| Titel: | Ueber Darstellung genau geebneter Metallflächen, ohne sie wie gewöhnlich zu schleifen; von Joseph Whitworth, Esq. | 
| Fundstelle: | Band 86, Jahrgang 1842, Nr. I., S. 2 | 
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                        I.
                        Ueber Darstellung genau geebneter
                           Metallflaͤchen, ohne sie wie gewoͤhnlich zu schleifen; von Joseph Whitworth,
                           Esq.
                        Eine Vorlesung desselben in der Royal-Victoria
                                 Gallery zu Manchester.
                        Aus Sturgeon's Annals of Electricity, Bd. VI. S.
                              25.
                        Whitworth, über Darstellung genau geebneter
                           Metallflächen.
                        
                     
                        
                           Eine genaue Fläche ist eine solche, deren Punkte alle in derselben Ebene, d. i. in
                              derselben Linie liegen, und die demnach nicht im Geringsten weder rund, noch hohl,
                              sondern vollkommen flach ist. Zwei solche Flächen aufeinander gelegt, würden sich an
                              allen Punkten berühren. Bei verschiedenen Operationen ist es nun natürlich von
                              großer Wichtigkeit, eine Fläche dieser Art zu erhalten. Wenn etwas vollkommen
                              horizontal, senkrecht, oder in einer schiefen Richtung mit großer Genauigkeit
                              angepaßt werden soll, so kann dieß nicht ohne eine als Führung dienende glatte
                              Oberfläche, und ohne die Mittel, solche an dem anzuwendenden Material zu erzeugen,
                              geschehen. In dem Falle überdieß, wo Metallflächen zusammenwirken, ist Mangel an
                              Genauigkeit von noch so manchem Nachtheil begleitet. Die Bewegung findet, statt in
                              gerader Linie, wellenförmig mit der äußern Linie der Oberfläche statt, wodurch die
                              beabsichtigte Wirkung oft ganz vereitelt wird. Die Räume zwischen den sich
                              berührenden Theilen lassen durch die zu übergleitenden Ebenen hindurch einen freien
                              Durchgang, was in vielen Fällen sehr zu vermeiden ist. So läßt bei den Ventilen der
                              Dampfmaschinen Mangel an Genauigkeit zwischen den beiden Seiten des Kolbens einen
                              Durchgang offen, wodurch nothwendig ein der Größe des Fehlers entsprechender
                              Kraftverlust entsteht. Eine andere und zwar allgemeine Folge dieses Fehlers ist, daß
                              die Reibung der beiden Flächen, anstatt sich über ihre ganze Ausdehnung zu
                              verbreiten, sich auf gewissen Punkten ansammelt, wodurch sie sich leicht abnüzen und
                              untauglich werden. Dieß ist aber noch nicht Alles; die Reibung ist nicht nur
                              ungleich vertheilt, sondern bedeutend vermehrt. Die Unebenheiten der
                              entgegengesezten Flächen erzeugen wechselseitig Verstopfungen und werden mit Theilen
                              fremdartiger Substanzen verunreinigt.
                           Diese Betrachtungen thun hinlänglich dar, daß eine regelmäßige Oberfläche für die
                              Praxis oft von hoher Wichtigkeit ist. Man wird aber auch einsehen, daß eine absolute
                              Genauigkeit unerreichbar ist, und daß wir uns derselben nur so viel annähern können,
                              als dieß unsere Mittel
                              gestatten. Man muß also nothwendig wissen, wo die praktische Gränze liegt und
                              welcher Grad von Genauigkeit erreicht werden kann. Es gibt eine Menge Probirmittel
                              für solche Flächen, wovon jedes bis auf einen gewissen Grad von Genauigkeit
                              rectificirt, z.B. das Senkblei, die Wasserwaage etc. Aber der zu erreichen mögliche
                              und in vielen Fällen nöthige Grad von Genauigkeit liegt weit über den Gränzen dieser
                              Instrumente. Wenn man sie bei Flächen anwendet, so zeigen sie keinen Unterschied
                              zwischen wirklich sich berührenden und einander nur sehr nahen Punkten; daher eine
                              Fläche vollkommen glatt scheinen kann, während sie in der That voll Unebenheiten
                              ist. Nimmt man aber eine genaue Fläche von derselben Größe wie die zu prüfende, so
                              hat man ein Mittel, so genau als möglich die Untersuchung anzustellen. Das bisher
                              angenommene und noch in Gebrauch stehende Verfahren bei Darstellung sogenannter
                              genau geebneter Flächen besteht darin, sie nach dem Abfeilen durch Reiben der einen
                              Fläche auf der andern mittelst Schmirgel abzuschleifen.
                           Ich will nun zeigen, daß dieses Verfahren durchaus nicht geeignet ist, einen hohen
                              Grad von Genauigkeit zu erzeugen, und daß ein völlig verschiedenes an dessen Stelle
                              treten muß. Ich habe hier zwei Gußeisenplatten, welche auf die nun zu beschreibende
                              Weise erhalten wurden. Sie besizen einen bisher bei weitem nicht erreichten Grad von
                              Genauigkeit, so daß sie einige der ausgezeichnetsten Mechaniker in Staunen
                              versezten. Die durch diese Genauigkeit hervorgebrachten Wirkungen sind bisher
                              beinahe unbekannt und wären bis vor Kurzem für unmöglich gehalten worden. Wenn eine
                              derselben sorgfältig an die andere hingeschoben wird, um die Luft auszuschließen, so
                              adhäriren die beiden Platten einander durch den Druk der Atmosphäre mit bedeutender
                              Kraft. Damit der Versuch gelingt, muß man die Flächen vorher mit einem trokenen Tuch
                              so lange reiben, bis alle Feuchtigkeit entfernt ist. Wenn etwas Feuchtigkeit
                              zurükbliebe, so würde sie wie Leim wirken und auch bei viel ungenaueren Flächen
                              Adhäsion veranlassen.
                           Das Experiment kann auch so angestellt werden, daß man eine Fläche langsam auf die
                              andere hinab- und eine Luftschicht zwischen ihnen sich bilden läßt. Ehe sie
                              in Berührung kommen, wird die obere Platte ohne Unterstüzung von der Hand auf der
                              Luft schwimmen. Diese merkwürdige Erscheinung erklärt sich, wie es scheint, durch
                              die große Annäherung der zwei Flächen an allen Punkten, ohne daß sie sich an einem
                              Punkt berühren, welcher Umstand ohne die äußerste Accuratesse bei beiden nicht
                              erhalten werden kann. Das Entweichen des zurükbleibenden Antheils Luft wird durch
                              dessen Reibung gegen die
                              Flächen aufgehalten, deren Stärke dem Druk der obern Platte beinahe das
                              Gleichgewicht hält.
                           Diese Flächen wurden durch bloßes Fellen und Schaben ohne nachheriges Schleifen
                              erhalten. Die Operation des Schabens kannte man bisher nur zum Theil und sie wurde
                              beim Schleifen nur als vorbereitend betrachtet. Hinsichtlich beider Processe
                              herrscht eine sehr falsche Ansicht, welche auf die fortschreitende Verbesserung sehr
                              nachtheilig einwirkt.
                           Bei nur etwas näherer Betrachtung wird man wohl einsehen, daß eine genaue Fläche
                              durch Schleifen nicht erhalten werden kann. Nehmen wir den Fall an, daß eine der
                              Flächen concav, die andere aber eine genaue Fläche sey. Nun ist der Zwek des
                              Schleifens unbezweifelt der, den Fehler der erstem gut zu machen; hiedurch entsteht
                              aber zu gleicher Zeit in der richtigen Fläche der entgegengesezte Fehler. Man wird
                              ferner finden, daß, wenn der ursprüngliche Fehler unbedeutend ist, die Flächen durch
                              das Schleifen erst positiven Schaden leiden. Auf gewisse Theile wird länger
                              eingewirkt als auf andere; sie werden folglich stärker abgerieben und bekommen
                              ausgehöhlte Flächen. Wenn das Schleifen sich nicht eignet, um eine genaue,
                              allgemeine Begränzungslinie zu erhalten, so kann es auch in den kleinen Details
                              niemals eine Genauigkeit hervorbringen. Es ist nicht leicht denkbar, daß eine Menge
                              von Punkten durch ein Verfahren gleichheitlich vertheilt wird, welches jede
                              specielle Behandlung einzelner Theile ausschließt. Um diesen Zwek zu erreichen, muß
                              man Mittel besizen, auf jeden Punkt für sich allein hinarbeiten zu können, je
                              nachdem es eben erforderlich ist, während das Schleifen alle zugleich angreift.
                              Untersucht man eine geschliffene Fläche, so findet man die tragenden Punkte in
                              unregelmäßigen Massen neben einander liegen, mit breiten Vertiefungen zwischen
                              denselben. Der Anschein einer schönen Regelmäßigkeit wird ihnen allerdings gegeben,
                              weßhalb sonder Zweifel das allgemeine Vorurtheil zu Gunsten dieses Verfahrens sich
                              so lange erhalten hat. Allein dieser Schein, der von der Wirklichkeit so weit
                              entfernt ist, dient nur, den Fehler zu verbergen. Unter dieser Verkleidung entgehen
                              Flächen einer nähern Prüfung, die, wenn sie nicht geschliffen wären, sogleich
                              verworfen würden.
                           Ein fernerer Nachtheil des Schleifens ist, daß durch dasselbe der Arbeiter alle
                              Verantwortlichkeit und allen Ehrgeiz von sich abstreift, weil er sich mit dem
                              Gedanken täuscht, daß die Fläche zulezt doch noch genau geschliffen wird. Die
                              natürliche Folge hievon ist, daß er, im Vertrauen auf das Schleifen, und wohl
                              wissend, daß dabei der von seiner Seite angewandte Fleiß sowohl als seine
                              Nachlässigkeit unbeachtet bleiben, leicht darüber hinweggeht.
                           
                           Das eingeführte Schleifen hat demnach alle Fortschritte im Abebnen der Metallflächen
                              aufgehalten. Eine wahrhaft genaue Fläche trifft man beinahe gar nie an. Wenige
                              Mechaniker nur besizen genaue Kenntniß, wie sie, um eine solche darzustellen, zu
                              verfahren haben. Auch achten die Praktiker nicht genug darauf, von welch großer
                              Wichtigkeit und wie vergleichungsweise leicht eine solche herzustellen ist.
                           Der Ausdruk „genau geebnete Fläche“ muß in gehörig ausgedehntem
                              Sinn verstanden werden. Vollkommene Genauigkeit ist offenbar unerreichbar, aber
                              gewiß ist es, daß die bisher gemachten Fortschritte weit hinter der praktischen
                              Gränze zurükbleiben und Berüksichtigungen hinsichtlich der Ersparung allein schon
                              die Verbesserung um vieles vorwärts gebracht hätten. Der Mangel dieses
                              Vorwärtsschreitens ist in vielen Zweigen der Künste und technischen Gewerbe schon
                              fühlbar. Die Dampfmaschinen-Ventile z.B., die Fundamente der
                              Buchdrukerpressen, die Stereotypplatten, Gleitflächen aller Art, erfordern eine weit
                              größere Genauigkeit, als sie gewöhnlich besizen. In diesen und vielen andern Fällen
                              ist der Mangel an Genauigkeit von bedeutenden Uebelständen begleitet. Solche Fehler
                              an den Ventilen der Locomotivmaschinen unterwerfen sie einer beständigen
                              Gebrechlichkeit und veranlassen einen außerordentlichen Aufwand an Dampfkraft, unter
                              Umständen, welche ihre vortheilhafteste Anwendung gerade am meisten erheischen. Beim
                              Stereotypendruk macht die Ungenauigkeit der Platten das Unterlegen nöthig, um einen
                              gleichförmigen Druk zu erhalten; dieß kostet eine Menge Zeit und Mühe und der Zwek
                              ist zulezt doch nur unvollkommen erreicht.
                           Die so sehr zu wünschende Verbesserung wird dem Aufgeben des Schleifens schnell
                              nachfolgen. Man muß dann zu dem natürlichen Verfahren schreiten; die Probirplatte
                              und das Schabwerkzeug leisten Alles, was man nur wünschen kann.
                           Um nun eine genaue Fläche zu erhalten, sind zwei Fälle denkbar: erstens nämlich, daß
                              eine solche als Modell für die zu unternehmende Arbeit dienende schon vorhanden ist,
                              und zweitens, daß eine Musterfläche erst hergestellt werden muß. – Der erste
                              Fall, welcher in der Praxis häufiger vorkommt, ist einfach und erfordert mehr
                              Sorgfalt als Geschiklichkeit. Es wird eine färbende Substanz, wie rother Oker, mit
                              Oehl so gleichförmig als möglich über die Probirplatte gestrichen. Die zu
                              bearbeitende Platte wird nun daraus gelegt, und um die Farbe zu fixiren, schwach
                              bewegt; da die Farbe nur an den sich berührenden Theilen hängen bleibt, so werden
                              durch dieselbe nachher die Erhöhungen angezeigt, welche mit dem Schaber entfernt
                              werden müssen. Diese Operation wird oft wiederholt, bei jeder Wiederholung aber wird weniger Farbe
                              genommen, bis zulezt nur ganz wenig Farbe, mit dem Finger ausgebreitet, dazu
                              hinreicht, indem sie bloß eine dünne Haut über dem Glanz der Platte bildet. Der
                              zweite Fall ist complicirter und erfordert eine vorzügliche Geschiklichkeit des
                              Arbeiters. Es werden drei Platten zu gleicher Zeit präparirt und dienen zur
                              wechselseitigen Verbesserung ihrer Fehler.
                           Der Verf. gibt das Verfahren nicht als ein neues aus, sondern sagt nur, daß es nicht
                              allgemein und nur als Vorbereitung zum Poliren in Gebrauch ist. – Roberts' (Metall-) Hobelmaschine, welche zu vielen
                              Zweken treffliche Dienste leistet, bringt keine so genau geebneten Flächen zu Stande
                              wie der Schaber.