| Titel: | Ueber die Erzeugung der Daguerre'schen Lichtbilder; von Dr. Belfield-Lefèvre. | 
| Fundstelle: | Band 90, Jahrgang 1843, Nr. XIV., S. 68 | 
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                        XIV.
                        Ueber die Erzeugung der Daguerre'schen
                           Lichtbilder; von Dr. Belfield-Lefèvre.
                        Aus den Comptes rendus, 1843, 2tes Semester No.
                              10.
                        Belfield-Lefèvre, über die Erzeugung der Daguerre'schen
                           Lichtbilder.
                        
                     
                        
                           Die Jodschicht, welche das Bild der Camera obscura empfängt, besteht aus zwei
                              besondern über einander liegenden Schichten, einer oberflächlichen, hauptsächlich
                              aus jodirtem Kohlenwasserstoff bestehenden, welche eine mehr oder weniger große
                              Menge Sauerstoff in Verbindung oder in condensirtem Zustand enthält, und einer
                              tiefen, vorzüglich aus Jodsilber bestehenden Schicht.
                           Die Einwirkung des Lichtes auf diese beiden Schichten ist eine successive und
                              besondere; es wirkt auf die erstere oxydirend ein und verwandelt sie dadurch in ein
                              pulveriges jodirtes Harz; die zweite aber reducirt es mittelst der darüber liegenden
                              harzigen Schicht zu unlöslichem Subjodid. Demzufolge sind die zwei Haupthypothesen,
                              welche zur Erklärung der Daguerre'schen Bilder-Erzeugung aufgestellt wurden,
                              beide gleich begründet, die eine, wonach die das Bild empfangende Schicht durch die
                              Einwirkung des Lichts durchlöchert, zerrissen, durchdrungen werden muß, damit der
                              Queksilberdampf bis an die Oberfläche des Silbers gelangen kann; die andere, welche
                              die Entstehung des Bildes durch die locale Bildung verschiedener Gemische von
                              Silberjodid und -Subjodid erklärt.
                           Die Wirkung des Lichtes kann man sonach in zwei ganz verschiedene Perioden zerfallen
                              lassen; in der ersten nämlich oxydirt sie die organische Schicht, in der zweiten
                              reducirt sie das Metallsalz. Offenbar muß sich demnach das Bild um so schneller
                              bilden, je leichter oxydirbar die organische Schicht ist und je größer die
                              Verwandtschaft der zur Bewirkung der Reduction des Silberjodids unter Einwirkung des
                              Lichts gewählten Substanz zum Jod ist.
                           Unter übrigens gleichen Umständen wird sich das Bild um so schneller erzeugen, je
                              mehr die organische Schicht sich in ihrer Zusammensezung dem Kohlenwasserstoff
                              nähert, ein je dünneres Häutchen sie auf der Platte bildet und je vollkommener sie
                              von absorbirtem Sauerstoff gesättigt wird. Die Salpetersäure, deren Wirkung Hr. Daguerre so eben andeutete, wirkt hier ausschließlich
                              oxydirend;  eben so die
                              salpetrige Säure und wahrscheinlich auch das Stikoxydgas, denn man weiß seit Priestley's Versuchen, daß die ätherischen Oehle dieses
                              Gas begierig absorbiren, mit dessen Sauerstoff sie sich verbinden. Wenn also die
                              organische Schicht unvollkommen oder ungleichförmig mit Sauerstoff versehen ist, so
                              wird das Einwirken salpetriger Dämpfe auf diese Schicht einen sichtbaren Einfluß auf
                              die Erzeugung des Bildes haben; ist diese Schicht aber mit Sauerstoff schon
                              gesättigt, so ist die Wirkung der salpetrigen Dämpfe keine andere, als daß sie die
                              Erzeugung eines Bildes unmöglich machen.
                           Sezt man die jodirte Schicht dem Bromdampfe aus, so wird dieser absorbirt; zuerst
                              verbindet sich ein Antheil mit dem Kohlenwasserstoff und verdrängt eine äquivalente
                              Menge Jod, welches frei wird; ein zweiter Antheil verbindet sich mit dem
                              freigewordenen Jod und bildet ein Bromjodür. Diesem Freiwerden von Jod ist die die
                              Bromabsorption begleitende Farbenveränderung zuzuschreiben und das Vorhandenseyn
                              dieses freien Jods erklärt, warum man die jodirte Platte ohne Nachtheil der
                              Einwirkung des Lichtes aussezen kann, ehe man sie dem Einflüsse des Broms aussezt,
                              weil das durch die Wirkung des Lichts gebildete Subjodid durch die Wirkung des Broms
                              neuerdings in Jodid umgewandelt wird. Man weiß aber auch, daß wenn man die Platte
                              vorher dem zerstreuten Lichte aussezt, eine gewisse Gränze dabei nicht überschritten
                              werden darf; die Wirkung des Broms nämlich, welche die Zusammensezung der tiefen
                              Schicht wieder herstellen kann, vermag die Organisation der oberflächlichen Schicht
                              nicht in den vorigen Stand zurükzuführen.
                           Die Umwandlung des bromirten und mit Sauerstoff gesättigten Kohlenwasserstoffs in ein
                              pulveriges Harz unter dem Einfluß des Lichts scheint außerordentlich rasch vor sich
                              zu gehen. Wahrscheinlich tritt der absorbirte Sauerstoff in die Verbindung ein, so
                              daß sich gleichzeitig Kohlensäure und Bromwasserstoffsäure bilden und frei werden.
                              Andererseits ist die Reduction des Silberjodids zu Subjodid unter dem
                              gemeinschaftlichen Einfluß des Lichts und des Bromjodürs beinahe eine
                              augenblikliche, indem das frei werdende Jod das Bromjodür in den Zustand von
                              Bromjodid überführt. Dieser doppelten Einwirkung auf eine und die andere Schicht ist
                              die beschleunigende Kraft des Broms zuzuschreiben.
                           Bei gleichen Oberflächen wird daher die von einer jodirten Platte zu absorbirende
                              Quantität Broms wesentlich und hauptsächlich von der chemischen Zusammensezung, der
                              Dike und dem Grade der Jodirung der oberflächlichen Schicht abhängen. Aus diesem
                              Grunde kann man die empfindliche Schicht der beschleunigenden Wirkung des Broms
                              aussezen, ehe deren Jodirung vollendet ist, was offenbar unmöglich  wäre, wenn die Quantität des
                              absorbirten Broms von der Dike der Silberjodidschicht, oder von der Quantität des
                              darin condensirten freien Jods abhängen müßte.
                           Wird die jodirte Schicht der Wirkung eines Ueberschusses von Brom ausgesezt, so
                              reagirt dasselbe, statt an die Stelle des Jods in seiner Verbindung mit dem
                              Kohlenwasserstoff zu treten, auf leztere Verbindung, um eines jener zahlreichen
                              Producte zu bilden, welche durch Einwirkung oxydirender oder halogener
                              (salzbildender) Körper auf die wesentlichen Oehle entstehen. Die Umwandlung der
                              oberflächlichen Schicht in ein pulveriges Harz unter dem Einfluß des Lichts kann
                              dann nicht mehr stattfinden; die Queksilberdämpfe erreichen die tiefe Schicht nicht
                              mehr und das Bild kömmt nur unvollkommen und wie umflort zum Vorschein. Es ist
                              hieraus einzusehen, warum die Bildung des Bromflors kein sicheres Zeichen von dem
                              Grade der Eindruksfähigkeit der empfindlichen Schicht ist, indem diese Erscheinung
                              von einer Reaction des Broms auf die organische Schicht herrührt, die Zusammensezung
                              dieser organischen Schicht aber wesentlich verschieden seyn kann. Uebrigens können
                              sowohl das Jod selbst unter gewissen Umständen, als das Chlor, Brom, Cyan, die
                              Salpetersäure und salpetrige Säure, sämmtlich die mit dem Namen Bromflor bezeichnete
                              Erscheinung hervorbringen.
                           Die Reactionen des Queksilberkastens scheinen uns die zu seyn, welche die HHrn. Choiselat und Ratel
                              (polytechnisches Journal Bd. LXXXIX S. 311) so gut beschrieben. Doch
                              bemerken wir, daß, wie es uns scheint, sich an den dunkeln Stellen kein
                              Queksilberjodür erzeugt, indem das Silberjodid von der noch unangegriffenen
                              oberflächlichen Schicht geschüzt wird. Das Bild wird ferner um so länger nicht zum
                              Vorschein kommen, je diker diese oberflächliche Schicht ist, und die Bildung des
                              rothen Queksilberjodids wird um so reichlicher stattfinden, je mehr diese Schicht
                              mit freiem Jod gesättigt worden war.
                           Die Empfindlichkeit der das Bild aufnehmenden, nach angegebener Weise präparirten
                              Schicht ist gewiß hundertmal größer als bei der nach Daguerre jodirten Schicht, d. h. unter denselben Umständen, wo Hr. Daguerre auf drei Minuten rechnete, können zwei Secunden
                              genügen. In Paris soll man bei Anwendung von Daguerre's
                              Apparat vom 1. Mai bis zum 1. September, von 10 Uhr bis 2 Uhr, bei blauem Himmel und
                              vollem Sonnenschein die Platte immer zwischen drei und sechs Secunden in der Camera
                              obscura lassen; ist eine längere Zeit erforderlich, so ist dieß nicht Anomalien in
                              der Wirkung des Lichtes, sondern Fehlern in der Empfindlichkeit oder Präparirung der
                              Platten zuzuschreiben.