| Titel: | Anleitung zur Ermittelung der Güte des Mehls; von Hrn. Robine, Bäker in Paris. | 
| Fundstelle: | Band 86, Jahrgang 1842, Nr. LIX., S. 296 | 
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                        LIX.
                        Anleitung zur Ermittelung der Guͤte des
                           Mehls; von Hrn. Robine,
                           Baͤker in Paris.Die Société d'Encouragement erkannte in ihrer
                                 Generalversammlung am 23. März 1842 Hrn. Robine den
                                 Preis von 3000 Fr. zu, welchen sie für ein Verfahren, die Güte der zur
                                 Brodbereitung dienenden Mehlarten auf sichere, leichte und schnelle Weise zu
                                 ermitteln, ausgesezt hatte.
                           
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement. Mai 1842, S. 194.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. VI.
                        Robine's Anleitung zur Ermittelung der Güte des Mehls.
                        
                     
                        
                           Bekanntlich ist das beste Mehl gelblichweiß, zart, troken, schwer, und hängt, in der
                              Hand gedrükt, den Fingern an; ferner ballt es sich, ist geruchlos und hat den
                              Geschmak frischer Teigpappe. Geringeres Mehl ist matter weiß und entschlüpft, in der
                              Hand gedrükt, gänzlich, außer wenn es von feuchtem Getreide herrührt.
                           Das bei den Bäkern zur Beurtheilung eines Mehls dienende Verfahren besteht darin, es
                              zusammenzudrüken, ihm dann eine ebene Oberfläche zu geben und es zur Höhe des Auges
                              zu bringen, um zu sehen, ob es graue oder rothe Punkte enthält; man macht sodann, es
                              mit Wasser knetend, einen Ball daraus. Wenn der an der Luft austroknende Teig fest
                              wird und ohne zu zerreißen sich ausdehnen läßt, so ist das ein Zeichen, daß das Mehl
                              gut gemahlen ist und von gutem Getreide herrührt. Wenn hingegen dieser Teig unter
                              der Behandlung an den Fingern hängen bleibt, namentlich wenn er in allen Richtungen
                              ausgezogen wird, so ist daraus zu schließen, daß das Mehl nur von mittlerer Güte
                              ist.
                           Doch ist dieses Verfahren nichts weniger als sicher; denn wenn man dem Wasser nicht
                              Zeit läßt, sich mit dem Mehl zu verbinden, und wenn man dieses nicht hinlänglich
                              oder zu lange Zeit knetet, damit es biegsam und elastisch werde, so reißt der Teig,
                              weit entfernt, sich zu ziehen, ab und kann den Verdacht erregen, daß das Mehl von
                              mittelmäßiger Beschaffenheit ist.
                           Um das von der Gesellschaft gegebene Problem zu lösen, trachtete der Verfasser
                              zunächst, den im Weizenmehl höchst fein vertheilten Kleber vollkommen aufzulösen und
                              Mittel anzuwenden, um demselben bei der Extraction seine Elasticität zu erhalten.
                              Seine zahlreichen Versuche zu diesem Behuf ergaben ihm
                           1) daß der Kleber in kaltem Wasser fest wird, in lauwarmem Wasser etwas nachläßt, in
                              einem am Kochpunkt befindlichen Wasser seine Consistenz verliert; 2) daß die
                              Mineralsäuren ihn in eine Substanz umwandeln, welche der Verf. mit dem Erdharze vergleicht;
                              3) daß Pflanzensäuren, besonders Essigsäure, ihn mehr oder weniger auflösen; 4) daß
                              er sich in Hefe vollkommen auflöst.
                           Er ließ nun ein Instrument, Fig. 46, fertigen,
                              welches er den Mehlgütemesser (appréciateur des farines) nennt und dessen Construction auf der
                              Eigenschaft der schwachen Essigsäure beruht, allen im Mehl enthaltenen Kleber und
                              Eiweißstoff aufzulösen, ohne die Stärkmehlsubstanz anzutasten und auf der
                              Dichtigkeit der Lösung dieser Substanzen in der Essigsäure. Eine bestimmte Menge
                              Mehl muß demnach natürlich mit der Essigsäure eine je nach der Menge des Klebers und
                              Eiweißstoffes, welche darin enthalten sind, mehr oder weniger dichte Flüssigkeit
                              geben; diese Dichtigkeit wird mittelst eines dazu eingerichten Aräometers gemessen.
                              Je mehr also das Mehl von den erwähnten Substanzen enthält, desto dichter wird die
                              Flüssigkeit seyn, desto weniger wird das Aräometer einsinken, und desto mehr Brod
                              wird besagtes Mehl geben, und umgekehrt.
                           Theilt man die Scale dieses Aräometers so ein, daß jeder Grad ein Brod von 2 Kilogr.
                              repräsentirt, indem man eine Quantität Mehl, die einen Sak von 159 Kilogr.
                              repräsentirt und eine gewisse Menge Essigsäure anwendet, so wird man finden, daß, je
                              weniger tief das Instrument in die Lösung einsinkt, desto besser das Mehl ausgibt
                              und als gut betrachtet werden kann, wenn anders der Kleber darin von guter
                              Beschaffenheit ist.
                           Verfahrungsweise. Man verdünnt zuerst Essigsäure mit
                              destillirtem Wasser, bis ihre Dichtigkeit dem am Instrumente mit Farbe bezeichneten
                              93sten Grad entspricht, wenn diese Flüssigkeit eine Temperatur von 15° C.
                              (12° R.) hat. Die genaue Herstellung des Grades der Essigsäure auf diese
                              Weise ist höchst wichtig, um ein genaues Resultat zu erhalten. – Nun nimmt
                              man 24 Gramme Mehl erster Sorte und 32 Gramme Mehl zweiter Sorte, zerreibt die
                              Klümpchen in einem Porzellanmörser, sezt 183 Gramme obiger Essigsäure hinzu, reibt
                              zehn Minuten lang und gießt dann das Ganze in ein Probeglas, welches man bedekt und
                              in Wasser von 15° C. stellt; man läßt die milchige Lösung eine Stunde lang
                              ruhen. Es erzeugt sich dann ein Niederschlag von zwei Schichten, die untere von
                              Stärkmehl, die obere von Kleie und die überschwimmende Flüssigkeit enthält den
                              Kleber in Essigsäure aufgelöst. Die Oberfläche der Flüssigkeit bedekt sich mit
                              Schaum, welchen man mit einem Löffel abnimmt. Durch das bloße Besichtigen der so
                              getrennten Bestandtheile kann die Qualität des Mehls, die Weiße und Qualität des
                              Brodes, das man davon erhält, schon beurtheilt werden. Nach einer Stunde decantirt
                              man die klare Flüssigkeit in ein Probeglas, wartet ein paar Minuten und senkt dann das Instrument in
                              die Flüssigkeit; der Grad, bis zu welchem es einsinkt, zeigt die Anzahl Brode von 2
                              Kilogr. an, welche 159 Kilogr. des Mehls geben müssen; ein gewöhnliches gutes Mehl
                              soll am Instrument 101 bis 104 Grade zeigen, d.h. ein Sak von 159 Kilogr. soll 101
                              bis 104 Brode von 2 Kilogr. geben. – Will man die Beschaffenheit, die Güte
                              oder Quantität des Klebers näher kennen lernen, so wird die Flüssigkeit nach und
                              nach mit doppeltkohlensaurem Natron gesättigt; es entsteht ein Aufbrausen, der
                              Kleber verläßt sein Lösungsmittel und schwimmt über der Säure, welche ihre Farbe
                              verändert; man sammelt ihn auf dichtem Leinentuch, wascht ihn mit kaltem Wasser aus
                              und erhält so allen Kleber in unverändertem Zustande.
                           Um die Richtigkeit dieses Probirverfahrens durch das Experiment zu bestätigen, wandte
                              es der Verf. bei einem Sak Mehl an, welchem 10 Proc. Stärkmehl beigemengt worden
                              waren. Der Mehlgütemesser zeigte 97 Brode an; die im Großen ausgeführte Arbeit gab
                              97 1/2 Brode; ein anderer Sak, ohne beigemengtes Stärkmehl zeigte am Instrument 101
                              an und lieferte auch so viele Brode. Ebenso trafen die Resultate, welche er bei den
                              verschiedensten Mehlsorten durch das Instrument erhielt, mit jenen der Bäker
                              zusammen, welche dasselbe Mehl im Großen verbaken ließen.
                           Hr. Robine läßt nun sein Getreide nicht mehr von einem
                              Müller mahlen, sondern kauft sein Mehl, nachdem er es durch sein Instrument als gut
                              erkannt hat. – Es ist jedoch zu bemerken, daß er sein Instrument nur nach dem
                              Product eines Mittelteigs aus einem Sak Mehl von 159 Kilogr. graduirt hat, welcher
                              Teig in der Regel überall verarbeitet wird. Ist der Teig zu zart oder zu feucht, so
                              gibt er im Bakofen mehr aus, dagegen am Instrument weniger; aber das aus solchem
                              Teige dargestellte Brod verliert auch im Vergleiche mit dem Mittelteig im Bakofen
                              viel durch Verdunstung.
                           Die Mehle zweiter und dritter Sorte können auf dieselbe Weise geprüft werden; obwohl
                              sie minder guten und weniger Kleber besizen, sind sie reicher an extractiven
                              Theilen.Der Verf. schreibt die schlechte Beschaffenheit des Mehls einem fehlerhaften
                                    Verfahren beim Mahlen zu. Wenn nämlich die Mühlsteine zu schnell gehen, so
                                    tritt das Mehl warm hervor und verflüchtigen sich die durch die Reibung
                                    entwikelten geschmakvollen Bestandtheile des Getreides; der Kleber erfährt
                                    eine Art Zersezung, büßt an Elasticität und Zähigkeit ein und das so
                                    erzeugte Mehl hält bei der Bearbeitung nicht zusammen und wird weich. In der
                                    Regel muß man, wenn man gutes Brod haben will, Mehl anwenden, welches eine
                                    Zeit lang aufbewahrt worden ist und dadurch den beim Durchgehen zwischen den
                                    Mühlsteinen angenommenen Geruch verloren hat.
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
