| Titel: | Ueber die Ursachen des unerwarteten Bruches der Lagerhälse der Eisenbahnachsen, und über die Mittel dergleichen Unfälle durch Beobachtung des Gesezes der Continuität bei der Construction derselben zu verhüten; von William John Rankine. | 
| Fundstelle: | Band 90, Jahrgang 1843, Nr. I., S. 1 | 
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                        I.
                        Ueber die Ursachen des unerwarteten Bruches der
                           Lagerhaͤlse der Eisenbahnachsen, und uͤber die Mittel dergleichen
                           Unfaͤlle durch Beobachtung des Gesezes der Continuitaͤt bei der
                           Construction derselben zu verhuͤten; von William John Rankine.
                        Aus dem Mechanics' Magazine, Jun. 1843, S.
                              503.
                        Rankine, über die Ursachen des unerwarteten Bruches der Lagerhälse
                           der Eisenbahnachsen.
                        
                     
                        
                           Der Verfasser dieser Schrift beginnt mit der Bemerkung, daß der unerwartete Bruch
                              ursprünglich guter Achsen, welcher nach einigen Jahren der Benüzung ohne allen
                              Anschein von Schadhaftigkeit öfters vorkommt, einer stufenweisen Verschlechterung
                              während des Betriebs zuzuschreiben sey und daß hinsichtlich der Natur und Ursache
                              dieser Verschlechterung bis jezt nur Hypothesen aufgestellt worden seyen; die
                              Ansicht der meisten Techniker gehe darauf hinaus, daß die faserige Textur des
                              hämmerbaren Eisens allmählich ein krystallinisches Gefüge annehme, welches, da es
                              der Längenrichtung schwächer sey, einem Stoße unterliege, den dasselbe Eisen in
                              seinem faserigen Zustande ohne Nachtheil ausgehalten hätte.
                           Der Verfasser ist der Ansicht, es sey schwer zu beweisen, daß eine Achse, welche
                              gebrochen ein krystallinisches Gefüge zeigt, ursprünglich nicht dieselbe
                              Beschaffenheit an der Bruchstelle gehabt habe, wenn auch die Textur an den andern
                              Stellen faserig gewesen seyn mochte.
                           Er zeigt alsdann, daß bei Achsen eine stufenweise Verschlimmerung vor sich gehe, ohne
                              daß sie ihr faseriges Gefüge verlieren, und daß sie nicht aus derjenigen Ursache
                              entspringe, welcher sie gewöhnlich zugeschrieben wird.
                           Aus einer großen Menge gebündelter (faggoted) Achsen,
                              welche nach einer zwei- bis vierjährigen Benüzung gebrochen waren, wurden
                              fünf Arten ausgesucht. Die Abbildungen derselben geben einen deutlichen Begriff von
                              dem Aussehen des Metalls an der Bruchstelle. In allen Fällen fand der Bruch an der
                              Verbindungsstelle des Lagerhalses mit dem Körper der Achse statt. Die Brüche
                              scheinen mit einem äußerst dünnen regelmäßigen Spalt angefangen zu haben, der sich
                              rings um den Lagerhals erstrekte und ungefähr ½ Zoll tief eindrang. Nach und
                              nach erstrekten sie sich von der Oberfläche bis gegen den Mittelpunkt hin, so daß
                              das gebrochene Ende des Lagerhalses  convex und der Körper der Achse nothwendigerweise concav
                              war, bis die Dike des gesunden Eisens in der Mitte nicht mehr hinreichte die Stöße,
                              denen es ausgesezt war, auszuhalten. Bei allen erwähnten Achsen war das Eisen
                              faserig geblieben, zum Beweis, daß keine wesentliche Veraͤnderung in dessen
                              Structur vor sich gegangen war.
                           Rankine beweist alsdann, daß der Bruch dieser Achsen dem
                              Umstande zuzuschreiben sey, daß die abrupte Aenderung in der Dike, da wo der
                              Lagerhals an die Schulter stößt, den Einfluß der Stöße an dieser Stelle vermehrte;
                              daß die Fasern wegen der Methode der Fabrication der Oberfläche der Schultern nicht
                              folgten, sondern gerade in den Körper der Achse eindrangen, daß die Kraft, womit
                              eine Fiber einem Stoße Widerstand leistet, in dem zusammengesezten Verhältnisse
                              ihrer Stärke und Ausdehnbarkeit steht, und daher derjenige Theil derselben, welcher
                              innerhalb des Achsenkörpers liegt, weniger Elasticität besizen wird, als der in dem
                              Lagerhals befindliche. Wahrscheinlich geben die Fibern an der Schulter nach, weil
                              ihr elastisches Spiel an dieser Stelle plözlich unterbrochen wird. Dieß erklärt die
                              Richtung des Spaltes nach Innen gegen den Körper der Achse, so daß die Bruchfläche
                              stets nach dieser Richtung hin convex war.
                           Es wird daher der Vorschlag gemacht, bei Verfertigung der Achsen den Lagerhälsen in
                              der Schulter eine weite Krümmung zu geben, ehe sie der Drehbank übergeben werden, so
                              daß die Fiber ununterbrochen bleibt. Die erhöhte Wirkung an der Schulter würde auf
                              diese Weise die Stärke der Fibern vermehren ohne ihrer Elasticität Eintrag zu thun.
                              Mehrere Achsen, deren eines Ende auf die genannte Art, und deren anderes Ende nach
                              der gewöhnlichen Methode verfertigt worden war, wurden zerbrochen; das erstere
                              widerstand 5 bis 8 Hammerschlägen, während das leztere durch einen einzigen Schlag
                              entzwei ging.
                           Die vibratorische Bewegung, welcher die Achsen ausgesezt sind, wird alsdann von dem
                              Verfasser in Erwägung gezogen und behauptet, daß die Eisenmolecüle da, wo eine
                              abrupte Aenderung in der Oscillationsweite derselben stattfindet, nothwendigerweise
                              leichter auseinander gerissen werden, daß dagegen bei der verbesserten Form der
                              Lagerhälse, durch den Zusammenhang der Fibern an der Oberfläche nicht nur die
                              Widerstandsfähigkeit gegen Stöße erhöht, sondern auch die zerstörende Wirkung der
                              vibrirenden Bewegung beseitigt wird.
                           Hr. York, welcher in allen Punkten mit Hrn. Rankine einverstanden ist, bemerkt, daß er in der lezten
                              Zeit eine Reihe von Versuchen angestellt habe, welche seine Ansicht über die
                              Vibration in massiven Eisenbahnachsen, welche gehemmt wurde wenn die Räder
                              festgekeilt waren, bestätigten. In allen denjenigen Fällen, wo die  Vibration gehemmt wird, würde
                              der Bruch mit größerer Wahrscheinlichkeit erfolgen; bei hohlen Achsen dagegen zeige
                              sich nach dem Festkeilen der Räder keine Verminderung der Stärke. Er schreibt dieses
                              der regelmäßigen Vertheilung der Molecüle in dem Metalle der hohlen Cylinder zu.
                           Hr. Parkes glaubt hohlen Achsen vor massiven den Vorzug
                              einräumen zu dürfen, besonders wenn sie die hinreichende Steifheit besizen, um einer
                              Biegung zu widerstehen. Ihr Vermögen, die Vibration leichter fortzupflanzen, spricht
                              zu ihren Gunsten. Man weiß, daß bei Kanonen und Musketenläufen große Regelmäßigkeit
                              in den Verhältnissen des Metalles ein wesentliches Erforderniß ist, damit sich die
                              durch die plözliche Expansion des Metalles im Momente der Explosion veranlaßte
                              Vibration gleichmäßig fortpflanzen könne; denn wäre die Vibration nicht regelmäßig,
                              so würde der Lauf bersten, oder die Kugel würde keine genaue Richtung annehmen.
                           Hr. Greener drehte unter andern Versuchen die äußere Seite
                              eines Musketenlaufes genau ab, und befestigte an denselben in gewissen
                              Zwischenräumen mehrere 2 Zoll dike bleierne Ringe. Nach dem Abfeuern einer Ladung
                              von 4 Drachmen Pulver fand er, daß alle Ringe loker geworden waren und sich
                              regelmäßig erweitert hatten.
                           Es ist eine bekannte Thatsache, daß Kanonen selten oder nie in Folge anhaltenden
                              Feuerns springen; dergleichen Unfälle entspringen in der Regel entweder aus der
                              ungleichförmigen Natur des Metalls oder aus der unregelmäßigen Vertheilung
                              desselben. Diesem lezteren Umstande ist das Bersten des
                              „Mörser-Ungeheuers“ vor Antwerpen und einer großen
                              Kanone zuzuschreiben, die einige Zeit später zu Deal probirt wurde. Leztere barst
                              beim dritten Abfeuern, wobei die Kugel besser als bei den vorhergehenden Schüssen
                              flog. Der Bruch fand offenbar nicht während der Explosion des Pulvers statt, sondern
                              nach der Entladung beim Eindringen der Luft in die Mündung der Kanone, weil nämlich
                              die Dike des Metalls nicht gut proportionirt war, wodurch die Vibration gehemmt und
                              die Cohäsion der Metallmolecüle vernichtet wurde, weßwegen das Geschüz in mehrere
                              Stüke zerfiel, ohne daß eines derselben fortgeschleudert wurde, was bei der
                              gewöhnlichen Wirkung einer Explosivkraft der Fall gewesen wäre.
                           Die meisten praktischen Mechaniker sind von der Superiorität hohler eiserner Wellen
                              überzeugt. Diese werden auch häufig angewendet, da sie leichter kühl erhalten werden
                              können als massive, besonders bei großen Geschwindigkeiten, wo Wellen geneigter
                              sind, in Folge eines Stoßes oder einer Reihe rüklaufender Vibrationen Schaden zu
                              leiden.