| Titel: | Ueber die Erzeugung der zur Aufnahme Daguerre'scher Bilder dienenden empfindlichen Schicht; von Hrn. Choiselat. | 
| Fundstelle: | Band 90, Jahrgang 1843, Nr. LXVI., S. 300 | 
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                        LXVI.
                        Ueber die Erzeugung der zur Aufnahme
                           Daguerre'scher Bilder dienenden empfindlichen Schicht; von Hrn. Choiselat.
                        Aus den Comptes rendus, 1843, 2tes Semester No.
                              13.
                        Choiselat, über Photographie.
                        
                     
                        
                           Die HHrn. Belfield und Foucauld
                              bemühen sich (in diesem Bande des polytechnischen Journals S. 68) die von Hrn. Ratel und mir aufgestellte Theorie (polytechnisches
                              Journal Bd. LXXXIX S.
                                 311) in der Art zu modificiren, daß das Vorhandenseyn einer über die
                              Jodsilberschicht verbreiteten jodirten Kohlenwasserstoffschicht als wesentlich
                              erscheint und empfehlen sogar, ihre Bildung zu begünstigen. Wir jedoch können uns
                              solchen bloß behaupteten, aber auf kein Motiv gestüzten und durch keine bekannte
                              Thatsache wahrscheinlich gemachten Ideen nicht anschließen. Bekanntlich wählt die
                              Natur, um ihre Zweke zu erreichen, immer die einfachsten Mittel; da nun diese
                              organische Schicht überflüssig ist, muß auch geschlossen werden, daß sie nicht
                              vorhanden sey; wollte man aber auch die Ansicht dieser Herren zugeben, so müßte man
                              sich fragen, woher die unbestreitbare Vorzüglichkeit einer, jeder fremdartigen
                              Substanz beraubten Platte, so weit unsere gegenwärtigen Mittel eine solche
                              herzustellen gestatten, rühre; denn wenn in einem solchen Falle noch etwas von einer
                              solchen Substanz auf der Oberfläche der plattirten Platte zurükbleibt, so ist dieß
                              eine so höchst kleine Menge im Verhältniß zur relativen Dike des Jodsilbers, daß ihr
                              Einfluß nur als ein rein zufälliger, und nicht als ein wesentlicher betrachtet
                              werden kann.
                           Die Hypothese dieser Herren verlangt ferner, daß diese Schicht obendrauf sey; nun
                              erkläre man wie die untere Schicht, ohne zu zerreißen, auf die Oberfläche gebracht
                              werden kann — eine Schicht, deren geringste Verlezung das Resultat sehr
                              beeinträchtigen müßte; höchstens könnten diese Substanzen dem Jodsilber beigemengt
                              seyn, was aber der von diesen Herren aufgestellten Erklärung ganz zuwiderliefe; denn
                              wenn in diesem Fall eine Wirkung statt fände, könnte es nur in der von uns in einer
                              andern Abhandlung entwikelten Weise seyn und dann bliebe erst noch zu erklären
                              übrig, nach welchem Gesez die Absorption des Sauerstoffs vor sich geht.
                           Wir unsererseits stehen nicht an, das vorausgehende Vorhandenseyn einer organischen
                              Schicht auf der Platte für schädlich zu betrachten; denn bei der Berührung mit dem
                              Jod müßte sie doch zerstört werden; die aus dieser Zersezung hervorgehende
                              Hydriodsäure  und
                              Kohlenstoffverbindungen, indem sie sich der Verbindung des Jods mit dem Silber
                              einigermaßen entgegensezen, vermehren auf diese Weise die Menge des freien Jods,
                              welches wir so üble Resultate hervorbringen sahen. Nach unserm Dafürhalten können
                              also ohne vorausgehendes Vorhandenseyn organischer Stoffe
                              Bilder erhalten werden; diese aber werden jederzeit um so mangelhafter seyn, je mehr
                              sie in ihrer Bildung durch die Beimischung fremdartiger Stoffe Hindernisse erfahren.
                              Wir schreiben sogar der Gegenwart einiger dieser Substanzen jene abnormen
                              Erscheinungen zu, welche sich manchmal darbieten, wenn die schwarzen Stellen des
                              Bildes im Queksilberkasten zu leicht grau werden; denn da die chemische Absorption
                              dieses Metalls dann etwas schwierig vor sich geht, so sezt sich dasselbe mechanisch
                              ab. Hr. Daguerre, dessen Sinn für Genauigkeit vor keiner
                              Schwierigkeit zurükweicht, sah den wahren Werth wohl ein, welchen er der Operation
                              dadurch gab, daß er die Zurichtung der Platte durch gehörig bemessenes Kochen von
                              Wasser auf derselben vollendete. Der Erfolg bewährte diesen guten Einfall, welcher
                              leider nicht leicht auszuführen ist.
                           Jene Herren schreiben ferner der Absorption des Jods durch das Brom die schnelle
                              Entstehung des Bildes zu und glauben, daß die Reduction des Jodsilbers zu Subjodid
                              beinahe augenbliklich geschieht. Diesen Ansichten, welche nur die von uns ganz
                              kürzlich ausgesprochenen wiederholen, können wir vollkommen beipflichten.
                           Der Einwurf gegen das Vorhandenseyn freien Jods auf einer jodirten Platte scheint uns
                              ebenfalls nicht gegründet zu seyn. Allerdings kann man die empfindliche Schicht den
                              Bromdämpfen aussezen, ehe die Jodirung derselben vollendet ist, es wird aber dann
                              weniger Brom absorbirt.
                           Diese Herren nehmen wohl die Reactionen des Queksilberkastens bei den Lichtstellen
                              an, geben dieselben aber bei der Bildung der dunkeln Stellen nicht zu. Wir nehmen
                              nun keinen Anstand, jeder vernunftgemäßen Erklärung beizutreten, aber diese Herren
                              schweigen über die Bildung und Beschaffenheit des Pulvers der dunkeln Stellen; in
                              Ermangelung einer bessern müssen wir uns daher noch an unsere erste Ansicht halten.
                              Das Absezen des Queksilberjodids anbelangend, so kann es nur durch doppelte
                              Zersezung stattfinden; sonst hätte es keinen Einfluß auf die Schönheit des
                              Resultats. Das freie Jod kann übrigens nur grünes Queksilberjodür erzeugen, da
                              dieses Metall immer im Ueberschuß vorhanden ist.
                           Was das Mittel betrifft, um Durchsichtigkeit und Details in den Schatten
                              hervorzubringen, ohne Benachtheiligung der höchsten Lichtstellen,  so besteht es lediglich darin,
                              daß man stärker jodirt, als es gewöhnlich zu geschehen pflegt, so daß man bis zum
                              Rosenrothen und noch darüber hinaus gelangt. Um das möglichst schöne Resultat zu
                              erlangen, muß das Licht von 5 Aequivalenten Jodsilber 2 in Subjodid verwandeln;
                              bietet man demnach der Lichtstrahlung eine Fläche dar, welche an Jodid so reich ist,
                              daß man etwas davon aufopfern kann, ohne einen zu großen Verlust (an diesem, zur
                              darauf folgenden Zersezung des Subjodids im Queksilberkasten nöthigen) Körper zu
                              wagen, so kann man ohne Anstand die Lichtintensität bis zu dem Punkte steigern, wo
                              die Schatten sich aufzuhellen anfangen; wenn hingegen die Platte an Jodid arm ist,
                              so werden die am stärksten beleuchteten Stellen blau, indem das nicht mehr durch
                              Bildung von grünem Jodür absorbirte Queksilber sich mechanisch absezt; man ersieht
                              hieraus, daß man um die schönsten hellen und schönsten dunkeln Stellen zu erhalten,
                              die Quantität des Jodsilbers möglichst erhöhen muß, da im Queksilberkasten dieser
                              Körper allein es ist, der durch seine Zersezung die dunkeln Stellen erzeugt, so wie
                              auch die Lichtstellen unter Beihülfe des Subjodids.
                           Man kann jederzeit die oben empfohlene dunkle Färbung erlangen, ohne befürchten zu
                              müssen, das Bild zu umschleiern, indem man durch das sorgfältigste Puzen die
                              Anhäufung freien Jods zu vermeiden sucht, sich nur reinen Jods bedient und
                              beobachtet, was wir in zwei vorausgehenden Abhandlungen sagten. Die Platte hat dann,
                              wenn sie aus dem Queksilberkasten kommt, eine intensive rothe Farbe, in welchem Fall
                              allein sie durch das Abwaschen vollendet zu werden verdient. Sie hat dann jene
                              bewunderungswürdige Abstufung der Töne und Farbennüancen, welche dem Bilde gleichsam
                              eine atmosphärische Illusion verleihen. Ist hingegen die Platte nach dem Queksilbern
                              gelb, so ist dieß ein Zeichen, daß das grüne Jodür und das wenige gebildete rothe
                              Jodid sich verbunden haben, in Folge wovon Queksilber verloren gegangen ist; das
                              Bild hat sonach nicht das Maximum des Effects; ist sie endlich grün, so ist die
                              Operation als völlig fehlgeschlagen zu betrachten. Man kann die Wirkung des Lichts
                              dadurch unterstüzen, daß man sich etwas Brom enthaltenden Jods bedient. Das Brom mag
                              auf folgende Weise wirken. Es zersezt das wenige Kohlenstoffjodid, welches im Jod
                              vorhanden seyn kann, vermöge seiner Berührung des Gummis oder anderer fremdartiger
                              Körper und wirkt, es in Bromoform umwandelnd, wie wir schon mittheilten, macht
                              nämlich das Jod flüchtiger, wodurch es früher an die Platte gelangt, als die
                              fremdartigen Dünste; indem es endlich der Schicht größere Empfindlichkeit gegen das
                              zerstreute Licht ertheilt,  benimmt es ihr dadurch einen nachtheilig wirkenden
                              Ueberschuß an freiem Jod.