| Titel: | Neues Saiteninstrument, welches nach Belieben auch den Ton von den Mundstüken der Blasinstrumente gibt; erfunden von Hrn. Isoard, Mechanikus und Klaviermacher. | 
| Fundstelle: | Band 83, Jahrgang 1842, Nr. XXXVI., S. 184 | 
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                        XXXVI.
                        Neues Saiteninstrument, welches nach Belieben
                           								auch den Ton von den Mundstuͤken der Blasinstrumente gibt; erfunden von Hrn.
                           									Isoard, Mechanikus und
                           								Klaviermacher.
                        Auszug aus einem der franz. Akademie der
                           								Wissenschaften erstatteten Bericht.
                        Comptes
                                 									rendus; Nov. 1841, Nr. 21.
                        Isoard's neues Saiteninstrument.
                        
                     
                        
                           Nicht erst in unserer Zeit hat der durch das Anschlagen der bewegten Luft an eine
                              									Saite hervorgebrachte Ton Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die Beobachtung des
                              									Pfeifens des Windes in dem Tauwerk der Schiffe ist so alt als die Ursache seines
                              									Entstehens. Die Aeolsharfe beweist, daß man schon vor langer Zeit darauf dachte,
                              									mittelst einem natürlichen Luftzug ausgesezter Saiten dem Ohr angenehme Töne
                              									hervorzubringen. Der Gedanke aber, zu demselben Zwek einen künstlichen Luftstrom
                              									gegen die Saiten zu richten, ist ein viel jüngerer. Ein Beispiel davon gibt ein der
                              										Académie des sciences im J. 1790 von den HHrn. Schnett und Tschenski
                              									vorgezeigtes Instrument. Wenn wir dieses Instrument hier vor jenem besprechen,
                              									welches der Gegenstand unseres Berichtes ist, so geschieht es, um die auf einem ganz
                              									neuen Princip beruhende Erfindung des Hrn. Isoard vor dem
                              									leisesten Verdacht eines Plagiats zu schüzen. Jene Künstler suchten das
                              									unvollkommene Instrument, die Aeolsharfe, welches nur harmonische Accorde erzeugen
                              									konnte, in ein ächtes musikalisches Instrument umzuwandeln. Sie führten die
                              									sinnreiche Idee aus, einen durch einen Blasebalg comprimirten Luftstrom mittelst
                              									Röhren auf zahlreiche Saiten zu leiten,  welche in Gruppen von je vier gleichgestimmten vereinigt
                              									waren. Ihre Tastatur hatte, nach dem Berichterstatter, Hrn. Hauy, anfangs keinen anderen Zwek, als die Ventile zu öffnen, welche der
                              									Luft in die jeder Saitengruppe entsprechenden Röhren Eintritt gestatten. Für jede
                              									Gruppe waren zwei solche Röhren vorhanden, welche eine solche Richtung hatten, daß
                              									die Luft auf beide Seiten der Gruppen hin zu gleicher Zeit schräg ankam. Es waren
                              									auf diese Weise mehrere Octaven gebildet. — Dieses Instrument wurde Anemocord benannt. Die Erfinder fanden aber bald, wie
                              									außerordentlich langsam einige Töne desselben ansprachen, welchem argen Mißstand sie
                              									bald abzuhelfen suchen mußten. Sie dachten, daß wenn vor dem Einblasen der Luft
                              									schon die Vibration der Saiten durch eine andere Ursache angeregt werde, der
                              									gewünschte Ton schneller erhalten werden müsse. Dieß ist auch richtig; aber so sehr
                              									auch Hr. Hauy der sinnreichen Hinzusezung eines
                              									continuirlichen Bogens, welcher durch ein Band ohne Ende gebildet wird, das sich
                              									unaufhörlich um zwei Rollen dreht, Gerechtigkeit widerfahren läßt, bedauert derselbe
                              									doch, daß auch dieses verbesserte Instrument nur zur Ausführung langsamer Tonstüke,
                              									wie die des Adagio's oder des Cantabile's, geeignet ist. Die Claviertasten des
                              									vervollkommneten Anemocords hatten einen doppelten Dienst; sie mußten, wie früher,
                              									die Luftventile öffnen, und ferner durch Hebelmechanismen das während des ganzen
                              									Spiels immer in Bewegung befindliche Band zur rechten Zeit aufheben, um es in dem
                              									Augenblik gegen die Saiten zu halten, wo sie dem Luftstrome ausgesezt werden
                              									sollten. Die Erfinder hatten wohl eingesehen, daß ihr den Dienst eines Bogens
                              									verrichtendes Band die von ihm in Erzittern versezte Saite wieder verlassen müsse,
                              									um sie unter der alleinigen Einwirkung der Luft frei vibriren zu lassen. Wirklich
                              									war auch ihr die Berührung des Bandes mit den Saiten bewirkender Mechanismus zum
                              									Abspringen vorgerichtet, wie der der Hämmer unserer modernen Pianos, welche sich von
                              									der Saite sogleich nach dem Anschlagen wieder entfernen.
                           Was nun das neue Instrument betrifft, so gehört dessen Erfindung nicht dem Zufall an,
                              									sondern sie ist Folge der zehn Jahre von Hrn. Isoard mit
                              									dem größten Eifer und unter Aufopferung seines sichern Brodes als Arbeiter beim
                              									Dampfmaschinenbau fortgesezten Studien. Hr. Isoard fühlte
                              									sich nämlich durch unwiderstehliche Neigung zur Musik zu den Vorlesungen des
                              									berühmten Savart's über Akustik hingezogen. Seine
                              									Forschungen und sein erfinderischer Geist machten diesen Lehrer bald zu seinem
                              									Freunde, welcher den von ihm aufgefaßten Gedanken, eine Saite dadurch in starke
                              									Schwingung zu versezen, daß man sie die Rolle des Mundstüks eines Blasinstruments
                              										 spielen läßt, sehr
                              									sinnreich fand und sich die größten Folgen davon für die Instrumentenfabrication
                              									versprach, obwohl er Hrn. Isoard die Schwierigkeiten,
                              									womit er zu kämpfen haben werde, nicht verbarg. Wirklich bietet das der Prüfung
                              									unterliegende Instrument nur erst einen schwachen, aber interessanten Beleg dar von
                              									dem, was von diesem neuen Princip der Tonerzeugung einst noch zu hoffen ist.
                           Um also die gewöhnliche Schwingung der Saite in den starken Ton eines Blasinstruments
                              									zu verwandeln, brachte Hr. Isoard unter seinen Saiten
                              									einen kleinen beweglichen Kasten an, welcher in so viele Fächer abgetheilt ist, als
                              									man verschiedene Saiten zum Schwingen bringen will. Jedes Fach communicirt mittelst
                              									eines Ventils mit einer Windlade. Die durch einen doppelten Blasebalg comprimirte
                              									Luft wird in einem besonderen Reservoir angesammelt und in jedes Fach mittelst des
                              									Oeffnens des Ventils durch das Anschlagen des Claviers zur rechten Zeit eingelassen;
                              									das Auslassen der so zur Fortsezung und Vermehrung der Saitenschwingung eingeführten
                              									Luft geschieht durch eine Längenspalte, in welche die Saite nach Belieben
                              									eingebracht werden kann. Wir sagen mit Absicht, daß die von der Luft angeschlagene
                              									Saite zu schwingen fortfährt; denn Hr. Isoard hatte, wie
                              									seine Vorgänger im Jahre 1790, mit der Langsamkeit, womit gewisse Saiten in
                              									Schwingung gerathen, zu kämpfen. Wie sie wußte er dieses Hinderniß zu besiegen,
                              									jedoch durch ein ganz anderes Mittel. Dem viel einfacheren Mechanismus des die Saite
                              									anschlagenden Hammers gab er den Vorzug vor dem zwar sehr sinnreichen, aber auch
                              									sehr complicirten Bogen, welcher die Saite streicht, um sie in Erzitterung zu
                              									versezen. Die Wahl des Hammers ist eine glükliche, weil sie den reellen Vortheil
                              									bietet, den Saiten nach Belieben ihren ursprünglichen Ton wiederzugeben. Wenn man
                              									nämlich den beweglichen Kasten niederläßt, so gibt die Saite, außerhalb der Spalte
                              									angeschlagen, in welcher sie die Einwirkung der Luft empfängt, nur mehr den Ton des
                              									gewöhnlichen Piano's. Hr. Isoard kann also mittelst eines
                              									bloßen Pedals, welches den Luftkasten nach Belieben aufhebt oder niederläßt, den Ton
                              									des Instruments in seiner Beschaffenheit schnell umändern. Dieß macht es dem Spieler
                              									möglich, viele Veränderungen in den musikalischen Effect zu bringen: indem man den
                              									Luftkasten in mehrere für sich allein bewegliche, allemal eine Octav umfassende,
                              									Abtheilungen zerfällt, kann man leicht die beiden Arten von Tönen zugleich wirken
                              									lassen, z. B. in der Höhe die Pianotöne, und im Basse die Töne der Blasmundstüke,
                              									oder umgekehrt.
                           Die Armuth des Erfinders verhinderte ihn, sein Werk nach  Wunsch auszuführen; derselbe
                              									sah sich genöthigt, es einem sehr mittelmäßigen Piano anzupassen, er hofft aber, daß
                              									auch in dieser noch unausgebildeten Form unserer Akademie der Grundgedanke desselben
                              									ersichtlich seyn wird. — Die Akademie stimmte der beantragten Belobung des
                              										Isoard'schen Princips zu. (Die Mitglieder der
                              									Commission waren die HHrn. Cherubini, Halevy, Carafa,
                                 										Spontini, Arago, Puissant, Becquerel, Dutrochet, Poncelet, Pouillet und der
                              									Berichterstatter Séguier.)