
                                 
                              
                                  –   3
                                     562,020    –
                                 
                                 
                                 
                              
                           
                           Die drei andern Bündel wogen
                           
                              
                                 
                                   vor dem Austroknen
                                   nach dem Austroknen
                                      Verlust
                                 
                              
                                 Nr. 1
                                     546,900 Gramme.
                                     478,150 Gramme.
                                   14,38 Proc.
                                 
                              
                                  –   2
                                     568,650     –
                                     495,880     –
                                   14,67   –
                                 
                              
                                  –   3
                                     554,850     –
                                 
                                 
                                 
                              
                           Der mittlere Verlust des ersten Versuchs beträgt 14,57 Proc., der des zweiten
                              Versuchs 14,53 Proc.
                           Der Ballen wog, nach Wegnahme der 60 Stränge, netto
                              107,867 Kil. Sein Conditionsgewicht beträgt also
                           
                              
                                 nach dem ersten Versuche
                                 = 103,560 Kilogr.
                                 
                              
                                   –      –    zweiten    –
                                 = 103,600   –
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––
                                 
                              
                                          
                                    Unterschied
                                 =    0,040 Kil. oder 0,037
                                    Proc.,
                                 
                              
                           also beinahe 1/27 Proc. Die größte Abweichung der einzelnen
                              Versuche vom Mittel beträgt gegen /6
                              Proc.
                           Versuch 9. Nachdem die 60 Stränge von dem Ballen weggenommen worden, wurde derselbe
                              nach dem ältern Verfahren conditionirt. Die Seide mußte, des starken Verlustes beim
                              ersten Austroknen wegen, zum. zweitenmale ausgetroknet werden. Es ergab sich nach
                              48stündigem Austroknen ein Conditionsgewicht von 103,700 Kilogr.
                           Versuch 10. Nachdem der Ballen aus der öffentlichen
                              Condition zurükgebracht und sein Gewicht netto auf
                              103,712 Kil. bestimmt worden war, wurden wiederum 30 Stränge ausgewählt und diese
                              untersucht. Man fand das Gewicht
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                   vor dem Austroknen
                                   nach dem Austroknen
                                      Verlust
                                 
                              
                                 vom
                                 Bündel
                                 Nr. 1
                                       543,470
                                    Gr.
                                       492,950
                                    Gr.
                                   10,25 Proc.
                                 
                              
                                   –
                                    –
                                  –   2
                                       529,050
                                    –
                                       480,550
                                    –
                                   10,09   –
                                 
                              
                                   –
                                    –
                                  –   3
                                       532,820
                                    –
                                 
                                 
                                 
                              
                           
                              
                                     Der mittlere Verlust beträgt also 10,17
                                    Proc., woraussich das Conditionsgewicht des Ballens berechnet
                                    auf:
                                 
                              
                                 
                                 103,546 Kilogr.
                                 
                              
                                     Dasselbe
                                    wurde früher bestimmt zu
                                 103,560   –
                                 
                              
                                     und
                                    zu
                                 103,600   –
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––
                                 
                              
                                     Das Mittel
                                    beträgt
                                 103,569 Kilogr.
                                 
                              
                                     Die größte
                                    Abweichung vom Mittel
                                     0,031  
                                    –
                                 
                              
                                     oder
                                     0,030 Proc., also 1/33
                                    Proc.
                                 
                              
                           Versuch 11. Aus einem Ballen Trame, wiegend 79,618 netto und aus 380 Strängen bestehend, wurden 30 Stränge
                              dadurch ausgewählt, daß beim Nachzählen der 13te Strang ausgeworfen wurde. Die
                              anwesenden Deputirten erkannten protokollarisch an, daß nach diesem Verfahren die
                              ausgewählten Stränge den Mittlern Feuchtigkeitszustand darstellen müßten. Man fand
                              das Gewicht
                           
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                   vor dem Austroknen
                                   nach dem Austroknen
                                     Verlust
                                 
                              
                                 vom
                                 Bündel
                                 Nr. 1
                                       305,710
                                    Gr.
                                       269,570
                                    Gr.
                                   13,41 Proc.
                                 
                              
                                   –
                                    –
                                  –   2
                                       305,800
                                    –
                                       270,120
                                    –
                                   13,21   –
                                 
                              
                                   –
                                    –
                                  –   3
                                       307,600
                                    –
                                 
                                 
                                 
                              
                           Der mittlere Verlust beträgt also 13,31 Proc., wovon die einzelnen Versuche nur um
                              1/10 Proc. abweichen. Daraus berechnet sich das Conditionsgewicht des Ballens zu
                              77,293 Kilogr.
                           Versuch 12. Der Ballen Trame, von einem Nettogewichte von
                              78,68 Kilogr., wurde der öffentlichen Conditionirung übergeben. Das
                              Conditionsgewicht wurde bestimmt nach 48stündiger Austroknung auf 76,86 Kilogr.
                           Am 14. August wurde hiemit die zweite Reihe von Beobachtungen abgeschlossen. Die
                              Deputirten Teraube und Guérin erkannten jezt die ausreichende Genauigkeit des Verfahrens
                              an. Sie trugen aber darauf an, daß alle Abwägungen doppelt, von zwei verschiedenen
                              Angestellten und auf zwei verschiedenen Waagen, geschehen möchten. Die Commission
                              erkannte diese Forderung als begründet an.
                           Die dritte Reihe von Versuchen wurde am 17. August eröffnet, nachdem sich wieder
                              mehrere neue Deputirte eingefunden hatten. Da die Resultate der früheren Versuche
                              vorlagen und nicht in Zweifel gestellt werden konnten, so wurde durch die folgenden
                              Versuche, wenigstens theilweise, eine Prüfung des Verfahrens von anderen Seiten
                              beabsichtigt.
                           Versuch 13. Nachdem der früher (Versuch 11 und 12)
                              benannte Ballen Trame aus der öffentlichen Condition zurükgebracht worden war,
                              wurden 30 Stränge ausgewählt und diese untersucht. Man fand das Gewicht
                           
                              
                                 
                                 
                                   vor dem Austroknen
                                   nach dem Austroknen
                                      Verlust
                                 
                              
                                 des Bündels
                                 Nr. 1
                                       301,060
                                    Gr.
                                       271,640
                                    Gr.
                                   10,83 Proc.
                                 
                              
                                  –    
                                    –
                                  –   2
                                       296,800
                                    –
                                       267,980
                                    –
                                   10,76   –
                                 
                              
                                  –    
                                    –
                                  –   3
                                       302,820
                                    –
                                 
                                 
                                 
                              
                           Der mittlere Verlust beträgt also = 10,80 Proc., die Abweichung vom Mittel 1/25 Proc.
                              und das Conditionsgewicht des um 30 Stränge verminderten Ballens 76,290 Kilogr.,
                              welches nach Versuch 11 beträgt: 76,401 Kilogr. Der Unterschied macht 0,111 Kilogr.
                              oder 1/7 Proc. aus.
                           Versuch 14. Es wurde jezt ein Ballen Seide von doppelten
                              Cocons (soie doupion) von 50,220 Kil. netto gebracht und, da jeder Strang derselben gegen 290
                              Gramme wog und nicht getheilt werden durfte, nur 18 Stränge ausgewählt und diese in
                              drei Bündel von je 6 Strängen vereinigt. Jedes Bündel war so groß, daß es in drei Abcheilungen, in
                              drei verschiedenen Apparaten getroknet werden mußte. Die Austroknungen dauerten 5
                              bis 6 Stunden. Man fand das Gewicht
                           
                              
                                 
                                 
                                   vor dem Austroknen
                                   nach dem Austroknen
                                      Verlust
                                 
                              
                                 vom Bündel
                                 Nr. 1
                                       1,933
                                    Kil.
                                       1,713900 Kil.
                                   12,77 Proc.
                                 
                              
                                   –      –
                                  –   2
                                       1,759  –
                                       1,563850  –
                                   12,47   –
                                 
                              
                                   –      –
                                  –   3
                                       1,785  –
                                 
                                 
                                 
                              
                           Der mittlere Verlust beträgt also 12,62 Proc., wovon die Beobachtungen nur um 1/6
                              Proc. abweichen; das Conditionsgewicht des um 18 Stränge verminderten Ballens ist =
                              43,694 Kil.
                           Versuch 15. Die öffentliche Condition bestimmte dieses
                              Gewicht zu 43,57 Kil.
                           Versuch 16. Das Gewicht des zurükgelieferten Ballens fand
                              sich 43,550 Kil. Man wählte wieder 18 Stränge aus und behandelte diese wie früher.
                              Man fand das Gewicht
                           
                              
                                 
                                 
                                   vor dem Austroknen
                                   nach dem Austroknen
                                      Verlust
                                 
                              
                                 vom Bündel
                                 Nr. 1
                                       1,919
                                    Kil.
                                       1,749820 Kil.
                                   9,66 Proc.
                                 
                              
                                   –      –
                                  –   2
                                       1,633  –
                                       1,487970  –
                                   9,74   –
                                 
                              
                                   –      –
                                  –   3
                                       1,687  –
                                 
                                 
                                 
                              
                           Der mittlere Verlust betraͤgt also 9,70 Proc., wovon die Beobachtungen nur um
                              1/25 Proc. abweichen.
                           Das Conditionsgewicht berechnet sich nach diesen Versuchen
                           
                              
                                 
                                 = 43,666 Kilogr.
                                 
                              
                                 nach den früheren Versuchen
                                 = 43,694   –
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––
                                 
                              
                                 so daß das Mittel beträgt
                                 = 43,680 Kilogr.
                                 
                              
                                 die Abweichung vom Mittel
                                 =   0,014   –
                                 
                              
                                 also
                                 =   0,032 Proc. oder 1/32 Proc.
                                 
                              
                           Versuch 17. Es wurde ein Ballen roher Nähseide (rondelette écrue) von einem Nettogewichte von
                              26,050 Kil. und aus 18 Päkchen bestehend, herbeigeschafft. Aus 15 Päkchen wurden aus
                              jedem 2 Flotten, also im Ganzen 30 Flotten gezogen und diese in 3 Bündel vereinigt.
                              Es wog nun
                           
                              
                                 
                                 
                                   vor dem Austroknen
                                   nach dem Austroknen
                                      Verlust
                                 
                              
                                 das Bündel
                                 Nr. 1
                                       337,130
                                    Gr.
                                       302,490
                                    Gr.
                                   11,45 Proc.
                                 
                              
                                 
                                    –      –
                                  –   2
                                       423,200
                                    –
                                       379,070
                                    –
                                   11,64   –
                                 
                              
                                 
                                    –      –
                                  –   3
                                       306,400
                                    –
                                 
                                 
                                 
                              
                           Der mittlere Verlust beträgt also 11,55 Proc. und die Abweichung vom Mittel 1/10
                              Proc. Das Conditionsgewicht des um 30 Flotten verminderten Ballens berechnet sich zu
                              24,634 Kilogr.
                           Versuch 18. Die öffentliche Condition bestimmte das
                              Gewicht des Ballens auf 24,530 Kil.
                           
                           Versuch 19. Nachdem der Ballen aus der öffentlichen
                              Condition zurükgebracht worden war, wurden wieder 30 Flotten ausgewählt, diese in
                              drei Bündel vertheilt und dann der Untersuchung unterworfen. Man fand das Gewicht
                              des Bündels
                           
                              
                                 
                                   vor dem Austroknen
                                   nach dem Austroknen
                                      Verlust
                                 
                              
                                 Nr. 1
                                     329,250 Gramme.
                                     293,970 Gramme.
                                   9,67 Proc.
                                 
                              
                                  –   2
                                     339,000    –
                                     309,080    –
                                   9,68   –
                                 
                              
                                  –   3
                                     379,080    –
                                 
                                 
                                 
                              
                           Der mittlere Verlust beträgt demnach 9,72 Proc., die Abweichung vom Mittel 1/25 Proc.
                              und das Conditionsgewicht des Ballens
                           
                              
                                 nach diesem Versuche
                                 24,591 Kilogr.
                                 
                              
                                 nach einem früheren Versuche
                                 24,634   –
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––
                                 
                              
                                 also im Mittel
                                 24,612 Kilogr.
                                 
                              
                                 Die Abweichung vom Mittel
                                   0,022   –
                                 
                              
                                 also
                                   0,089 Proc. oder 1/11 Proc.
                                 
                              
                           Versuche 19 bis 24. Es wurden in diesen sechs Versuchen
                              erstens aus einem Ballen französischer Organsine und zweitens aus einem Ballen
                              Organsine, welche aus Rohseide, genannt royale de
                                 Naples, gesponnen war, in derselben Art wie früher Versuche angestellt. Es
                              wurde das Conditionsgewicht bestimmt
                           
                              
                                 
                                 vom ersten,
                                 vom zweiten Ballen
                                 
                              
                                 nach dem ersten Versuche
                                 67,219 Kil.
                                      83,437
                                    Kil.
                                 
                              
                                   –    
                                    –    zweiten  
                                    –
                                 67,221  –
                                      83,283  –
                                 
                              
                                 durch die öffentliche Condition
                                 67,590  –
                                      84,551  –
                                 
                              
                                 Mittel aus den beiden ersten
                                    Versuchen
                                 67,220  –
                                      84,360  –
                                 
                              
                                 Abweichung vom Mittel
                                   0,001  –
                                        0,077  –
                                 
                              
                                 oder in Procenten
                                   0,001 Proc.
                                        0,088 Proc.
                                 
                              
                                 also
                                   1/1000 –
                                        1/11    –
                                 
                              
                           Nachdem diese von den Deputirten selbst angeordneten und in ihrer beständigen
                              Gegenwart angestellten Versuche abgeschlossen waren, erklärten sie einstimmig zu
                              Protokoll, daß sie das neue Verfahren jezt für genau erachteten, jedoch unter der
                              Voraussezung, daß die Auswahl der Probestränge stets mit so großer Sorgfalt
                              geschehe, als sie vor ihren Augen ausgeführt worden sey.
                           Es läßt sich allerdings nicht verkennen, daß, wenn man voraussezen dürfte, es könne
                              ein unredlicher Beamter im Solde eines unredlichen Seidenhändlers stehen und dieser
                              die Auswahl der Probestränge zu besorgen haben, mehrere Wege denkbar sind, auf denen
                              bei dem neuen Verfahren ein bedeutender Betrug stattfinden könnte. Aber das ältere
                              Verfahren schüzt unter solchen Voraussezungen eben so wenig vor Betrug.
                           
                           Der Deputirte Gaucherand von Privas erklärte die im Laufe
                              des Monats August ausgeführten Versuche zwar als überzeugende Beweise für die
                              Genauigkeit des neuen Verfahrens, aber er stellte in Zweifel, ob sich dieser Beweis
                              erfahrungsmäßig für alle Monate des Jahres ergeben werde. Man entgegnete ihm von
                              Seiten der Commission, daß dieser Beweis in den vom 5. Novbr. 1838 bis zum 12.
                              Julius 1839 ausgeführten Versuchen geliefert worden sey. Gaucherand entgegnete, daß diese Versuche mit den dießjährigen nicht in
                              Parallele gestellt werden dürften, da sie nicht contradictorisch ausgeführt worden
                              seyen. Die Deputirten Champanchet und Itty schlossen sich diesen Ansichten an; man meinte, es
                              müßten neue Versuche in den drei noch übrigen Jahreszeiten angestellt werden. Nach
                              mehreren Erörterungen beschränkte man die Forderung auf die Anstellung von Versuchen
                              in den lezteren beiden Wochen im nächsten November und December; man würde erst
                              durch diese Versuche über die Abweichungen in den Resultaten des alten und neuen
                              Verfahrens urtheilen können.
                           Der Präsident erklärte im Namen der Commission, sie halte die geforderten Versuche
                              für unnöthig.
                           Es ist nicht einzusehen, wie die Jahreszeiten auf die Genauigkeit des Talabot'schen Verfahrens einwirken können, wenn man nicht
                              annehmen will, daß die Ungleichheiten in der Vertheilung der Feuchtigkeit in den
                              Seidenballen mit den Jahreszeiten sich dergestalt ändern, daß dadurch die
                              Genauigkeit des Verfahrens beeinträchtigt werde.
                           Die anderweitige Bemerkung, daß nämlich das Verhältniß zwischen den Resultaten des
                              alten und neuen Verfahrens sich mit den Jahreszeiten ändern müsse, erscheint mehr
                              begründet. Die auf diesen Punkt sich stüzende Opposition hat aber in einem
                              Vorschlage der Commission ihren Halt verloren.
                           
                        
                           II. Nachtheilige Veränderung der Seide
                                 durch das absolute Austroknen.
                           Die meisten Deputirten wiederholten vor der Commission die Behauptung, die Seide
                              erleide durch die absolute Austroknung bei der über die Siedhize steigenden
                              Temperatur (106–108° C. oder 85 bis 88° R.) eine nachtheilige
                              Veränderung. – Auf die Bemerkung der Commission, daß, wenn auf die Seide
                              durch das absolute Austroknen nachtheilig eingewirkt werde, dieß durch die
                              Fabrikanten, die mehr dabei betheiligt seyen, als die Moulinirer, hätte gerügt
                              werden müssen, während von dieser Seite nie eine Klage dagegen erhoben worden sey, erwiederte der
                              Deputirte Teraube: vielleicht rühre das Ausbleiben
                              solcher Klagen daher, weil nur kleine Massen Seide seyen absolut ausgetroknet
                              worden; oder auch, weil vielleicht die Fabrikanten in dem aus der größern Strenge
                              des neuen Verfahrens hervorgehenden Vortheile eine hinlängliche Entschädigung für
                              die Entwerthung der wenigen Stränge Seide gefunden hätten.
                           Es blieb also kein anderer Ausweg übrig, als die Deputirten durch directe Versuche
                              von ihrer irrigen Ansicht abzubringen.
                           Es wurde bestimmt, daß aus einem Ballen Organsine, der zur Untersuchung des
                              Conditionsgewichts nach beiden Verfahrungsarten bestimmt worden, einige absolut
                              getroknete und einige bloß durch die öffentliche Kondition gegangene Stränge sollten
                              abgehaspelt werden, um aus dem verschiedenen Verhalten der Seide und dem Abfall
                              ihren Unterschied beurtheilen zu können. Die Deputirten mußten vorab anerkennen, daß
                              die aus dem Apparate des absoluten Austroknens gezogenen Stränge weder in ihrem
                              Ansehen, noch in ihrem Nerv, die geringste nachtheilige Veränderung erkennen ließen.
                              Die Seide zeigte sich zwar ein wenig entfärbt, sie hatte aber auch beim Troknen
                              einen schwachen Seifengeruch ausgehaucht. Beim Reiben der Seide fiel kein Atom Staub
                              ab. – Es wurden darauf 2 Stränge Trame von 28 Deniers, die absolut getroknet
                              worden waren, und wovon der eine Strang rosa, der andere blau, beide in zarter
                              Farbe, gefärbt waren, untersucht. Sie hatten in ihrem äußern Ansehen, ihrer Farbe
                              und ihrem Griff so wenig Veränderung erlitten, daß sie von ungetrokneten Strängen
                              durchaus nicht zu unterscheiden waren. – Teraube
                              wandte gegen das Abhaspeln der conditionirten Organsine ein, die Seide sey zum
                              Probehaspeln zu stark, nämlich von 24/26 d. Feinheit. Er
                              lieferte dagegen 4 Stränge Organsine von 18/20 d. ein,
                              wovon zwei absolut getroknet wurden und die beiden andern unberührt blieben. Die
                              Elasticität fand sich vollkommen gleich, indem Fäden von 10 Zoll Länge sich um 2
                              Zoll ausstreken ließen. Beim Abhaspeln zeigte sich nicht der mindeste Unterschied.
                              Ferner wurden einige absolut getroknete Stränge Grège von 9/10 d. mit anderen nicht
                              getrokneten Strängen verglichen. Die getrokneten Stränge zeigten eine kaum
                              merkliche, gar nicht in Betracht zu ziehende Entfärbung. Beim Abhaspeln konnte kein
                              Unterschied wahrgenommen werden. Die sämmtlichen Deputirten standen darum auch nicht
                              länger an, einstimmig und unbedingt zu Protokoll zu erklären, daß die Seide durch
                              das absolute Austroknen keine nachtheilige Veränderung erleide.
                           Es wurden am 14. Oktober einige Flotten Grège von
                              9/10 d., welche absolut getroknet worden waren, und zu
                              gleicher Zeit einige Flotten ungetrokneter Seide aus demselben Ballen gehaspelt. Es stellte sich dabei
                              nicht der geringste Unterschied im Verhalten der Seide heraus, obgleich die
                              getrokneten Stränge 6 Proc. Feuchtigkeit wieder angenommen hatten.
                           Von 1 2/5 Kilogr. italienischer Grège von 9/10 d. wurde die eine Hälfte absolut getroknet und die
                              andere Hälfte der freien Luft ausgesezt. Beide Hälften wurden dann 4 Stunden lang im
                              Keller aufgehängt, wonach die absolut getroknete Seide 6 Proc. Feuchtigkeit wieder
                              angenommen hatte und sich in sehr wenig merklichem Grade entfärbt zeigte. Beim
                              Abhaspeln fand sich nicht der geringste Unterschied zwischen der getrokneten und
                              nicht getrokneten Seide, wie dieses die anwesenden Deputirten durch protokollarische
                              Erklärung anerkannten.
                           Gamot, der Dirigent der Probecondition, unter dessen
                              umsichtiger und sachkundiger Leitung alle Versuche in den Jahren 1838, 1839 und 1840
                              ausgeführt worden waren, sagt in seinem der Commission abgestatteten Schlußberichte,
                              die getroknete Seide habe schon beim ersten Probehaspeln sogar einen entschiedenen
                              Vorzug vor der nicht getrokneten Seide zu erkennen gegeben. Ihr Nerv sey vermehrt
                              worden, die Fäden hätten weniger stark zusammengeklebt und seyen stärker erschienen.
                              Das zweite Probehaspeln der italienischen Grège
                              von wenig Nerv hätte die frühere Ansicht so vollständig bestätigt, daß diese
                              Erfahrung als eine für die Moulinage wichtige Entdekung möchte angesehen werden
                              können.
                           
                        
                           III. Wie viel Procent soll dem Gewichte
                                 der absolut trokenen Seide zugesezt werden, um das Conditions- oder
                                 Handelsgewicht zu erhalten?
                              
                           Die Festsezung, daß zum Gewichte der absolut trokenen Seide 10 Proc. zugesezt werden
                              sollen, um das Handelsgewicht zu erhalten, entbehrte eigentlich jedes rechtlichen
                              Grundes und überhaupt irgend eines haltbaren Princips; die Annahme hatte sich wohl
                              eigentlich mehr durch die bequeme Zahl, besonders in dem decimalsüchtigen
                              Frankreich, als durch vorliegende Sachgründe empfohlen. Auch möchte es schwer
                              halten, irgend ein Princip von allgemeinerer Gültigkeit für die Bestimmung des
                              zulässigen Grades der Feuchtigkeit aufzufinden. Die mittlere Feuchtigkeit der Seide
                              im natürlichen Zustande als Normalzustand festzusezen, ist unthunlich, weil dieser
                              Feuchtigkeitszustand nicht allein mit den Jahreszeiten, sondern auch mit
                              Ortsverhältnissen außerordentlichen Abweichungen unterworfen ist. Nach den früher
                              mitgetheilten Versuchen zeigt die in Beaucaire an der Luft getroknete Seide nur 9,2 Proc.
                              Feuchtigkeit, während dieselbe, kaum in Lyon angekommen, schon 10,7 Proc.
                              Feuchtigkeit besaß, und die in Lyon conditionirte Seide meistens gegen 14 Proc.
                              Feuchtigkeit enthält. In unseren nördlichen Gegenden, besonders in den Gebirgen und
                              an Flüssen, wird die Seide durchschnittlich noch mehr Feuchtigkeit aufnehmen.
                           Der reine Theoretiker möchte sagen, es könne dem Seidengeschäfte gleichgültig seyn,
                              welcher Zusaz für Feuchtigkeit gesezlich bestimmt werde; wenn es den Betheiligten
                              nur bekannt ist, wie viel Pfund reine Seide und wie viel Pfund Wasser der
                              conditionirte Ballen Seide enthält, so könne sich Jeder selbst die Rechnung stellen.
                              Eine solche Sprache würde aber die größte Unkenntniß mit dem Gange kaufmännischer
                              Geschäfte verrathen, da es keinem Zweifel unterworfen seyn kann, daß die gesezliche
                              Festsezung eines hohen Feuchtigkeitsgrades dem Producenten und Händler, die eines
                              niedrigen Grades aber dem Fabrikanten und Consumenten von Vortheil seyn wird.
                           Dieses hatten die Deputirten aus den Seide producirenden Departements so wohl
                              begriffen, daß sie alle, mit einer einzigen Ausnahme und von der ersten Sizung an
                              bis zur lezten, gegen den Zuschlag von nur 10 Proc. für Feuchtigkeit auf das
                              ernsteste protestirten. Sie stellten als Grundsaz auf, die neue Condition dürfte
                              durchschnittlich nicht strenger seyn, als die alte; d.h. das neue Verfahren dürfe
                              durchschnittlich kein geringeres Handelsgewicht ermitteln, als dieß von dem alten
                              Verfahren bisher geschehen sey, sonst leide darunter Producent und Moulinirer. Wenn
                              auch das alte Conditionsverfahren ungenau sey, so würde bald dem Verkäufer, bald dem
                              Ankäufer ein Vortheil zugewandt, und diese Vortheile und Verluste würden sich, auf
                              viele Fälle vertheilt, ziemlich ausgleichen. Würde aber durch das neue Verfahren
                              gesezlich eine bisher im öffentlichen Verkehre nicht gebräuchliche Strenge im
                              Conditioniren eingeführt, so falle stets der Nachtheil auf die eine und der Vortheil
                              auf die andere Seite.
                           Diesen Gründen scheint die Commission nichts Haltbares entgegenzusezen vermocht zu
                              haben. Es kam also darauf an, zu ermitteln, ob und in welchem Verhältnisse das neue
                              Verfahren strenger sey, als das alte.
                           Lardon, Deputirter von St. Etienne und Director der
                              dortigen Condition, erklärte, daß vielfachen Versuchen zufolge die dort
                              conditionirte Seide, welche Austroknung freilich unter dem Einflusse anderer
                              atmosphärischer Verhältnisse stattfinde, als in Lyon, kaum 9 1/4 Proc. Feuchtigkeit
                              noch enthalte. Dagegen bemerkte aber ein zweiter Deputirter aus St. Etienne, daß der
                              in der dortigen Condition unterhaltene Hizegrad unter den vorhandenen atmosphärischen
                              Verhältnissen schon zu Reclamationen Veranlassung gegeben habe, daß man aber diese
                              Reclamationen nicht weiter verfolgt, nicht, weil man sie etwa für unbegründet
                              gehalten, sondern weil man erwarte, daß bald das neue bessere Verfahren das alte
                              ohnehin verdrängen werde.
                           Um nun zu ermitteln, in welchem Verhältnisse das neue Verfahren eine schärfer
                              getroknete Seide als das alte Verfahren in Rechnung bringe, wurden die folgenden
                              Resultate der in den Jahren 1838, 1839 und 1840 nach dem alten und neuen Verfahren
                              untersuchten Seidenballen zusammengestellt. Die Procentweise berechneten Verluste
                              sind leider auch hier wieder auf das veränderliche Gewicht der Seide im feuchten,
                              nicht auf das constante Gewicht der Seide im absolut trokenen Zustande bezogen, so
                              daß die berechneten Mittel nicht scharf mathematisch richtig sind.
                           Die mit * bezeichneten Gewichtsverluste sind nach 24stündiger, die übrigen nach
                              48stündiger Austroknung erfolgt. Die meteorologischen Beobachtungen sind aus den
                              Registern des Observatoriums in Lyon entnommen und beziehen sich auf den Mittag des
                              bezüglichen Tages. Die Hygrometerangaben scheinen nicht viel Zutrauen zu
                              verdienen.
                           
                           Tabellarische Zusammenstellung der Resultate mehrerer
                                 Conditionirungen der Seide nach dem alten und neuen Verfahren.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 80, S. 366-367
                              Datum; Atmosphärische Zustände;
                                 Thermometer C.; Hygrometer; Wind; Wetter; Art der Seide; Altes B.; Altes
                                 Verfahren; Gewicht in Kilogr. vor der Conditionir; Verlust in Procenten; Neues
                                 Verfahren; Der Verlust beim neuen Verfahren ist; kleiner Procente; größer
                                 Procente; Bemerkungen; Der Ballen kommt aus der öffentl. Condit.; Der Ballen
                                 unter beide Condit. getheilt; Der Ball. kommt spät in die öffentl. Cond.
                              
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 80, S. 368-369
                              Datum; Atmosphärische Zustände;
                                 Thermometer C.; Hygrometer; Wind; Wetter; Art der Seide; Altes Ve Altes
                                 Verfahren; Gewicht in Kilogr. vor der Conditionir; Verlust in Procenten; größer
                                 Procenten; Bemerkungen; Der Ball. wird unter beide Comb. geth.; Der Ball. kommt
                                 spät in die öffentl. Cond.
                              
                           
                           Die vorstehenden Beobachtungen geben die folgenden sehr wichtigen Resultate:
                           1) Nach dem Mittel aus allen Beobachtungen hat das neue Verfahren die conditionirte
                              Seide in den 63 Versuchen um 0,521 Proc. vom Gewichte der feuchten Seide, also um
                              0,567 Proc. vom Gewichte der absolut trokenen Seide, stärker ausgetroknet
                              dargestellt, als das alte Verfahren.
                           2) Die Mangelhaftigkeit des alten Verfahrens tritt aus den angestellten Versuchen
                              wieder sehr augenfällig hervor. Nicht allein zeigen die einzelnen Beobachtungen
                              Abweichungen von zwei und mehr Procent, sondern auch die Mittel der Beobachtungen
                              aus dem November und December 1838, aus dem Januar, Februar, März, April und Mai
                              1839, und aus dem Junius, Julius 1839 und August 1840, welche der Verfasser in drei
                              Gruppen zusammengestellt hat, weichen um 0,7 Proc. von einander ab. Diese Abweichung
                              mag theils darin liegen, daß in der zweiten Periode, wo die Seide am feuchtesten die
                              öffentliche Condition verließ, die Seide sehr feucht zur Condition gebracht und
                              dennoch verhältnißmäßig am seltensten die doppelte Conditionszeit getroknet wurde;
                              anderntheils kann aber auch, bei einem so mangelhaften Verfahren und bei den nicht
                              sehr zahlreichen Beobachtungsreihen, der Zufall die großen Ungleichheiten in den
                              Gesammtresultaten der drei Beobachtungsgruppen herbeigeführt haben. Das Mittel aus
                              den drei einzelnen Mittelzahlen beträgt 0,616 Proc., so daß also hienach das neue
                              Verfahren die Seide um 0,682 Proc. vom Gewichte der absolut trokenen Seide trokener
                              darstellt, als das alte Verfahren. Aus den vorstehend angeführten Gründen muß aber
                              die oben ermittelte Abweichung von 0,576 Proc. zwischen den beiden Verfahrungsarten
                              für die richtigere gehalten werden.
                           3) Nach diesen Versuchen konnte es keinem Zweifel mehr unterworfen seyn, daß das alte
                              Verfahren in Lyon im Mittel mehr als 10 Proc. Feuchtigkeit in der conditionirten
                              Seide zurüklasse, daß also, wenn bei Einführung des neuen Verfahrens nur 10 Proc.
                              vom absoluten Gewichte für Feuchtigkeit hinzugerechnet würden, damit ein offenbarer
                              Nachtheil der Seidenproducenten und Moulinirer verknüpft sey. Darum trugen auch
                              sämmtliche Deputirte, mit Ausnahme eines einzigen, darauf an, wenigstens 11 Proc.
                              für Feuchtigkeit in Anrechnung zu bringen; drei Deputirte beantragten sogar den
                              augenscheinlich übertriebenen Saz von 12 Proc. Der leztere Antrag, so wie auch die
                              Forderung mehrerer Deputirten, es mochten noch ein ganzes Jahr hindurch, oder wenigstens
                              in den noch übrigen Monaten des laufenden Jahres, vergleichende Versuche mit dem
                              alten und neuen Verfahren in Gegenwart von Deputirten der Seidenproducenten und
                              Moulinirer angestellt werden, wurde von der Commission abgelehnt.
                           Am 2. Sept. versammelte sich die Commission zu ihrer Schlußsizung. Nach reiflicher
                              Erwägung aller vorliegenden Thatsachen vereinigte sie sich zu folgenden
                              Beschlüssen:
                           1) Es bleibt erwiesen, daß die Auswahl von 30 Strängen aus einem Ballen Seide
                              hinreicht, um darnach genau das absolute Gewicht des ganzen Ballens bestimmen zu
                              können.
                           2) Es bleibt ebenfalls erwiesen, daß die der absoluten Austroknung bei 108° C.
                              unterworfenen Seidenstränge dadurch keine nachtheilige Veränderung erleiden.
                           3) Wenn die Commission nur ihre aus den Versuchen hervorgehende Ueberzeugung, so wie
                              die Bequemlichkeit der Rechnung in Betracht ziehen wolle, so müsse dieselbe bei
                              ihrem frühern Vorschlage, für Feuchtigkeit dem absoluten Gewichte 10 Proc.
                              zuzusezen, um das Handelsgewicht der Seide zu erhalten, stehen bleiben; da aber zu
                              befürchten sey, daß man darin einen neuen Beweggrund finden werde, sich der baldigen
                              Annahme des neuen Verfahrens zu widersezen, so spreche sich die Commission zu
                              Gunsten des Zusazes von 11 Proc. für Feuchtigkeit aus, welchen die Deputirten so
                              allgemein und lebhaft beantragt hätten.
                           Schon am 3. Sept. versammelte sich, unter dem Vorsize des Präfecten Jayr, die Handelskammer in Lyon. Die Kammer trat den
                              Beschlüssen der Commission in allen Punkten bei und richtete demnach den Antrag an
                              den Minister des Akerbaues und des Handels, daß derselbe nunmehr das neue Verfahren,
                              wie dasselbe früher beantragt worden sey, jedoch mit der oben bemerkten Abänderung,
                              zur gesezlichen Einführung bei allen jezt bestehenden oder künftig neu zu
                              errichtenden öffentlichen Conditionsanstalten befördern möge.