| Titel: | Neue Verkuppelung der Triebräder mit den Vorderrädern bei Locomotiven; von J. Lausmann, Maschinenmeister der Düsseldorf-Elberfelder Eisenbahn. | 
| Autor: | J. Lausmann | 
| Fundstelle: | Band 94, Jahrgang 1844, Nr. XVII., S. 85 | 
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                        XVII.
                        Neue Verkuppelung der Triebräder mit den
                           Vorderrädern bei Locomotiven; von J.
                              Lausmann, Maschinenmeister der Düsseldorf-Elberfelder
                           Eisenbahn.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. II.
                        Lausmann's Verkuppelung der Triebräder mit den Vorderrädern bei
                           Locomotiven.
                        
                     
                        
                           Es ist nicht zu läugnen, daß die bei Locomotiven bisher allgemein angewendete
                              Verkuppelung der Triebräder mit den Vorderrädern durch eine feste Kurbelstange in
                              vieler Beziehung eine mangelhafte war. Denn abgesehen davon, daß eine solche
                              Verkuppelung durchaus gleiche Raddurchmesser erfordert (deren Conservirung bei stark
                              arbeitenden Maschinen viele Schwierigkeit findet), kann dieselbe auch gefährlich
                              werden. Eine solche Verkuppelungsstange kann nämlich durch irgend ein Ereigniß zum
                              Bruche kommen, wie ich selbst die Erfahrung gemacht habe, daß selbige bei einer
                              stark gekrümmten Stelle der Bahn der Biegung nicht widerstand; geschieht nun ein
                              solcher Unfall während der Fahrt, so kann die an einem Ende befreite Stange unter
                              die Räder kommen, oder sich als Hebel gegen die Schwellen stemmen, und dergestalt
                              die Locomotive aus den Schienen heben.
                           Schon vor neun Jahren versuchte Hr. John Melling,
                              Maschinen-Ingenieur der Liverpool-Manchester Eisenbahn, die ältere
                              Verkuppelung durch Rollen zu ersezen, die gleichsam als Frictionsscheiben dienten
                              und zwischen die Trieb- und Vorderräder geklemmt waren. – Eine solche
                              Verbindung der Räder ist auch auf ungleiche Durchmesser anwendbar, und das Princip
                              dieser Vorrichtung hat vieles für sich; in der Ausführung hingegen widersezen sich
                              derselben manche Uebelstände und es hat wohl deßhalb die Sache selbst wenig Anklang
                              gefunden.
                           Da die Düsseldorf-Elberfelder Eisenbahn sehr starke Curven enthält, so wandte
                              ich zur Vermeidung möglicher Unfälle die festen Kuppelstangen nur bei durchaus
                              schmierigem Winterwetter an; aber selbst bei trokenem Wetter schlugen bei allen
                              Maschinen (hauptsächlich bei den 13 und 14zölligen Locomotiven) die Triebräder sehr
                              stark rund, was nicht nur auf die Räder, sondern auf den ganzen Mechanismus der
                              Maschine destructiv einwirkte. Um bei den Verhältnissen vorbenannter Bahn diesem
                              Uebelstande entgegen arbeiten zu können, war eine geschmeidige Verkuppelung
                              erforderlich, die dem Bruche nicht ausgesezt wäre, und sich auch auf Räder von ungleichen Dimensionen
                              anwenden ließe. Kettenscheiben wurden zu diesem Zwek schon ziemlich geeignet seyn,
                              jedoch erfüllen, wie ich jezt aus Erfahrung behaupten kann, Riemscheiben von
                              geeigneter Größe die Aufgabe noch weit vollkommener. Ein derartiger Versuch ist
                              meines Wissens bisher an Locomotiven noch nicht angestellt worden, und dieß bewog
                              mich, wie die Wichtigkeit des Gegenstandes überhaupt, die von mir deßfalls erzielten
                              Resultate zu veröffentlichen.
                           Den ersten Versuch mit Riemscheiben, die durch einen
                              endlosen Riemen verbunden, als Verkuppelung der Triebräder mit den Vorderrädern
                              dienen, machte ich an der 13zölligen Maschine Johann Wilhelm, gebaut von K. Stephenson 1841. Selbige hat ein Gewicht von 8 Tonnen,
                              ist sechsräderig, und es haben die Triebräder A, Fig. 26, wie
                              die Vorderräder B 4 1/2, die Hinterräder D 3 1/2 englische Fuß Durchmesser. Die Federn liegen
                              unter den Langhölzern M, M; die Achsen o und v der gleichen Räder
                              stehen 3 Zoll vor den Achsenhaltern vor. Auf die Enden der Triebachse o und der Vorderachse v, wo
                              bisher Kurbelarme gesessen hatten, sezte ich gußeiserne Riemscheiben E und F von 25 1/2''
                              (englisch) Durchmesser, 4 1/2'' breit, und verband diese durch einen Riemen H, H von starkem alaungahrem Rindleder, der aus 3 Diken
                              besteht, die dicht auf einander genäht sind, und eine Breite von 4 1/2'' haben. Die
                              Rüken der Riemscheiben sind stark gewölbt, so daß sich die Riemen schön anlegen;
                              außerdem hat jede Riemscheibe Ränder von 2'' Höhe. An jeder Seite der Locomotive ist
                              je ein Rand durch Schrauben mit der Riemscheibe verbunden, der erst vorgeschraubt
                              wird, wenn der Riemen aufsizt.
                           Um zu untersuchen, ob die Riemen Adhäsion genug haben, um den Mechanismus der
                              Maschine zu bewegen, stellte ich am 25. Sept. d. J. den ersten Versuch an: zu dem Ende wurden die Federn K der Triebachse o auf der Strebestange C, C, die unter diesen hergeht, unterlegt, so daß die
                              Triebräder A 1/4'' von den Schienen abstanden. Die
                              Maschine war seit sechs Monaten außer Dienst gesezt und reparirt worden; zudem stand
                              sie in einem sehr stark gekrümmten Schienenstrang, der aus der Remise in die
                              Hauptbahn führt. Die Maschine wurde angefeuert, und als der Dampf auf eine Spannung
                              von 45 Pfd. Ueberdruk pro Quadratzoll gebracht war,
                              erhielt er vollen Zutritt zu den Cylindern; die Maschine bewegte sich anfangs
                              langsam, dann aber flott auf der Bahn vorwärts. Es wurde das rükwärts wirkende
                              Excentricum eingesezt; die Maschine stand einen Moment stille und bewegte sich
                              darauf ruhig zurük; ein Voreilen der Schwungräder war gar nicht zu bemerken. Bei
                              diesem Versuch fuhr die Maschine mit einer Geschwindigkeit von nur circa 10
                              Fuß per Secunde.
                           Am nämlichen Tage stellte ich den zweiten Versuch auf
                              gerader ebener Bahn an. – Die Last der Maschine war bei demselben auf alle
                              Räder gleich vertheilt. Die Locomotive fuhr mit 45 Pfd. Ueberdruk flott aus dem
                              Bahnhof heraus, und erreichte bald eine Geschwindigkeit von circa 40 Fuß per Secunde; als die Maschine mit
                              voller Kraft circa 3/4 englische Meile vorwärts gefahren
                              war, ließ ich plözlich das rükwärts wirkende Excentricum einfallen: die der Maschine
                              mitgetheilte vorwärts strebende Kraft wurde bald absorbirt; sie kam zum momentanen
                              Stillstand, und arbeitete dann ruhig rükwärts. Die Triebräder eilten nicht im
                              Mindesten voraus, und das vollkommene Gelingen dieses kühnen Versuches übertraf
                              wirklich alle meine Erwartungen. An einer Stelle der Bahn, wo zufällig Oel auf die
                              Schienen gekommen war, schlugen beide Räderpaare zugleich rund; die Riemen erwiesen
                              sich mithin den festen Kuppelstangen an Effect gleich, und es war ein Gleiten
                              derselben ebenfalls nur in geringem Grade bemerkbar.
                           Den dritten Versuch stellte ich am 29. September auf der
                              geneigten Ebene zwischen Erkrath und Hochthal an. – Das Wetter war sehr
                              schmierig, ein starker Wind war beim Aufwärtsfahren der Maschine völlig conträr; es
                              regnete dazu fortwährend. – Die geneigte Ebene zwischen Erkrath und Hochthal
                              hat eine Länge von 12,000 rhein. Fuß; die Steigung beträgt 1 Fuß auf 30 Fuß der
                              schiefen Länge, bekanntlich ein Steigungsverhältniß, wie es bei keiner andern Bahn
                              vorkommt. – Die Maschine zog nur ihren Munitionswagen und wurde an dem Fuß
                              der geneigten Ebene mit dem gewöhnlichen Dampfdruk von 45 Pfd. Ueberdruk in Bewegung
                              gesezt. Nach und nach wurde die Bremse der Tenderräder immer stärker angezogen, bis
                              endlich die Räder des Tenders auf der Bahn schleiften. Der Gang der Locomotive
                              verlangsamte sich ungemein, aber dennoch erreichte sie mit einer Geschwindigkeit von
                              circa 20 Fuß per Secunde den Höhepunkt der geneigten
                              Ebene, und es eilten auf der ganzen Streke, bei deren Befahrung alle andern
                              Maschinen das leidige Rundschlagen der Triebräder, selbst unter günstigen Umständen
                              erfahren, die Triebräder nicht merklich voraus. – Die Tenderbremse wurde
                              gelöst, und die Locomotive fuhr in den Bahnhof zu Erkrath an den Fuß der geneigten
                              Ebene zurük. Dort wurden nach und nach fünf schwer beladene Transportwagen
                              angehängt, die die Kraft der bergan strebenden Maschine vollkommen absorbirten; und
                              es klingt fast unglaublich, daß die Triebräder der Maschine auch nicht ein
                              einzigesmal rund
                              schlugen, sondern die Maschine in allen Theilen stille stand.
                           Dieser Versuch, der unter den ungünstigsten Umständen angestellt, dieses
                              befriedigende Resultat ergab, wird alle Sachverständigen überzeugen, daß durch die
                              Anwendung verhältnißmäßiger Riemscheiben bei Locomotiven die Aufgabe der
                              Verkuppelung auf eine glükliche Weise gelöst ist. Die Aufzählung fernerer Versuche,
                              die ich zur Bestätigung der früheren anstellte, könnte nur ermüden, und es sey bloß
                              noch hinzugefügt, daß die Maschine durch die angegebene Verbindung an Kraft gewonnen
                              zu haben scheint, und Güterzüge von 24 beladenen Wagen mit einer Leichtigkeit
                              anzieht, die mir an dieser Maschine neu erscheint.
                           Es ist voraus zu sehen, daß auch andere Eisenbahnen die Vorzüge dieser neuen
                              Verkuppelung durch endlose Riemen einsehen und in Anwendung bringen werden, und es
                              sey mir in Bezug hierauf erlaubt, noch einiges in Betreff der Ausführung
                              hinzuzufügen. Ich rathe zu möglichst großen Riemscheiben; dieselben verunstalten die
                              Maschine gar nicht, und es gewinnt die Mittheilung mit der Größe natürlich an Kraft.
                              Bei unseren 14zölligen Maschinen werde ich Riemscheiben von 29'' (englisch)
                              Durchmesser anwenden. Nimmt man mit Bernoulli an, daß ein
                              Riemen von 3'' Breite bei 500 Fuß Geschwindigkeit per
                              Minute die Kraft eines Pferdes fortpflanzen kann, so sind danach unsere 4 1/2 Zoll
                              breiten Riemen, die auf 25 1/2 zölligen Riemscheiben sizen, bei 4 1/2füßigen
                              Triebrädern, die eine Peripherie-Geschwindigkeit von 2130 Fuß per Minute haben, im Stande, je eine Kraft von
                           25½/54 × 2130/500 × 4½/3 = 3
                              Pferden,
                           also vereint eine Kraft von 6 Pferden, oder 1/5 der ganzen
                              Maschinenkraft fortzupflanzen. – Die Riemen selbst verband ich an den Enden
                              durch kleine Mutterschrauben mit ganz flachen Köpfen, die nach innen gelehrt sind,
                              und sich in das Leder eindrüken; die Enden verband ich so mit einander, daß der
                              Riemen circa 3'' zu kurz war; dann wurde er einige
                              Stunden in Wasser gelegt, wodurch er sich bedeutend längte, und darauf aufgezwängt.
                              Der nasse Riemen legte sich sehr schön an, und hatte später, als er getroknet war,
                              auch keine Steigung zum Ablaufen. – Um die Riemen gegen die Witterung
                              unempfindlich zu machen, habe ich dieselben außen anstreichen, und inwendig
                              firnissen lassen. In die innere Seite des Riemens ließ ich zugleich eine Quantität
                              gestoßenes Harz einreiben, wodurch derselbe an Adhäsion noch bedeutend gewonnen
                              hat.
                           Es ist einleuchtend, daß sich diese Verkuppelung durch Riemen auch auf Räder von ungleichem
                              Durchmesser anwenden läßt, wobei denn natürlich die Riemscheiben unter einander das
                              Verhältniß der zugehörigen Räder haben müssen.
                           Ueberhaupt aber hat man auch bei gleichen Rädern nicht so ängstlich auf Erhaltung der
                              ursprünglichen Raddurchmesser zu wachen, wie bei festen Kuppelstangen, indem die
                              Folge einer eingetretenen Ungleichheit nur in einem Schleifen des Riemens bestehen
                              wird, welches sich zudem leicht zu erkennen gibt. – Haben, wie dieß häufig
                              der Fall ist, die Triebräder bedeutend mehr gelitten als die gleichen Vorderräder,
                              so braucht man nicht, wie bisher, beide Räder auf der Drehbank gleich stark
                              anzugreifen, sondern hat nur zu beobachtend daß die Riemscheiben wieder in das
                              nämliche Verhältniß zu einander treten, wie dieß bei den zugehörigen Rädern der Fall
                              ist. Die Kosten der ganzen Verkuppelung sind nicht bedeutend, indem für unsere
                              Maschine Johann Wilhelm die vier Riemscheiben incl.
                              Modell, nebst Drehlohn und beiden Riemen nur circa 80
                              Thlr. kosten.
                           Düsseldorf, den 4. Oktober 1844.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
