| Titel: | Ueber die Galvanographie; von Jacobi. | 
| Fundstelle: | Band 86, Jahrgang 1842, Nr. LXXXI., S. 360 | 
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                        LXXXI.
                        Ueber die Galvanographie; von Jacobi.
                        Aus einem Berichte an die
                              Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg.
                           Bullet. scientif. X.
                              No. 6.
                        Jacobi, über die Galvanographie.
                        
                     
                        
                           Die Akademie wird sich der ersten, schön gelungenen galvanographischen Specimina
                              erinnern, welche ich die Ehre hatte, ihr in der Sizung vom 7. Aug. 1840 im Namen Sr.
                              kaiserl. Hoheit des Hrn. Herzogs von Leuchtenberg
                              vorzulegen. Se. kaiserl. Hoheit hatten Zeichnungen verschiedener Art, theils auf
                              polirtem Kupfer, theils auf silberplattirten Platten ausgeführt und sich hiezu einer
                              Auflösung von Damaraharz in Terpenthinöhl bedient. Eine galvanoplastische Copie
                              dieser Platten lieferte unmittelbar eine zum Abdruk fertige Gravirung der
                              Originalzeichnung. Diese schöne und wichtige Anwendung der Galvanoplastik eröffnete
                              den zeichnenden Künsten ein neues und weites Feld, denn in der That hatte sich
                              hiedurch eine ganz eigenthümliche Kunsttechnik gebildet, über welche sich Se. kais.
                              Hoheit in einem späteren Schreiben an mich folgendermaßen ausdrükte:
                           
                              „Die vielfältig von mir angestellten Versuche haben mir bald bewiesen, daß
                                 man hiebei zu einem eigenthümlichen, vom Kupferstich und Holzschnitte wohl zu
                                 unterscheidenden künstlerischen Producte gelangen kann. Es kommt der englischen
                                 Tuschmanier am nächsten, ja es geht mit ihr ganz parallel. Bei allen diesen
                                 Versuchen hatte ich es am geeignetsten gefunden, die Zeichnungen auf der
                                 Metallplatte in Tuschmanier auszuführen. Aber ich habe auch mehrere solcher
                                 Zeichnungen rein linear gehalten, und dann stand in der That der Abdruk auch den
                                 besten Holzschnitten nicht nach.“
                              
                           Statt des Damaraharzes bediente sich Se. kais. Hoheit später des gewöhnlichen
                              englischen Laks, der auf den ganz unvorbereiteten polirten Metallplatten mit der
                              Feder aufgetragen wurde. Auf diese Weise sind die hier vorliegenden, mit flüchtiger
                              Hand hingeworfenen Schriften und Zeichnungen entstanden, aus denen man ersieht, daß
                              auch die feinsten Züge sich reproduciren lassen.
                           Aber außer dem künstlerischen und technischen Interesse der Galvanographie war es
                              nicht minder das physikalische Phänomen, das sie begleitet, welches die
                              Aufmerksamkeit Sr. kais. Hoheit besonders auf sich zog, und das darin besteht, daß
                              auch nichtleitende Flächen sich allmählich und in vollkommenster Regelmäßigkeit mit
                              Kupfer bedeken. Dieses Phänomen, und wie es vor sich geht, ist eigentlich nicht so
                              leicht zu erklären, als es wohl den Anschein haben möchte, denn es ist dabei an ein
                              allmähliches Ueberwachsen der nichtleitenden Reliefpartien von Unten herauf
                              keineswegs zu denken. Die Beobachtungen, welche Se. kais. Hoheit im Laufe seiner
                              Versuche gemacht hatten, führten Hochdenselben zu folgenden erklärenden
                              Bemerkungen:
                           
                              „Es war durchaus nicht nöthig, die nichtleitende Zeichnung mit einem
                                 leitenden Ueberzuge oder metallischen Hauche zu überziehen, denn die galvanische
                                 Präcipitation ging auch ohne diese Armatur vollkommen vor sich, indem in den
                                 ersten 24, 48 oder 72 Stunden die blanke Platte sich rasch überzog, an Dike
                                 wuchs und in dem Maaße, als diese Dike das Niveau der einzelnen Reliefpartien um
                                 etwas überschritten hatte, auch auf diese successiv die Präcipitation begann. Es
                                 waren somit bei der Bildung meiner galvanographischen Platten drei Epochen sehr
                                 genau zu unterscheiden.“
                              
                           
                              „Zuerst nämlich das gleichzeitige Ueberziehen der blanken Platte an allen
                                 ihren leitenden Punkten – Präcipitation mit Unterbruch – interstitial praecipitation. – In
                                 der zweiten Epoche das successive Ueberwachsen der nichtleitenden Zeichnung,
                                 wobei die seichteste Reliefstelle die zuerst überzogene, die höchste
                                 Reliefstelle aber die zulezt überwachsene war. – Erst in der dritten
                                 Epoche ging das Wachsen gleichzeitig und gleichmäßig auf allen Punkten vor sich,
                                 denn die galvanische Strömung traf überall nur auf metallische Punkte –
                                 precipitation simultanée.“
                              
                           In der That bieten die galvanographischen Platten eine von den gewöhnlichen
                              galvanoplastischen Abdrüken verschiedene und auffallende Gestaltung dar. Bei diesen
                              lezteren, wo das Original aus metallischen oder leitenden Oberflächen besteht, sieht
                              man nämlich selbst bei beträchtlicher Dike, an der Hinterseite, genau die dem
                              Original entsprechenden Erhöhungen und Vertiefungen, welche also die Contreformen
                              der Vorderseite sind. Bei den galvanographischen Platten dagegen, welche ich die
                              Ehre habe der Section vorzulegen, sind auf der Rükseite die Lineamente der
                              Vorderseite, jedoch in derselben Ordnung, also umgekehrt wie in der
                              Originalzeichnung sichtbar. Die Erhabenheiten der Zeichentinte geben entsprechende
                              Vertiefungen, nicht nur auf der Vorderseite, sondern auch auf der Rükseite der
                              galvanoplastischen Copien.
                           Ich lege der Akademie noch einen anderen interessanten Versuch vor, den Se. kais.
                              Hoheit im Laufe des vorigen Sommers in Zarskoe-Selo angestellt hatten. Statt
                              nämlich die blanke Metallplatte, auf welcher sich die Zeichnung oder Schrift befand,
                              als Kathode zu gebrauchen, verband Se. kais. Hoheit dieselbe mit dem Kupferpole der
                              Batterie, so daß sie die Stelle der Anode vertrat; auf diese Weise wurde die ganze übrige
                              Platte galvanisch geäzt, und nur die beschriebenen Theile erhielten sich und
                              bildeten so eine erhabene Zeichnung, die gleich den Holzschnitten in der
                              Buchdrukerpresse abgedrukt werden konnte. Es ist hiedurch noch eine andere
                              galvanographische Manier gegeben, welche nicht minder einer weiteren Vervollkommnung
                              fähig zu seyn scheint und bestimmten Zweken als intermediär entsprechen könnte. Es
                              braucht kaum hinzugefügt zu werden, daß es der galvanischen Kraft gleichgültig ist,
                              ob sie bei einer flüchtigen Zeichnung oder Schrift oder Meisterwerken der Kunst oder
                              Kalligraphie auf die ihr eigenthümliche und gesezmäßige Weise ihre Thätigkeit
                              beurkundet. Ich bemerke noch, daß Se. kais. Hoheit die Jahreszahl 1841 auf der
                              lezteren Platte erst hinzugefügt hatte, nachdem der Proceß bereits zwei Tage lang in
                              Thätigkeit gewesen war und die Oberfläche ein zerflossen moiréeartiges
                              Ansehen erlangt hatte. Die Wirkung selbst wurde hierauf nur noch einige Stunden
                              hindurch fortgesezt.
                           War nun auf diese Weise die Anregung zur Galvanographie schon früher gegeben worden,
                              so konnte es nicht ausbleiben, daß geschikte Zeichner und Künstler verschiedenster
                              Art sich damit beschäftigten und diese neue Kunst nach Möglichkeit zu vervollkommnen
                              und sich ihrer zu bemächtigen emsig bemühten. So ist es mir denn sehr erfreulich,
                              daß ich der Akademie, welche der Entwikelung der Galvanoplastik von ihrem Beginne an
                              so lebhaftes Interesse schenkte, Galvanographien vorzulegen im Stande bin, welche
                              die Erwartungen vollkommen rechtfertigen, die gleich nach dem Gelingen der ersten
                              Versuche gehegt wurden. Die vorliegenden Blätter, die ich der gütigen Mittheilung
                              des königl. dänischen Gesandten am hiesigen Hofe, Hrn. Grafen v. Rantzau verdanke, sind Abdrüke von Kupferplatten, die vom
                              königl. dänischen Artilleriehauptmann Hrn. Hoffmann nach
                              der obigen Methode angefertigt worden sind und die, was die Schärfe und Reinheit der
                              Züge betrifft, alle Anforderungen vollkommen befriedigen, die man an eine mit der
                              Feder ausgeführte Linearzeichnung oder an eine Lithographie zu machen berechtigt
                              ist. Die Tinte, deren sich Hr. Hoffmann bedient, ein
                              Gegenstand, worauf es hiebei am meisten ankommt, ist bis jezt noch unbekannt,
                              indessen ersieht man aus den Abdrüken, daß dieselbe für Linearzeichnungen manche
                              Eigenschaften besizen muß, welche den bis jezt gewählten Materialien, die mehr der
                              Tuschmanier entsprechen, fehlen. Hr. Hoffmann sagt
                              hierüber, daß es ihm im leztverwichenen Frühjahre nach vielen Versuchen gelungen
                              sey, eine Substanz zu finden, die so vorzüglich in der Feder fließt, daß sich damit
                              eben so zierlich wie mit Tusche auf Papier zeichnen und schreiben ließe. Der
                              Erfinder gibt folgende
                              Vortheile an, welche dieses Verfahren vor dem gewöhnlichen Kupferstechen und der
                              Lithographie darbietet.
                           1) Daß man auf der Metallplatte nicht verkehrt zu zeichnen oder zu schreiben braucht,
                              so daß folglich ein jeder Zeichner dazu verwendet werden kann, und es ist klar, daß
                              er den Kupferstecher in demselben Verhältniß übertrifft, als er selbst ein
                              tüchtigerer Zeichner oder Kalligraph ist, denn die Abdrüke sind ein vollkommenes
                              Bild seiner Arbeit.
                           2) Daß die Ueberführung in Kupfer in ungleich kürzerer Zeit und folglich mit weit
                              geringeren Kosten geschieht.
                           3) Daß ein jeder Fehler im Zeichnen sich mit der äußersten Leichtigkeit berichtigen
                              läßt, was natürlicherweise auf die Stimmung des Zeichners während der Arbeit von
                              sehr vortheilhafter Wirkung ist.
                           Von den Gegenständen zu schließen, auf welche Hr. Hoffmann
                              bis jezt seine galvanographische Methode angewandt hat, scheint dieselbe besonders
                              für kalligraphische, topographische und architektonische Arbeiten geeignet zu
                              seyn.
                           Nach diesen Bemerkungen und nach der Anerkennung, die der Erfinder dieser besonderen
                              galvanographischen Tinte in seinem Lande erhalten hat, scheint es nicht
                              wahrscheinlich, daß bei den vorliegenden Platten der Grabstichel irgend eine
                              Nachhülfe geleistet hat; eben so läßt sich voraussezen, daß keine besondere
                              Geschiklichkeit, als eben nur die des Zeichnens, oder keine besonderen weitläufigen
                              Vorbereitungen nöthig seyen, um dieses Verfahren in Ausübung zu bringen. Wenn auch
                              für die Werke der höheren Kunst der Grabstichel so leicht nicht wird ersezt werden
                              können, so ist es doch gerade die oben bezeichnete Sphäre, welche die
                              ausgebreitetste ist und eine große Menge von Kräften in Anspruch nimmt. Auch unsere
                              Akademie ist hiebei lebhaft interessirt, denn sie wird künftig nicht nöthig haben,
                              bei Herausgabe von Werken, die von derartigen Zeichnungen oder Karten begleitet
                              sind, die oft enormen Kosten des Kupferstichs fürchten zu müssen. Ich will nur an
                              die Zeichnung der Instrumente der Pulkowaer Sternwarte erinnern, wovon sich ohne
                              Zweifel auf diese Weise die Kupferplatten ungleich wohlfeiler, als es bisher möglich
                              war, und eben so schön werden herstellen lassen. Die HHrn. Orientalisten unserer
                              Akademie sind, wie ich glaube, schon ohnedieß genöthigt, sauberere und correctere
                              Manuscripte, als wir anderen es gewöhnlich thun, zum Druk einzureichen. Vielleicht
                              werden sie künftig überhaupt nur nöthig haben, auf Kupfer zu schreiben, um sich
                              gravirte Platten für wenig mehr, als die Kosten des Materials betragen, zu
                              verschaffen. Im Ressort des Ministeriums der Volksaufklärung sind, wie ich glaube,
                              ebenfalls mehrere Arbeiten im Gange, die den Grabstichel in Anspruch nehmen und die
                              vielleicht theilweise durch das Verfahren des Hrn. Hoffmann ersezt werden könnten.