| Titel: | Ueber die Resultate der Brodgährung und über den nährenden Werth des Brods und Mehls verschiedener Länder; von Robert D. Thomson. | 
| Fundstelle: | Band 92, Jahrgang 1844, Nr. XVI., S. 50 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XVI.
                        Ueber die Resultate der Brodgaͤhrung und
                           uͤber den naͤhrenden Werth des Brods und Mehls verschiedener
                           Laͤnder; von Robert D.
                              Thomson.
                        Aus dem Philosophical Magazine, Septbr. 1843, S.
                              321.
                        Thomson, über die Resultate der Brodgährung.
                        
                     
                        
                           Es sind mehrere Jahre vergangen, seit der Verfasser zuerst seine Aufmerksamkeit auf
                              die vergleichenden chemischen und medicinischen Werthe von gegohrenem und
                              ungegohrenem Brode als Nahrungsmittel gerichtet hat. Die gewöhnliche Ansicht, welche
                              dem ersteren den Vorzug gab, schien nicht auf feste Daten gegründet zu seyn, und es
                              wurde daher als wünschenswerth betrachtet, daß in Bezug auf einen Gegenstand von
                              solcher Wichtigkeit für die Ernährung des Menschen, die Gründe für eine solche
                              Meinung einer sorgfältigen Untersuchung unterworfen werden sollten. Da es mir nach
                              der Theorie nicht einleuchtend schien, daß das Mehl durch die Zerstörung eines
                              seiner wichtigen Stoffe gesünder werden sollte, oder daß die blasige Beschaffenheit
                              des Brodes bloß durch den Proceß der Gährung bewirkt werden könnte, so unternahm ich
                              die Arbeit.
                           Wenn ein Stük Teig in die Hand genommen wird, so fühlt er sich, da er anhangend und
                              fest zusammengepreßt ist, schwer an, und wenn er in dem rohen Zustande verschlukt
                              würde, so wäre er für die meisten Individuen unverdaulich. Dieß würde herrühren von
                              seiner compacten Beschaffenheit und der Abwesenheit der Auflokerung seiner Theilchen, welche der
                              erste Anfang zur Verdauung ist. Würde aber derselbe Teig lange genug der hohen
                              Temperatur eines Bakofens (450° F.) unterworfen, so würde sich sein
                              Verhältniß zu den Verdauungskräften des Magens verändern, weil das Wasser
                              ausgetrieben würde, von dem seine Zähigkeit herrührt, und das einzige Hinderniß
                              entfernt wäre, welches seiner völligen Zertheilung und der darauf folgenden
                              Unterwerfung unter die Wirkung der auflösenden Kräfte des thierischen Systems im
                              Wege steht. Diese Ansicht wird unterstüzt durch die Form, in der das Mehl der
                              verschiedenen Getreidearten als Nahrungsmittel von den verschiedenen Nationen
                              angewandt wird. Die Bauern in Schottland brauchen Gerstenbrod, Haferkuchen,
                              Erbsenbrod oder ein Gemenge von Erbsen- und Gerstenbrod und auch
                              Kartoffelbrod, mit Mehl gemengt, alle im ungegohrenen Zustande, sehr allgemein, ohne
                              daß sie der Gesundheit nachtheilig sind. Bei solchen Erfahrungen, die wir täglich
                              machen können, ist die Bemerkung beinahe überflüssig, daß der Jude nicht an
                              Verdauungsschwäche leidet, wenn er während seines Pascha's statt seines gewöhnlichen
                              gesäuerten Brodes ungesäuerte Kuchen ißt; daß ferner Zwiebake, die selbst dem
                              Kranken gestattet sind, wenn gesäuertes Brod als nicht verdaulich für ihn betrachtet
                              wird, angewandt werden, und daß die Bewohner der nördlichen Theile von Indien und
                              Afghanistan sehr allgemein ungegohrene Kuchen essen, die mit den schottischen Broden
                              (scones) Aehnlichkeit haben.
                           Da dieß nun ein hinreichender Beweis dafür ist, daß ungegohrenes Brod der Gesundheit
                              zusagt, so ist es von Wichtigkeit zu wissen, in welcher Hinsicht es sich vom
                              gegohrenen Brode unterscheidet. Da das Brodbaken ein chemischer Proceß ist, so
                              können wir auch nur von der Chemie eine Auflösung dieser Frage erwarten. Bei der
                              Erzeugung des gegohrenen Brodes wird eine gewisse Menge von Mehl, Wasser und
                              Gährungsmittel mit einander gemengt und in einen Teig verwandelt, welchen man einige
                              Zeit auf Kosten des Zukers von dem Mehl gähren läßt. Darauf wird die Masse in einem
                              Bakofen einer hohen Temperatur ausgesezt, welche der Gährung ein Ziel sezt, die aus
                              dem zersezten Zuker entstehende Kohlensäure, so wie die in dem Brode enthaltene Luft
                              ausdehnt, und den Alkohol, der sich gebildet hat, so wie alles Wasser austreibt,
                              welches durch die angewandte Hize ausgetrieben werden kann. Der Verfasser glaubt,
                              daß das durch diesen Proceß erhaltene Resultat bloß die Ausdehnung der Theilchen
                              ist, aus denen das Brod besteht, so daß die Masse durch die vorbereitenden
                              Verdauungsorgane leichter zertheilt werden kann. Da aber dieser Zwek auf Kosten der
                              Unversehrtheit des Mehls erreicht wird, so ist es von Interesse zu wissen, wie hoch
                              sich der bei dem Processe
                              entstehende Verlust belaͤuft. Um dieß zu bestimmen hat der Verfasser
                              vergleichende Versuche nach einem großen Maaßstabe mit gegohrenem und ungegohrenem
                              Brod angestellt. Das leztere wurde durch Kohlensäure, die auf chemischem Wege in dem
                              Teige erzeugt worden war, zum Aufschwellen gebracht. Um aber alles mehr verständlich
                              zu machen, will ich Erläuterungen vorausschiken.
                           HenryIm J. 1837 ließ sich Whiting dieses Verfahren in
                                    England patentiren (siehe polytechnisches Journal Bd. LXV S. 45). von Manchester machte gegen Ende des vorigen Jahrhunderts den Vorschlag,
                              Teig mit kohlensaurem Natron und Salzsäure zu mengen, so daß nach Art der
                              gewöhnlichen Wirkung der Gährung Kohlensäure entwikelt wird. Jedoch war dabei der
                              Vortheil, daß die Unversehrtheit des Teiges erhalten wurde, und daß die Elemente des
                              gemeinen Küchensalzes, welche als Gewürz des Brodes erforderlich sind, auf diese
                              Weise hineingebracht wurden und sich das Salz in dem Teige bildete. Dr. Hugh Colquhoun brachte,
                              wie man glaubt, dieß zuerst im J. 1826 in Ausführung und stellte über die
                              Brodbereitung zahlreiche Versuche an.Polytechn. Journal Bd. XXIII S.
                                       314. Aus dem Resultate mehrerer Versuche, die auf des Verfassers Wunsch
                              angestellt wurden, ergibt sich, daß das Mehl bei der Gährung im Durchschnitt einen
                              großen Verlust erleidet. In Vergleich mit dem durch kohlensaures Natron und
                              Salzsäure zum Gehen gebrachten Brode findet in dem Sake Mehl ein Verlust von 30 Pfd.
                              13 Unzen statt. Nun würde aber ein Sak Mehl in runden Zahlen 107 Laibe von
                              ungegohrenem Brode und bloß 100 von gegohrenem von demselben Gewichte geben. Hieraus
                              erhellt, daß nach dem gewöhnlichen Verfahren beim Baken vermittelst Gährung in dem
                              Sake Mehl 7 Brode oder 6 1/2 Proc. Mehl in die Luft aufsteigen und verloren
                              gehen.In Folge dieser und anderer von dem Verfasser angeführter Thatsachen ist das
                                    Brodbereiten ohne Ferment in vielen Vereinen in England eingeführt worden,
                                    und es hat sich, wie er glaubt, dabei ergeben, daß er die Ersparniß nicht
                                    überschäzt hat, die nach den obigen Versuchen gegen ein Fünfzehntheil
                                    betragen würde. Es ergibt sich jezt aus der Betrachtung über das Resultat dieses Versuches
                              eine wichtige Frage, ob nämlich der Verlust gänzlich durch die Zersezung des Zukers
                              bewirkt, oder ob irgend ein anderer Grundstoff des Mehles dabei angegriffen
                              wird.
                           Aus einem Mittel von acht Analysen, die Vauquelin mit
                              Weizenmehl aus verschiedenen Ländern Europa's angestellt hat, ergibt sich, daß die
                              Menge des in dem Mehl enthaltenen Zukers 5,61 Proc. beträgt. Es ist aber
                              einleuchtend daß, da die durch das Baken verloren gegangene Menge diesen Betrag fast
                              um 1 Proc. überstieg, der
                              Verlust nicht durch die Entfernung des fertig gebildeten Zukers des Mehls erklärt
                              werden kann. Wir müssen diesen Mehrverlust entweder der Umwandlung eines Theiles des
                              Gummi's von dem Mehl in Zuker und der Zersezung des leztern vermittelst des Ferments
                              zuschreiben, oder wir müssen ihn der Einwirkung des Ferments auf einen andern
                              Grundstoff des Mehls beilegen, und wenn wir annehmen, daß während der Brodgährung
                              Ferment erzeugt wird, so würde dann der Schluß unvermeidlich seyn, daß ein anderer
                              Stoff des Mehls außer dem Zuker oder Gummi angegriffen worden ist. Denn Liebig hat die Thatsache gut erläutert, daß, wenn Hefe
                              zur Würze zugesezt wird, sich auf Kosten des Klebers Ferment bildet, während sich
                              der Zuker in Alkohol und Kohlensäure zersezt. Nun können wir bei der Brodgährung,
                              welche der Gährung der Würze ganz ähnlich ist, natürlich erwarten, daß der Kleber
                              des Mehls angegriffen werden würde, um wieder Ferment zu erzeugen.
                           Es ist dem Verfasser gelungen, ein gesundes und schmakhaftes Brod durch Anwendung von
                              Ammoniakalaun und kohlensaurem Ammoniak oder Natron als Ersaz für das Ferment zu
                              erhalten. Bei diesem Processe wird der Alaun durch die Hize zerstört, das Brod ist
                              blasig und weiß, und geht nach dem Urtheile der Bäker so gut wie mit Ferment
                              bereitetes Brod. Es ist einleuchtend, daß keine der zugesezten Ingredienzen die
                              Unversehrtheit der Bestandtheile des Mehls afficiren kann, was bei der Brodbereitung
                              nach dem gewöhnlichen Gährungsverfahren, wie gezeigt worden ist, sogar vielleicht
                              mit den stikftoffhaltigen Bestandtheilen geschehen mag. Der Nachtheil einer solchen
                              Verschlechterung ist einleuchtend genug, wenn wir diese Stoffe als die Ursache der
                              Nahrhaftigkeit des Mehles betrachten.
                           Der erste Chemiker, welcher Mehl mit einigem Erfolge untersuchte, war Beccaria von Bologna, welcher seine Versuche in einer
                              Schrift der Akademie dieser Stadt im J. 1742 umständlich auseinandersezte.
                              „Wenn man sich kennen zu lernen sucht, bemerkt er, so erfüllt man nur
                                 die Verpflichtung, welche das Orakel des Apollo einem jeden auferlegt, sich
                                 kennen zu lernen; denn wenn wir den geistigen und unsterblichen Theil unseres
                                 Wesens ausnehmen und bloß unseren Körper in Betracht ziehen, so ist es nicht zu
                                 läugnen, daß wir aus denselben Substanzen bestehen, die zu unserer Nahrung
                                 dienen.“ Aus seinen folgenden Bemerkungen erhellt, daß er den Kleber
                              des Mehles wesentlich als eine thierische, und die Stärke als eine vegetabilische
                              Substanz betrachtete: „denn, sagt er, bei der Destillation gibt der Kleber
                                 Stoffe, die mit denen aller Thiere Aehnlichkeit haben, während das Stärkmehl
                                 denen aller Pflanzen ähnliche Producte gibt.“ Wir haben daher in den
                              scharfsinnigen Bemerkungen Beccaria's den Ursprung der gegenwärtigen
                              Ansicht, daß die Thiere hauptsächlich aus dem Kleber oder Eiweißstoffe der Pflanzen
                              bestehen. Die mechanische Methode der Analyse, welche der italienische Chemiker
                              entdekte, ist die Basis unseres gegenwärtigen Verfahrens und sie bietet ohne Zweifel
                              die einzige Probe dar, welche wir von dem verhältnißmäßigen Werthe des Mehls als
                              eines Bakmaterials mit Anwendung von Ferment besizen. Sie sezt uns aber von dem
                              absoluten Nährungswerthe des Mehls nicht in Kenntniß. Die richtigste Methode, diesen
                              Zwek zu erreichen, ist die, daß wir die Menge des Stikstoffs in dem Mehl bestimmen,
                              indem wir diesen einfachen Stoff in Ammoniak verwandeln und mit Platinchlorid
                              fällen. Um bei den folgenden Analysen den verhältnißmäßigen Werth verschiedener
                              Arten von Brod und Mehl zu bestimmen, ist dieses Verfahren angewandt worden, und die
                              nährenden Stoffe sind nach der Annahme berechnet worden, daß sie nach Dumas im Durchschnitt 16 Proc. Stikstoff enthalten. Die
                              Resultate der Analysen verschiedener Brode und Mehlsorten sind in folgender Tabelle
                              zusammengefaßt; die erste Columne derselben gibt den Betrag von stikstoffhaltigen
                              Stoffen, die in jedem untersuchten Exemplar enthalten sind, und die zweite Columne
                              stellt ihre äquivalenten Werthe in der Scala der Nahrhaftigkeit dar.
                           
                              
                                 
                                 
                                        Stikstoffhaltige
                                    Stoffe
                                 
                              
                                 
                                 
                                 nach Procenten.
                                 Aequivalente.
                                 
                              
                                 1)
                                 Naumburger Brod, gebaken im August
                                    1842,wahrscheinlich aus Mehl vom J. 1841
                                        16,49
                                     100,00
                                 
                              
                                 2)
                                 Dresdener Weißbrod, gebaken im August
                                    1842,wahrscheinlich aus Mehl vom J. 1841
                                        14,30
                                     115,31
                                 
                              
                                 3)
                                 Berliner Brod vom J. 1842
                                       
                                    14,21
                                     116,04
                                 
                              
                                 4)
                                 Mehl aus Canada, wahrscheinlich von 1842
                                       
                                    13,81
                                     117,23
                                 
                              
                                 5)
                                 Mehl aus Essex
                                       
                                    13,59
                                     121,33
                                 
                              
                                 6)
                                 Glasgower ohne Ferment bereitetes Brod, zumGehen
                                    gebracht durch Salzsäure und Soda
                                        13,39
                                     123,15
                                 
                              
                                 7)
                                 Lothian-Mehl
                                       
                                    12,30
                                     134,06
                                 
                              
                                 8)
                                 Mehl aus den Vereinigten Staaten
                                       
                                    11,37
                                     145,03
                                 
                              
                                 
                                 Deßgleichen durch mechanische Analyse
                                       
                                    10,99
                                     150,00
                                 
                              
                           Diese Tabelle zeigt, daß das Mehl aus Deutschland und Canada den meisten Nahrungsstoff
                              enthält, und daß das Mehl aus Essex nur wenig tiefer auf der Scala steht. Man muß
                              sich indessen erinnern, daß dieses Resultat nicht in Uebereinstimmung mit der
                              Meinung der Bäker in Bezug auf die Fähigkeit des Mehls, gutes Brod daraus zu
                              bereiten, seyn kann, weil es einen andern Stoff, den Eiweißstoff, aufnimmt, welcher
                              bei Beurtheilung der Bäker übergangen wird. Es ist daher recht wohl möglich, daß das
                              am tiefsten in der Tabelle stehende Exemplar dem Zwek des Bäkers eben so gut oder
                              noch besser entsprechen mag als die, welche über ihm stehen. Aber das Verfahren, den
                              verhältnißmäßigen Werth des Mehls durch Berechnung des Stikstoffs zu bestimmen, kann
                              uns sowohl für den Handel als für die Oekonomie nüzliche Data liefern.Das Resultat von Sir H. Davy in Bezug auf die
                                    Menge des in dem brittischen Mehle enthaltenen Klebers ist zuweilen fast
                                    doppelt so groß als die in der Tabelle angegebenen Zahlen. Dieß kann
                                    vielleicht seinem Verfahren, den Kleber zu troknen, zugeschrieben
                                    werden.