| Titel: | Sprengung des Round-Down-Felsens durch Schießpulver mittelst galvanischer Batterien. | 
| Fundstelle: | Band 87, Jahrgang 1843, Nr. CXVIII., S. 462 | 
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                        CXVIII.
                        Sprengung des Round-Down-Felsens
                           								durch Schießpulver mittelst galvanischer Batterien.
                        Aus dem Civil Engineers and Architects' Journal. Febr.
                              									1843, S. 68.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									IX.
                        Sprengung des Round-Down-Felsens durch Schießpulver
                           								mittelst galvanischer Batterien.
                        
                     
                        
                           Am 26. Jan. d. J. wurde der Round-Down-Felsen, die sogenannte
                              									Shakspeare-Klippe in der Nähe von Dover durch Entzündung von 18,000 Pfd.
                              									Schießpulver gesprengt. Die Operation wurde unter der Leitung des Ingenieurs Cubitt ausgeführt. Der merkwürdig gestaltete Fels erhebt
                              									sich 375 Fuß über der Hochwasserhöhe. Um es begreiflich zu machen, warum man einen
                              									nicht unbeträchtlichen Theil desselben von seiner dem Wind und den Wogen trozenden
                              									Basis hinwegzunehmen beschloß, müssen die Leser von der beabsichtigten
                              									Eisenbahnlinie in Kenntniß gesezt werden, welche zwischen Folkestone und dieser
                              									Stelle geführt werden soll.
                           Zu Folkestone wird ein sehr hoher und langer Viaduct erbaut; nach diesem folgt ein
                              									Tunnel wegen eines in der Nähe befindlichen Towers, der
                              										„Tower-Tunnel“ genannt, von 1/3 Meile Länge. Dann
                              									kommt ein 2 Meilen langer, durch Kreidefelsen gehauener Weg, „Warren's
                                 										Cutting“. Diesem folgt der 1 1/4 Meile lange
                              									Abbot's-Felsentunnel, welcher, obwohl erst am 16. Aug. v. J. begonnen, jezt
                              									doch schon zur Hälfte vollendet ist. Von diesem Abbot's-Felsen-Tunnel
                              									zum Shakspeareklippe-Tunnel geht die Eisenbahn unter dem Felsen hart neben
                              									der See, vor welcher sie durch eine 2 Meilen lange, starke und massive Mauer
                              									geschüzt wird, welche nur so hoch aufgeführt wird, daß den Passagieren die prächtige
                              									Aussicht auf das unter ihnen liegende Meer nicht benommen ist. Nun zeigte sich aber,
                              									daß, wenn man von der östlichen Mündung des Abbot's-Felsen-Tunnel eine
                              									gerade Linie bis zur westlichen Mündung der Shakspeareklippe zieht, ein Vorsprung an
                              									dem Round-Down-Felsen weggeschafft werden muß, um den geraden Weg
                              									herzustellen. Dieser Vorsprung hatte, vom Meere aus gesehen, die Gestalt eines
                              									convexen Kreisbogens von beträchtlichem Durchmesser. Er ist nun beseitigt und man
                              									kann sich von seiner Größe eine Vorstellung daraus machen, daß 1 Kubik-Yard
                              									Kreide 2 Tonnen wiegt und 1,000,000 Tonnen durch die Sprengung entfernt werden mußten. Die
                              									Shakspeare-Klippe ist 3/4 Meile lang und eben so weit beiläufig ist von
                              									diesem Tunnel nach der Stadt Dover.
                           So viel von der Oertlichkeit des Round-Down-Felsens. Ich will nun so
                              									kurz als möglich das Verfahren mittheilen, durch welches eine so ungeheure Masse
                              									Gestein davon losgemacht wurde. Ein horizontaler Gang T,
                              										Fig. 38,
                              									erstrekte sich 100 Yards weit parallel mit der beabsichtigten Eisenbahnlinie, von
                              									welchem aus wieder Quergänge von der Mitte und von den beiden Enden aus gehauen
                              									wurden. An den Enden dieser Quergänge wurden Schachte abgesinkt und am Grunde jedes
                              									Schachts eine Kammer von 11 Fuß Länge, 5 Fuß Hohe und 4 Fuß 6 Zoll Breite
                              									hergestellt. In die östliche Kammer wurden 5000 Pfd. Schießpulver, in die westliche
                              									6000 Pfd. und in die mittlere 7000 Pfd., in alle zusammen also 18,000 Pfd.
                              									Schießpulver gebracht. Dasselbe befand sich in Säken und diese wieder in Kisten.
                              									Auch wurde Pulver über die offenen Säke gestreut, und die Zündladungen befanden sich
                              									in der Mitte der Hauptladungen. Der Abstand der Ladungen von der Vorderwand des
                              									Felsens war in der Mitte 70 Fuß und an den beiden Enden etwa 55 Fuß. Man hatte
                              									berechnet, daß das Pulver, ehe es einen Ausgang finden konnte, 100,000 Yards oder
                              									200,000 Tonnen Kreide in Bewegung sezen müsse. Man erwartete auch mit Zuversicht,
                              									daß es 1,000,000 Tonnen entfernen werde.
                           Folgende Vorrichtungen dienten zur Entzündung dieser ungeheuren Pulvermasse. Auf der
                              									Rükseite des Felsens wurde ein hölzerner Schoppen erbaut, in welchem drei
                              									elektrische Batterien errichtet wurden. Jede solche Batterie bestand aus 18 Daniell'schen Cylindern und zwei gewöhnlichen Batterien,
                              									jede von 20 Platten, an welchen Drähte befestigt waren, die am Ende der Ladung
                              									mittelst eines sehr feinen Platindrahts in Communication gebracht wurden; lezteren
                              									brachte das hindurchströmende elektrische Fluidum zum Glühen, so daß das Pulver
                              									entzündet wurde. Die mit Garn überzogenen Drähte wurden bis zur Spize des Felsens
                              									hinauf auf das Gras aufgelegt und dann über dieselbe sich hinabbiegend in die
                              									östliche, die mittlere und die westliche Kammer geleitet. Lieutenant Hutchinson von den königl. Ingenieurs hatte das Commando
                              									über die drei Batterien, und die Anordnung war so getroffen, daß in demselben
                              									Momente, wo er das Centrum abfeuerte, die HHrn. Hodges
                              									und Wright die östliche und westliche Batterie abfeuern
                              									mußten, was sie zur Sicherheit des Erfolgs ein paar Tage vorher schon einübten.
                              									Jeder Draht war 1000 Fuß lang und man hatte sich vorher durch Versuche überzeugt,
                              									daß das elektrische Fluidum das Pulver auf 2300 Fuß Drahtlänge noch abfeuert.
                              									Nachdem die Kammern mit Pulver angefüllt waren, wurden alle Gänge und Quergänge mit
                              									trokenem Sand zugestopft, wie das beim Felsensprengen
                              									immer geschieht.
                           Um 9 Uhr Morgens wurde in gerader Linie über dem zur Explosion ausgewählten Punkt
                              									eine rothe Flagge aufgehißt, die Drähte mittelst des Galvanometers probirt, die
                              									Batterien geladen und Alles zum Abfeuern fertig gemacht.
                           Die Explosion sollte um 2 Uhr erfolgen, zu welcher Zeit sich eine große Volksmasse
                              									versammelt hatte; auf einer in der Nähe des Schauplazes errichteten Tribune hatten
                              									sich auch viele Notabilitäten und Techniker eingefunden.
                           10 Minuten nach 2 Uhr ließ der Oberingenieur der Compagnie, Hr. Cubitt, die Signalflagge auf der westlichen Tribune aufhissen, was hierauf
                              									auch mit allen anderen geschah. In banger Erwartung und mit gespannter
                              									Aufmerksamkeit erwartete man das große Schauspiel und genau 26 Minuten nach 2 Uhr
                              									empfand man eine leise Erschütterung des Bodens, darauf hörte man ein tiefes,
                              									schwaches, undeutliches, unbeschreibliches, unterirdisches Rollen, und unmittelbar
                              									danach fing der untere Theil des Felsens an herauszubrechen; beinahe zu gleicher
                              									Zeit begannen etwa 500 Fuß in der Breite von der Spize des Felsens allmählich
                              									herabzusinken.
                           Es war dieß keine lautkrachende Explosion, kein geräuschvolles Zerklüften des
                              									Felsens, und was am sonderbarsten, kein Rauch wurde sichtbar; es war als hätte der
                              									Felsen seinen festen Zustand mit dem flüssigen vertauscht, denn er glitt wie ein
                              									Strom in das Meer, welches etwa 100 Yards von seinem Fuß entfernt war, riß das Ufer
                              									in seinem Laufe auf und trieb die schlammige Unterlage heftig mit sich fort in das
                              									Meer; nachdem die Masse endlich zur Ruhe gekommen war, bemerkte man an verschiedenen
                              									Stellen derselben eine dunkelbraune Farbe. Die Felsenbruchstüke sollen einen
                              									Flächenraum von 15 Acres eingenommen haben; wir halten ihn aber für viel kleiner.
                              									Das Herunterfallen dauerte ungefähr 4–5 Minuten. Als Beweis des ruhigen
                              									Herabgleitens dient, daß die auf der Spize des Felsens aufgestekte Flaggenstange
                              									unbeschädigt mit den Trümmern sich herunter begab. Die Trümmer des eingestürzten
                              									Berges hatten eine viel günstigere Lage eingenommen, als man erwarten konnte. Statt
                              									den Raum der beabsichtigten Eisenbahn am Fuße des Berges einzunehmen, gingen sie
                              									durch ihre erlangte Geschwindigkeit darüber hinaus, so daß wenig mehr davon
                              									hinwegzuräumen ist. In ziemlicher Entfernung vom Felsen häuften sich Trümmer höher
                              									auf als an anderen Stellen und bildeten gegen den Felsen zu ein kleines Thal; ein
                              									zweites Thal bildete sich gegen das Meer zu mit einer weiter außen entstandenen Erhöhung, die
                              									gegen das Meer zu abwärts ging. Die Kreide war durchaus nicht hart und schien mit
                              									Wasser ganz getränkt zu seyn. Der größte Theil der Trümmer war 2 bis 8 oder 10
                              									Kubikfuß groß; doch waren auch sehr viele Blöke von 2–3 Kubik-Yards
                              									und mehr darunter, wovon einer eine Streke weit in die Shakspeare-Klippe
                              									getrieben worden war, dem Mauerwerke derselben aber keinen Schaden zufügte. Kleines
                              									Schuttwerk war wirklich wenig unter der Masse.
                           Der beiläufigen Berechnung nach beträgt die abgesprengte Masse 291,666
                              									Kubik-Yards (wovon etwa 50,000 Yards behufs der Herstellung der Straße
                              									weggeräumt werden müssen), so daß mittelst einer Tonne Pulvers 30,000 Yards gänzlich
                              									beseitigt wurden. Hr. Cubitt nimmt an, daß eine 6 Monate
                              									lange Arbeit und 7000 Pfd. St. Ausgaben durch diese Operation erspart wurden.
                           Bei Untersuchung der Kreideschichten und Spaltungen in der Umgebung des gesprengten
                              									Theils fand sich, daß das von Hrn. Cubitt eingeschlagene
                              									Verfahren nicht nur das wohlfeilste, sondern auch das sicherste war, welches gewählt
                              									werden konnte. Die senkrechten Spaltungen der Kreide laufen nämlich beinahe ganz
                              									parallel und in einer Neigung von vielleicht 1/5 bis 1/10 zu 1. In einer dieser
                              									Spaltungen war es, wo die ganze Masse sich ablöste und abglitt, und an welcher sie
                              									sich, wie wir vermuthen, vorher gesezt hatte, ohne Zweifel mehr in Folge des
                              									Einfiltrirens von Wasser als durch Unterminiren vom Meere aus. Auf dem im Zikzak
                              									gehenden Fußsteig, der den Felsen hinauf führt, kommt dieses Abgleiten von
                              									Kreideschichten sehr oft vor und macht den Weg folglich sehr unsicher.
                           Die merkwürdigste Erscheinung bleibt immer, daß in der nächsten Nähe beim Abfeuern
                              									keine Erschütterung empfunden wurde, während in weit größerer Entfernung eine solche
                              									deutlich fühlbar wurde. Doch auch in der Nähe fühlten einige Personen einen Stoß und
                              									andere einige Yards von ihnen wieder keinen.
                           Fig. 36 ist
                              									der Durchschnitt des Felsens, wie er vor der Explosion war; H das Haus mit den Batterien, F die Flagge auf
                              									der Spize des Felsens, T der Tunnel, C eine der Kammern. L, R
                              									Niveau der beabsichtigten Eisenbahn; L, W Niveau des
                              									niederen Wasserstandes.
                           Fig. 37
                              									Durchschnitt, die Bewegung der Masse zeigend.
                           Fig. 38
                              									Grundriß des Felsen-Vorsprungs; er zeigt den Tunnel T, die Kammern A mit 50 Fäßchen Schießpulver,
                              										B mit 70, C mit 60.
                           ––––––––––
                           Die große Explosion bei Dover bietet Umstände dar, welche von denen bei früheren
                              									großen Sprengungen wesentlich abweichen. Hr. J. F. Herschel, welcher
                              									Augenzeuge derselben war, berichtet an den Herausgeber des Athenaeum darüber Folgendes:
                           
                              „Ich kann das Geräusch, welches stattfand, nur mit einem dumpfen Murmeln
                                 										vergleichen, das kaum länger als eine halbe Secunde dauerte und so schwach war,
                                 										daß, hätte Jemand zu derselben Zeit in gewöhnlicher Stimme neben mir gesprochen,
                                 										ich es ganz überhört haben würde. Eben so wenig war der Fall der nahezu 400 Fuß
                                 										hohen Klippe – von der nicht weniger als 400,000 Kubik-Yards
                                 										binnen kaum 10 Secunden über eine Fläche von 18 Acres verstreut wurden –
                                 										von irgend einem bedeutenden Geräusch begleitet, jedenfalls von keinem, das
                                 										meine oder mehrerer anderer in meiner Nähe stehenden Personen Aufmerksamkeit in
                                 										besonderem Grad in Anspruch genommen hätte. Ein zweiter und nicht minder
                                 										merkwürdiger Umstand war der gänzliche Mangel an Rauch. Viel Staub quoll anfangs heraus und
                                 										verbreitete sich wie ein halbflüssiger Körper, fiel jedoch bald nieder, von
                                 										eigentlichem Rauch war aber durchaus keine Spur zu sehen, obgleich ich eine
                                 										Wolke von pechartigem Rauche erwartet hatte. Ebenso war die zitternde Bewegung,
                                 										die der Boden, auf dem ich stand, erhielt, nicht stärker, als wenn ein scherer
                                 										Wagen über eine gepflasterte Straße hinfährt.“
                              
                           
                              „Der merkwürdige Umstand, der diese Operation auszeichnete, daß der Lärmen
                                 										und das Zittern des Bodens so gering war, erklärt sich aus der Structur des
                                 										Kreidefelsens und dem zerklüfteten Zustand der ganzen Klippe. Von allen Stoffen
                                 										ist vielleicht Kreide am wenigsten geeignet, Töne fortzupflanzen, und am besten,
                                 										die durch einen schweren Schlag erzeugte Schwingung zu dämpfen. Der
                                 										ursprüngliche hammerartige Stoß, den das neuerzeugte Gas den Wänden der drei
                                 										zugleich springenden Minen mittheilte, wurde ohne Zweifel so stark gedämpft,
                                 										indem er selbst auf dem kürzesten Wege wenigstens durch 75 Fuß Kreide hindurch
                                 										ging, und dieß muß stattgefunden haben, ehe die Masse
                                 										durch die erzeugte Expansivkraft merklich von der Stelle gerükt war; diese
                                 										Expansivkraft, so groß sie auch war, konnte doch für die ungeheure Last keine
                                 										stärkere Wirkung ausüben, als sie zu zerklüften und nach Außen fallen zu machen,
                                 										wo dann die Schwere das Uebrige thun mußte. Nichts kann die genaue, auf einer
                                 										merkwürdig einfachen Regel beruhende Berechnung der erforderlichen Pulvermenge
                                 										(– die Kubikzahl der Linie des geringsten Widerstandes in Fußen, gibt die
                                 										Pulvermenge in Lothen –) in ein stärkeres Licht sezen, als der Umstand,
                                 										daß keine überflüssige Kraft verschwendet wurde, um einen nuzlosen Lärmen und
                                 										ein gefährliches Fortschleudern der Bruchstüke zu veranlassen, denn so wenig
                                 										Lärmen die Explosion verursachte, so wenig hat man gehört, daß irgend ein
                                 										einzelnes Bruchstük in irgend einer Richtung weit hinausgeschleudert worden
                                 										wäre.“
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
