| Titel: | Ueber das Verderben des Brodes durch Entwikelung eines kryptoganischen Gewächses; von Hrn. B. Bizio. | 
| Fundstelle: | Band 92, Jahrgang 1844, Nr. CVIII., S. 466 | 
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                        CVIII.
                        Ueber das Verderben des Brodes durch Entwikelung
                           eines kryptoganischen Gewaͤchses; von Hrn. B. Bizio.
                        Aus den Comptes rendus, Mai 1844, Nr.
                              21.
                        Bizio, über das Verderben des Brodes durch Entwikelung eines
                           kryptoganischen Gewächses.
                        
                     
                        
                           Im Januarhefte des Journal de Pharmacie
                              Polytechn. Journal Bd. XCI S.
                                       200. las ich den Bericht, welcher an den (franz.) Kriegsminister durch eine
                              Commission der Akademie über eine außergewöhnliche Veränderung des Kommißbrodes
                              erstattet wurde; gewährte die Thatsache Interesse, so ist mir wohl zu bemerken
                              gestattet, daß ich mich schon vor 24 Jahren damit beschäftigte und sie zum
                              Gegenstande eines aufmerksamen Studiums machte.
                           In den ersten Tagen des Julius 1819 beobachtete man in der Gegend von Legnaro, in der
                              Provinz Padua, zuerst bei Hrn. Anton Pittarello und dann
                              bei andern Bewohnern dieser Gegend, daß die aus dem Maismehl bereitete Polenta sich
                              von Mittag bis Abend, also innerhalb 8 bis 10 Stunden gänzlich mit einer blutrothen
                              Substanz überzog. Auch das Brod und der gekochte Reis, welche am selben Ort
                              aufbewahrt wurden, nahmen diese Farbe an. Diese Erscheinung sezte das Volk in großes
                              Erstaunen und auf die Kunde davon ernannten die Behörden eine aus den
                              ausgezeichnetsten Professoren der Universität Padua zusammengesezte Commission,
                              welche an Ort und Stelle
                              die Sache auf das sorgfältigste untersuchte. (Man sehe meine Abhandlung in der Biblioteca italiana Bd. XXX S. 278.)
                           Ehe sie noch damit begonnen und eine Meinung ausgesprochen hatte, bekam ich von
                              dieser purpurnen Polenta zu sehen; schon das bloße Ansehen zeigte mir, daß ein
                              mikroskopischer Pilz hier im Spiele sey und ich schloß daraus, daß die zur
                              Entwikelung dieser Kryptogamen erforderlichen Umstände auf die Erzeugung der
                              fraglichen Erscheinung von wesentlichem Einfluß seyn müssen.
                           Ich brachte demnach am 20. August 1819 ein Stük Mais-Polenta in eine mit
                              Feuchtigkeit gesättigte Atmosphäre von 21° R.; ungefähr 20 Stunden darauf
                              bemerkte ich auf der Oberfläche der Polenta hie und da zerstreute purpurrothe
                              Fleken; nach 48 Stunden war dieselbe über und über gefärbt.
                           Ich fand hierauf, daß eine feuchte Atmosphäre unter Mitwirkung übelriechender
                              Ausdünstungen die Erscheinung noch schneller und augenfälliger bewirkt. Diese ersten
                              Resultate wurden in der Gazetta privilegiata von Venedig
                              am 24. August bekannt gemacht. Ich bemerkte ferner, daß wenn man ein Stük
                              Purpurrother Polenta in Berührung sezt mit einem andern Stük frisch bereiteter
                              Polenta, leztere schneller roth wird, und zwar noch viel schneller, wenn sie beim
                              Zusammenbringen noch etwas lauwarm ist. Dasselbe fand auch statt, wenn man die rothe
                              Mais-Polenta einen Zoll und darüber von der frisch bereiteten entfernt hielt,
                              woraus ich schloß, daß die mikroskopischen Pilzsamen der purpurrothen Polenta
                              mittelst der Luft auf die frisch bereitete übergehen und darauf keimen.
                           Nachdem die Fortpflanzungsfähigkeit dieses Pilzes so dargethan war, suchte ich den
                              erforderlichen Temperaturgrad zu ermitteln, um diese Keimfähigkeit zu vernichten und
                              fand, daß die Keime bei + 100° R. sich noch zu entwikeln fortfuhren, bei +
                              120° R. aber zu Grunde gingen.
                           Mit Beihülfe feuchter Luft und erhöhter Temperatur konnte ich nach Belieben hier in
                              Venedig, zu Padua und zu Vicenza in den Jahren 1820, 1821 und 1822 diese Erscheinung
                              hervorrufen. Als ich im Jahre 1820 in den ersten Tagen des Augusts in einer auf dem
                              Gebiete von Vicenza gelegenen, von Reisfeldern umgebenen Wohnung Versuche hierüber
                              anstellte, bemerkte ich, daß die rothe Farbe sich hier auffallend schnell
                              erzeugte.
                           Auch untersuchte ich die purpurrothen Fleken der Mais-Polenta mit dem
                              Mikroskop und beobachtete dabei ein Aggregat sehr kleiner halbkugelförmiger
                              Bläschen, welche mit einem dünnen, etwas glänzenden Häutchen bedekt waren, das mit
                              kleinen, so dunkelpurpurrothen Punkten besäet war, daß es beinahe schwarz erschien.
                              Ich dachte, diese Punkte müssen Keimkörner (Sporulae)
                              seyn, wo die die Species reproducirenden Samen sich abgelagert hatten.
                           Nachdem ich diesen Kryptogam untersucht hatte, konnte ich ihn in keine der damals
                              bekannten Gattungen einreihen; ich machte deßhalb eine neue daraus, welche ich nach
                              einem berühmten Italiener Serratia benannte, mit
                              folgender generischen und specifischen Bezeichnung:
                           Funguli acaules, semispherici, capsulis contortis, S.
                              marescens. Vesicula tenuissima, latice primo roseo,
                                 dehnic rubro repleta.
                           Es gelang mir sehr leicht, die Samen dieses merkwürdigen Kryptogams nicht nur von
                              einem Jahr zum andern, sondern drei Jahre hindurch aufzubewahren und mich zu
                              überzeugen, daß sie während dieser ganzen Zeit ihre Keimfähigkeit behalten. Um
                              diesen Zwek zu erreichen, braucht man den Farbstoff der kleinen Pilze, wenn sie reif
                              sind, d.h. wenn die Oberfläche der rothen Polenta ihre purpurrothe Farbe den
                              Gegenständen mittheilt, welche daran stoßen, nur auf kleinen Stükchen Papier oder
                              Holz aufzusammeln; bringt man im nächsten Jahre bei günstiger Jahreszeit diese
                              Gegenstände in Berührung mit frisch bereiteter Polenta, so erzeugt sich die rothe
                              Farbe leicht wieder, wie mir dieß immer nach Belieben gelang. Es folgt daraus, daß
                              man die Stelle, wo die Polenta und das Brod sich befanden, welche diese Veränderung
                              erlitten, wohl reinigen muß, damit das daselbst aufzubewährende Brod oder die
                              Polenta in der heißen Jahreszeit des folgenden Jahres nicht verderben.
                           Ich untersuchte hierauf die Eigenschaften des Farbstoffs dieses Pilzes. Nachdem ich
                              die purpurrothe Oberfläche der Polenta sorgfältig abgenommen hatte und gehörig
                              troknen ließ, zeigte sie sich im Wasser völlig unauflöslich, im Alkohol hingegen
                              leicht auflöslich. Mittelst Beizen färbte diese Substanz Seide und Wolle roth; doch
                              verschwand die Farbe sehr bald wieder im directen Sonnenlichte.
                           Meine Abhandlungen über die purpurrothe Polenta erschienen vollständig im 1sten Bd.
                              meiner Opusculi chimico-fisici, 1827, worauf ich
                              hiemit verweise.