| Titel: | Ueber verschiedene Erscheinungen bei der Darstellung des Zukers; von Carl Hochstetter. | 
| Fundstelle: | Band 89, Jahrgang 1843, Nr. LVI., S. 210 | 
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                        LVI.
                        Ueber verschiedene Erscheinungen bei der
                           								Darstellung des Zukers; von Carl
                              									Hochstetter.
                        Aus Erdmann's und Marchand's Journal fuͤr praktische Chemie, 1843,
                              									Bd. XXIX Heft 9.
                        (Fortsezung und Beschluß von Heft 2, S.
                           								154.)
                        Hochstetter, über verschiedene Erscheinungen bei der Darstellung
                           								des Zukers.
                        
                     
                        
                           4. Einfluß neutraler Salze auf reine
                                 										Zukerloͤsungen.
                           Wurden alkalische Chlorüre, neutrale, schwefelsaure und kohlensaure Alkalien mit
                              									Zukerlösungen in Berührung gebracht, so zeigte sich unter keinerlei Umständen eine
                              									andere Erscheinung als die, welche reine Zukerlösungen unter den verschiedenen
                              									Einflüssen begleitet.
                           Die Salze stören aber die Krystallisation des Rohrzukers, namentlich die Chlorüre. Es
                              									scheint, als ob diese wirkliche Verbindungen mit Zuker eingingen. Péligot will eine krystallisirte Verbindung von Kochsalz
                              									mit Rohrzuker erhalten haben, anderen Chemikern ist dieß nicht gelungen. Mitscherlich nimmt keine Verbindung von Kochsalz mit
                              									Zuker an. Ich habe nicht versucht eine solche Verbindung darzustellen, sondern
                              									beschränkte mich darauf, auszumitteln, in wie weit diese Salze die Krystallisation
                              									des Zukers beeinträchtigen.
                           Eine Zukerauflösung, welcher ich 2 Proc. vom Gewicht des Zukers Kochsalz, bei einem
                              									anderen Versuch eben so viel Chlorcalcium zusezte, konnte ich durchaus nicht zum
                              									Krystallisiren bringen. Die Masse, in Wasser aufgelöst und mit vieler Beinkohle kalt
                              									behandelt, krystallisirt wieder, sie enthält aber dann nur noch Spuren dieser Salze.
                              									Kohlensaure Alkalien verhalten sich eben so. Salpetersaure und schwefelsaure Salze
                              									krystallisiren theilweise aus einer Zukerlösung, welcher sie in größerer Menge
                              									zugesezt werden; ein Theil bildet aber mit dem Zuker eine schmierige Masse. In sehr
                              									geringen Mengen zugesezt, bis zu 2 Proc., beeinträchtigen sie zwar die
                              									Krystallisation des Zukers, aber nicht in dem Grade wie die Chlorüre.
                           
                        
                           5. Einfluß der stikstoffhaltigen
                                 										Koͤrper auf reine Zukerloͤsungen.
                           Nach allen jezigen Erfahrungen ist die Anwesenheit stikstoffhaltiger Körper eine
                              									nothwendige Bedingung, um Zukerlösungen in Gährung zu versezen, sey es in weinige,
                              									saure oder schleimige. Kein zukeriger Pflanzensaft ist frei von dieser Bedingung,
                              									denn alle sind im Stande, unter gewissen Umständen in Gährung zu gerathen. Diese
                              									Eigenschaft, Zuker durch sogenannte Gährung zu zersezen, gehört, wie es scheint,
                              									nicht einem bestimmten stikstoffhaltigen Körper an, sondern man hat beobachtet, daß
                              									thierisches wie vegetabilisches Eiweiß, Caseïn, Kleber und überhaupt die sogenannten
                              									proteïnhaltigen Substanzen alle solchen Einfluß üben können.
                           
                           Es ist hier noch einer Veränderung zu erwähnen, welche der Rohrzuker durch
                              									stikstoffhaltige Körper erleidet und für den vorliegenden Zwek von Interesse seyn
                              									muß. H. RosePolytechn. Journal Bd. LXXX S. 822. hat nämlich
                              									nachgewiesen, daß bei Einwirkung von Fermenten der Rohrzuker vor Eintreten der
                              									weinigen Gährung in eine andere Zukerart, TraubenzukerNach Ventzke Fruchtzuker., umgewandelt
                              									wird, daß der Rohrzuker direct nicht gährungsfähig ist. Es ist sehr wahrscheinlich,
                              									daß nicht nur der weinigen Gährung, sondern auch den anderen ähnlichen Metamorphosen
                              									des Rohrzukers eine Umwandlung in eine andere direct gährungsfähige Zukerart
                              									vorangeht.
                           Die Bedingungen, unter welchen Gährungen überhaupt eintreten, sind eine Temperatur
                              									über dem Gefrierpunkte bis zu circa 40° R. und
                              									Zutritt der atmosphärischen Luft zu den auf einander wirkenden Körpern.Berzelius' Chemie Bd. VIII.
                           Zutritt der atmosphärischen Luft ist nicht nur bei der weinigen, sondern auch bei der
                              									sogenannten schleimigen Gährung Bedingung. Der ausgepreßte Saft des Zukerrohrs geht
                              									leicht bei Zutritt der Luft in schleimige Gährung über; bei Abschluß derselben
                              									bleibt er unverändert. Hierauf gründet sich die sogenannte Appert'sche Methode, die Pflanzensäfte zu conserviren. Péligot erhielt von Martinique Rohrsaft in völlig
                              									unverändertem Zustande, indem der frische Rohrsaft bis zum Kochen erhizt und noch
                              									heiß in Flaschen gefüllt und versiegelt wurde. Wird dieser Saft dem Zutritt der
                              									Luft, nachdem er aus der Flasche genommen, wieder ausgesezt, so geräth er sehr
                              									leicht in schleimige Gährung. Mit Rübensaft ist dieser Versuch noch nicht angestellt
                              									worden.
                           Die Bedingungen, unter welchen stikstoffhaltige Körper die geistige, Milch-
                              									oder Schleimgährung zu erzeugen vermögen, sind noch nicht festgestellt. Boutron und Frémy haben in
                              									einer sehr interessanten ArbeitAnnales de Chimie, Jul. 1841, S. 257.
                              									einen wichtigen Beitrag zur näheren Kenntniß, namentlich der Umstände, unter welchen
                              									die sogenannte Milchgährung eintritt, gegeben.
                           Diese Arbeit hat besonderes Interesse für mich, weil die Milchgährung eine derjenigen
                              									Veränderungen ist, welche der Saft der Rüben am häufigsten zeigt.
                           In der Runkelrübe ist vegetabilisches Eiweiß und noch eine Reihe anderer
                              									stikstoffhaltiger Körper vorhanden; von den lezteren ist nicht nachgewiesen, ob sie
                              									zu den proteïnhaltigen Verbindungen  gehören, und ob sie geeignet sind, Veränderungen, wie
                              									diese, zu bewirken; daß aber Rohrsaft und Rübensaft die Eigenschaft zeigen, in
                              									Gährung zu gerathen, ist ein bekanntes Factum. Es handelt sich nur darum, zu zeigen,
                              									ob unter den stikstoffhaltigen Materien dem sogenannten Eiweiß allein die
                              									Eigenschaft der Einleitung einer Metamorphose zukommt.
                           Betrachten wir zuerst die Erscheinungen, welche der Rübensaft zeigt. Frisch
                              									ausgepreßt der Luft ausgesezt, wird er oft sehr bald schleimig, er erleidet die
                              									sogenannte schleimige Gährung, wie die geistige. Untersucht man solchen veränderten
                              									Saft, so findet sich Milchsäure, Mannit, eine gummiartige Masse und
                              									unkrystallisirbarer Zuker vor. Man kann Rübensaft 12 Stunden und länger aufheben,
                              									ohne daß er sich wesentlich verändert, einmal aber im Zersezungsproceß begriffen,
                              									verändert er sich schnell; die kleinste Spur eines in Gährung begriffenen
                              									Rübensaftes, einem frischen Rübensafte mitgetheilt, leitet in wenigen Stunden
                              									Veränderung ein. Rübensaft, aus welchem durch Kochen und Kalkzusaz ein großer Theil
                              									seiner stikstoffhaltigen Substanzen entfernt ist, zeigt fast dieselben Eigenschaften
                              									wie frischer Rübensaft; er erleidet, der Luft ausgesezt, schleimige Gährung, der
                              									Saft mag viel oder wenig freies Alkali enthalten. Wird die Alkalität des Saftes
                              									durch Säuren abgestumpft, so tritt manchmal geistige Gährung ein, aber nicht immer.
                              									Feuchtet man aber mit solchem Safte, wenn er auch alkalisch ist, gröblich
                              									gepulvertes Beinschwarz an, stampft die Masse in ein Glas ein und erhält sie in
                              									günstiger Temperatur, so tritt nach kurzer Zeit, und zwar immer nur geistige Gährung
                              									ein.
                           Im Kleinen versuchte ich mit Hülfe der beiden stikstoffhaltigen Substanzen, welche
                              									ich mir aus den Niederschlägen des Rübensaftes durch Kalk bereitete, diese
                              									Erscheinungen zu erzeugen und zu beobachten. Indem ich Zukerlösungen mit der
                              									leimartigen Substanz in Berührung brachte, wurde die Flüssigkeit in der Regel nach
                              									wenigen Tagen schwach sauer und etwas schleimig. Es hatte sich Milchsäure gebildet
                              									und eine durch Weingeist fällbare gummiartige Materie; Mannit konnte ich bei diesen
                              									Versuchen nie nachweisen. Die in Wasser unlösliche Substanz, das Eiweiß der Rübe,
                              									mit Zukerlösungen in Berührung gebracht, leitete ähnliche Veränderungen, aber erst
                              									nach längerer Zeit ein. Die Producte waren dieselben, ein Theil des früher
                              									unlöslichen Eiweißes wurde auflöslich und konnte durch Tannin gefällt werden. Wurde
                              									die Zukerlösung schwach alkalisch gemacht und mit diesen Substanzen in Berührung
                              									gebracht, so verschwand nach kurzer Zeit die Alkalität, und die Zersezung wurde
                              									dieselbe wie vorher. Wenn ich die Zukerlösung mit Zukerkalklösung sehr stark
                              									alkalisch machte, konnte  sehr lange keine Veränderung beobachtet werden, sie trat aber auch ein.
                           In allen diesen Fällen beobachtcte ich, daß der Rohrzuker sich vorher in eine andere
                              									Zukerart umwandelte, und zwar ehe noch irgend ein Gährungsphänomen auftrat. Diese
                              									Veränderung war sehr deutlich wahrzunehmen, wenn ich eine Zukerlösung von 10°
                              									B., der ich von der leimartigen Substanz zusezte, auf die schon erwähnte Art in
                              									einem mit Glasscherben gefüllten Cylinder mit der Luft in große Berührung brachte.
                              									Ohne die Bildung anderer Producte nachweisen zu können, schien aller Rohrzuker in
                              									wenigen Stunden umgewandelt in eine andere Zukerart. Lange genug diesen Proceß
                              									fortgesezt, wurde endlich die Flüssigkeit schleimig, aber nicht sauer. In diesem
                              									Fall scheinen die stikstoffhaltigen Körper zu wirken, wie bei der Essigbildung aus
                              									Weingeist.
                           Säuren, namentlich Mineralsäuren, können die Gährung unter den angegebenen Umständen
                              									verhindern. Durch Erhizen bis zum Kochen oder durch längeres Kochen verliert eine
                              									mit stikstoffhaltigen Substanzen vermischte Zukerlösung nicht die Eigenschaft, in
                              									Gährung zu gerathen; wie ich schon angeführt habe, geht geläuterter Rübensaft sehr
                              									leicht in Gährung über. Rübensaft, welcher bis zu 25° B. abgedampft, also
                              									lange den Einwirkungen der Wärme ausgesezt war, veränderte sich vollständig, als er
                              									längere Zeit in einer Flasche sich überlassen war. Es entwikelte sich Kohlensäure,
                              									welche den Kork der Flasche austrieb, nach 14 Tagen hörte die Gährung auf und es
                              									zeigte sich nachher bei der Untersuchung, daß sich weder Weingeist noch Säuren
                              									irgend einer Art gebildet hatten. Das Product war größtentheils Mannit und eine
                              									gummiähnliche Masse, welche aus der wässerigen Lösung durch Weingeist gefällt werden
                              									konnte.
                           Wird schlechter Rohrzuker aus den Colonien in Wasser aufgelöst und bei einer
                              									günstigen Temperatur sich überlassen, so zeigt er eine ganz ähnliche Erscheinung,
                              									wie eben erwähnt, nur konnte ich in diesen Flüssigkeiten keinen Mannit nachweisen,
                              									ohne Zweifel, weil noch zu viel anderer Zuker seine Abscheidung verhinderte.
                           Alle diese Erscheinungen sind die Resultate von Einflüssen stikstoffhaltiger Körper;
                              									überall, wo ähnliche Erscheinungen auftreten, sind solche Körper nachzuweisen.
                           Einflüsse anderer Art, als die eben erwähnten, können die stikstoffhaltigen
                              									Substanzen in höheren Temperaturen ausüben, d. h. in Berührung mit kochenden
                              									Zukerlösungen oder nur bei Temperaturen wenig über dem Kochpunkte des Wassers.
                           Es ist eine bekannte Erscheinung, daß, wenn eine concentrirte Auflösung von Rohzuker
                              									und feiner Raffinade längere Zeit bei einer  Temperatur von circa
                              									110° C. erhalten wird, die erstere sich weit mehr verändert als die reine
                              									Zukerlösung. Die Vermuthung, daß hier eine mittelbare Veränderung des Zukers durch
                              									die in der Masse enthaltenen stikstoffhaltigen Materien bewirkt wird, liegt da nicht
                              									fern.
                           Noch deutlicher tritt diese Ansicht in folgendem Versuche hervor. Man nehme eine
                              									einfache Auflösung von Zuker und ein durch Klären mit Blut bereitetes Clairies
                              									desselben Zukers und koche beide gleich lange Zeit, so wird das Clairies sehr bald
                              									gefärbt, während die bloße Zukerauflösung farblos blieb. In jedem Clairies der
                              									Raffineure, selbst wenn der reinste Zuker dazu verwandt wurde, finden sich theils
                              									durch Tannin, theils durch dieses Reagens nicht fällbare stikstoffhaltige Körper. Es
                              									mag seyn, daß bei Anwendung von ganz frischem Blute das Clairies frei von diesen
                              									Substanzen ist; es wäre dieß zu versuchen, denn es ist gewiß, daß je älter, je
                              									verdorbener das Blut ist, also je mehr Eiweiß durch Fäulniß, oder wie man die
                              									Zersezung nennen mag, verändert wird, desto mehr stikstoffhaltige Substanzen enthält
                              									das Clairies. Es ist aber auch nicht unwahrscheinlich, daß das Eiweiß des Blutes
                              									beim Proceß des Klärens durch die Einwirkung der Wärme zum Theil so verändert wird,
                              									daß es nicht mehr coagulirt, oder, einmal coagulirt, sich wieder löst.S. Berzelius' Lehrbuch der Chemie Bd. VIII S. 792.
                           Dasselbe Resultat erhielt ich, wenn eine reine Zukerlösung mit der schon öfter
                              									angeführten leimartigen Substanz versezt und gekocht wurde. Die Lösung färbte sich
                              									und die Kupferprobe zeigte die Bildung einer anderen Zukerart an. Hiebei hat sich
                              									die stikstoffhaltige Substanz nachweisbar verändert, denn wenn das Kochen einige
                              									Zeit andauerte, so bringt Kalkwasser zwar einen Niederschlag hervor, aber nur wenig,
                              									während salpetersaures Queksilberoxyd einen sehr reichlichen Niederschlag
                              									hervorbrachte. Vor dem Kochen war die Substanz durch Kalk vollkommen fällbar.
                           Die Producte, welche sich bei dieser Zersezung der stikstoffhaltigen Substanzen
                              									bilden, habe ich nicht näher untersucht. Ich möchte vermuthen, daß bei dieser
                              									Veränderung Ammoniak gebildet wird und entweicht, während die übrigen Elemente zu
                              									sauren Producten zusammentreten und auf den Zuker dieselben Veränderungen dann
                              									ausüben, wie alle sauren Körper. Die braune Färbung der Syrupe rührt größtentheils
                              									von solchen Zersezungsproducten her.
                           Das Verhalten stikstoffhaltiger Körper beim Kochen und bei höheren Temperaturen, wie
                              									in concentrirten Zukerlösungen, ist, so viel mir bekannt, noch wenig untersucht. Nur
                              									wenige Körper, Leim und Eiweiß, hat man unter ähnlichen Einflüssen beobachtet und
                              									gefunden  daß sie sich
                              									verändern. Bei diesen Versuchen waren die Substanzen bloß mit Wasser in Berührung,
                              									also die Temperatur keinenfalls bedeutend höher als 100° C. Bei höheren
                              									Temperaturen werden sie sich wohl wieder etwas anders verhalten, so wie überhaupt
                              									verschiedene solcher Körper sich mehr oder weniger leicht zersezen, je nachdem ihre
                              									Elemente loser oder fester gruppirt sind.
                           Nach dem Vorhergehenden können die stikstoffhaltigen Substanzen der Rübe, und ohne
                              									Zweifel auch die des Zukerrohrs, einen verschiedenen Einfluß üben bei gewöhnlicher
                              									Temperatur überall, wo die Säfte der Luft ausgesezt sich überlassen bleiben, und
                              									ferner bei den Kochoperationen durch die Wärme.
                           
                        
                           6. Verhalten des Rohrzukers unter
                                 										gemeinschaftlicher
                              									Zusammenwirkung der vorerwaͤhnten Einfluͤsse und
                                 										unter Umstaͤnden, wie sie bei der Zukerfabrication auftreten.
                           Die Pflanzensäfte der Zukerfabrikanten werden bekanntlich mit Kalk versezt, sowohl
                              									der Rohrsaft als der Rübensaft. Die Säfte werden dann alkalisch theils durch einen
                              									Ueberschuß an Kalkerde, theils durch kaustische Alkalien, welche sich durch
                              									Einwirkung des Kalkes auf ihre Säuren bildeten. Ich habe oben gezeigt, daß der Kalk,
                              									so wie überhaupt die Alkalien, den reinen Zuker in seiner wässerigen Auflösung nicht
                              									zersezen, selbst unter Mitwirkung von Wärme; es fragt sich nun, welches die Wirkung
                              									der Kalterde ist, wenn die Zukerlösungen mit fremden organischen Substanzen gemischt
                              									sind und wenn endlich die Säfte, wie dieß sehr häufig der Fall ist, vor der
                              									Behandlung mit Kalk schon eine andere oder mehrere Zukerarten gebildet enthalten.
                              									Theilweise habe ich schon im vorigen Abschnitte das Verhalten des Rohrzukers unter
                              									solchen Umständen abgehandelt. Ich habe nämlich gezeigt, daß die Veränderung des
                              									Rohrzukers unter Einfluß der stikstoffhaltigen Substanzen bei gewöhnlicher
                              									Temperatur durch Kalk nicht aufgehoben, sondern mitunter beschleunigt oder
                              									wenigstens befördert wird. Hier will ich den Einfluß der Wärme noch zuziehen.
                           Wenn frischer Rübensaft, welcher nach vorherigem Versuch durch die Kupferprobe frei
                              									von jeder anderen Zukerart als Rohrzuker befunden wurde, nach Art der
                              									Zukerfabrikanten mit Kalk in der Kochhize behandelt wird, so ist eine Einwirkung
                              									die, daß sich Kalkverbindungen niederschlagen, deren Zusammensezung ich vorn
                              									angegeben habe, und eine zweite, daß ein Theil der stikstoffhaltigen Körper sogleich
                              									eine Zersezung erleidet, wovon Ammoniak ein Product ist. Untersucht man nach diesem
                              									Vorgange den klaren Saft, so findet sich keine Spur einer anderen Zukerart, der
                              									Rohrzuker hat sich nicht verändert, der klare Saft hat sich auch nicht stark
                              									gefärbt, er ist ganz 
                              									hell weingelb. Wird derselbe Saft in einer offenen Schale oder in einem Kolben eine
                              									Stunde oder länger gekocht und abgedampft, so entwikelt sich fast fortwährend
                              									Ammoniak, während die Flüssigkeit sich trübt, ohne sich aber bedeutend mehr zu
                              									färben, als durch die Concentration der Flüssigkeit erklärt werden kann. Untersucht
                              									man nach dieser Zeit die Flüssigkeit mit der Kupferprobe, so findet sich auch keine
                              									Spur veränderten Zukers vor, vorausgesezt, daß der Saft fortwährend alkalisch blieb.
                              									Es hatten sich zugleich Niederschläge gebildet, welche aus kohlensaurem Kalk, Leucin
                              									und einem anderen unlöslichen Kalksalze bestanden.
                           Da bei den Versuchen im Kleinen von diesen Niederschlägen nur geringe Mengen erhalten
                              									wurden, eine nähere Kenntniß der während des Abdampfprocesses von alkalischem
                              									Rübensaft gebildeten Producte aber interessant seyn mußte, untersuchte ich die
                              									Niederschläge, welche sich in den Abdampfpfannen der Zukerfabrik der HHrn. Schmidt und Comp. in Westerhausen bei Magdeburg stets
                              									bilden. Ich fand dieselben zusammengesezt aus:
                           Leucin,
                           kohlensaurem Kalk,
                           zwei Kalksalzen, von denen das eine durch Essigsäure, das
                              									andere durch Salzsäure zersezt werden konnte. Die Säuren dieser Salze waren
                              									organischer Natur, ich konnte sie aber nicht bestimmen;
                           einer schwarzen humusähnlichen Substanz, die beim Erhizen
                              									sich aufblähte, schmolz und nach verbranntem Horn roch;
                           einer Kalkseife, deren Fettsäure von dem Fettzusaz während
                              									des Abdampfens herrührte.
                           Außer diesen Producten haben sich auch auflösliche Kalksalze gebildet, und in dem
                              									abgedampften Saft finden sich neben diesen noch eine Menge fremder organischer
                              									Substanzen, durch Einwirkung der Wärme und Alkali mehr oder weniger verändert.
                           Eine Zersezung der stikstoffhaltigen Körper, wie ich sie vorn annahm, ist durch die
                              									in den Abdampfpfannen gebildeten Niederschläge vollkommen bewiesen, denn Leucin
                              									entsteht durch den Einfluß des Alkali's auf diese Substanzen, und bei Bildung dieses
                              									Products muß Ammoniak entwikelt werden. Während diese Einwirkungen und Zersezungen
                              									vor sich gehen, erleidet der Zuker keine Veränderungen, ohne Zweifel, weil alle
                              									sauren Producte, deren Bildung vorausgesezt werden muß, im Augenblik ihrer
                              									Entstehung von dem vorhandenen Alkali, der Kalkerde, aufgenommen werden, der andere
                              									indifferente Theil der Zersezungsproducte aber eine chemische Einwirkung auf den
                              									Zuker nicht erwarten läßt.
                           Zur Hervorbringung dieser Erscheinungen ist eine nothwendige  Bedingung die Wärme, und zwar
                              									von einer Intensität, welche die Temperatur des kochenden Wassers übersteigen oder
                              									doch wenigstens erreichen muß. Wenn nämlich alkalischer Rübensaft im Vacuum bei
                              									einer Temperatur von circa 70–80° C.
                              									abgedampft wurde, so bilden sich fast gar keine Niederschläge, welche auf einen
                              									ähnlichen Proceß, wie oben erwähnt, schließen ließen; die blanken kupfernen
                              									Heizflächen bleiben blank, denn es haben sich keine unlöslichen Kalksalze
                              									niedergeschlagen. Das verschiedene Verhalten des alkalischen Rübensaftes in den
                              									Vacuumpfannen und den offenen Pfannen kann dem Einflusse der Luft nicht
                              									zugeschrieben werden, denn die Bildung der Dämpfe bei der Abdampfung ist so
                              									energisch, daß eine Berührung der Luft mit der Flüssigkeit gar nicht denkbar
                              									ist.
                           Ich sagte vorhin, daß sich bei meinen Versuchen im Kleinen keine andere Zukerart
                              									unter solchen Einflüssen gebildet habe, daß ich überhaupt keine Zersezung des Zukers
                              									wahrnehmen konnte, woraus hervorgeht, daß auch hier die Alkalien, die Kalkerde,
                              									schüzend für den Rohrzuker wirken. Im Großen konnte ich diese Thatsache nicht
                              									beobachten, weil mir jezt die Gelegenheit dazu fehlte und früher die Anwendung der
                              									Kupferprobe mir noch unbekannt war.
                           Anders werden die Erscheinungen, wenn, wie dieß häufig der Fall ist, der Rübensaft,
                              									ehe er mit Kalk behandelt wird, sich etwas verändert hat, namentlich wenn er andere
                              									Zukerarten, wie Frucht- oder Traubenzuker, enthält.
                           Diese beiden Zukerarten zeigen nämlich gegen Alkalien ein ganz verschiedenes
                              									Verhalten als der Rohrzuker. Wässerige Auflösungen dieser Zukerarten, mit Kalkwasser
                              									oder Kalkmilch versezt, zersezen sich schon bei gewöhnlicher Temperatur vollständig,
                              									jedoch gehört dazu eine dauernde Einwirkung. Mit Hülfe der Wärme geht jedoch diese
                              									Veränderung sehr rasch vor sich und zwar um so energischer, je höher die Temperatur
                              									ist, welcher alkalische Lösungen dieser Zukerarten ausgesezt werden.S. Péligot's Untersuchungen uͤber die
                                    											chemischen Eigenschaften der Zukerarten, Annales de
                                       												Chimie, Tom. LXVII
                                    											p. 113. Die Producte, welche sich
                              									dabei bilden, sind noch wenig untersucht, unter anderen mehrere Säuren:
                              									Kalizukersäure von Péligot, Glucin- und
                              									Apoglucinsäure. Die Zersezungsproducte scheinen ähnlich denen zu seyn, welche sich
                              									durch concentrirte Einwirkung von Säuren auf Rohrzuker bilden.
                           Eine Zukerauflösung, welche nur Spuren von einer anderen Zukerart enthält, färbt sich
                              									beim Erhizen mit Kalkwasser fast augenbliklich. Es ist daher in dem Kalkwasser oder
                              									in einer Zukerkalklösung  ein Reagens gegeben, in ungefärbten Zukerlösungen eine
                              									andere Zukerart nachzuweisen.
                           War in einer alkalischen Lösung hinlänglich Frucht- oder Traubenzuker
                              									vorhanden, so verschwindet nach kurzer Zeit die Alkalität vollständig, es ist durch
                              									Kohlensäure keine Kalkerde mehr zu fällen.
                           Wenn ich die Lösung eines Gemisches von Trauben- und Fruchtzuker mit einer
                              									concentrirten Zukerkalkauflösung versezte und eine Flüssigkeit von circa 20° B. davon erhielt, so konnte nach
                              									zweistündigem Kochen keine Spur der beiden fremden Zukerarten nachgewiesen werden,
                              									sie hatten sich vollständig zersezt. Der Rohrzuker des Zukerkalkes war bei diesem
                              									Vorgange unverändert geblieben, vorausgesezt daß noch freies Alkali vorhanden war.
                              									Die Flüssigkeit hatte sich dabei tief dunkelbraun gefärbt und es haben sich
                              									Niederschläge gebildet. Ist nur wenig Alkali vorhanden, so ist auch die Wirkung
                              									nicht so intensiv.
                           Ich komme nun wieder auf den Rübensaft zurük, indem ich annehme, daß neben Rohrzuker
                              									noch andere Zukerarten vor der Behandlung mit Kalk vorhanden sind.
                           In diesem Falle zeigt sich gleich eine andere Erscheinung als in gutem, bloß
                              									Rohrzuker enthaltendem Safte; der klare Saft wird gefärbt, er wird, je nach dem
                              									Zustande des Saftes, gelb, intensiv gelb und röthlich-gelb. Die Kalkerde und
                              									übrigen freien Alkalien haben sogleich ihre Wirkung auf die anderen Zukerarten
                              									geäußert, gerade so wie in einer ungefärbten, aber durch Einwirkung von
                              									stikstoffhaltigen Substanzen unter Einfluß der Luft bei gewöhnlicher Temperatur
                              									veränderten Rohrzukerlösung. War eine große Menge einer anderen Zukerart vorhanden,
                              									so dauert die Einwirkung der Alkalien beim Proceß des Abdampfens noch fort und so
                              									lange, als noch freies Alkali und durch diese Körper zersezbare Zukerarten sich
                              									vorfinden.
                           Daher kommt es auch, daß schlechter Saft, wenn er auch sehr alkalisch war, seine
                              									Alkalität beim Abdampfen gänzlich verliert. Diese Erscheinung kommt freilich nicht
                              									allein und ausschließlich auf Rechnung der fremden Zukerarten, sondern daran haben
                              									auch die größeren Mengen stikstoffhaltiger, weder durch Kochen noch durch Kalk
                              									abscheidbarer Materien Antheil, welche schlechter, d. h. veränderter Rübensaft stets
                              									in größerer Menge enthält als unveränderter Saft, und die auch einen Theil des
                              									vorhandenen Alkali's bei ihrem Zersezungsproceß consumiren.
                           Stark alkalischer Rübensaft wird nach längerem Abdampfen daher auch keine andere
                              									Zukerart durch die Kupferprobe nachweisen lassen, weil jene zerstört wurde durch
                              									Einwirkung der Alkalien.
                           Wenn ich oben sagte, daß in unverändertem alkalischem Rübensafte  während des Abdampfens über
                              									freiem Feuer kein Rohrzuker verändert wird, so ist mir die Kupferprobe nicht allein
                              									Beweis dafür gewesen, denn sie kann in diesem Falle täuschen, weil, wird auch eine
                              									andere Zukerart beim Kochen des alkalischen Saftes gebildet, sie sogleich durch
                              									Einwirkung der Alkalien zerstört wird. Hätte sich aber wirklich im obigen Falle
                              									Rohrzuker verändert, so hätte sich eine solche Veränderung in einer starken Färbung
                              									der Flüssigkeit zu erkennen geben müssen.
                           Es geht endlich aus dieser Betrachtung hervor, daß bei Rübensaft und ohne Zweifel
                              									auch bei Rohrsaft, welche vor der Behandlung mit Kalk keine anderen Zukerarten als
                              									Rohrzuker enthalten, während der Operationen des Abdampfens, selbst über freiem
                              									Feuer und bei einer Temperatur sogar über der des kochenden Wassers, kein Rohrzuker
                              									zersezt wird, vorausgesezt daß die Flüssigkeit immer alkalisch war und daß die
                              									färbenden Bestandtheile des abgedampften Saftes von den auflöslichen
                              									Zersezungsproducten der stikstoffhaltigen Materien herrühren. Hat der Rübensaft aber
                              									vor der Behandlung mit Kalk andere Zukerarten enthalten, so wird der abgedampfte
                              									Saft neben den vorigen Producten noch die Zersezungsproducte dieser durch den
                              									Einfluß der Alkalien in sich aufnehmen, ohne daß aber auch in diesem Falle Rohrzuker
                              									verändert würde. Diese Producte sind größtentheils auflöslich im Zukersaft und sehr
                              									färbender Natur.
                           Das Resultat dieser Untersuchungen bezeichnet uns verschiedene Einflüsse, unter
                              									welchen eine Veränderung des Rohrzukers während der Fabrication vor sich gehen kann,
                              									oder welche eine Minderausbeute an Rohrzuker veranlassen.
                           Zur leichteren Uebersicht fasse ich diesen Theil meiner Arbeit in folgenden Säzen
                              									zusammen:
                           1. Eine reine Zukerlösung verändert sich durch Einfluß der atmosphärischen Luft, und
                              									zwar um so leichter, je mehr Berührungsflächen derselben dargeboten werden, bei
                              									gewöhnlicher Temperatur. Dieser Proceß wird merklich gesteigert, wenn die
                              									Zukerlösung stikstoffhaltige Körper von der Art enthält, wie sie in den Zukersäften
                              									der Rübe und des Zukerrohrs vorkommen. Die Veränderung besteht in der Bildung einer
                              									neuen Zukerart, ohne Zweifel Fruchtzuker. Bei Anwesenheit stikstoffhaltiger Körper
                              									tritt eine secundäre Veränderung ein in der sogenannten schleimigen Gährung, unter
                              									gewissen Umständen kann aber auch weinige und Milchgährung das secundäre Product
                              									seyn.
                           2. Eine reine Zukerlösung zersezt sich beim Kochen während einer Zeit, welche den
                              									Kochoperationen im Großen gleichkommt, unmerklich,  dagegen verändert sich der
                              									Zuker unter gleichen Umständen bemerkbar, wenn die Zukerlösung stikstoffhaltige
                              									Substanzen enthält.
                           3. Die Alkalien (Kalkerde) verändern den Zuker in seiner wässerigen Auflösung nicht,
                              									selbst in Temperaturen bis zu 120°. Sie schüzen den Zuker vor der Einwirkung
                              									der Zersezungsproducte der stikstoffhaltigen Substanzen in höheren Temperaturen.
                              									Unter gewissen Umständen können Alkalien eine Veränderung des Zukers befördern, und
                              									zwar bei Vorhandenseyn stikstoffhaltiger Körper in Temperaturen, welche den
                              									Gährungsprocessen günstig sind.
                           4. Die stikstoffhaltigen Körper, welche die Rübe enthält, sind geeignet, sowohl bei
                              									gewöhnlicher Temperatur als in der Kochhize den Rohrzuker zu verändern; im ersteren
                              									Falle treten nach Umständen dieselben Veränderungen ein, wie schon bei 1. angegeben,
                              									im zweiten bilden sich durch die Zersezungsproducte dieser Körper neue Zukerarten,
                              									ohne Zweifel Frucht- und Traubenzuker.
                           5. Die meisten Salze, besonders aber die Chlorüre der Alkalien und alkalischen Erden,
                              									beeinträchigen die Krystallisation des Rohrzukers, ohne einen zersezenden oder
                              									verändernden Einfluß auf ihn auszuüben. Die Einwirkung scheint eine rein mechanische
                              									zu seyn, denn auf eine ähnliche Art wirken die unkrystallisirbaren Zukerarten.
                           6. Die Einwirkung saurer Körper jedwelcher Art, in Rohrzukerlösungen Traubenzuker und
                              									Fruchtzuker je nach Umständen in verschiedenen Verhältnissen zu bilden, habe ich
                              									nicht näher betrachtet, da dieser Einfluß wohl der am genauesten beobachtete
                              									ist.
                           
                        
                           III. Anwendung.
                           Wir haben gesehen, daß mannichfache Einflüsse auf den Rohrzuker während seiner
                              									Fabrication einwirken können, die Versuche im Kleinen gestatten aber nicht allein zu
                              									zeigen, welchen Einflüssen der größere Theil der Veränderungen zuzuschreiben ist,
                              									welche der Fabrikant zu seinem großen Leidwesen in den sogenannten Melassen
                              									wahrnimmt.
                           Seitdem man mit Bestimmtheit weiß, daß in dem Zukerrohr sowohl als in der Runkelrübe
                              									keine andere Zukerart als Rohrzuker vorhanden ist, kann die Bildung der Melassen nur
                              									Zerlegungen zugeschrieben werden, welche der Zuker während seiner Darstellung
                              									erleidet. Zwar bestehen die Melassen der Zukerfabrikanten nicht allein aus
                              									verändertem Rohrzuker, aber doch zum großen Theil. Sie enthalten außer Salzen,
                              									färbenden und anderen, nicht näher charakterisirten Substanzen noch große Mengen
                              									Rohrzuker.
                           Wenn es auch im Großen unausführbar ist, mehr krystallisirbaren Zuker daraus zu
                              									erhalten, so kann man doch, namentlich bei  den Melassen der Rübenzukerfabrikanten, durch Anwendung
                              									sehr vieler Kohle und Weingeist noch beträchtliche Mengen Rohrzuker krystallisirt
                              									gewinnen, ohne daß es aber gelänge, allen Zuker daraus zu ziehen. Soubeiran hat mit Hülfe eines Polarisationsapparates
                              									verschiedene Melassen untersucht und ihren Gehalt an Rohrzuker bis zu 50 Proc.
                              										berechnet.Nach Abzug des Wassers, welches die Melasse enthaͤlt.
                              									Ventzke hat noch größere Mengen gefunden, bis zu 60 Proc.
                              									Es kann daher die ganze Menge Melasse, welche in der Praxis erhalten wird, nicht als
                              									das Product von Zersezungen angesehen werden, denn, wie ich gezeigt, haben kleine
                              									Mengen Salze die Eigenschaft, das Auftreten des Rohrzukers in Krystallen gänzlich zu
                              									verhindern und mit ihm eine Art Melasse zu bilden. Denselben Einfluß üben die
                              									unkrystallisirbaren Zukerarten, wie mich mehrere Versuche überzeugt haben.
                           Die Melasse der Zukerfabrikanten mag nun noch viel oder wenig Rohrzuker enthalten,
                              									das Factum ist da, daß auf gewöhnlichem Wege derselbe nicht in krystallisirtem
                              									Zustande aus den Melassen gewonnen werden kann, und da wir wissen, daß fremde
                              									Zukerarten, die Zersezungsproducte des Rohrzukers, diesen unkrystallisirbar machen,
                              									so bleibt die Frage gleich wichtig, welchen Einflüssen vorzugsweise die Zerlegungen
                              									des Rohrzukers während seiner Darstellung zuzuschreiben sind.
                           Ich habe gezeigt, daß der Rohrzuker eines alkalischen Rübensaftes, welcher unter
                              									beständigem Kochen über freiem Feuer abgedampft wurde, sich nicht veränderte, eben
                              									so wenig als beim sogenannten Läutern. Bei diesen beiden Operationen hat also der
                              									Einfluß der Wärme nichts zur Bildung einer neuen Zukerart beitragen können. Geht man
                              									nun von der Voraussezung aus, daß die Wärme einer der schädlichsten Einflüsse
                              									während der Fabrication ist, so müßte diese beim Einkochen erst thätig seyn und den
                              									Rohrzuker zerlegen.
                           Ich habe gezeigt, daß Zukerlösungen in Temperaturen über dem Kochpunkte des kochenden
                              									Wassers bei Anwesenheit stikstoffhaltiger Körper mittelbar verändert werden können.
                              									Dieser Fall tritt beim Einkochen ein, wo der Zuker eines Schuzmittels, des Kalkes,
                              									oder überhaupt eines freien Alkali's entbehren muß. In den besser eingerichteten
                              									Fabriken, sowohl zur Darstellung des Rübenzukers als zum Raffiniren, wendet man aber
                              									Vacuumpfannen behufs des Einkochens an, in welchen die Temperratur der kochenden
                              									Zukerlösung die Temperatur des kochenden Wassers nie erreicht; hier muß der Einfluß
                              									der Wärme bedeutend modificirt werden. Soubeiran hat auch
                              									nachgewiesen, daß beim Einkochen im Vacuum die Zukersäfte  sich nicht merklich verändern,
                              									indem er gefunden, daß vor wie nach dem Kochen die wässerige Auflösung dieselbe
                              									Polarisationsfähigkeit zeigte.
                           Beim Einkochen bei niedrigen Temperaturen, wie im Vacuum, verändert sich der Zuker
                              									demnach auch nicht unter Einfluß der Wärme.
                           Ob beim Einkochen unter gewöhnlichem Luftdruk mittelst Dampfheizung oder freiem Feuer
                              									eine bedeutende Menge Zuker zerlegt wird, will ich dahin gestellt seyn lassen. Es
                              									hat sich jedoch im Großen herausgestellt, daß die Differenzen sowohl in Qualität als
                              									Quantität sehr unbedeutend sind zwischen Fabriken, welchealle ihre Kochopperationen
                              									im Vacuum, und solchen, welche sie auf offenem Feuer vorsichtig vornehmen.
                           Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die große Aufmerksamkeit, welche man den
                              									Kochapparaten geschenkt hat, besonders von der Ansicht ausgegangen ist, daß die
                              									Erzeugung von Melasse vorzugsweise dem Einflusse hoher Temperaturen zugerechnet
                              									wurde.
                           Ich glaube anderen Einflüssen die Zersezung zuschreiben zu müssen.
                           Nach Allem was wir über die Zukerfabrication in den Tropenländern wissen, zeigt der
                              									Saft des Zukerrohrs die Eigenschaft, außerordentlich leicht in Gährung überzugehen,
                              									begünstigt durch die hohe Temperatur der Luft, so daß anzunehmen ist, daß ein großer
                              									Theil des ursprünglichen Rohrzukers schon verändert ist, ehe nur der Saft irgend
                              									einer andern Operation unterworfen wird. Das Auftreten von Gährungsphänomenen ist zu
                              									einer Veränderung des Rohrzukers durchaus nicht nöthig, denn das Eintreten der
                              									Gährungserscheinungen sezt immer eine vorhergehende Verwandlung des Rohrzukers in
                              									eine andere Zukerart, Frucht- oder Traubenzuker, voraus.
                           Die schlechten Rohzuker der Colonien erleiden auf ihrem langen Transport ebenfalls
                              									noch Veränderungen, und zwar solche, die zu den Gährungsprocessen zu rechnen sind;
                              									mitunter sind die Rohzuker sauer, wahrscheinlich von Milchsäure, mitunter bilden
                              									sich schleimige oder gummiähnliche Producte, immer aber verändert sich
                              									Rohrzuker.
                           Kommt endlich der Rohzuker in unseren Raffinerien an, wird er mit der größten
                              									Vorsicht behandelt und im Vacuum verkocht, so daß sich durchaus kein Rohrzuker
                              									zersezen kann, so ist ein Theil des Zukers als Mutterlaugen (Syrupe) wieder in einer
                              									Veränderung begriffen, sobald die Syrupe auf den Böden der Raffinerien lange stehen
                              									bleiben.
                           Wer je Gelegenheit gehabt hat die Wirkung gewisser stikstoffhaltiger Körper auf
                              									Zukerlösungen, concentrirte und verdünnte, näher zu beobachten, muß zugestehen, daß
                              									die Umstände, unter denen die  Colonisten ihren Zuker fabriciren und versenden, auf die
                              									Wirkung dieser Körper, als den Haupteinfluß der Veränderung von krystallisirbarem
                              									Zuker, hinweisen.
                           Der Saft unseres vaterländischen Zukermaterials, der Runkelrübe, würde bei den hohen
                              									Temperaturen der tropischen Himmelsstriche ohne Zweifel sich noch weit schneller und
                              									energischer verändern als der Saft des Rohrs, weil im Rübensaft eine ungleich
                              									größere Menge von Gährung bedingenden Substanzen sich finden, unsere
                              									Fabricationszeit fällt aber glüklicherweise in den Winter. Dessenungeachtet kann man
                              									wahrnehmen, daß sich auch der Rübensaft verändert, so wie er die Zellen der Rübe
                              									verläßt, und zwar um so leichter, je höher die Temperatur der Rüben in den Gruben,
                              									wo sie aufbewahrt wurden, und je höher die Temperatur der Luft ist. In guten
                              									Fabriken wird man es nicht so weit kommen lassen, daß sichtbare Veränderungen vor
                              									sich gehen, daß der Saft vielleicht sauer und schleimig wird, aber verändert hat er
                              									sich auch ohne diese Zeichen oft. Die Veränderungen stehen mit dem Zustande der
                              									Rüben immer im Zusammenhang. Im Herbste, wenn die Rüben gleich nach der Ernte
                              									verarbeitet werden, übt die Temperatur der äußeren Luft keinen merklichen Einfluß,
                              									im Januar und Februar aber schon zeigt sich eine fast in allen Fabriken gewöhnliche
                              									Erscheinung, daß mit Eintreten von Thauwetter, also höheren Temperaturen,
                              									schlechtere und weniger Producte gewonnen werden; sobald wieder kalte frische
                              									Witterung eintritt, werden mit denselben Rüben mehr und bessere Zuker gewonnen.
                           In gekeimten Rüben ist eben so wenig eine fremde Zukerart nachzuweisen, als in
                              									frischen, ungekeimten, aber eine Veränderung der stikstoffhaltigen Körper, und diese
                              									bedingen im Frühjahr die leichtere Veränderung des Rübensaftes, schon bei
                              									Temperaturen wenige Grade über dem Gefrierpunkte.
                           Wie ich gezeigt habe, sind wir nicht im Stande, durch Kalkerde die ganze Menge der
                              									stikstoffhaltigen Materien aus dem Safte abzuscheiden, es bleiben noch beträchtliche
                              									Mengen davon zurük, und um so mehr, je veränderter die Rüben waren; ferner wissen
                              									wir, daß auch alkalischer geläuterter Rübensaft unter dem Einflüsse der Luft und
                              									günstigen Umständen sich verändern und sogar durch einen Gährungsproceß vollständig
                              									zersezen kann.
                           Ueberall, wo der geläuterte oder abgedampfte Rübensaft der Luft bei lauen
                              									Temperaturen große Berührungsflächen bietet, überall, wo er längere Zeit stehen
                              									bleibt, treten für Veränderung günstige Momente ein. Die Veränderungen hören noch
                              									nicht auf, selbst wenn die Zukermasse schon in den Formen ist, denn die ersten
                              									Mutterlaugen  (Syrupe),
                              									welche größtentheils aus Rohrzuker bestehen, sind, sich längere Zeit auf den Böden
                              									selbst überlassen, in fortwährender, wenn auch langsamer Veränderung begriffen. Je
                              									verdünnter die Syrupe, desto rascher der Umlauf der Veränderungen.
                           Wir sehen fast in jedem Zeitmomente der Fabrication die Bedingungen für Veränderungen
                              									gegeben, wie ich sie unter dem Einflusse der stikstoffhaltigen Materien beschrieben
                              									habe. Ich glaube die Ansicht verantworten zu können, daß die
                                 										wirklichen
                              									Zersezungen des Rohrzukers nur allein unter dem Einflüsse
                              									dieser Körper stattfinden, vorausgesezt daß die Operationen, wo nicht alkalische
                              									Säfte verkocht werden, im Vacuum vorgenommen werden, daß da, wo alle Kochoperationen
                              									auf freiem Feuer vorsichtig geschehen, nur der kleinste Theil der Veränderungen auf
                              									Rechnung höherer Temperaturen kommt.
                           Noch dürfte sich hier eine Betrachtung anschließen, inwiefern die bisherigen
                              									Verfahrungsarten, den Zuker darzustellen, Manipulationen und Apparate dem Zwek
                              									entsprechen.
                           Die Gewinnung des Zukersaftes aus den Runkelrüben geschieht auf zweierlei Art: durch
                              									Auspressen und durch Maceriren der frischen Rüben, oder durch Auslaugung der
                              									getrokneten Rübensubstanz.
                           Die jezigen besseren mechanischen Vorrichtungen zum Auspressen des Rübensaftes
                              									verrichten diese Operation so rasch, daß eine Veränderung desselben fast unglaublich
                              									scheint; das Schwarzwerden des Saftes zeigt aber, daß in der That eine solche
                              									erfolgen kann. Diese Veränderung hat zwar nach allen Erfahrungen keinen übeln
                              									Einfluß, sie wird im Gegentheil als ein Zeichen der guten Beschaffenheit des Saftes
                              									betrachtet, sie beweist aber auch, wie rasch solche Veränderungen vor sich gehen
                              									können. In den meisten Fabriken kommt es aber vor, daß einzelne Saftmengen mehrere
                              									Stunden in Reservoiren sich überlassen bleiben, oder es findet keine scharfe
                              									Trennung der Saftmengen statt, welche in verschiedenen Abschnitten gewonnen werden,
                              									weil hiefür keine Vorsorge bei der Anlage getroffen wurde. An den Wänden der
                              									Pressen, der Reservoire und überhaupt der angewandten Geräthschaften bleiben dünne
                              									Schichten der Luft längere Zeit ausgesezt, verändern sich, und während sie sich mit
                              									frischem Safte wieder vermischen, leiten sie in großen Mengen Saft Veränderung ein.
                              									Die Horden und Tücher der Pressen bilden in noch weit höherem Grade einen
                              									Gährungsherd. Eine Vermeidung aller dieser Uebelstände ist eine Hauptbedingung für
                              									das Gelingen.
                           Die Anhänger der Macerationsmethoden führen als einen Hauptvorzug ihres Verfahrens
                              									an, daß durch das Kochen der Rübenschnitte oder überhaupt der frischen Rübenmasse
                              									das Eiweiß der Rübe coagulire,  wodurch die Gährungsfähigkeit des Saftes, welche bei der
                              									Preßmethode die Resultate verderbe, gehoben sey. Dieß ist jedoch ein großer Irrthum,
                              									den alle diejenigen, welche sich je einmal mit der Zukergewinnung nach dieser
                              									Methode befaßt haben, einzusehen gelernt haben werden.
                           Durch das Kochen der Rüben wird nur. ein Theil der stikstoffhaltigen Substanz
                              									gefällt, Kalk äußert seine Wirkung auch nur auf einen Theil, indem er unlösliche
                              									Verbindungen bildet; ein großer Theil und gerade der Theil, welcher die
                              									Veränderungen am leichtesten einleitet, ist gelöst im Safte. Zwar hat die Einwirkung
                              									der Wärme den Einfluß dieser Substanz sehr modificirt, ja auf eine längere Zeit
                              									aufgehoben, sie erlangen jedoch diese Eigenschaft in günstiger Temperatur und in
                              									Berührung mit der Luft in kurzer Zeit wieder.
                           Die Rüben brauchen in den Maceratoren, welche für die besten gehalten werden, doch
                              									wenigstens 6 Stunden, bis sie ausgelaugt werden; eine jedesmalige scharfe Trennung
                              									der Saftmengen ist im Großen schwer zu bewerkstelligen, weßhalb einzelne Safttheile
                              									häufig noch längere Zeit unter den der Gährung günstigsten Umständen verweilen, sich
                              									verändern und endlich die ganze Macerationsbatterie in ihren Zersezungsproceß
                              									hineinziehen. An diesem Umstande scheiterten bisher alle Macerationsmethoden.
                           Durch Zusaz von Kalk während der Macerationsarbeit wird eine Zersezung nicht
                              									verhindert, sie kann befördert werden. Sehr große Kalkmengen können sie aufhalten,
                              									aber nicht unbedingt.
                           Ich habe lebhafte Gährungen bei sehr alkalischem Saft in den Macerationsgefäßen
                              									beobachtet, es entwikelten sich Gasblasen von Kohlensäure (?), und Milchsäure ward
                              									gebildet.
                           So lange die Operation des Macerirens nicht auf eine sehr kurze Zeitdauer beschränkt
                              									werden kann, läßt sich von dieser Methode wenig Ersprießliches hoffen.
                           Zur Abscheidung der im Rübensaft enthaltenen fremden Substanzen wird jezt nur
                              									ausschließlich Kalk angewandt; wie ich gezeigt, übt dieser Körper durchaus keine
                              									nachtheilige Wirkung, er ist aber unzureichend, denn er läßt eine Menge Substanzen,
                              									deren Entfernung wünschenswerth wäre, aufgelöst. Er wirkt bloß unter gewissen
                              									Umständen nachtheilig auf die Fabrication; dieß ist der Fall, wenn der Rübensaft,
                              									ehe er mit Kalk behandelt wird oder vor dem Abdampfen fremde Zukerarten enthält,
                              									denn diese werden durch die Alkalien zersezt und vermehren noch die Menge der
                              									bereits vorhandenen fremden Materien mit zum Theil sehr färbenden. Wenn also in dem
                              									einen Falle große Kalkzusäze nur insofern nachtheilig wirken, als die Kalkerde vor
                              									dem Einkochen entfernt werden muß, wozu entweder Säuren,  welche man ungern anwendet,
                              									oder Beinkohle, welche kostspielig ist, erfordert werden, so wirken große Kalkzusäze
                              									im zweiten Falle noch insofern nachtheilig, als die im Saft enthaltenen fremden
                              									Zukerarten zersezt werden und mit ihren Zersezungsproducten die Rohzuker färben und
                              									die Melassen verschlechtern. In solchem Falle wird man gut thun, namentlich beim
                              									Abdampfen, den Saft so wenig als möglich alkalisch zu halten, während des Abdampfens
                              									aber nach und nach nur so viel Kalk zuzusezen, daß der Saft alkalisch bleibt.
                           Ich habe gezeigt, daß der Rohrzuker im alkalischen Safte beim Abdampfen unter
                              									gewöhnlichem Luftdruk nicht verändert wird, daß bloß die stikstoffhaltigen
                              									Substanzen, aber ohne nachtheilige Wirkung für den Zuker, durch gemeinschaftliche
                              									Einwirkung von Wärme und Alkalien zerlegt werden, theils auflösliche, theils
                              									unauflösliche Verbindungen bildend.
                           Aus diesem Grunde scheint mir die Abdampfung alkalischen Saftes im Vacuum zweklos.
                              									Nach meinen Erfahrungen im Großen lieferte von einem und demselben Safte, im Vacuum
                              									und in offener Dampfpfanne bis zu 25° B. abgedampft, der leztere bessere
                              									Producte, und zwar war diese Erscheinung am auffallendsten, je schlechter die Rüben
                              									waren, deren Saft abgedampft wurde.
                           Mit Hülfe meiner Versuche und Beobachtungen im Kleinen glaube ich hiefür Gründe
                              									angeben zu können.
                           Wird geläuterter Rübensaft in der Vacuumpfanne bei einer Temperatur von
                              									70–80° C. abgedampft, so bilden sich kaum merkliche Niederschläge, in
                              									feinen suspendirten Flökchen bestehend, offenbar, weil die Temperatur zu niedrig
                              									war, daß die fremden organischen Substanzen sich zerlegen konnten. Der Saft mag so
                              									alkalisch seyn wie er will, er mag so viele fremde organische Substanzen enthalten
                              									wie er will, es bilden sich bei dieser Temperatur keine bemerkenswerthen
                              									Ausscheidungen. Nach dem Abdampfen enthält also solcher Saft noch alle die fremden
                              									Substanzen aufgelöst, von welchen ein großer Theil beim Abdampfen in höheren
                              									Temperaturen abgeschieden wird. Offenbar ist also der in offenen Pfannen abgedampfte
                              									Saft reiner als der im Vacuum abgedampfte, und da weder in dem einen noch in dem
                              									anderen Fall eine fremde Zukerart gebildet oder Rohrzuker zerlegt wird, so muß der
                              									erstere bessere Producte liefern.
                           Hiedurch läßt sich auch erklären, warum bei schlechterem Rübensaft die Vortheile des
                              									Abdampfens im Vacuum noch weniger hervortreten, denn solcher Saft enthält in der
                              									Regel eine größere Menge fremder Substanzen in Auflösung, welche isolirt klebrige
                              									und schleimige Materien bilden und der Krystallisation des Zukers sehr nachtheilig
                              										 werden müssen.
                              									Durch Einwirkung von Wärme und Alkalien werden diese Materien beim Kochen unter
                              									gewöhnlichem Luftdruk verändert und verlieren ihre klebrige und damit auch
                              									einkleisternde Eigenschaft, diejenigen Zersezungsproducte gar nicht zu erwähnen,
                              									welche als unauflöslich nicht mehr in der Zukerlösung enthalten sind. Die Vortheile,
                              									welche man sich dadurch versprach, wenn alle Kochoperationen im luftverdünnten Raume
                              									vorgenommen werden, sind demnach sehr illusorisch.
                           Diejenigen Abdampfsysteme, bei welchen Rübensaft über erwärmte Flächen träufelt und
                              									durch viele Berührung mit der atmosphärischen Luft sein Wasser durch Abdunstung
                              									verliert, sind gänzlich zu verwerfen. Die Temperaturen bei diesen Abdampfsystemen
                              									sind in der Regel zu niedrig, um den katalytischen Einfluß der stikstoffhaltigen
                              									Substanzen (wenn ich mich dieses Ausdrukes bedienen darf) auf den Zuker
                              									auszuschließen und den Zuker nicht zu verändern, selbst bei alkalischem Safte.
                           Man hat auch Abdampfsysteme angewandt, bei welchen heiße Luft durch die
                              									abzudampfenden Säfte getrieben und auf diese Art die Verdampfung des Wassers
                              									bewerkstelligt wird. Die ökonomischen Vortheile werden einen Fabrikanten nicht
                              									leicht bestimmen können, ein solches Verfahren anzunehmen. Es werden zwar alkalische
                              									Zukerlösungen auch hier nicht leicht verändert werden, vorausgesezt daß die
                              									Temperatur der abdampfenden Flüssigkeit dem Kochpunkte des Wassers sich nähert.
                           Einer allgemeinen Ansicht zuwider habe ich auch im Großen stets die Beobachtung
                              									gemacht, daß, wird das Abdampfen bei niedrigen Temperaturen unter 100° C.
                              									vorgenommen, schmierigere Producte erhalten werden als bei anderen
                              									Abdampfsystemen.
                           Ich muß hier, um Mißverständnissen vorzubeugen, erwähnen, daß ich hier die Fälle
                              									annehme, wie sie gewöhnlich in der Fabrication vorkommen. Da, wo man ganz
                              									vortreffliche Rüben, welche sehr reinen Saft haben, verarbeitet, wird man bei
                              									verschiedenen Abdampfsystemen, wenn sie nicht geradezu widersinnig construirt sind
                              									und die ganze Arbeit sonst richtig geleitet wird, in den Producten weniger
                              									Unterschied finden, als wenn mit Rüben gearbeitet wird, deren Saft wegen seiner
                              									vielen fremden Bestandtheile schwieriger zu bearbeiten ist.
                           Da der Zukersaft, wenn er zur Krystallisation eingedikt werden soll, nur so wenig als
                              									möglich fremde Körper enthalten darf, weil sie alle mehr oder weniger das Anschießen
                              									der Zukerkrystalle verhindern, so muß auch der Ueberschuß an Kalk, welchen in der
                              									Regel nach der Abdampfung der Saft enthält, entfernt werden. Die Anwendung von
                              									Schwefelsäure erfordert für diesen Zwek sehr viel Vorsicht,  und außerdem lösen sich in der
                              									Flüssigkeit nicht unbedeutende Mengen Gyps; die thierische Kohle ist für diesen Zwek
                              									ein zu kostspieliges Mittel. Man hat daher in neuerer Zeit Kohlensäure, welche durch
                              									Verbrennung von Kohlen gewonnen wird, vorgeschlagen und angewandt. So viel mir
                              									bekannt ist, wurde schon vor der Abdampfung der Kalk aus den Zukersäften gefällt,
                              									weßhalb der Saft nur wenig alkalischDiese Alkalitaͤt ruͤhrte dann von kohlensauren Alkalien her,
                                    											von den Salzen der Ruͤbe. zur Abdampfung kam. Da aber nach
                              									Allem, was ich über diesen Gegenstand schon sagte, eine Alkalität des Saftes von
                              									Nuzen ist, so scheint die Anwendung der Kohlensäure erst vortheilhaft nach der
                              									Abdampfung, wenn überhaupt die Kohlensäure in ökonomischer Beziehung Anwendung
                              									gestattet.
                           Die thierische Kohle zum Entfärben oder überhaupt zur Entfernung fremder Substanzen,
                              									organischer und unorganischer, ist bis jezt das einzige im Großen mit Vortheil
                              									anwendbare Mittel; sie würde ihren Zwek vollkommen erfüllen, wenn nicht der hohe
                              									Preis ihrer Anwendung eine bestimmte Gränze sezte. Es ist kaum denkbar, daß auf eine
                              									andere Weise, als mit einer absorbirenden Wirkung, ähnlich der der Kohle, so viele
                              									verschiedene fremde Körper ohne Nachtheil für den Zuker aus dem Saft entfernt werden
                              									können.
                           Ein billiges, sich leicht zu verschaffendes Surrogat für die jezt gebräuchliche
                              									thierische Kohle würde der Rübenzukerfabrication einen ganz neuen Schwung geben;
                              									gelänge es auf eine einfache, wohlfeile Weise, die Salze und organischen Substanzen
                              									zu entfernen, deren die Rübe so viel enthält, welche die Fabrication erschweren und
                              									zum großen Theil das geringe Ausbringen an Rohrzuker im krystallisirten Zustande
                              									bedingen, so würde unsere inländische Fabrication ein bedeutendes Uebergewicht über
                              									die Zukerfabrication in den Tropen gewinnen.
                           Da der zum Einkochen für die Krystallisation bestimmte Saft in den wenigsten Fällen
                              									alkalisch seyn kann, so können die höheren Temperaturen auch auf die Zukerlösungen
                              									mehr einwirken als bei den Operationen, welche dem Einkochen vorangehen, und dann
                              									erscheint die Anwendung von Vacuumpfannen gerechtfertigt.