| Titel: | Ueber Fortführung elektrischer Strömungen unter der Erde, von M. H. Jacobi. | 
| Fundstelle: | Band 87, Jahrgang 1843, Nr. LXXVIII., S. 281 | 
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                        LXXVIII.
                        Ueber Fortfuͤhrung elektrischer
                           								Stroͤmungen unter der Erde, von M. H. Jacobi.
                        Aus dem Bulletin de St. Petersb. T. I.
                              								29.
                        Jacobi, uͤber Fortfuͤhrung elektrischer
                           								Stroͤmungen unter der Erde.
                        
                     
                        
                           Der schwierigste Theil der Anlage elektromagnetischer Telegraphen besteht
                              									anerkanntermaßen in der Herstellung der galvanischen Leitung. Bei den ersten im
                              									kleinen Maaßstabe angestellten Versuchen des Baron Schilling von Cannstadt konnten die nachtheiligen Bedingungen nicht so
                              									hervortreten, als später, wo Steinheil und Wheatstone die Leitung auf größere Entfernungen
                              									auszudehnen suchten. Steinheil führte seine Drähte durch
                              									die Luft auf hölzernen Säulen, und bemerkte dennoch Nebenleitungen, aus denen er auf
                              									der einen Station Wirkungen erhielt, wenn auf einer andern die metallische
                              									Verbindung unterbrochen war. Wheatstone fand diese in so
                              									hohem Grade, daß er sein erstes System elektromagnetischer Telegraphirung, das aus
                              									combinirten astatischen Nadeln bestand, aufgeben mußte. Bei Schließung der
                              									Hauptkette kamen nämlich auch die Nadeln mit in Bewegung, welche ganz außerhalb der
                              									Verbindung lagen.
                           Die Schwierigkeit der Fortführung galvanischer Strömungen unter der Erde kann durch
                              									klimatische, geognostische und locale Beziehungen sehr vermehrt werden, und Steinheil erklärt es geradezu für unmöglich, derartige
                              									Leitungen auf größere Streken unter der Erde fortzuführen. In Petersburg zeigte sich
                              									bei Legung der Gasbeleuchtungsröhren eine solche Beweglichkeit des Terrains, daß
                              									nicht selten die Röhren an den Verbindungsstellen oder in der Mitte gerade
                              									durchgebrochen wurden. Dieser Umstand wirkt für die dortige Gegend um so hindernder,
                              									als bei galvanischer Leitung unter der Erde eine Röhrenleitung unumgänglich
                              									nothwendig zu seyn scheint, theils weil nur so eine vollständige Isolirung möglich
                              									ist, theils um bei vorfallender Beschädigung eine leichtere Zugänglichkeit zu den
                              									Drähten zu erhalten. Ein Versuch mit nicht frei in Röhren liegenden, sondern in
                              									Hülsen von Eisenblech eingekitteten Drähten zeigte die große Unbequemlichkeit eines
                              									solchen Systems.
                           Metallröhren vermehren die Chancen der Nebenverbindungen und machen dieselben
                              									gefährlicher; es wurden daher von mir gläserne
                              									 Röhren gewählt. Der
                              									Abstand der durch die Leitung verbundenen Punkte beträgt 9030 Fuß; jede Röhre ist im
                              									Durchschnitt über 5 Fuß lang, 3/4 Zoll weit und von angemessener Stärke. Die
                              									Röhrenenden sind matt geschliffen und mit Kautschukröhren verbunden, das ganze
                              									System kann daher leicht jeder Bewegung des Terrains folgen; die Röhren wurden
                              									anfänglich auf ausgehöhlte Ziegel, später nur in feinen Sand gebettet und mit 6''
                              									hohem Sande bedekt. Im Durchschnitt liegen sie 21 Zoll unter der Oberfläche. Man
                              									grub versuchsweise eine kurze Röhrenstreke auf geringere Tiefe ein, sezte dann oben
                              									einen schweren Amboß auf und ließ mit Hämmern von 80 Pfd. ein Stük Eisen
                              									ausschmieden; die durch das Pflaster sich horizontal fortpflanzenden Erschütterungen
                              									waren dabei sehr bedeutend, aber die darunter liegenden Röhren hatten nicht im
                              									mindesten gelitten. Von den in die Röhre gelegten Kupferdrähten wogen 3500 Fuß 45
                              									Pfd.; sie waren mit starkem Zwirn umsponnen, dann in eine heiße Mischung von Wachs,
                              									Harz und Talg getaucht, hierauf wieder umsponnen und nochmals mit derselben Mischung
                              									bestrichen. Die Röhre enthielt vier Drähte, von denen je zwei zu einem besondern
                              									telegraphischen Systeme gehörten.
                           Bei den mit vollendeter Leitung angestellten Versuchen zeigte sich auch bei
                              									geöffneter metallischer Kette eine schwache Wasserzersezung, welche auf das
                              									Vorhandenseyn einer Nebenschließung führte. Bei Versuchen, die dazu angestellt
                              									wurden, um den Einfluß dieser Nebenschließung zu bestimmen, ließ sich vermuthen, daß
                              									die angeführte Erscheinung aus einer Polarisation hervorgehen mag, welche auf einer
                              									elektrolytischen Wirkung zwischen den noch aneinander liegenden Drähten beruht. Um
                              									sich davon zu überzeugen, ob durch eine schwache Zersezung der isolirenden Substanz
                              									die Polarisationserscheinung hervorgerufen werde, wurden zwei isolirte Drähte, jeder
                              									von 2450 Fuß Länge, neben einander auf eine Rolle gewikelt, wobei sich keine Spur
                              									von Ablenkung zeigte, wenn man ihre Enden mit einer Grove'schen oder Daniell'schen Batterie verband,
                              									während ein elektromagnetischer Inductionsstrom die heftigste Erschütterung
                              									bewirkte. Hieraus würde sich der Vorzug ergeben, den bei telegraphischen Leitungen
                              									die Volta'sche Elektricität vor der von Steinheil angewendeten Magnetoelektricität besizt.
                           Um den Antheil der Stromstärke zu bestimmen, welcher durch Nebenleitung oder
                              									mangelhafte Isolirung verloren ging, wurden zwei Voltameter, an jeder Station eines,
                              									in die Leitung gebracht, wodurch sich im Mittel aus einer größern Versuchsreihe ein
                              									Verlust von 6,6 Proc. durch die Nebenleitung ergab.
                           
                           Auf eine Distanz von 5600 Fuß wurde ferner ein Draht auf die vorher angegebene Art
                              									überzogen, auf einem Damme hingeführt, jedes Ende des Drahtes mit einer Zinkplatte
                              									von 5 Quadratfuß Fläche verbunden, und die eine Platte in den finnischen Meerbusen,
                              									die andere in einen mit demselben communicirenden Canal gebracht; die Wirkung einer
                              									Batterie von 24 Grove'schen Bechern oder 150 Platten
                              									einer Volta'schen Säule (6'' Seite) schienen hier, wo die
                              									Hälfte des Leitungsbogens von 11200' durch den finnischen Meerbusen bewirkt wurde,
                              									eben so kräftig als die Wirkungen bei directer wiederkehrender Drahtleitung. Ein
                              									ähnlicher Versuch mit der vorher erwähnten 9030' langen Leitung ließ sich so
                              									herstellen, daß das eine Drahtende mit einer Platte verbunden wurde, die in die Newa
                              									tauchte, das andere mit einer, welche in einem Teiche stand, der mit der Fontanta
                              									verbunden war. Der Verlust an Stromstärke im Metalldrahte betrug hier nur 3 Proc.
                              									Als man hierauf den einen Draht nicht mit der Newa, sondern mit den Stangen des
                              									Blizableiters am kaiserlichen Winterpalais, welche natürlich in den feuchten
                              									Erdboden reichten, verband, so ergab sich ungefähr nur 1/2 Proc. Verlust an
                              									Stromstärke.
                           Hienach scheint es, daß der Benuzung des Erdbodens zu telegraphischen Leitungen kein
                              									Hinderniß entgegenstehe, im Gegentheil dadurch manche Vortheile erreicht werden
                              										dürften.Dasselbe Resultat lieferten die Versuche der HHrn. Wright und Bain, welche im
                                    											polytechnischen Journal Bd. LXXXV. S.
                                       												347 mitgetheilt wurden. A. d. R.