| Titel: | Zur Geschichte der Walzenmühlen. | 
| Fundstelle: | Band 84, Jahrgang 1842, Nr. XII., S. 69 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XII.
                        Zur Geschichte der
                           								Walzenmuͤhlen.
                        Aus dem Gewerbeblatt fuͤr das Koͤnigreich
                                 										Hannover, Heft 1, S. 12–13.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. I.
                        Zur Geschichte der Walzenmühlen.
                        
                     
                        
                           Nachdem die Mahlmühlen von den ältesten Zeiten an bis zum Anfange des 19ten
                              									Jahrhunderts ihre Haupteinrichtung und Gestalt beinahe unverändert beibehalten
                              									hatten, nachdem es gleichsam schien, als wären sie einer weiteren Verbesserung nicht
                              									mehr fähig, erfuhren sie dennoch in neuester Zeit, wo die auf eine sonst nie
                              									gekannte Weise erblühende Industrie beinahe alles alte Maschinenwesen durch neue
                              									Schöpfungen zu ersezen wußte, eine solche Veränderung, daß mit ihr gleichsam eine
                              									neue Epoche des Mehlerzeugens ins Leben trat. In Deutschland haben die verbesserten
                              									Mahlmühlen der Amerikaner, Engländer, Franzosen und Schweizer, namentlich wegen der
                              									üblichen Postenmahlerei, noch nicht überall Eingang gefunden; indeß steht gewiß zu
                              									erwarten, daß sie nach und nach das alte System, namentlich in der Nähe großer
                              									Städte, völlig verdrängen werden. Die verbesserten Systeme behielten alle noch die
                              									horizontal liegenden Mühlsteine bei, bis man in ganz jüngster Zeit auch Mahlmühlen
                              									mit eisernen Walzen zu construiren anfing. Obwohl nämlich bei dem Schroten des
                              									Malzes, beim Zerquetschen des Oehlsamens und dem Pulverisiren mancher anderen
                              									Substanzen bereits früher Walzen in Anwendung gebracht worden waren, hatte man
                              									dieselben doch nicht zum eigentlichen Mehlbereiten verwandt. Erst 1820 und 1823
                              									finden sich Walzenmühlen von Helfenberger in der Schweiz,
                              									von Bollinger in Wien, von Collier in Paris und Anderen; indeß entsprachen diese alle nicht den
                              									gehegten Erwartungen, bis es endlich vor etwa 6–7 Jahren dem Mechaniker Sulzberger zu Frauenfeld in der Schweiz, nach ebenfalls
                              									mehreren mißlungenen Versuchen, gelang, Walzenmühlen zu Stande zu bringen, die
                              									beinahe in jeder Beziehung als vollkommen angesehen werden müssen. Bereits wurden
                              									von Sulzberger durch die von ihm constituirte
                              										„Frauenfelder Gesellschaft“ Walzenmühlen in Mailand, Mainz,
                              									Stettin, Leipzig, München u. s. f. mit dem besten Erfolge erbaut, und es steht zu
                              									erwarten, daß sie eine allgemeine Anwendung erfahren werden, wenn ihr
                              									Constructionsprincip bekannter und nicht mehr als ein Geheimniß, wie bisher,
                              									betrachtet werden wird.
                           
                           Das Hauptsächlichste der Sulzberger'schen Walzenmühlen
                              									besteht in der Anordnung der Walzen selbst und in der Geschwindigkeit, mit welcher
                              									sich dieselben bewegen.
                           Fig. 42 wird
                              									über das Erstere Auskunft geben.
                           A, A sind zwei
                              									schmiedeiserne, gehärtete Walzen von ungefähr 6 Zoll Durchmesser und eben so viel
                              									Länge, die mit ihren eingekeilten Zapfen B, B in bronzenen Lagern laufen. C ist ein gußeiserner Körper, Keil genannt, dessen hohle Flächen D, E die Walzen in ihren
                              									ganzen Längen beinahe auf ein Viertel überall concentrisch umgeben. Der Keil kann
                              									durch Stellung mittelst Schrauben und konischen Rädern den Walzen mehr oder weniger
                              									genähert werden. In einem gußeisernen Gestelle, Stuhle oder Ständer von 4½
                              									Fuß Höhe und 1½ Fuß Breite, welches fächerartig in sechs Abtheilungen
                              									getheilt ist, liegen drei Paar solcher Walzen über einander, so zwar, daß immer eine
                              									der sechs Abtheilungen für einen Mühlenrumpf und die darunter befindliche für ein
                              									Walzenpaar dient. Je zwei solcher Stüke bilden ein System, indem die Walzen des
                              									einen zum Schroten und Erzeugen des Grieses, die des andern zum Feinmahlen dienen.
                              									Die Walzen eines Schrotstuhles sind alle drei Paar auf der Oberfläche cannelirt oder
                              									geriffelt, und zwar so, daß die Riffeln in der Seitenansicht einen spizen Winkel
                              									gegen die Achse der Walzen bilden, ihre Längenrichtungen aber mit der Achse parallel
                              									laufen. Auf den Flächen E D sind ferner Stahlplatten
                              									angebracht, die nach Art der gewöhnlichen Raspeln behauen und entgegengesezt zu den
                              									Walzenriffeln gerichtet sind. Bei dem Mehlständer sind die beiden oberen Walzenpaare
                              									ganz glatt und nur das untere Paar ist fein geriffelt, welches besonders zur
                              									Zertheilung des Mehls geschieht, was aus dem mittleren Paare in Bandform
                              									heraustritt. Die Geschwindigkeit je zweier Walzen ist in dem Verhältnisse von 16 zu
                              									17 verschieden, was jedenfalls wichtig ist, wenn anders das Getreide nicht bloß
                              									zerdrükt, sondern wirklich zerrieben werden soll; die Umdrehungszahl der einen ist
                              									daher per Minute 230, während die der anderen ungefähr
                              									216 ist.Prof. Burg gibt in Prechtel's Encyklopaͤdie, Artikel
                                    												„Muͤhlen“, die Zahl der Umgaͤnge per Minute 300 bis 340 an, was jedenfalls zu
                                    											groß ist; dabei bemerkt derselbe, daß sich, ungeachtet der großen
                                    											Geschwindigkeit, das Mehl nicht im mindesten erhizt.
                           Am besten eignen sich die Walzenmühlen zum Vermahlen des Weizens. Roggen kann wegen
                              									der größeren Härte des Korns vortheilhaft nur darauf geschroten werden.
                           Beim Weizenmahlen, was übrigens völlig troken geschieht, ist der Gang der Arbeit
                              									folgender:
                           
                           Der Weizen kommt zuerst auf eine Reinigungsmaschine, wie man sie auch bei der
                              									englisch-amerikanischen Mahlmethode verwendet; hierauf läßt man denselben
                              									durch die Walzen der Schrotstühle gehen und bringt das erhaltene Schrot in einen mit
                              									Drahtnez überzogenen Cylinder, den sogenannten Schrotbeutel. Das hieselbst gewonnene
                              									Product kommt nunmehr weiter auf den Griesseparator, d. i. einen länglich vierekigen
                              									Kasten mit vier oder fünf Abtheilungen, über dessen obere Oeffnung ein Rahmen hin
                              									und her bewegt wird, in welchem ein Drahtnez von vier oder fünf verschiedenen
                              									Feinheitsnummern ausgespannt ist. Die in der lezten Abtheilung, wo der Draht die
                              									größten Maschen hat, erhaltene Masse wird auf gewöhnlichen englischen Mühlsteinen
                              									weiter vermahlen.Die Walzen mahlen hienach nicht voͤllig rein und die auf den
                                    											Steinmuͤhlen zu verarbeitende Masse betraͤgt ungefaͤhr
                                    											30 Proc. von der, welche auf den Walzen zu Mehl vermahlen wird.
                              									Die übrigen feineren Sorten, oder der Gries, werden, und zwar jede Nummer für sich,
                              									auf den Mehlwalzen zu Mehl gemahlen. Bevor jedoch dieß geschieht, kommt die
                              									jedesmalige Griessorte auf eine zweite Art von Reinigungsvorrichtung, die
                              									Blasmaschine (bleeder-machine). Diese besteht aus
                              									einem länglichen Holzkasten, der in seiner Längenrichtung eine schmale, doppelte,
                              									also hohle Seitenwand hat, die sich jedoch über dem Boden des Kastens öffnet und so
                              									mit dem Kasten communicirt. Zwischen die doppelte Seitenwand fällt der Gries, und
                              									ein vor derselben angebrachter Ventilator treibt die Griesmasse aus einander, läßt
                              									die schweren guten Theile auf den Boden des Kastens herabfallen und führt die
                              									leichteren Sorten, Hülsen und was sich sonst noch für fremde Theile finden, nach dem
                              									anderen, zum Theil offenen Ende der doppelten Seitenwand. Sodann läßt man endlich
                              									den Gries durch die Mehlwalzen gehen und beutelt das gewonnene Mehl auf
                              									Cylinderbeuteln, welche mit seidenem Beuteltuche überzogen sind.
                           Die Menge des auf einer solchen Walzenmühle gemahlenen Getreides ist außerordentlich
                              									groß. Ein System von vier Paar Schrot- und Mehlwalzen mahlt in 24 Stunden 300
                              									Berliner Schäffel oder circa 529 Himten (1 Berliner
                              									Schäffel = 1,7643 hannover'sche Himten) Weizen fertig, und schrotet in derselben
                              									Zeit 700 bis 800 Berliner Schäffel Korn. Die Kraft zur Bewegung der drei Paar Walzen
                              									eines Stuhles oder Ständers beträgt durchschnittlich eine Pferdekraft; der Preis
                              									eines solchen Stuhls ist ungefähr 500 Thlr.
                           Das von diesen Mühlen gelieferte Mehl übertrifft an Feinheit der Elemente das Mehl
                              									der englisch-amerikanischen Mühlen; da es völlig troken gemahlen ist, so
                              									eignet es sich ganz besonders zu Dauermehl;  beim Kneten zu Teig nimmt es deßhalb auch mehr Wasser auf
                              									und erscheint ausgiebiger, lokerer, als das gewöhnliche Mehl. Beim Verbaken hat man
                              									natürlich auf den völlig troknen Zustand Rüksicht zu nehmen, jedoch lernt sich
                              									dieses bald, was sich überall da bestätigt, wo Walzenmühlen existiren und wo das
                              									feine Bakwerk der Bäker und Conditoren fast ausschließlich aus Walzenmehl bereitet
                              									wird. Für Weber, und besonders für große mechanische Webereien eignet sich das
                              									Walzenmehl ganz vorzüglich zur Schlichte, da dieses keine Klümpchen und Knötchen
                              									zuläßt, sich gleichförmig über die Fadenkette vertheilt und nicht sauer wird.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
