| Titel: | Ueber die Bereitung künstlicher Hefe; von Dr. Georg Fownes. | 
| Fundstelle: | Band 87, Jahrgang 1843, Nr. XIII., S. 50 | 
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                        XIII.
                        Ueber die Bereitung kuͤnstlicher Hefe; von
                           								Dr. Georg
                              								Fownes.
                        Aus dem Philosophical Magazine. Nov. 1842, S.
                              								352.
                        Fownes, uͤber die Bereitung kuͤnstlicher
                           								Hefe.
                        
                     
                        
                           Es ist oft sehr wünschenswerth, wenn keine gewöhnliche Hefe zu haben ist, die weinige
                              									Gährung nach Belieben hervorrufen zu können. Bei der Brodbereitung z.B., obwohl hier
                              									die Anwendung der Hefe durch die des sogenannten Sauerteigs oder durch
                              									Selbstzersezung schon sauer gewordenen und zum Theil in Fäulniß übergegangenen
                              									Teiges ersezt werden kann – ein sich von den ältesten Zeiten her
                              									schreibender, auch jezt noch vorkommender Brauch – zeichnet sich das so
                              									erhaltene Brod durch einen eigenthümlichen sauren und widerlichen Geschmak und
                              									Geruch aus und dasselbe kann mit dem durch Hefe in Gährung versezten nicht in
                              									Vergleich kommen.
                           Meine Absicht ist nun, ein Verfahren mitzutheilen, nach welchem eine Hefe von bester
                              									Qualität nach Belieben künstlich erzeugt werden kann. Ich weiß, daß gewissen Leuten
                              									ein Surrogat der gewöhnlichen Hefe zum Brauen schon längst bekannt ist und daß diese
                              									im Lande herumreisen, um ihr Geheimniß zu verkaufen; jene Vorschrift ist mir
                              									unbekannt und aus den Lehrbüchern der Chemie kann man sich hinlänglich überzeugen,
                              									daß dieselbe, worin sie auch bestehen mag, niemals bekannt gemacht wurde. Fragen wir
                              										Berzelius, so finden wir (dessen Lehrbuch 3te Aufl.
                              									VIII. Bd. S. 89 Anmerk.), daß, obwohl die Reproduction der Hefe oder die Umwandlung
                              									einer kleinen Menge davon in eine große sehr leicht ist, es doch sehr schwierig ist,
                              									diese Substanz vom Beginn an zu erzeugen, ursprünglich zu bereiten. Er beschreibt
                              									ein von Dr. Henry zu diesem
                              									Behuf angegebenes Verfahren, welches darin besteht, ein starkes Malzinfusum mit
                              									Kohlensäure zu sättigen und es dann einige Tage einer zum Gähren geeigneten
                              									Temperatur auszusezen, wobei sich allmählich eine kleine Menge Hefe bildet und
                              									absezt, welche sich dann auf verschiedene Weise Vermehren läßt. Ich werde nun
                              									angeben, wie sich ein Malzaufguß verhält, wenn er eine Zeit lang einer Temperatur
                              									von 17–21° R. ausgesezt wird, und zeigen, daß der Zusaz von
                              									Kohlensäure ganz überflüssig ist.
                           Das Gesez der Induction eines chemischen Processes, durch welches Liebig eine Menge auffallender Erscheinungen erklärte,
                              									von Berzelius
                              									„Katalyse“ benannt, welches Gesez durch die jüngsten
                              									werthvollen Untersuchungen der HHrn. Boutron und Frémy über die Bildung der Milchsäure so völlig
                              									bestätigt wurde, ja vielleicht noch eine weitere Ausdehnung erhielt, dient zur Lösung
                              									dieser Schwierigkeit, wie das sicher noch mit viel wichtigeren Gegenständen der Fall
                              									seyn wird. Es wurde gezeigt, daß „die Art der chemischen Veränderung,
                                 										welche in dem zersezenden stikstoffhaltigen Körper oder dem Ferment vorgeht, die
                                 										Art der Zersezung bestimmt, welche in der neutralen ternären, ihrem Einfluß
                                 										unterworfenen Substanz eintreten wird“; daß z.B. das Diastas je nach
                              									seinem Zustande, ob nämlich frisch aus dem gekeimten Getreide bereitet, oder schwach
                              									faulig, oder schon weiter in der Zersezung vorgeschritten, die merkwürdige
                              									Eigenschaft besizt, im ersten Fall die Stärke in Dextrin und dann in Traubenzuker zu
                              									verwandeln; im zweiten die Umwandlung des Zukers in Milchsäure herbeizuführen; im
                              									dritten und lezten aber die weinige Gährung zu erregen.
                           Wird nun gewöhnliches Weizenmehl mit Wasser zu einem diken Teig angerührt und leicht
                              									bedekt an einem mäßig warmen Orte der Selbstentmischung überlassen, so wird man eine
                              									Reihe von Umwandlungen beobachten, welche jenen von den HHrn. Boutron und Frémy hinsichtlich des
                              									Diastas beschriebenen ganz ähnlich zu seyn scheinen.
                           Ungefähr am dritten Tage wird etwas Gas entwikelt und ein äußerst unangenehmer,
                              									saurer, der sauer gewordenen Milch sehr ähnlicher Geruch verbreitet; nach einiger
                              									Zeit verschwindet dieser Geruch oder nimmt einen anderen Charakter an, es entwikelt
                              									sich weit mehr Gas mit einem deutlich auftretenden und nicht unangenehmen
                              									Weingeruch; dieß geschieht am sechsten oder siebenten Tag und die Substanz ist dann
                              									in dem Zustande, wo sie die geistige Gährung erregen kann.
                           Es wird nun eine gewisse Menge Bierwürze auf gewöhnliche Weise durch Kochen mit
                              									Hopfen bereitet und nach dem Abkühlen auf 26 bis 30° R. obiger Teig nach
                              									sorgfältigem Mischen mit etwas lauwarmem Wasser zugesezt und das Ganze an einem
                              									warmen Orte auf dieser Temperatur erhalten. Nach einigen Stunden beginnt eine
                              									lebhafte Gährung, Kohlensäure mit ihrem angenehm stechenden Geruch wird in reichem
                              									Maaße entwikelt und nachdem dieser Proceß vorüber ist und die Flüssigkeit sich
                              									geklärt hat, befindet sich eine große Quantität-vortrefflicher Hefe auf dem
                              									Boden, welche sich zu jedem Gebrauche vollkommen eignet.
                           Bei einem Versuche wurden folgende Materialien angewandt: eine kleine Handvoll
                              									gewöhnlichen Weizenmehls wurde mit kaltem Wasser zu einem diken Teig angerührt, mit
                              									Papier zugedekt und sieben Tage lang auf dem Kaminsims eines Zimmers stehen
                              									gelassen, in welchem das Feuer den ganzen Tag unterhalten wurde; zuweilen rührte man denselben um; nach
                              									dieser Zeit wurden drei Quart Malz mit ungefähr zwei Gallons Wasser eingemischt, der
                              									Aufguß mit der gehörigen Menge Hopfen gekocht und nach hinlänglicher Abkühlung das
                              									Ferment zugesezt. Man erhielt so eine Quantität Vier, welche freilich nicht sehr
                              									stark, jedoch frei von jedem unangenehmen Geschmak war, und wenigstens eine Pinte,
                              									zur Brodbereitung sich vollkommen eignender, diker Hefe.
                           Diese einfache Vorschrift dürfte Bewohner des Flächen Landes und Ansiedler in den
                              									Colonien in den Stand sezen, sich, wenn nur etwas Malz zu haben ist, des Genusses
                              									eines guten, aus jeder Art Getreide sehr leicht zu bereitenden Hausbrodes zu
                              									erfreuen. Der Hopfen könnte, wenn man nur Hefe zu gewinnen beabsichtigt,
                              									wahrscheinlich auch weggelassen werden.
                           Ein mäßig starkes, nicht gekochtes Malzinfusum, welches man einige Tage an einem
                              									warmen Orte stehen läßt, wird bald trübe und sauer und beginnt Gas zu entwikeln;
                              									diese Veränderung schreitet rasch vorwärts, es entwikelt sich Kohlensäure in großer
                              									Menge und es entsteht ein Bodensaz von einer diken, unlöslichen, weißlichen
                              									Substanz, welche in einer verdünnten Zukerlösung schnell Gährung erregt; die
                              									überstehende Flüssigkeit enthält Alkohol, Essigsäure und, wie ich glaube,
                              									Milchsäure.
                           Wird Würze gekocht und mit Hopfen versezt, zur freiwilligen Zersezung hingestellt, so
                              									scheint die eintretende Veränderung sehr von ihrer Stärke abzuhängen. Ist sie
                              									schwach, so verstreichen drei bis vier Tage, bis etwas zu bemerken ist; ein Schaum
                              									sammelt sich dann an der Oberfläche und eine braune, flokige Substanz fällt zu
                              									Boden, welche in einer Zukerlösung keine Gährung anzuregen vermag, während die
                              									Flüssigkeit einen faden, widerlichen Geruch von sich gibt. Ist der in Rede stehende
                              									Aufguß aber stärker, dann ist die eintretende Veränderung eine andere; die
                              									Flüssigkeit wird nämlich durch Absonderung einer gelblichen, klebrigen Substanz
                              									trübe; es wird viel Gas sehr langsam entwikelt, Alkohol gebildet und der Bodensaz
                              									bewährt sich als ein recht wirksames Ferment für den Zuker. Die Flüssigkeit ist nur
                              									unbedeutend sauer und der Geruch etwas unangenehm. Diese Verschiedenheit in dem
                              									Verhalten der gekochten Würze kann auch von der Menge des zugesezten Hopfens und der
                              									Länge der Zeit abhängen, welche man das Kochen fortdauern ließ.
                           Die Wirkung, welche in einer der freiwilligen Gährung fähigen Flüssigkeit durch
                              									Pflanzensäuren oder saure Salze, wie z.B. Weinstein, hervorgebracht wird, ist sehr
                              									merkwürdig; aus einem mit etwas Würze angestellten Versuche scheint mit Wahrscheinlichkeit
                              									hervorzugehen, daß ein solcher Zusaz die Bildung von Milchsäure zur Folge habe. Wir
                              									wissen, daß wenn der Saft von Trauben, Johannis- oder Stachelbeeren der Luft
                              									ausgesezt wird, die weinige Gährung scheinbar auf einmal beginnt, während in einem
                              									ungekochten Malzaufguß, welcher von jenen Substanzen frei ist, sich zuerst
                              									Milchsäure zu bilden scheint, obwohl am Ende beide Währungen zugleich
                              									vorschreiten.
                           Ich sagte, als ich von der freiwilligen Zersezung des Weizenteigs sprach, daß ein
                              									saurer Zustand demjenigen vorausgehe, in welchem er zum geistigen Ferment wird; wird
                              									er in diesem Zustande mit einer verdünnten Lösung gewöhnlichen Zukers vermischt und
                              									das Ganze einige Tage warm gehalten, so liefert er eine saure Flüssigkeit, welche
                              									viel Milchsäure enthält und woraus weiß krystallisirtes, milchsaures Zink leicht
                              									erhalten werden kann. Die Flüssigkeit geht gern in die geistige Gährung über und
                              									bildet in Folge weiterer Veränderung Essig; doch ist die Menge der so gebildeten
                              									Milchsäure immer sehr bedeutend.
                           Gewöhnlicher Weizenkleber gleicht in der Art seiner Zersezung auffallend dem Diastas;
                              									gleich diesem macht er zwei verschiedene dynamische Zustände nach einander durch; er
                              									wird successive zu einem Ferment für Milchsäure und zu einem solchen für Alkohol;
                              									darf man nicht erwarten, daß er durch ein geeignetes Verfahren noch in einen dritten
                              									Zustand, nämlich in Zukerferment versezt werden kann, wie
                              									das Diastas selbst es in dem Zustande ist, in welchem es im Malze vorkommt. Ist es
                              									nicht möglich, daß das Diastas als ein bestimmter näherer Bestandtheil des
                              									Pflanzenreichs eben so wenig existirt als die Hefe; daß seine Kraft nur eine
                              									dynamische ist, kurz, daß es weiter nichts als der Kleber des Samenkorns in einem
                              									der lezten Stadien seiner Zersezung ist? Diese Frage ist von großem Interesse; ihre
                              									Lösung wird aber durch die Schnelligkeit, womit diese Veränderungen auf einander
                              									folgen, ziemlich schwierig; man muß bedenken, daß es noch niemals gelang, das
                              									Diastas in einem für die Analyse geeigneten Zustand darzustellen.