| Titel: | Ueber Eisenbahncurven; von Dr. Adolph Poppe jun. | 
| Autor: | Dr. Adolph Poppe [GND] | 
| Fundstelle: | Band 90, Jahrgang 1843, Nr. LXXI., S. 321 | 
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                        LXXI.
                        Ueber Eisenbahncurven; von Dr. Adolph Poppe
                           jun.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              V.
                        Poppe, über Eisenbahncurven.
                        
                     
                        
                           Wenn ein Wagenzug in einer Eisenbahnkrümmung rollt, so äußert er bekanntlich das
                              Bestreben, in tangentialer Richtung die Schienenleitung zu verlassen. Dieses
                              Bestreben, welches der Centrifugalkraft eines im Kreise um einen festen Punkt
                              geschwungenen Körpers vom Gewichte des Wagenzugs gleichkommt, wirkt sowohl auf die
                              Bahnschienen selbst, als auch auf die Räder und Achsen um so nachtheiliger, je
                              kleiner der Krümmungshalbmesser der Bahn und je größer die Geschwindigkeit des
                              Trains ist. Denn da der Train durch die Spurkränze der Räder verhindert wird, jenem
                              Bestreben, in der Tangente zu entweichen, nachzugeben, so üben die Spurkränze einen
                              Druk gegen die äußere Bahncurve aus. Dieser Druk hat eine bedeutende Reibung an den
                              Schienen, zugleich aber auch eine erhöhte Achsenreibung zur Folge. Da ferner die
                              Räder der Bahnwagen gewöhnlich paarweise auf einer gemeinschaftlichen Achse
                              festgekeilt sind, so ist in Bahncurven, da die Peripherien der Räder bei gleicher
                              Rotationsgeschwindigkeit ungleiche Wege zurükzulegen haben, die Bewegung
                              gewissermaßen eine schleifende, woraus unter Umständen eine bedeutende Erhöhung der
                              Reibung hervorgeht.
                           Außer diesen technischen Nachtheilen erscheint auch die Sicherheit des Transportes in
                              Eisenbahnkrümmungen mehr oder weniger gefährdet, indem man anzunehmen berechtigt
                              ist, daß in Curven von kleinem Halbmesser die Wagen bei großer Geschwindigkeit
                              leicht in Folge der Schwungkraft von den Schienen abspringen können. Häufig wird
                              indessen dem Einflusse der Fliehkraft in Eisenbahnkrümmungen auf die Sicherheit des
                              Transportes ein allzugroßes Gewicht beigelegt und ein großer Theil des Publicums
                              findet den Bestimmungsgrund großer Bahnhalbmesser weit weniger in der Schonung des
                              Materials, als in der Gefahr des Ablaufens der Wagen in Folge der Centrifugalkraft.
                              Um den Einfluß der Fliehkraft in Eisenbahncurven in seinen wesentlichsten Punkten
                              darzulegen und die Elemente zu erforschen, welche auf die Erhöhung, Verminderung
                              oder Vernichtung der bezeichneten Nachtheile Einfluß haben, soll sich vorliegende
                              Untersuchung mit der Behandlung folgender Fragen beschäftigen.
                           
                           I. Wie groß ist der Verlust an mechanischer Arbeit,
                              welcher sich in Bahncurven aus dem Umstande ergibt, daß je zwei an einer Achse befestigte Räder in gleicher Zeit ungleiche
                              Wegstreken zurükzulegen haben?
                           II. Welchen Druk ertheilt die Centrifugalkraft in
                              Eisenbahnkrümmungen den Spurkränzen der Wagenräder gegen die äußere ahnschiene?
                           III. Wie groß ist der durch diesen Seitendruk erzeugte
                              Reibungswiderstand und Verlust an mechanischer Arbeit?
                           IV. Kann eine möglichst gesteigerte Geschwindigkeit das
                              Umstürzen der Wagen in einer Bahncurve in Folge der Centrifugalwirkung herbeiführen,
                              und welche Bedingungen müßten hinsichtlich der Geschwindigkeit, des
                              Krümmungshalbmessers und der Lage des Schwerpunktes stattfinden, wenn die Gefahr des
                              Umstürzens zu besorgen wäre?
                           V. Welches ist die Geschwindigkeit, unter der ein
                              Aufsteigen der Locomotivräder an einer Bahncurve unter der Voraussezung stattfinden
                              könnte, daß die Räder außer dem gewöhnlichen Reibungswiderstande kein directes
                              Hinderniß an der Krümmung finden?
                           VI. Wie läßt sich für eine gegebene Geschwindigkeit und
                              einen gegebenen Krümmungshalbmesser sowohl der Einfluß der Fliehkraft, als auch der
                              unter (I) angeführte Nachtheil beseitigen?
                           
                        
                           I. Wie groß
                                 ist der Verlust an mechanischer Arbeit, welcher sich in Bahncurven aus dem
                                 Umstande ergibt, daß je zwei an Einer Achse befestigte Räder in gleicher Zeit
                                 ungleiche Wegstreken zurükzulegen haben?
                           Es stelle b e, c d, Fig. 1, ein Stük der von
                              dem Mittelpunkte a aus construirten Bahncurve vor, a f den mittleren Halbmesser der Curve und b c die Breite der Bahn. Das äußere Rad hat in derselben
                              Zeit den Bogen c d zurükzulegen, in welcher das innere
                              Rad auf dem Bogen b e rollt. Die Differenz c d — b e gibt also
                              die Streke an, durch welche wegen der starren Verbindung beider Räder das äußere Rad
                              in derselben Zeit als schleifend anzusehen ist, in welcher das innere Rad auf dem
                              Bogen b e rollt. Es bezeichne v die Geschwingkeit des
                              inneren, v′ die des äußeren Rades, R den
                              mittleren Halbmesser der Bahncurve und b die Spurweite
                              der Bahn. Beide Geschwindigkeiten verhalten sich offenbar, wie die in gleichen  Zeiten beschriebenen
                              Bögen, mithin auch wie die den lezteren zugehörigen Krümmungshalbmesser; daher:
                           v′ : v = R + b/2 : R - b/2 oder
                           v′—v : v = R + b/2 - (R - b/2):R - b/2 mithin
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 323
                              
                           Dieß ist der Geschwindigkeitsunterschied beider Räder. Der Erfolg ist nun so zu
                              betrachten, als ob das äußere Rad mit der Geschwindigkeit v′—v, ohne
                              sich zu drehen, auf der äußeren Schiene schleife. Bezeichnet man das Gewicht der
                              bewegten Masse mit Q und den Reibungscoefficienten mit
                              f, so ist der absolute Reibungswiderstand an der
                              äußeren Bahnschiene unter Voraussezung schleifender Bewegung f. Q/2.
                           Dieser Widerstand bewegt sich mit der Geschwindigkeit
                              v′—v daher ist das Reibungsmoment
                           f . Q/2
                              (v′—v)
                           oder wenn man für v′—v den oben gefundenen Werth
                              substituirt:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 323
                              
                           und der Verlust an mechanischer Arbeit, in Pferdekräften
                              ausgedrükt =
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 323
                              
                           Dieser Ausdruk zeigt, daß der Verlust an mechanischer Arbeit um so bedeutender wird,
                              je größer die Last, die Geschwindigkeit und die Spurweite der Bahn ist, und um so
                              geringer, je größer der Bahnhalbmesser. Würde sich z. B. ein 232300 Pfd. schwerer
                              Wagenzug mit 25′ Geschwindigkeit durch eine Bahncurve von 3000′
                              Halbmesser bewegen, so wäre bei der gewöhnlichen Spurweite von 4,7′ der durch
                              das erwähnte Schleifen herbeigeführte Arbeitsverlust, den Reibungscoefficienten =
                              0,13 gesezt,
                           Textabbildung Bd. 090, S. 323 Pferdekraft;
                           bei 500′ Bahnhalbmesser würde sich dieser
                              Arbeitsverlust auf 6 Pferdekräfte herausstellen.
                           
                        
                           
                           II. Welchen
                                 Druk ertheilt die Centrifugalkraft in Eisenbahnkrümmungen den Spurkränzen der
                                 Wagenräder gegen die äußere Bahnschiene?
                           Zur Beantwortung dieser Frage ist es vorerst nöthig, den Werth der Fliehkraft eines
                              in einer Bahncurve sich bewegenden Wagens oder Trains im Allgemeinen zu ermitteln
                              und denselben dann auf die Berührungsstellen der Spurkränze mit der Bahn zu
                              reduciren. Es sey g h, Fig. 2, ein Theil des
                              äußeren, g′ h′
                              ein Theil des inneren Schienenstranges; c der Schwerpunkt des Wagens, dessen Projection in die Mitte
                              der Wagenbreite und sehr nahe auch in die Mitte der Bahnbreite fällt; m a der Halbmesser des von der Projection des
                              Schwerpunktes, oder wie man ohne merkbaren Fehler annehmen darf, von dem
                              Schwerpunkte c selbst beschriebenen Kreises. Dieser
                              Halbmesser ist um den mittleren Abstand b k der Sehne
                              f d von der äußeren Bahncurve kleiner als der
                              mittlere Halbmesser der Bahn, und darf wegen dieses äußerst geringen Unterschiedes
                              dem lezteren gleichgesezt werden. Schwerpunkt und Mittelpunkt des Schwunges sind
                              unter den in Rede stehenden Umständen als coincidirend anzusehen. f und d seyen die
                              Berührungsstellen der Spurkränze beider Wagenräder mit der äußeren Bahncurve; die
                              Sehne f d bezeichne ihre Entfernung.
                           Für die in Rechnung kommenden Größen wähle ich folgende Bezeichnung.
                           P die Fliehkraft oder Centrifugalkraft;
                           Q das Gewicht des Wagens oder der bewegten Masse;
                           R = m a der Halbmesser der
                              Krümmung oder auch des von der Projection des Schwerpunktes c beschriebenen Kreises;
                           s = c a die Höhe des
                              Schwerpunktes über der Bahn;
                           b die Spurweite der Bahn;
                           v die Geschwindigkeit der bewegten Masse;
                           g = 15,6 rheinl. Fuß der bekannte Fallraum eines frei
                              fallenden Körpers in der ersten Secunde.Dieser, so wie allen folgenden Berechnungen ist preußisches Maaß zu Grunde
                                    gelegt.
                           Der Werth für die im Schwerpunkte c angreifende und in
                              der Richtung c p wirkende Fliehkraft ist bekannten
                              mechanischen Gesezen zufolge:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 324
                              
                           
                           Denkt man sich von dem Schwerpunkte aus nach den Berührungspunkten d und f die Linien c d und c f gezogen, so
                              entsteht dadurch ein gleichschenkliges Dreiek f c d.
                              Lezteres gilt bei den gewöhnlichen Transportwagen und bei den vierräderigen
                              Locomotiven, bei denen wegen der gleichmäßigen Vertheilung der Last auf beide Achsen
                              die Richtungslinie des Schwerpunktes durch die Mitte des durch die vier
                              Berührungspunkte der Räder gelegt gedachten Rechteks geht. Um nun den aus der
                              Fliehkraft P in den Punkten d und f resultirenden Horizontaldruk der Räder
                              gegen die Bahnschienen aufzufinden, zerlege man die Fliehkraft zunächst in zwei
                              Seitenkräfte, von denen die eine P′ nach der aus
                              c auf die Mitte der Sehne f
                                 d gezogenen Linie c b abwärts gerichtet ist,
                              die andere in der Richtung c t liegend, auf der Ebene
                              f c d senkrecht steht und den Wagen um die
                              Berührungpunkte d und f zu
                              drehen strebt. Die nach c b abwärts strebende
                              Seitenkraft ist, wenn man den Winkel p c b = c b a mit x bezeichnet:
                           II.) P′ = P . cos x.
                           Diese Kraft denke man sich nun in b angreifend und
                              abermals in zwei Seitenkräfte zerlegt, nämlich in eine horizontale nach der Richtung
                              m k des Bahnhalbmessers und in eine verticale nach
                              der Richtung b q. Die leztere hat auf den Seitendruk
                              gegen die Schienen keinen Einfluß, der Werth der ersteren dagegen ist
                           P″=P′ . cos x = P
                                 cos2x.
                           Dieß ist die horizontale Wirkung der Centrifugalkraft auf den Punkt b reducirt. Substituirt man für P den Werth aus (I), so ergibt sich
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 325
                              
                           und wegen Textabbildung Bd. 090, S. 325
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 325
                              
                           Diese Wirkung vertheilt sich unter der Voraussezung, daß die ganze Last auf die
                              Vorder- und Hinterräder gleich vertheilt ist, gleichmäßig auf die Punkte d und f und zwar in
                              Richtungen d n und f w
                              parallel zu m r. Somit ist der Centrifugaldruk eines
                              Wagenrades, so wie derjenige des Rades einer vierräderigen Locomotive, deren Gewicht
                              auf beide Achsen gleich vertheilt ist, an der Berührungsstelle d
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 325
                              
                           
                           Dieser zu m r parallele Druk gegen die äußere Bahnschiene
                              ist von dem in der Richtung des Krümmungshalbmessers m d
                              wirkenden Normaldruke äußerst wenig verschieden, indem die Abweichung o d n selbst bei Bahnen von scharfer Krümmung noch sehr
                              gering ausfällt. Bei einem Bahnhalbmesser von 500′ und einer Entfernung
                              beider Berührungsstellen f, d von 10′ würde z. B.
                              diese Abweichung nur 34⅓ Minuten, bei einem Bahnhalbmesser von 1000′
                              nur 17 1/6 Minuten und bei einem Halbmesser von 3000′ nur 5⅔ Minuten
                              betragen; die Centrifugalwirkung P′″, auf
                              den Normaldruk gegen die Bahnschiene reducirt, würde bei einem Bahnhalbmesser von
                              1000′ den Werth 19999/20000 P′″
                              annehmen, welcher von dem Resultate (IV) nur um 1/20000
                              verschieden wäre, und selbst für einen Krümmungshalbmesser von 100′, wenn ein
                              solcher zulässig wäre, würde die normale Wirkung nur um 1/666 von der Wirkung (IV) abweichen. Man darf daher das Resultat (IV) ohne merkbaren Fehler als Normaldruk betrachten.
                           Dieser Druk nimmt, wie sich aus der Betrachtung der Formel (IV) unmittelbar ergibt, im quadratischen
                                 Verhältnisse mit der Erhöhung der Geschwindigkeit und im einfachen Verhältnisse
                                 mit der Verminderung des Bahnhalbmessers zu. Auch die Lage des
                              Schwerpunktes hat Einfluß auf denselben; je tiefer nämlich der Schwerpunkt liegt, d.
                              h. je kleiner s, desto größer ist der Seitendruk gegen
                              die Schiene.
                           Bei sechsräderigen Locomotiven gewöhnlicher Construction
                              gestaltet sich dieser Druk anders als bei vierräderigen,
                              indem bei ersteren der größere Theil der Last auf den Vorderrädern ruht, so zwar,
                              daß das Uebergewicht der Vorderachse gegen die Hinterachse nach Pambour ungefähr 2 Tonnen = 4480 Pfd. beträgt. Demzufolge
                              fällt bei sechsräderigen Locomotiven der Schwerpunkt der Masse näher gegen die
                              Vorderräder, als gegen die Hinterräder. In dem umgekehrten Verhältnisse dieser
                              Abstände vertheilt sich der Centrifugaldruk (III) auf
                              die Berührungsstellen beider Räder. Bezeichnet man den Achsenabstand beider Räder
                              sowohl vier- als sechsräderiger Locomotive im Allgemeinen mit l, die Entfernung der Richtungslinie des Schwerpunktes
                              von der Hinterachse mit e, den Centrifugaldruk des
                              Vorderrades gegen die Schiene mit D, denjenigen des
                              Hinterrades mit D′ und den Gesammtdruk, wie oben,
                              mit P″, so ist
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 326
                              
                           
                           Nach Mamby liegt der Schwerpunkt einer sechsräderigen
                              Locomotive 60 Centimeter bis 1 Meter oder im Mittel 2,2 preuß. Fuß vor der
                              Kurbelachse. Da nun die leztere in der Mitte zwischen den 10′ von einander
                              abstehenden Achsen der Vorder- und Hinterräder liegt, so beträgt der Abstand
                              der hinteren Radachse von der Richtungslinie des Schwerpunktes 7,2′, der
                              Abstand der vorderen Radachse dagegen nur 2,8′, wonach e/l = 0,72 und l—e/l =
                              0,28 wird, so daß von dem Gesammtdruke (III) 0,72 auf
                              die Vorderräder und 0,28 auf die Hinterräder kommen. Diesem
                                 nach wäre der Seitendruk des Spurkranzes an der Vorderachse einer sechsräderigen
                                 Locomotive mehr als 2½mal so groß, wie der an
                                 der Hinterachse. Substituirt man den numerischen Werth für e/l in (V), so kommt nach gehöriger Reduction:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 327
                              
                           Vergleicht man diesen Centrifugaldruk des Vorderrades einer sechsräderigen mit dem
                              Centrifugaldruke P′″ (III) des Vorderrades
                              einer vierräderigen Locomotive, und nimmt das Gewicht einer sechsräderigen nach Pambour zu 14327, dasjenige einer vierräderigen zu 9000
                              Kilogrammen an, so verhält sich
                           D : P′″ = 14000/43,3 : 9000/62,4 = 69,3 : 30,9
                           
                              Daher ist unter gleichen übrigen Umständen in
                                 Eisenbahnkrümmungen der Centrifugaldruk des Vorderrades einer sechsräderigen
                                 Locomotive gewöhnlicher Construction mehr als doppelt so groß, wie der
                                 Centrifugaldruk des Vorderrades einer vierräderigen Locomotive.
                              
                           Um nun den effectiven Druk, welchen eine vierräderige und eine sechsräderige
                              Locomotive von gewöhnlichen Dimensionen und mittlerem Gewichte bei gegebener
                              Geschwindigkeit an einer ihrer Berührungsstellen mit der äußeren Bahncurve ausüben,
                              bestimmen zu können, muß auch die Höhe des Schwerpunktes der bewegten Massen über
                              der Ebene der Bahn bekannt seyn. Diese ist bis jezt noch durch keinen directen
                              Versuch ermittelt worden, obgleich ein solcher wohl mit so großen Schwierigkeiten
                              nicht verknüpft wäre, wie manche annehmen. Die Lage des Schwerpunktes einer
                              Locomotive kann man sich am einfachsten durch den Abstand von drei senkrecht zu
                              einander stehenden Ebenen, nämlich einer Horizontal- und zweier
                              Verticalebenen bestimmt denken, wovon die erstere die Ebene der Bahn selbst ist, die
                              zweite senkrecht zur Richtung der Bahn durch die Achse der  Vorder- oder
                              Hinterräder, die dritte durch die Mitte der einen Schienenleitung parallel zur Bahn
                              gelegt ist. Der Abstand des Schwerpunktes von der lezteren Ebene ist wegen der
                              symmetrischen Anordnung der Maschinentheile unbedingt der halben Bahnbreite gleich
                              zu sezen und der Abstand der andern Verticalebene kommt bei Untersuchung der Höhe
                              des Schwerpunktes über der Bahn nicht in Betracht. Um nun diese Höhe praktisch zu
                              ermitteln, stelle man die Locomotive auf eine horizontale, um eine Horizontalachse
                              drehbare Plattform, deren Gewicht vorher durch ein Gegengewicht äquilibrirt worden
                              ist, befestige sie daran und drehe die Plattform vorsichtig um ihre Achse, bis das
                              Uebergewicht der Locomotive verschwindet. Wenn man einen Körper um eine seiner
                              Kanten so weit dreht, bis er die Gleichgewichtslage erreicht hat, so geht
                              bekanntlich die Richtungslinie des Schwerpunktes durch diese Kante. Dieser Fall
                              findet hier statt. Aus dem Drehungswinkel und dem vorher gemessenen Abstande des
                              Schwerpunktes von der Drehungsachse der Plattform ließe sich alsdann leicht die Höhe
                              des Schwerpunktes über der Bahnfläche trigonometrisch berechnen. Es bezeichne r den Abstand des Schwerpunktes von der Drehungsachse,
                              x den Drehungswinkel, so findet man die Höhe des
                              Schwerpunktes über der Bahn: s = r . tg . x. Gienge
                              die Drehungsachse durch die Berührungsstellen zweier hinter einander liegender
                              Locomotivräder mit der Bahn oder der Plattform, so würde man s = ½b . tg
                              . x erhalten, wenn b die
                              Bahnbreite bezeichnet.
                           Da indessen ein solcher Versuch bis jezt noch nicht angestellt worden zu seyn
                              scheint, so kann die Höhe des Schwerpunktes der Locomotive vorläufig nur
                              annäherungsweise durch Schäzung bestimmt werden. Nach aller Wahrscheinlichkeit liegt
                              derselbe 4 bis 5 Fuß über der Bahn. Als mittlere, für den Personenverkehr sich
                              eignende Geschwindigkeit wird in Deutschland gewöhnlich diejenige angenommen, wobei
                              der Wagenzug in einer Stunde 4 Meilen zurüklegt, was einer Geschwindigkeit von 26
                              Fuß in 1 Secunde entspricht. In England soll die mittlere Geschwindigkeit 24 engl.
                              Meilen in der Stunde oder 34 rheinl. Fuß in einer Secunde betragen. Der Halbmesser
                              der Bahnkrümmung oder des Schwerpunktes der bewegten Masse sey 1000 Fuß und die bei
                              den meisten Eisenbahnen eingeführte Spurweite von 4 Fuß 8½ Zoll = 4,7 Fuß sey
                              dem zu berechnenden Beispiele, so wie überhaupt allen in dieser Abhandlung
                              vorkommenden Berechnungen zu Grunde gelegt. Wenn man nun
                           Q = 9000 Kilogr. für die vierräderige Locomotive,
                           Q = 14000 Kilogr. für die sechsräderige Locomotive,
                           R = 1000 Fuß,
                           b = 4,7 Fuß,
                           
                           s = 5 Fuß,
                           v = 25 Fuß in der Secunde,
                           g = 15,6 Fuß
                           sezt, so wird durch Substituirung dieser Werthe in die Formel
                              (IV) der Druk, welchen die äußere Bahnschiene von
                              dem Vorderrade der vierräderigen Locomotive an einer
                              Berührungsstelle erfährt, Textabbildung Bd. 090, S. 329 mithin an beiden Berührungsstellen zusammen 69,4 Pfd. Und aus dem oben
                              aufgefundenen Verhältnisse D:P′″=69,3:30,9 findet man den Druk des Vorderrades einer
                              sechsräderigen Locomotive
                           D = 36,5 Kilogr. = 77,7 Pfd.
                           Würbe die Höhe des Schwerpunktes über der Bahn anstatt 5 Fuß nur 4 Fuß betragen, so
                              würde dadurch der Centrifugaldruk des Vorderrades gegen die Bahnschienen erhöht
                              werden bei vierräderigen Locomotiven auf:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 329
                              
                           und bei sechsräderigen Locomotiven
                              auf:
                           D = 51,8 Kilogr.= 110,3 Pfd.
                           
                        
                           III. Wie
                                 groß ist der durch den Centrifugaldruk in Eisenbahnkrümmungen erzeugte
                                 Reibungswiderstand und Verlust an mechanischer Arbeit?
                           Um die Größe des durch den Druk der Spurkränze gegen die äußere Bahncurve erzeugten
                              Reibungswiderstandes zu ermitteln, muß dieser Druk mit dem Reibungscoefficienten,
                              den wir für Schmiedeisen auf Schmiedeisen nach Morin zu
                              0,13 annehmen, multiplicirt werden. In Erwägung, daß der Reibungswiderstand dem ihn
                              erzeugenden Druke proportional ist, dieser aber mit dem Quadrate der Geschwindigkeit
                              zunimmt, gelangen wir zu dem Schlusse: der durch die Reibung
                                 der Spurkränze an den Bahnschienen erzeugte Widerstand wächst in Eisenbahncurven
                                 mit dem Quadrate der Geschwindigkeit.
                           Der Reibungswiderstand mit der Geschwindigkeit multiplicirt und durch 510 dividirt,
                              gibt die Größe der verlorenen Arbeit, d. h. der Arbeit, welche zur Ueberwältigung
                              der Reibung verwendet wird, in Pferdekräften an. Demnach ist in Pferdekräften
                              ausgedrükt:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 329
                              
                           
                           Hieraus entspringt die wichtige Folgerung: der durch die
                                 Reibung der Spurkränze an den äußeren Schienen erzeugte Verlust an mechanischer
                                 Arbeit wächst in Eisenbahncurven mit dem Würfel der Geschwindigkeit; seine
                                 Zunahme steht ferner mit der Verminderung des Bahnhalbmessers im einfachen
                                 umgekehrten Verhältnisse.
                           Die doppelte Geschwindigkeit würde somit den achtfachen Kraftverlust nach sich
                              ziehen.
                           Sezen wir das Gewicht Q eines Wagenzugs mit Locomotive
                              und Tender = 2000 Cntr., so gestaltet sich unter den oben angenommenen Verhältnissen
                              der Gesammt-Centrifugaldruk gegen die Schienen
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 330
                              
                           und der Verlust an Arbeit Textabbildung Bd. 090, S. 330 Pferdekräfte.
                           Nimmt man die Höhe des Schwerpunktes über der Bahn zu 4′ anstatt zu 5′
                              an, so wird dadurch der Gesammtdruk gegen die äußere Bahncurve auf 1028 Pfd. und der
                              Arbeitsverlust auf 6,5 Pferdekräfte erhöht. Aus diesem praktischen Beispiele läßt
                              sich der Einfluß, welchen die Lage des Schwerpunktes auf den Effect in
                              Eisenbahnkrümmungen hat, deutlich erkennen, indem unter vorliegenden Verhältnissen
                              die durch die Reibung aufgezehrte Arbeit bei Tieferlegung des Schwerpunktes von
                              5′ auf 4′ von 4,6 auf 6,5 Pferdekräfte gesteigert wird.
                           Folgende Tabelle enthält die Berechnung des Centrifugaldrukes eines 2000 Cntr.
                              wiegenden Wagenzuges gegen die äußeren Bahnschienen, der aus diesem Druke
                              resultirenden Reibung und der Größe des Arbeitsverlustes bei Eisenbahnkrümmungen von
                              250 bis 4000 Fuß Halbmesser. Dabei ist eine mittlere Geschwindigkeit von 25′
                              oder 4 Meilen in der Stunde angenommen. s bezeichnet die
                              mittlere Höhe des Schwerpunktes der bewegten Massen über der Ebene der Bahn. In der
                              Tabelle sind zwei verschiedene Lagen des Schwerpunktes, nämlich s = 4′ und s =
                              5′ berüksichtigt.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 331
                              Gewicht des Wagenzugs = 2000 Cntr.;
                                 Geschwindigkeit = 25′ in 1 Sec.; Bahnhalbmesser.; Gesammtdruk der
                                 Spurkraͤnze gegen die Bahnschienen in Pfunden; Reibungswiderstand in
                                 Pfunden.; Arbeitsverlust in Pferdekraͤften.; s=5′; s=4′; s=5′; s=4′; s=5′; s=4′; Fuß
                              
                                 
                                 Dieser Arbeitsverlust wird in der Wirklichkeit noch groͤßer ausfallen,
                                    indem die an den Stoßfugen je zweier Schienen bemerkbaren Stoͤße, die
                                    in obiger Tabelle nicht beruͤksichtigt wurden, sich zu einem
                                    Widerstande summiren, welcher den Arbeitsverlust ohne Zweifel merkbar
                                    erhoͤht.
                                 
                              
                           
                        
                           IV. Kann
                                 eine möglichst gesteigerte Geschwindigkeit das Umstürzen der Wagen in einer
                                 Bahncurve in Folge der Centrifugalwirkung herbeiführen, und welchen Halbmesser
                                 müßte die Krümmung haben, wenn die Gefahr des Umstürzens bei einer gegebenen
                                 Geschwindigkeit zu besorgen wäre?
                           Betrachten wir wie bisher die in Eisenbahnkrümmungen thätige Fliehkraft als eine im
                              Schwerpunkte des Wagens angreifende Kraft, so lassen sich die Verhältnisse, unter
                              welchen ein Umstürzen desselben erfolgen kann, aus einfachen Gesezen der
                              Hebelwirkung herleiten. Der Schwerpunkt c, Fig. 2, in
                              welchem die Centrifugalkraft nach der Richtung c p
                              angreift, bildet nämlich das Ende eines Hebels, dessen Stüzpunkt an den
                              Berührungsstellen d und f
                              der Spurkränze mit der äußeren Bahnschiene liegt. Um diese Punkte d und f strebt die
                              Fliehkraft den Wagen zu drehen. Die Last widersteht diesem Zuge den Gesezen der
                              Schwere gemäß in der Richtung c a. Die Gränze der
                              Stabilität der Masse ist erreicht, wenn die auf die Stüzpunkte d und f bezogenen statischen
                              Momente der Fliehkraft und des  Wagengewichtes einander gleich geworden sind, d. h. wenn
                              unter Beibehaltung der früheren Bezeichnungen
                           P . ac = Q . ab oder
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 332
                              
                           oder
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 332
                              
                           Hieraus ergibt sich, wenn der Bahnhalbmesser gegeben ist, die zum Umwerfen eines
                              Wagens in Folge der Fliehkraftäußerung nöthige Geschwindigkeit:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 332
                              
                           Den Halbmesser, welchen die Bahncurve voraussezt, wenn bei gegebener Geschwindigkeit
                              ein Umstürzen des Wagens erfolgen soll, findet man aus der Gleichung (I):
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 332
                              
                           und die Höhe, in welcher der Schwerpunkt eines Wagens über der
                              Bahn liegen müßte, wenn bei gegebener Geschwindigkeit und gegebenem Bahnhalbmesser
                              dieses Umstürzen stattfinden sollte, aus derselben Gleichung (I):
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 332
                              
                           Mit welcher Geschwindigkeit müßte demnach unter Beibehaltung des Werthes der
                              constanten Größe b (Bahnbreite) und s (Höhe des Schwerpunktes = 5′) eine mit
                              500′ Halbmesser construirte Bahncurve befahren werden, wenn ein Umstürzen der
                              Wagen in Folge der Schwungkraftäußerung zu besorgen wäre?
                           Antwort: Textabbildung Bd. 090, S. 332
                           in 1 Stunde; eine selbst auf gerader horizontaler Bahn
                              unerreichbare Geschwindigkeit. Bei Eisenbahnkrümmungen von dem gewöhnlichen
                              Halbmesser von 3332 Fuß wäre die zum Umwerfen erforderliche Geschwindigkeit
                              209′ in der Secunde. Fragt man, welchen Halbmesser die Bahnkrümmung haben
                              müßte, wenn ein mit der mittleren Geschwindigkeit von 25′ in der Secunde auf
                              derselben fahrender Wagen umwerfen sollte, so ergibt sich aus (III)
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 332
                              
                           Wie hoch müßte bei einer Geschwindigkeit von 30′ (4½ Meilen in der
                              Stunde) und einem Bahnhalbmesser von 500′ der Schwerpunkt  des Wagens liegen, wenn er in
                              Folge der Schwungkraft umstürzen sollte?
                           Antwort: Textabbildung Bd. 090, S. 333
                           Aus diesen einfachen Beispielen geht deutlich hervor, daß ein Umwerfen selbst in
                              scharfen Eisenbahnkrümmungen in Folge überhandnehmender Schwungkraft im Bereiche der
                              Unmöglichkeit liegt.
                           
                        
                           V. Welches
                                 ist die Geschwindigkeit, bei der ein Aufsteigen der Locomotivräder an einer
                                 Bahncurve unter der Voraussezung stattfinden kann, daß die Räder kein directes
                                 Hinderniß an der Krümmung finden?
                           Würden die Eisenbahnschienen eine vollkommen gleichförmige, durch keine
                              hervorragenden Unebenheiten oder Hindernisse und durch keine Zwischenräume
                              unterbrochene Reibungsfläche darbieten, so wäre auf gerader Bahn ein Austreiben der
                              Locomotive aus den Schienen höchstens in Folge des Bruches eines Maschinentheiles
                              möglich, und selbst die schärfsten Krümmungen könnten mit der größten
                              Geschwindigkeit ohne alle Gefahr durchlaufen werden, indem diejenige
                              Geschwindigkeit, in deren Folge der Einfluß der Fliehkraft die Wagen aus dem Geleise
                              treiben würde, wie unten gezeigt werden soll, praktisch unerreichbar wäre. Solche
                              günstigen Verhältnisse finden nun aber bekanntermaßen nicht statt. Schon der
                              zwischen zwei zusammenstoßenden Schienen wegen der Ausdehnung des Metalles durch die
                              Wärme notheendige Zwischenraum veranlaßt, so klein er auch ist, einen merkbaren
                              Stoß, welcher in Bahncurven die Tendenz des Trains, die Schienenleitung zu
                              verlassen, erhöht. Hiezu kommt noch die unvollkommene Coincidenz der Schienenkanten
                              an manchen Fugen, welche das Austreten der Wagen selbst auf gerader Bahn veranlassen
                              kann. Daher läßt sich unter solchen Umständen der Moment oder die Bedingung des
                              Austretens aus einer Bahncurve keineswegs theoretisch ermitteln. Gehen wir nun von
                              der Annahme aus, die äußere Bahncurve bilde eine ununterbrochen fortlaufende
                              Eisenschiene, mit welcher die Spurkränze der Räder in reibender Berührung stehen,
                              und denken wir uns alle zufälligen Hervorragungen und Hindernisse hinweg, so hängt
                              das Ablaufen des Wagens aus der Bahn offenbar nur noch von der Geschwindigkeit und
                              dem mit dieser Geschwindigkeit veränderlichen Reibungswiderstande ab, und die
                              Ermittelung der zur Erhebung der Locomotive über die Bahnschiene erforderlichen
                              Geschwindigkeit  ist
                              unter dieser Voraussezung möglich. Wenn nun auch das auf solche imaginären
                              Verhältnisse gegründete theoretische Resultat mit der Wirklichkeit und Erfahrung
                              nicht übereinstimmen kann, so hat es doch insofern einen relativen Werth, als es die
                              von jenen Unterbrechungen und zufälligen Unebenheiten der Schienenleitung
                              unabhängigen Bedingungen erkennen läßt, welche auf die Erhöhung oder Verminderung
                              der Gefahr Einfluß haben.
                           Gehen wir also von der so eben bezeichneten Annahme aus, so kann eine Ersteigung der
                              Schiene nur in dem Momente stattfinden, wo der durch den Centrifugaldruk der
                              Spurkränze gegen die Schiene erzeugte Reibungswiderstand dem Bestreben der Last, an
                              der Ersteigungsstelle zurükzusinken, das Gleichgewicht hält. Da die Reibung dem
                              Druke proportional ist, dieser aber mit dem Quadrate der Geschwindigkeit zunimmt, so
                              kann man sich die Geschwindigkeit so gesteigert denken, daß der Reibungswiderstand
                              einen Werth erreicht, wobei jener Moment eintreten muß.
                           Wir wollen nun zuerst den Widerstand ermitteln, welchen die Last der Erhebung des
                              Spurkranzes über die Schiene entgegensezt. Es bezeichne x
                                 y, Fig.
                                 3, die Oberfläche der äußeren Bahnschiene, der dieselbe tangirende Kreis
                              das Rad, etwa das Vorderrad einer Locomotive und der mit diesem Kreise concentrische
                              Kreis den Berührungskreis des Spurkranzes mit der Bahnschiene; man bezeichne ferner
                              die Höhe f g dieses Berührungskreises mit h und den Halbmesser f d des
                              Rades mit r. Die Ersteigung der Schiene findet im Punkte
                              a statt. Legt man an diesem Punkte eine Tangente an
                              die Radperipherie, so bildet a b c eine schiefe Ebene.
                              Die Kraft K, welche das Rad über die schiefe Ebene zu
                              erheben strebt, wirkt parallel zur Basis derselben in der Richtung d m. Die zu hebende Last ist dem halben Gewichte des
                              Wagens gleich, weil derselbe im Momente des Aufsteigens mit seinen andern Rädern auf
                              der inneren Schiene bleibt. Wir finden demnach die zur Erhebung des Spurkranzes auf
                              die Bahnschiene erforderliche Kraft, oder den Widerstand, den die Last dieser
                              Ersteigung entgegensezt, durch die Proportion
                           K : Q/2 =
                              h : bc = fa : fd oder
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 334
                              
                           woraus
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 334
                              
                           
                           Der Centrifugaldruk des Vorderrades einer Locomotive ist nach (V) des ersten Abschnittes durch Textabbildung Bd. 090, S. 335 ausgedrükt, wobei l den Abstand der vorderen
                              von der hinteren Achse und e die Entfernung der
                              Richtungslinie des Schwerpunktes von der Hinterachse bezeichnet; mithin der
                              Reibungswiderstand an der Berührungsstelle des Spurkranzes mit der Schiene
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 335
                              
                           Soll nun eine Erhebung über die Bahnschiene erfolgen, so muß F = K seyn, d. h.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 335
                              
                           Die Auflösung dieser Gleichung nach v gibt die Geschwindigkeit, bei welcher unter den
                              obigen Voraussezungen ein Aufsteigen der Locomotive an der Schiene erfolgen
                              würde
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 335
                              
                           Ein Blik auf diese Formel gibt zu erkennen, daß die das Austreten des Dampfwagens
                              unter vorliegenden Verhältnissen bedingende Geschwindigkeit um so größer, die Gefahr
                              also um so geringer wird, je größer der Bahnhalbmesser R, je größer h oder die Höhe des Spurkranzes ist,
                              und je höher man den Schwerpunkt, ohne den Durchmesser der Räder zu verändern, legt;
                              daß dagegen die bedingende Geschwindigkeit um so kleiner, die Gefahr also um so
                              größer wird, je größer der Halbmesser r und je größer
                              e ist, d. h. je näher der Schwerpunkt nach der
                              Vorderachse hin fällt. In lezterer Hinsicht sind die Chancen der Gefahr bei
                              vierräderigen Locomotiven etwas geringer als bei sechsräderigen, und zwar im
                              Verhältniß von √50 : √72, denn die zum Austreten aus der Bahn unter
                              obigen Bedingungen erforderlichen Geschwindigkeiten verhalten sich caeteris paribus beziehungsweise wie Textabbildung Bd. 090, S. 335 oder mit Bezug auf beide Locomotivgattungen wie Textabbildung Bd. 090, S. 335 Da sich diese Geschwindigkeiten nach der obigen Formel wie die
                              Quadratwurzeln aus den Krümmungshalbmessern verhalten, so läßt sich schließen, daß
                              z. B. eine Krümmung von 3600′ Halbmesser mit einerlei Geschwindigkeit doppelt
                              so sicher, als eine Krümmung von 900′ Halbmesser befahren werden kann, daß
                              überhaupt die Sicherheit des Transportes in Eisenbahncurven rüksichtlich des
                              Austreibens aus  der
                              Bahn in dem Verhältniß der Quadratwurzel aus dem Bahnhalbmesser zunimmt. Sezt man
                              den Halbmesser der Vorderräder einer Locomotive = 2′, die Höhe h des Spurkranzes = 2 Zoll oder 1/6 Fuß, den
                              Bahnhalbmesser = 500′ und nimmt die Höhe s des
                              Schwerpunktes über der Bahn zu 5′ an, so findet man durch Substituirung
                              dieser Werthe in die lezte Formel für eine sechsräderige Locomotive
                           v = 462 4/5 Fuß
                           und für eine vierräderige
                           v = 553¾ Fuß
                           zum Zeichen, daß unter Voraussezung einer gleichförmigen
                              ununterbrochenen Reibungsfläche ein Austreiben der Wagen aus den Schienengeleisen
                              auch in Krümmungen von kleinen Halbmessern nie stattfinden konnte.
                           
                        
                           VI. Wie läßt
                                 sich für eine gegebene Geschwindigkeit und einen gegebenen Krümmungshalbmesser
                                 sowohl der Einfluß der Fliehkraft, als auch der unter (I) angeführte Nachtheil
                                 beseitigen?
                           Ein einfaches Mittel, um der Centrifugalkraft in Eisenbahncurven entgegenzuwirken,
                              besteht bekanntlich darin, daß man die äußere Bahnschiene höher legt als die innere,
                              und zwar um so viel, daß die nunmehr in Thätigkeit kommende Schwerkraft, welche der
                              Last ein Bestreben gegen den Mittelpunkt der Krümmung hin gibt, die Centrifugalkraft
                              gerade aufwiegt, oder was dasselbe ist, daß die Resultante aus der
                              Centrifugalwirkung und der Schwerkraft auf der durch die Schienenoberflächen gelegt
                              gedachten schiefen Ebene senkrecht steht.
                           Um die Größe der Erhöhung der äußeren Bahnschiene, welche offenbar von der
                              Geschwindigkeit und dem Halbmesser der Krümmung abhängt, zu ermitteln, nehme man
                              Fig. 4 zu
                              Hülfe, die den Querschnitt der Eisenbahn in einer Curve vorstellen möge; c sey die äußere, a die
                              innere Bahnschiene. Denkt man sich von c aus quer über
                              die Bahn nach a eine gerade Linie a c, dann eine Senkrechte b c gezogen und auf
                              diese von a aus das Perpendikel a
                                 b gefällt, so ist b c die Erhöhung der äußeren
                              Bahnschiene über die innere. Man kann nun den auf den Schienen a und c ruhenden Wagen als
                              eine Last betrachten, die auf der schiefen Ebene a b c
                              liegt, und ein gewisses Bestreben, gegen den Mittelpunkt der Curve hin herabzusinken
                              äußert, dessen Werth nach den bekannten Gesezen der schiefen Ebene zu berechnen ist.
                              Dieses Bestreben soll der in der Richtung des  Halbmessers parallel zu a b
                              thätigen Centrifugalkraft entgegenwirken und dieselbe gleichsam neutralisiren.
                              Demnach muß die Centrifugalkraft derjenigen parallel zur Basis wirkenden Kraft
                              gleich seyn, welche die Last auf der schiefen Ebene im Gleichgewichte hält.
                              Bezeichnen wir diese Kraft mit P, das Gewicht der
                              bewegten Masse mit Q, die Spurweite der Bahn wie bisher
                              mit b, die gesuchte Erhöhung b
                                 c der äußeren Bahnschiene mit x und den
                              Neigungswinkel c a b der schiefen Ebene mit α, so
                              ist zunächst
                           I. P =
                              Q
                              tg. α
                           und wenn man für tg. α den
                              Werth Textabbildung Bd. 090, S. 337 einführt:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 337
                              
                           Nun vertritt aber die Centrifugalkraft die Stelle der Kraft
                              P, daher
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 337
                              
                           Diese Gleichung nach x aufgelöst, liefert:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 337
                              
                           als Werth der äußeren Bahnerhöhung. Nach dieser Formel findet
                              man, daß z. B. für einen Krümmungshalbmesser von 500′ und eine
                              Geschwindigkeit von 26′ (4 Meilen in der Stunde) die Erhöhung der äußeren
                              Bahnschiene 3,8 Zoll betragen müßte, um den Einfluß der Fliehkraft aufzuheben. Geht
                              man, wie de Pambour und andere Techniker, von der Annahme
                              aus, die Centrifugalkraft wirke in der Richtung der Länge, anstatt parallel zur
                              Basis der geneigten Ebene — ein Fehler von kaum bemerbarem Einfluß —
                              so erhält man statt der Formel (IV) einen einfacheren
                              Ausdruk. Es ergibt sich nämlich, da die Gleichung (I)
                              nun in P = Q. sin α übergeht, anstatt der Gleichung (III) die einfachere
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 337
                              
                           woraus
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 337
                              
                           Soll indessen der Gleichgewichtszustand zwischen Schwungkraft und Schwerkraft, um
                              daraus den in Rede stehenden Höhenunterschied beider Bahnschienen herzuleiten, mit
                              größerer mathematischer Schärfe bestimmt werden, so muß man in horizontalen Curven
                              die Richtung der Schwungkraft als horizontal oder als parallel zur Basis der
                              geneigten Ebene annehmen, und selbst die Reibung der Räder an  der Schienenoberfläche dürfte
                              in diesem Falle nicht unberüksichtigt gelassen werden.
                           Durch die (IV und V)
                              angegebene Höherlegung der äußeren Bahnschiene in Bahncurven ist zwar die Fliehkraft
                              unschädlich gemacht, dagegen jener im ersten Abschnitt beleuchtete, aus der starren
                              Verbindung je zweier Räder in Bahncurven entspringende Nachtheil des Schleifens noch
                              unbeseitigt. Unter welchen Bedingungen nun die Erhöhung der äußeren Bahnschiene
                              benüzt werden kann, um auch diesen Nachtheil zu beseitigen, soll nun entwikelt
                              werden. In den bisherigen Berechnungen hatten wir die Radfelgen als vollkommen
                              cylindrisch angenommen. In Berüksichtigung der Bahncurven und um das Anstreifen der
                              Spurkränze an den Bahnschienen überhaupt möglichst zu vermindern, gibt man jedoch
                              den Rädern in neuerer Zeit in der Regel einen von innen nach außen konisch sich
                              verjüngenden Felgenkranz. Wenn nun in einer Curve die Centrifugalkraft den Wagen
                              nach der äußeren Seite hinzieht, so kommt das Rad an dieser Seite auf eine
                              Kranzperipherie von größerem Durchmesser zu liegen und adjustirt sich von selbst
                              nach der Verschiedenheit der Peripherien der äußeren und inneren Bahnschienen, so
                              daß es ohne zu schleifen fortrollt. Außerdem erhält dadurch der Wagen eine etwas
                              geneigte, der Centrifugalkraft entgegenwirkende Lage.
                           Wie groß der Unterschied beider Raddurchmesser seyn muß, damit der erwähnte Erfolg
                              erzielt werde, läßt sich leicht ermitteln. Sollen beide an einer Achse festgekeilte Räder ohne Zwang und Schleifen auf einer Curve
                              rollen, so müssen sich ihre Durchmesser verhalten, wie die zu ihrem Schienenbogen
                              gehörigen Halbmesser. Bezeichnet nun
                           R den mittleren Krümmungshalbmesser der Bahncurve,
                           b die Spurweite der Bahn,
                           d′ den Durchmesser des inneren Rades,
                           d den des äußeren Rades,
                           so ist der Halbmesser des äußeren Schienenkreises R + b/2, derjenige des
                              inneren R - b/2 und d-d′ drükt die
                              Differenz beider Raddurchmesser aus. Man erhält zunächst die Proportion:
                           d : d′ = R + b/2 :
                              R - b/2 oder
                           d-d′ : d = R +
                              b/2 - (R - b/2) : R + b/2, woraus
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 338
                              
                           
                           als die in Rede stehende Differenz der Durchmesser beider
                              Radperipherien. Zur Herstellung dieser Differenz muß der Wagen um eine gewisse
                              Streke zur Seite gerükt werden, deren Größe offenbar von dem Grade der konischen
                              Verjüngung abhängt. Diese sey allgemein durch 1/a
                              ausgedrükt (gewöhnlich beträgt sie 1/7).
                           B, Fig. 5, stelle ein auf der
                              äußeren Curve laufendes Rad vor, dessen Seitenverschiebung ermittelt werden soll.
                              Anfangs laufen beide Räder auf gleichen Peripherien, deren Durchmesser b
                              d ist. Erfolgt nun die seitliche Verrükung des
                              Räderpaares, so steigt das äußere Rad B an der Schiene
                              in die Höhe, während das innere Rad um die gleiche Größe herabsinkt. a
                              b = k sey die Streke, um
                              welche das Rad verschoben werden muß, um die verlangte Differenz zu erzielen, so hat
                              sich offenbar das Rad um die Größe a
                              c gehoben, der Durchmesser desselben daher sich um 2 a
                              c vergrößert und der des inneren Rades um eben so viel
                              sich vermindert. Demnach beträgt der Unterschied beider Räderdurchmesser
                           d - d′ = 4 a
                              c oder
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 339
                              
                           Nun drükt offenbar a
                              c/a
                              b oder a
                              c/k den Grab der konischen
                              Verjüngung des Felgenkranzes aus; daher ist zu sezen
                           ac/k=1/a
                           ac = k/a.
                           Substituirt man diesen Werth in (VII), so ergibt sich als
                              Werth der seitlichen Verschiebung
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 339
                              
                           In Folge dieser Verrükung erhält der Wagen zu der Neigung, welche er wegen der
                              Differenz der Schienenhöhen bereits hat, offenbar noch eine weitere Neigung; denn er
                              hat sich auf der äußeren Schiene um das Stük a
                              c gehoben und auf der inneren Schiene um dieselbe Größe
                              gesenkt. Der Wagen ist daher als auf einer schiefen Ebene ruhend anzusehen, deren
                              Höhe den gesuchten Höhenunterschied x der äußeren und
                              inneren Schiene nebst der eben erwähnten doppelten Größe a
                              c bildet, und deren Länge durch die um k verkürzte Bahnbreite ausgedrükt ist. Die Neigung der
                              schiefen Ebene ist diesem gemäß auszudrüken durch
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 340
                              
                           Um nun Schwerkraft und Centrifugalkraft ins Gleichgewicht zu sezen, ist die Gleichung
                              herzustellen:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 340
                              
                           woraus Textabbildung Bd. 090, S. 340
                           und wenn der Werth für k aus (VIII) substituirt wird:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 090, S. 340
                              
                                 
                                 Obigen Ausdruk findet man in etwas anderer Form in Pambours Werk uͤber Locomotive.
                                 
                              
                           Diese Formel dient zur Bestimmung der Größe, um welche bei Einführung konischer
                              Radfelgen die äußere Bahnschiene in Curven höher als die innere gelegt werden muß,
                              unter Vernachlässigung der Reibung und unter der Annahme, daß die Fliehkraft in der
                              Richtung der schiefen Ebene wirksam sey. Die Berüksichtigung der Reibung an den
                              Schienen und des Umstandes, daß die Schwungkraft in der Richtung der Basis der
                              geneigten Ebene wirksam ist, würde auf einen sehr complicirten Ausdruk führen.
                           Nach obiger Formel hat de Pambour eine Tabelle berechnet,
                              welche die Erhöhung der äußeren über die innere Bahnschiene in englischen Zollen für
                              verschiedene Krümmungshalbmesser und verschiedene Geschwindigkeiten in englischen
                              Meilen per Stunde angibt. Dieser Tabelle gemäß beträgt
                              die Höherlegung z. B. für einen Krümmungshalbmesser von 500′ bei einer
                              Geschwindigkeit von 10 englischen Meilen per Stunde
                              (2,17 geographische Meilen in der Stunde oder 14 rheinländische Fuß in der Secunde)
                              0,57 Zoll, bei einer Geschwindigkeit von 20 englischen Meilen (4,34 geogr. Meilen
                              oder 28′) 2,83 Zoll und bei 30 englischen Meilen Geschwindigkeit (6,51 geogr.
                              Meilen oder 42′) 6,56 Zoll; für einen Krümmungshalbmesser von 3000′
                              beträgt die Höherlegung bei 10 englischen Meilen Geschwindigkeit 0,1 Zoll, bei 20
                              Meilen Geschwindigkeit, 0,47 Zoll, bei 30 Meilen Geschwindigkeit 1,1 Zoll u. s.
                              w.
                           Da die Erhöhung der äußeren Bahnschiene von der Geschwindigkeit des Betriebes
                              abhängt, so muß natürlich vor Legung derselben eine mittlere Geschwindigkeit, unter
                              welcher die Bahncurve befahren werden soll, festgesezt werden. Diese Erhöhung behält
                              natürlich nur  so lange
                              ihren Werth, als die Geschwindigkeit, wonach sie berechnet ist, beobachtet wird.
                              Nimmt ein Train eine geringere Geschwindigkeit an, so überwiegt der Einfluß der
                              Schwerkraft den der Centrifugalkraft und die Spurkränze der Räder drüken alsdann
                              gegen die inneren Schienen; übersteigt dagegen die Geschwindigkeit des Trains das
                              vorgeschriebene Maaß, so üben die Spurkränze gegen die äußeren Schienen einen Druk
                              aus. Da nun im allgemeinen die langsameren Trains die am schwersten beladenen sind,
                              so wäre die Reibung derselben an der inneren Curve in Folge einer im Verhältniß zu
                              der vorhandenen Schienenerhöhung zu geringen Geschwindigkeit von hemmenderem
                              Einfluß, als die Reibung leichterer Trains an der äußeren Curve in Folge zu großer
                              Geschwindigkeit. Aus diesem Grunde ist es rathsam, die äußere Schiene nicht höher zu
                              legen, als zur Ausgleichung der Centrifugalwirkung bei den geringeren
                              Geschwindigkeiten der schwereren Trains nothwendig ist.
                           Der besseren Uebersicht wegen möge hier zum Schlüsse eine Zusammenstellung der
                              Hauptresultate der vorangegangenen Untersuchungen folgen.
                           1) Derjenige Verlust an mechanischer Arbeit während des Durchgangs eines Trains durch
                              eine Curve, welcher aus dem Umstande entspringt, daß die Peripherien je zweier an
                              einer gemeinschaftlichen Achse festgekeilten Räder bei gleicher
                              Rotationsgeschwindigkeit ungleiche Wege zurükzulegen haben, ist um so bedeutender,
                              je größer die Last, die Geschwindigkeit und die Spurweite der Bahn ist, und um so
                              geringer, je größer der Halbmesser der Curve.
                           2) Der Centrifugaldruk der Spurkränze gegen die äußere Schiene nimmt mit dem Quadrate
                              der Geschwindigkeit zu und im einfachen Verhältnisse mit der Verminderung des
                              Bahnhalbmessers ab.
                           3) Der Centrifugaldruk des Spurkranzes an der Vorderachse einer sechsräderigen
                              Locomotive gewöhnlicher Stephenson'scher Construction ist
                              mehr als 2½mal so groß, wie der an ihrer Hinterachse.
                           4) Der Centrifugaldruk des Vorderrades einer sechsräderigen Locomotive gewöhnlicher
                              Construction ist mehr als doppelt so groß, wie der Centrifugaldruk des Vorderrades
                              einer vierräderigen Locomotive.
                           5) Der durch die Reibung der Spurkränze an den Bahnschienen erzeugte Widerstand
                              wächst in Eisenbahncurven mit dem Quadrate der Geschwindigkeit.
                           6) Der durch die Reibung der Spurkränze an den äußeren  Bahnschienen erzeugte Verlust
                              an mechanischer Arbeit wächst in Eisenbahncurven mit dem Würfel der Geschwindigkeit;
                              und im einfachen Verhältniß mit der Verminderung des Krümmungshalbmessers.
                           7) Die Lage des Schwerpunktes der bewegten Massen äußert auf die Neibung, den
                              Arbeitsverlust und die Abnüzung der Schienen in Curven einen nicht unbedeutenden
                              Einfluß. Durch Höherlegung des Schwerpunktes können diese Nachtheile bedeutend
                              vermindert werden.
                           8) Die Verminderung der Stabilität bildet keinen bestimmenden Einwurf gegen die
                              Höherlegung des Schwerpunktes der Massen oder gegen die Construction höherer Wagen;
                              denn selbst bei der größten erreichbaren Geschwindigkeit liegt ein Umstürzen in
                              Folge der Schwungkraftäußerung selbst in scharfen Curven im Bereiche der
                              Unmöglichkeit.
                           9) Würden die Eisenbahnschienen eine vollkommen gleichförmige und ununterbrochene
                              Reibungsfläche darbieten, so wäre ein Austreiben der Locomotive aus der Bahn selbst
                              in den schärfsten Krümmungen und bei der höchsten erreichbaren Geschwindigkeit
                              unmöglich. Ohne auf ein directes Hinderniß zu stoßen, kann ein Train nicht aus dem
                              Geleise treten, und es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß das Abspringen der
                              Locomotive von den Schienen in der Regel an einer Stoßfuge stattfindet. Die correcte
                              Beschaffenheit der Stoßfugen ist ein für die Sicherheit des Transportes äußerst
                              wichtiger Punkt.
                           10) Die Gefahr des Austreibens in Curven vermindert sich mit der Vergrößerung des
                              Krümmungshalbmessers und zwar im Verhältniß der Quadratwurzel aus demselben; sie
                              vermindert sich ferner je höher die Spurkränze der Räder sind; dagegen nimmt die
                              Gefahr zu, je größer der Halbmesser der Räder ist, und je näher der Schwerpunkt der
                              Locomotive nach der Vorderachse hinfällt.
                           11) Vierräderige Locomotive gewähren in Bahncurven rüksichtlich des Austretens aus
                              den Schienen etwas größere Sicherheit, als sechsräderige.
                           12) Der Einfluß der Centrifugalkraft in Bahncurven läßt sich für eine festgesezte
                              Geschwindigkeit durch Höherlegung der äußeren Schiene vernichten und der unter (1)
                              angeführte Nachtheil läßt sich durch die konische Gestalt der Radfelgen
                              beseitigen.
                           Frankfurt a. M., den 24. Sept. 1843.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
