| Titel: | Ueber den Farbstoff der Harmelraute (Peganum harmala); von Daniel Dollfus Sohn und Heinrich Schlumberger. | 
| Fundstelle: | Band 89, Jahrgang 1843, Nr. XCVI., S. 380 | 
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                        XCVI.
                        Ueber den Farbstoff der Harmelraute (Peganum harmala); von Daniel Dollfus Sohn und Heinrich
                              								Schlumberger.
                        Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
                                 										Mulhouse, 1843, No. 80.
                        Dollfus u. Schlumberger, über den Farbstoff der
                           								Harmelraute.
                        
                     
                        
                           Hr. Spörlin in Wien überschikte der (Mülhauser)
                              									Industriegesellschaft vor einiger Zeit eine kleine Menge von dem Farbstoffe der
                              									Harmelraute nebst damit gefärbten Mustern von Wolle und Seide. Diese Muster waren
                              									schön roth und der Farbstoff war ein braunes Pulver. Lezterer wurde uns übergeben,
                              									um Färbeversuche damit anzustellen.
                           Alle unsere Versuche, den von Hrn. Spörlin überschikten
                              									Farbstoff auf den verschiedenen Geweben zu befestigen, waren jedoch fruchtlos.
                              									Derselbe ist in Wasser unauflöslich, färbt den Weingeist nur braungelb und trat an
                              									Seide, Wolle oder Baumwolle gar kein Pigment ab.
                           Da wir nun mit der uns überschikten Substanz nur negative Resultate erhielten, so
                              									suchten wir den Farbstoff aus den Samen der Harmelraute selbst auszuziehen.
                           Im Institut vom 28. Jan. 1841 findet sich ein kurzer
                              									Artikel, worin Hr. Fritzsche sagt, er habe den rothen
                              									Farbstoff durch Behandlung der Samen mit Alkohol erhalten.
                           Die Versuche, welche wir anstellten, bewiesen uns, daß der Farbstoff in den Samen
                              									keineswegs vollständig gebildet enthalten ist, sondern sich darin erst unter dem
                              									Einfluß gewisser Agentien, oder wenn sie absichtlich einer geeigneten Wärme und
                              									Feuchtigkeit ausgesezt werden, erzeugt. Dieser rothe Farbstoff scheint von einem
                              									gelben, in Wasser auflöslichen begleitet zu seyn.
                           Der Same, womit wir unsere Versuche anstellten, war vor zwei Jahren von Hr. Mirbel aus dem botanischen Garten zu Paris überschikt
                              									worden. Als wir ihn nach den Angaben des Hrn. Fritzsche
                              									mit Alkohol in der Wärme oder Kälte behandelten, erhielten wir nur eine gelb
                              									gefärbte Flüssigkeit; mit Aether und Wasser waren die Resultate analog. Daraus
                              									schlössen wir, daß die bloße Behandlung mit Alkohol zur Entwiklung des rothen
                              									Farbstoffs nicht hinreicht. — Eine Reihe von Versuchen, welche wir in
                              									derselben Absicht mit einem Samen anstellten, welcher unter anderen Umständen
                              									aufbewahrt worden war, lieferte uns hingegen viel genügendere Resultate: Alkohol
                              									färbte sich nach zwei Tagen dunkel braunroth, während Wasser, sowohl heißes als
                              									kaltes, ebenfalls nur einen gelben Farbstoff daraus  auszog. Diese verschiedenen
                              									Resultate, welche man mit demselben Samen je nach der Aufbewahrungsweise desselben
                              									erhält, veranlaßten uns eine Reihe von Versuchen anzustellen, wovon wir die
                              									wichtigeren mittheilen wollen.
                           Gepulverter und dann befeuchteter Same wurde drei Tage lang der Luft ausgesezt; als
                              									wir ihn dann mit Alkohol behandelten, erhielten wir eine Flüssigkeit, welche
                              									zwischen das Licht und das Auge gebracht, gelb erschien, außerdem aber stets eine
                              									sehr deutliche grüne Farbe zeigte. Nach fünftägiger Maceration färbt sich die
                              									geistige Flüssigkeit, so gelb sie anfangs war, dunkel braunroth.
                           Als derselbe Same befeuchtet drei Tage lang an einen heißen und feuchten Ort gebracht
                              									wurde, lieferte er uns eine Flüssigkeit, welche dunkler gefärbt war als die
                              									vorhergehende.
                           Wir brachten nun Samen drei Tage lang mit Bierhefe in Berührung und behandelten ihn
                              									dann mit Alkohol; so erhielten wir eine röthere Flüssigkeit, welche sich schon nach
                              									einigen Stunden gefärbt hatte. In der Kälte abgedampft hinterließ sich eine rothe,
                              									etwas gelbliche Materie von harziger Consistenz; als man heiß abdampfte, war ihre
                              									Farbe mehr braunroth.
                           Bei Färbeversuchen mit diesen verschiedenen Flüssigkeiten, welche in der Kälte oder
                              									Wärme abgedampft und dann mit Wasser verdünnt worden waren, erhielten wir nur
                              									röthliche oder braune Nüancen, welche von den uns überschikten Mustern weit entfernt
                              									waren.
                           Als wir hingegen Samen mit ammoniakalischem Wasser befeuchteten und dann nach Verlauf
                              									von zwei Tagen mit Alkohol behandelten, lieferte derselbe im gleichen Zeitraum eine
                              									viel reinere rothe Flüssigkeit als die früheren; der Rükstand, welcher beim
                              									Abdampfen dieser geistigen Flüssigkeit blieb, lieferte uns bei den Färbeversuchen
                              									lebhaftere und reinere Farben als wir vorher erhalten hatten, welchen aber die
                              									Wiener Muster gleich kamen.
                           Wir suchten nun eine Methode auszumitteln, um den Farbstoff aus eine einfache und
                              									bequeme Weise aus den Samen gewinnen zu können.
                           Gepulverter und mit Ammoniak behandelter Same wurde zuerst zwei Tage lang in kaltem
                              									Wasser gelassen. Dasselbe färbte sich schwach gelb; in der Kälte oder Wärme
                              									abgedampft hinterließ es einen gelblichbraunen gummiartigen Rükstand, in welchem
                              									Alkohol keine Spur rothen Farbstoffs entwikelte. Ammoniak brachte in der Auflösung
                              									dieses Rükstandes einen braungelben Niederschlag hervor, welcher in vielem Wasser
                              									auflöslich war. Salzsaures Zinnoxydul erzeugte darin einen braunen Niederschlag,
                              									welcher in einem Ueberschuß dieses Salzes auflöslich war; Schwefelsäure färbte ihn
                              									goldgelb,  worauf er
                              									aber bald olivenfarbig wurde. Bei der trokenen Destillation entwikelte er Ammoniak.
                              									Als wir mit diesem Rükstand Färbeversuche anstellten, erhielten wir nur ein
                              									Nankingelb, welches der Luft und Sonne widerstand.
                           Bei der Behandlung mit kochendem Wasser lieferte uns der Same dieselben Resultate.
                              									Sowohl der mit kaltem als der mit warmem Wasser infundirte Same wurde nun mit
                              									Alkohol behandelt, welcher aber keine Spur rothen Farbstoffs auszog, selbst nicht
                              									nach fünfzehntägigem Maceriren.
                           Gepulverter und wie vorher mit Ammoniak behandelter Same wurde nun mit heißem Alkohol
                              									macerirt; dieser färbte sich roth, aber die Farbe war bräunlicher, als sie kalter Alkohol lieferte. Beim Abdampfen blieb ein fetter,
                              									harziger, schmuzig braunrother Rükstand. Derselbe lieferte bei den Färbeversuchen
                              									bei weitem keine so schönen Farben wie wir sie später durch Behandlung des
                              									vorbereiteten Samens mit kaltem Alkohol erhielten. Als wir den mit heißem Alkohol
                              									behandelten Samen noch mit Wasser infundirten, lieferte er uns eine gelb gefärbte
                              									Flüssigkeit, welche so ziemlich dieselben Eigenschaften besaß, wie die früher ohne
                              									vorläufige Behandlung des Samens mit Alkohol erhaltene.
                           Durch Behandlung mit kaltem Alkohol färbte sich der ammoniakalische Same nach
                              									1–2 Stunden schon dunkelroth; diese Flüssigkeit benuzten wir, um die
                              									Eigenschaften des neuen Farbstoffs zu bestimmen.
                           Nachdem es uns nun gelungen war den Farbstoff im Samen zu entwikeln, blieb noch zu
                              									bestimmen, wie viel man daraus gewinnen kann. Ferner mußten wir eine praktische
                              									Methode ausmitteln, ihn rein darzustellen, seine Eigenschaften studiren und endlich
                              									untersuchen, unter welchen Umständen er sich am besten auf den Stoffen fixirt. Diese
                              									Fragen sind noch nicht ganz gelöst; wir hoffen aber unsere Versuche mit Samen aus
                              									dem botanischen Garten der Mülhauser Industriegesellschaft fortsezen und ergänzen zu
                              									können.
                           Um zu ermitteln, wie viel Farbstoff der Same der Harmelraute liefern kann,
                              									pulverisirten wir 70 Gramme Samen und befeuchteten ihn dann mit 10 Grammen Wasser
                              									und 5 Grammen Ammoniak. Nach vier Tagen brachten wir ihn mit einem halben Liter
                              									Alkohol in Berührung, welcher sich zuerst gelb, nach zwei Stunden aber sehr
                              									dunkelroth färbte. Nach zweitägiger Berührung wurde der Alkohol abgegossen und bei
                              									der gewöhnlichen Temperatur abgedampft; der Rükstand betrug 7 Gr., 19. Eine neue
                              									Quantität Alkohol (1 Liter), welche mit dem Samen in Berührung gebracht wurde, nahm
                              									eine etwas reinere rothe Farbe an als die erste. Nach 36stündiger Macerirung  wurde der Alkohol
                              									abgegossen und durch einen halben Liter frischen ersezt; langsam abgedampft
                              									hinterließ die zweite Flüssigkeit 2 Gr., 62; im Ganzen erhielten wir nach der
                              									dritten Macerirung 11 Gr., 21 oder 16 Proc. Farbstoff.
                           Der so erhaltene Farbstoff ist keineswegs vollkommen rein; er enthält noch ein wenig
                              									von einem gelben Stoff. Dieser rothe Farbstoff ist in Wasser wenig aufloslich, denn
                              									dasselbe fällt ihn aus seiner geistigen Auflösung; Aether löst auch nur sehr wenig
                              									davon auf. Concentrirte Schwefelsäure löst ihn auf und färbt sich dadurch
                              									olivengelb; Schwefelsäure von 30–40° Baumé löst ihn unverändert auf.
                              									Salzsaures Zinnoxydul hat keine Wirkung darauf; Essigsäure löst ihn in der Kälte
                              									unverändert auf; kohlensaure Alkalien verändern seine Farbe in Braun, ohne ihn
                              									aufzulösen.
                           Aezammoniak fällt den rothen Farbstoff und löst das gelbe Pigment auf. Erhizt man den
                              									rothen Farbstoff auf 40° R., so bräunt er sich und bei der Siedhize wird er
                              									ganz braun; bei noch stärkerem Erhizen verkohlt er sich vollständig, unter
                              									Entwiklung von Ammoniak und dunkelbraunen Dämpfen, welche sich zu Tropfen
                              									verdichten, ohne im geringsten zu krystallisiren. — Dieser Farbstoff scheint
                              									harziger Natur zu seyn und in dem Samen in Begleitung eines gelben Farbstoffs von
                              									gummiger Natur und einer fetten Substanz vorzukommen.Den Verfassern blieben die Untersuchungen des Prof. Fr. Goebel in Dorpat uͤber den Farbstoff der Harmelraute (man
                                    											vergl. polytechnisches Journal Bd. LXIX. S. 374 und Bd. LXXXI. S.
                                       												305) unbekannt. Derselbe nannte den urspruͤnglich in den
                                    											Samen der Harmelraute vorhandenen gelben
                                    											Farbstoff Harmalin und zwar kommt derselbe darin
                                    											als phosphorsaures Harmalin vor, welches sich durch Oxydation erst in das
                                    												rothe Pigment (phosphorsaure Harmala)
                                    											verwandelt. Sein Verfahren das Harmalin in Harmala umzuwandeln oder das
                                    											Harmalaroth zur technischen Benuzung im Großen darzustellen, hat Prof. Goebel schon vor mehreren Jahren der russischen
                                    											Regierung mitgetheilt, aber noch nicht bekannt gemacht.A. d. R.
                           Zu unseren Färbeversuchen lösten wir den rothen Farbstoff in ein wenig Alkohol auf
                              									und Verdünnten die Flüssigkeit mit Wasser. Diese Versuche wurden alle bei
                              									20–32° R. angestellt, denn bei einer höheren Temperatur werden die
                              									Farben auffallend bräunlich.
                           Die Thonerde-, Eisen- und Zinnbeizen absorbiren keinen Farbstoff und
                              									machen nur die Nüancen durch ihre eigene hinzukommende Farbe trübe.
                           Die Baumwolle absorbirt wenig Farbstoff und färbt sich nur, wenn sie mit einem
                              									Ueberschuß von demselben behandelt wird; die Farbe ist um so schöner, je heller sie
                              									ist; in einem satten Bade gefärbt, nimmt die Baumwolle eine Weinhefenfarbe an. Man
                              									kann sie kalt färben, aber eine Temperatur von 20–32° R. begünstigt
                              										 die Firirung des
                              									rothen Stoffs; von 40° N. bis zum Siedepunkt werden die Farben trübe und
                              									bräunlich. Die Wolle und Seide färben sich ebenso wie die Baumwolle; die Farben,
                              									welche sie annehmen, unterscheiden sich aber dadurch von denen der Baumwolle, daß
                              									sie dunkler werden können, ohne sich zu trüben; ihre Färbung wechselt von einem
                              									schönen Amaranth- bis zum Ponceauroth.
                           Sezt man dem Färbebad Kreide zu, so fallen die Farben weniger lebhaft aus. Die Seide
                              									und Wolle nehmen dann eine röthlichgelbe Farbe an; einige Tropfen Ammoniak schaden
                              									beim Färben noch mehr, indem sie sich der Auflösung des Farbstoffs widersezen.
                              									Essigsäure macht, daß die Farben trüber und schwächer ausfallen.
                           Als wir die so erzielten Farben auf ihre Haltbarkeit prüften, machten wir folgende
                              									Beobachtungen: der Luft ausgesezt verlieren die gefärbten Zeuge jede Spur von Roth
                              									und werden gelb; leztere Farbe verändert sich im Verlauf von acht Tagen nicht mehr.
                              									Ein kochendes Seifenbad entzieht den Zeugen den Farbstoff in wenigen Minuten; läßt
                              									man sie bei 40° R. eine Viertelstunde lang im Seifenbad, so wird die Farbe
                              									trüb und merklich schwächer. Aezkali von 2° Baumé macht das Roth schon in der
                              									Kälte etwas bräunlich; Ammoniak macht die Farbe dunkler und etwas brauner; die
                              									kohlensauren Alkalien wirken eben so, aber schwächer. Verdünnte Säuren wirken wenig
                              									auf diese Zeuge. Verdünnte Schwefelsäure von 2° Baumé macht das Roth etwas
                              									gelblich. Kleesäure wirkt eben so, aber schwächer. Chlorkalk entfärbt sie langsam;
                              									gasförmiges Chlor entfärbt sie, aber langsamer als die Krappfarben. Die Wärme wirkt
                              									auch sehr auf diese Zeuge, durch Kochen in Wasser werden sie braun; hält man mit
                              									Harmelraute gefärbte Seide über glühende Kohlen, so wird sie fast augenbliklich
                              									gelb.
                           Wir versuchten auch die Zeuge auf die Art zu färben, daß wir sie bloß in eine
                              									Auflösung des Farbstoffs in Alkohol tauchten. Die Seide und Wolle nahmen dabei trübe
                              									und gelbliche Farben an, weil sich auch das gelbe Pigment darauf befestigte; durch
                              									wiederholtes Waschen konnte ihnen dieses gelbe Pigment nicht entzogen werden. Die
                              									Baumwolle hingegen nahm nur den rothen Farbstoff an; durch bloßes Waschen in Wasser
                              									konnte das gelbe Pigment, welches keine Verwandtschaft zu ihr hat, beseitigt werden.
                              									Färbt man die Baumwollenzeuge hell, so werden sie rein rosenroth; färbt man sie aber
                              									satt, so fällt die Farbe weniger rein und etwas bräuner aus.
                           Endlich versuchten wir noch die verschiedenen Zeuge mit dem in Essigsäure aufgelösten
                              									rothen Farbstoff zu färben; auf diese Art erhielten wir aber weder so schöne noch so
                              									dunkle Farben wie früher.