| Titel: | Ueber Kleesäure-Fabrication. | 
| Fundstelle: | Band 87, Jahrgang 1843, Nr. LXXVII., S. 277 | 
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                        LXXVII.
                        Ueber
                           								Kleesaͤure-Fabrication.
                        Ueber Kleesaͤure-Fabrication.
                        
                     
                        
                           Die Kleesäure wird entweder durch Zersezung des in dem Safte vieler Pflanzen, wie
                              									z.B. des Sauerklee's (Oxalis acetosella) und mehrerer
                              									Ampferarten enthaltenen sauren kleesauren Kali's, oder durch die Oxydation gewisser
                              									organischer Substanzen mittelst Salpetersäure erhalten. Beim erstem Verfahren wird
                              									das saure Salz zuerst durch Sättigung mit kohlensaurem Kali neutralisirt und die
                              									Lösung dann mit essigsaurem Blei niedergeschlagen. Der wohl ausgewaschene und
                              									getroknete Niederschlag wird in mäßiger Wärme mit 37 1/2 Proc. Schwefelsäure, welche
                              									mit ihrem zehnfachen Gewicht Wasser verdünnt ist, digerirt, der unlösliche Rükstand,
                              									aus schwefelsaurem Blei bestehend, ausgesüßt und die Flüssigkeit zur Krystallisation
                              									abgedampft. Ein Zusaz von 5 Proc. Salpetersäure gegen das Ende der Operation soll
                              									die Krystallisation befördern.
                           Das zweite Verfahren, welches bei der Bereitung im Großen das gewöhnlichste ist,
                              									besteht in der Oxydation organischer Substanzen, wie des Zukers, der Melasse, der
                              									Stärke, der Sägespäne, wollener Lappen etc. mittelst Salpetersäure. Da jedoch hiezu
                              									viel Salpetersäure erforderlich ist, so wird dieses Verfahren in den Fabriken
                              									meistens nur dann angewandt, wenn die dabei sich entwikelnde salpetrige Säure
                              									ebenfalls benuzt werden kann, wie z.B. zur Fabrication der Schwefelsäure.
                           Folgende Bemerkungen des Hrn. Schlesinger über die
                              									Darstellung der Kleesäure nach lezterm Verfahren in Buchner's Repertorium für der Pharmacie Bd. XXIV. S. 24, sind sehr
                              									beachtenswerth.
                           Die in den Lehrbüchern angegebenen Vorschriften zu diesem Verfahren liefern nicht nur
                              									eine geringe Ausbeute, sondern auch ein Product, das nur durch öfteres
                              									Umkrystallisiren so weit rein dargestellt werden kann, daß die Krystalle in warmer
                              									Luft vollkommen verwittern und ein weißes mehlartiges Pulver geben. Größtentheils
                              									lautet die Vorschrift: 1 Thl. Zuker mit 6 Theilen verdünnter Salpetersäure von 1,12
                              									bis 1,22 spec. Gewicht zu nehmen und nach Entfernung der ersten Portion Krystalle
                              									noch 1 1/2 Theile Salpetersäure zuzusezen. Das Product beträgt gewöhnlich 18 bis 25
                              									Proc. krystallisirte Säure, die, auf weißes Drukpapier zum Troknen gebracht, ihre
                              									mechanisch anhängende Feuchtigkeit nur sehr langsam abgibt, und wenn dieß auch
                              									geschehen, bei einer Temperatur von 50° C. sich schon gelb oder braun färbt
                              									und fatescirt kein weißes Pulver gibt, selbst nach wiederholtem Umkrystallisiren. Die Ursache
                              									dieser so leichten Zersezbarkeit der Kleesäure liegt einzig in der geringen Menge
                              									der angewandten Salpetersäure. Behandelt man den Zuker, die Stärke etc. sogleich mit
                              									einer größern Menge und besonders concentrirterer Salpetersäure, als die
                              									Vorschriften gewöhnlich angeben, so erhält man nicht nur bedeutend mehr
                              									krystallisirte Säure, sondern sie troknet und verwittert auch schnell, ohne sich zu
                              									färben. Hat man daher Kleesäure nach den erwähnten Vorschriften bereitet, so braucht
                              									man die übrige Lauge nur noch mit Salpetersäure von 1,38 spec. Gewicht zu kochen, so
                              									lange sich noch salpetrige Säure entwikelt, dann krystallisiren zu lassen, so wird
                              									man bei jedesmaliger Wiederholung dieser Operation schön krystallisirte Kleesäure
                              									erhalten, ja selbst der lezte Tropfen Mutterlauge wird zu Krystallen erstarren. Bei
                              									dieser Behandlung hat man nur darauf zu sehen, daß in der kochenden Lauge immer
                              									Salpetersäure genug vorhanden sey, was leicht daran zu erkennen ist, daß die
                              									Flüssigkeit wasserhell oder blaßgelb bleibt und sich salpetrigsaure Dämpfe
                              									entwikeln; ist zu wenig Salpetersäure in der Mischung, so färbt sie sich dunkel
                              									gelb, dann braun, endlich schwarz. Sämmtliche auf diese Art gewonnene Krystalle
                              									müssen, noch feucht, mit Zusaz von etwas Salpetersäure in ihrem doppelten Gewichte
                              									destillirten Wassers kochend gelöst, heiß filtrirt und der Ruhe überlassen werden,
                              									wo sich nach einigen Stunden das ganze Gefäß mit Kleesäure gefüllt haben wird. Die
                              									von den Krystallen abgegossene Lauge wird concentrirt und abermals der Ruhe
                              									überlassen.
                           Die so erhaltene krystallisirte Kleesäure wird auf einen Glastrichter zum Abtropfen
                              									aller Flüssigkeit gebracht, zulezt mit einigen Tropfen kalten destillirten Wassers
                              									noch gewaschen und sodann auf weißem Drukpapier bei gewöhnlicher Temperatur
                              									getroknet, wo sie nur noch mit Salpetersäure verunreinigt bleibt.
                           Dieses oft wiederholte Zuschütten von Salpetersäure, immer wieder beginnende Kochen
                              									und Beseitigen der erzeugten Krystalle ist jedoch unbequem und zeitraubend; der
                              									Verf. stellte daher, um diesem Uebelstande abzuhelfen, einige Versuche an, um wo
                              									möglich sogleich bei der ersten Operation alle Kleesäure zu gewinnen. Er behandelte
                              									nämlich einen Gewichtstheil Zuker mit 2, 4, 6, 8, 10 und 12 Gewichtstheilen
                              									Salpetersäure von 1,38 spec. Gewicht in leicht mit Glasplatten bedekten
                              									Bechergläsern kochend über einer kleinen Weingeistlampe, dampfte jede Flüssigkeit
                              									auf gleiches Volum ein und sezte sie über Nacht einer Temperatur von –
                              									4° C. aus. Zu jedem dieser Versuche wurden 3,042 Gramme trokenen Zukers
                              									verwendet und die erkalteten Massen verhielten sich wie folgt:
                           a) 1 Zuker mit 2 Salpetersäure: gab eine syrupdike,
                              									farblose Masse ohne
                              									Krystalle; bei geringer Erwärmung wurde sie gelb, dann braun, endlich schwarz.
                           b) 1 Zuker mit 4 Säure: die Masse war ebenfalls dik und
                              									syrupartig, doch mit Krystallen von Kleesäure untermengt; erwärmt wurde sie
                              									gleichfalls gelb, braun und schwarz.
                           c) 1 Zuker mit 6 Säure: es erschien die ganze Masse
                              									farblos und krystallinisch, doch bildete sich bei Berührung derselben mit einem
                              									Glasstabe ein zäher, diker Krystallklumpen, der nicht troknete und beim Erwärmen
                              									ebenfalls gelb und dann braun wurde.
                           d) 1 Zuker mit 8 Salpetersäure: gab schöne blättrige
                              									Krystalle. Auf weißes Drukpapier gebracht, trokneten sie, aber etwas langsam, und
                              									klebten aneinander, was noch eine fremde Beimengung vermuthen ließ. Lufttroken
                              									gewogen, gaben sie 1,872 Gramme oder 62 Proc. Bei 100° C. fatesciren diese
                              									Krystalle und färben sich etwas gelblich, wo sie dann 1,242 Gramme wiegen.
                           e) 1 Zuker mit 10 Säure: gab ebenfalls farblose
                              									Krystalle ohne Lauge, welche 1,562 Gramme wogen – 52,07 Proc.; sie
                              									fatescirten schneller als die vorhergehenden und wogen dann 1,117 Gramme.
                           f) 1 Zuker mit 12 Säure: gab 1,357 Gramme sehr schöner,
                              									stark glänzender, großblätteriger Krystalle, welche sehr schnell auf Papier
                              									trokneten, binnen einer Stunde bei 100° C. vollkommen ihre 2 Atome Wasser
                              									abgaben, ihre Form ganz beibehielten, nur weiß und matt wurden und dann 0,959 Gramme
                              									wogen.
                           Diese drei lezten Versuche wiederholte der Verf. mit etwas größern Zukermengen und
                              									beobachtete zugleich die Temperatur, bei welcher die Reaction vor sich geht; er nahm
                              									jedoch auch nur offene Bechergläser.
                           29,69 Gramme trokenen Zukers in Stüken wurden mit 237,5 Grammen Salpetersäure (= 1
                              									Thl. Zuker + 8 Theile Säure) bei + 3° C. überschüttet. Nach einigen Minuten
                              									zeigte sich die Flüssigkeit rings um den Zuker blaßröthlich gefärbt; bis 12°
                              									erwärmt, wurde die Farbe blaßgelb. Bei 35° war der Zuker verflüssigt, gelb;
                              									die darüber stehende Salpetersäure wasserhell. Bei 45° war die ganze
                              									Flüssigkeit gelb und nun begann langsam eine schwache Entwikelung von salpetriger
                              									Säure. Bei 55° wurde die Flüssigkeit grünlichgelb, bei 60° olivengrün,
                              									bei 65° erschien sie kaum durchsichtig, bei 70° ganz undurchsichtig
                              									und hier war der Punkt der heftigsten Einwirkung. Bei 78° ließ die Heftigkeit
                              									nach, die Flüssigkeit wurde am Boden des Glases wieder gelblichgrün, bei 80°
                              									ganz durchsichtig und licht; bei 89° ging die Entwikelung von salpetriger
                              									Säure ruhig in kleinen Bläschen vor sich. Von 70° anfangend stieg die
                              									Temperatur durch die beim Zersezungsprocesse frei werdende Wärme von selbst bis auf
                              										90°. Als die
                              									Weingeistflamme hierauf (nämlich bei 90°) wieder in Anwendung kam, kochte die
                              									Flüssigkeit gleichmäßig fort, die grünlichgelbe Farbe ging in eine dunkelgelbe, bei
                              									92 bis 96° in eine goldgelbe Farbe über und dann sank das Thermometer wieder
                              									bis auf 85°, wo eine schwache Einwirkung noch lange fortdauerte.
                           57 Gramme Zuker wurden mit 570 Grammen Salpetersäure (= 1 + 10) übergossen und
                              									sogleich erwärmt; zuerst färbte sich die nächste Schichte um den Zuker, dann die
                              									ganze Masse gelb, später dunkelgrün. Bei der lebhaftesten Einwirkung wurde die ganze
                              									Flüssigkeit schwarzgrün undurchsichtig und die salpetrige Säure entwich in sehr
                              									dunkeln Strömen. Nicht lange währte diese heftige Wirkung, die Flüssigkeit wurde
                              									wieder olivengrün, dunkel, endlich lichtgelb.
                           Als 26,85 Gramme Zuker und 322,2 Gramme Salpetersäure (= 1 + 12) bei + 5° der
                              									Ruhe überlassen wurden, trat schwache Reaction ein, es sammelten sich über der
                              									Flüssigkeit salpetrigsaure Dämpfe, bald nahm die Flüssigkeit eine schöne
                              									dunkelgrüne, durchsichtige Farbe an und beim Erwärmen derselben begann sehr schnell
                              									eine heftige Einwirkung. So tumultuarisch aber auch die Reaction erfolgt, so ist
                              									dessenungeachtet kein Uebersteigen der Flüssigkeit zu befürchten und man kann ohne
                              									Gefahr in einem bis zu 4/5 gefüllten Glase arbeiten.
                           Aus diesen Versuchen ergibt sich als das beste Verhältniß zur Darstellung der
                              									Kleesäure auf 1 Theil bei 100° C. getrokneten Zukers 8,25 Salpetersäure von
                              									1,38 spec. Gewicht. Die gekochte Mischung läßt man bis auf den sechsten Theil
                              									eindampfen und krystallisiren. Die ganze Operation ist in 1–2 Stunden
                              									beendigt; wenn in einem Becherglase gearbeitet wird, braucht man kein zweites Gefäß
                              									und erhält als größtmögliche Ausbeute zwischen 58 und 60 Proc. des angewandten
                              									Zukers an lufttrokener, schön krystallisirter Kleesäure.
                           Die reine Kleesäure wird nicht, wie Manche glauben, durch Salpetersäure zersezt; denn
                              									beim Kochen von 0,4 Grammen fatescirter Säure mit 10,0 Grammen Salpetersäure von
                              									1,38 spec. Gewicht und Eindampfen krystallisirt nach den Versuchen des Verf. die
                              									Kleesäure farblos und sublimirt unverändert und ohne Gewichtsverlust.
                           ––––––––––
                           Die Kleesäure kömmt oft mit Weinsteinsäure, auch mit schwefelsaurem Kali verunreinigt
                              									vor. Diese Verunreinigungen sind leicht zu entdeken. Digerirt man etwas von der
                              									Säure in einer Röhre mit concentrirter Schwefelsäure, so muß sie farblos bleiben;
                              									ist Weinsteinsäure vorhanden, so wird sie schwarz. Durch Baryt wird die Gegenwart
                              									von schwefelsaurem Kali entdekt, indem sich ein weißer Niederschlag von schwefelsaurem Baryt bildet,
                              									welcher nach gehöriger Verdünnung der Flüssigkeit in einem Ueberschuß von
                              									Salpetersäure sogar kochend sich nicht auflöst.