| Titel: | Ueber die Incrustation der Dampfkessel und ein neues Verfahren, um das Anlegen des Kalkabsazes zu verhindern; von Hrn. Kuhlmann. | 
| Fundstelle: | Band 80, Jahrgang 1841, Nr. XCII., S. 378 | 
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                        XCII.
                        Ueber die Incrustation der Dampfkessel und ein
                           neues Verfahren, um das Anlegen des Kalkabsazes zu verhindern; von Hrn. Kuhlmann.
                        Aus der France industriell 1841, No.
                              10.
                        Kuhlmann, uͤber die Incrustation der Dampfkessel
                           etc.
                        
                     
                        
                           Die an den inneren Wänden der Dampfkessel sich anlegenden Krusten führen mehr als
                              einen Uebelstand in ihrem Gefolge; indem sie die unmittelbare Berührung der
                              Flüssigkeit mit dem Metall verhindern, sezen sie einer guten Benuzung der von dem
                              Herde ausgehenden Hize ein Hinderniß entgegen und verursachen oft das Verderben der
                              Kessel an seinen dem Herde nächsten Theilen, deren Temperatur bis zum Verbrennen des
                              Metalls oder doch wenigstens bis zum Auseinandergehen der Eisenplatten sich erhöhen
                              kann. Wenn sich nach einige Zeit fortgeseztem Gebrauch der Kessel, an ihrem Boden
                              eine ziemlich dike Krust gebildet hat und in Folge ihres Brechens, welches durch die
                              starke Ausdehnung des Metalls, dem sie anhing, herbeigeführt wird, die Flüssigkeit
                              auf einmal mit sehr stark erhizten Theilen des Metalls in Berührung kommt, so bildet
                              sich plözlich eine
                              solche Menge Dampf, daß sie auf den Kessel die Wirkung eines heftigen Hammerschlags
                              ausübt, und ungeachtet der Sicherheitsapparate dessen Explosion bewirken kann.
                           Man hat schon verschiedene mehr oder minder wirksame Maßregeln zur Verhinderung
                              dieser Incrustationen oder Verminderung ihres festen Anhängens vorgeschlagen. In
                              jüngster Zeit hat die französische Akademie der Wissenschaften, indem sie dem
                              Begründer der Anwendung der Thonerde. den Monthyon'schen
                              Preis zuerkannte, das allgemeine Interesse zu erkennen gegeben, welches sich an
                              diese Frage knüpft. Ich glaube daher den Besizern von Dampfkesseln nüzlich zu seyn,
                              wenn ich einige neue Beobachtungen mittheile und ein Verfahren angebe, welches mir
                              in den meisten Fällen die Aufgabe zu lösen scheint.
                           Mit Ausnahme der seltenen Fälle, wo zur Speisung der Dampfkessel Regenwasser oder
                              durch Dampfverdichtung erhaltenes Wasser gebraucht werden kann, muß die Verdampfung
                              großer Wassermassen nothwendig Ablagerungen zur Folge haben, deren Menge je nach der
                              Beschaffenheit des angewandten Fluß- oder Quellwassers verschieden seyn wird.
                              Diese Ablagerungen bestehen größtentheils aus schwefelsaurem und kohlensaurem Kalk.
                              Der kohlensaure Kalk befand sich im Wasser vermöge etwas darin enthaltener freier
                              Kohlensäure aufgelöst, welche beim Erhizen des Wassers langsam entweicht; auch sezt
                              sich derselbe mit krystallinischem Gefüge ab, welches den Krusten Consistenz gibt.
                              Der schwefelsaure Kalk sezt sich ebenfalls langsam im Verhältnisse des verdampfenden
                              Wassers ab und sein krystallinischer Zustand ist ganz augenscheinlich. Ich betrachte
                              die Krystallisation dieser Körper als die Hauptursache der Festwerdung der
                              Kesselkrusten, und halte es für ausgemacht, daß, wenn das Wasser der Dampferzeuger
                              beständig in starker Bewegung erhalten werden könnte, die Krystallisation und
                              folglich die Bildung eines harten und stark anhängenden Niederschlages verhindert
                              wird. Was diese Meinung bestärkt, ist meine Beobachtung, daß die Tag und Nacht fort
                              arbeitenden Dampferzeuger sich im Verhältniß zur verdampften Wassermasse nicht so
                              leicht incrustiren, als jene, welche die Nacht über ruhen.
                           Die bisher gegen die Krustenbildung angewandten Maßregeln wirken mechanisch; die
                              einen, wie die auf die Anwendung der Kartoffel, und überhaupt stärke-,
                              gummi- und zukerhaltiger Körper basirten, indem sie der Flüssigkeit eine
                              gewisse Klebrigkeit ertheilen, welche der Krystallisation der Kalkfalze etwas
                              hindernd in den Weg tritt. Die Zwischenlagerung von Thonerde zwischen die
                              krystallinischen Theilchen kann ebenfalls ihre Adhäsion und Consistenz vermindern;
                              allein die Resultate dieser verschiedenen Maßregeln sind unvollständig und die Anwendung der
                              Thonerde bietet noch überdieß den Uebelstand dar, daß sie den festen Rükstand der
                              Verdampfung noch vermehrt; diese Thonerde wird auch oft, wenn Wasser in die Höhe
                              geschleudert wird, in die Dampfröhren mit fortgerissen, und kann das Spiel der Hähne
                              hemmen. Eine der besten, auf mechanische Wirkung gegründeten Maßregeln ist noch die
                              Einbringung von Glasscherben, Blechschnizeln oder anderer schwerer und ekiger
                              Körper, deren Reibung an den inneren Wänden der Kessel überall, wo sie stattfinden
                              kann, das Anhängen dieser Ablagerung verhindert.
                           In der Ueberzeugung, daß das vorgestekte Ziel nie anders als durch Verhinderung aller
                              Krystallisation zu erreichen ist, suchte ich die Abhülfe für jene Uebelstände auf
                              einem anderen Wege. Ich verließ die mechanischen Mittel zur Verhinderung der
                              Krystallisation der Kalksalze und nahm meine Zuflucht zu ihrer Zersezung.
                           Ich bediente mich hiezu kohlensaurer Alkalien, welche ich in hinlänglicher Menge in
                              die Kessel brachte, um entweder den schwefelsauren Kalk des Wassers in kohlensauren
                              zu verwandeln oder dem kohlensauren Kalk die überschüssige Kohlensäure, worin er
                              aufgelöst ist, zu entziehen. Enthält das Wasser schwefelsauren Kalk, so steht die
                              Menge des erforderlichen kohlensauren Alkali's im Verhältniß zu dem Gypsgehalt des
                              Wassers und der zu verdampfenden Wassermenge; für sehr gypshaltiges Wasser ist eine
                              beträchtliche Menge kohlensaures Alkali nöthig; wenn aber auch nicht alles
                              schwefelsaure Salz zersezt würde, müßte der gebildete kohlensaure Kalk auf
                              mechanische Weise, ähnlich der Thonerde, noch ziemlich wirksam seyn.
                           Der einzige Fall, in welchem das Kali- oder Natronsalz schädlichen Einfluß
                              haben würde, wäre, wenn das Wasser außer dem schwefelsauren Kalk eine große Menge
                              salzsauren Kalk oder salzsaure Bittererde enthielte, welche dann auch zersezt und
                              den erdigen Bodensaz vermehren würden.
                           Zur Anwendung der kohlensauren Alkalien ist vorzüglich das viel kohlensauren Kalk
                              (oder Eisen) enthaltende Wasser geeignet, und gerade dieses ist es, welches zum
                              Speisen der Dampfkessel meistens verwendet wird. In diesem Falle wird eine große
                              Menge nicht krystallinischen (amorphen) und folglich nicht adhärirenden kohlensauren
                              Kalks mit einer sehr unbedeutenden Menge kohlensauren Alkali's niedergeschlagen.
                              Bringt man nämlich in einen Dampferzeuger etwas kohlensaures Kali oder Natron, so
                              wird der kohlensaure Kalk sogleich gefällt und das kohlensaure Kali oder Natron geht
                              in den Zustand eines Sesquicarbonats, dann eines Bicarbonats über. Durch den Einfluß
                              der Wärme zersezt sich lezteres Salz und wird wieder auf Sesquicarbonat zurükgeführt. Sobald während der
                              Thätigkeit des Kessels neues Speisewasser hineingelangt, läßt dieses Wasser seinen
                              kohlensauren Kalk fallen, der Ueberschuß an Kohlensäure wird von dem alkalischen
                              Sesquicarbonat aufgenommen, welches zu Bicarbonat wird, und ihn später während des
                              Siedens der Flüssigkeit wieder langsam fahren läßt, um auf eine neue Quantität
                              aufgelösten kohlensauren Kalks fällend einzuwirken. Auf diese Weise glaube ich die
                              Eigenschaft des kohlensauren Kali's oder Natrons, die Fällung einer sehr großen
                              Menge kohlensauren Kalks in nicht compactem Zustande zu bewirken, erklären zu
                              können. Durch mehr als einjährige Erfahrung habe ich in meinen Fabriken die nüzliche
                              Wirkung dieser Maßregel kennen gelernt und meine Resultate wurden auch durch mehrere
                              von Hrn. Hallette in Arras
                              angestellte Versuche bestätigt.
                           Der aus den Kesseln nach Verlauf eines Monats oder 6 Wochen genommene kohlensaure
                              Kalk befindet sich in einem äußerst fein zertheilten Zustande; er adhärirt nicht im
                              mindesten; sogar die Adhäsion der alten Kesselkrusten wird aufgehoben. Um dieses
                              Resultat bei einem mit vielem kohlensaurem Kalk beladenen Wasser zu erhalten,
                              brauchte ich 100 bis 150 Gramme einer Soda von 80 Alkalimetergraden per Pferdekraft während einmonatlicher Thätigkeit des
                              Kessels. Um die Zersezung des schwefelsauren Kalks zu bewirken, müßte eine
                              beträchtlichere Quantität Soda genommen werden; doch ist mein Verfahren auch in
                              diesem Fall anwendbar.
                           Beim Seewasser, wo sich schon vor der Krystallisation des Kochsalzes Gyps ablagert,
                              halte ich die mechanischen Mittel für besser; wollte man durch Zersezung einwirken,
                              so wäre es, da dieses Wasser viel mehr salzsauren Kalk und Bittererde als
                              schwefelsauren Kalk und schwefelsaures Natron enthält, vorzuziehen, anstatt
                              kohlensauren Alkali's salzsauren Baryt in die Kessel zu bringen. Dieses Salz könnte,
                              wenn der Verbrauch desselben nur ein wenig bedeutend werden sollte, billig
                              fabrikmäßig dargestellt werden. Doch steht mir zur Begründung der Anwendung
                              desselben noch gar keine Erfahrung zur Seite.