| Titel: | Versuche über die Fütterung der Kühe mit Runkelrüben und Kartoffeln; von Hrn. Boussingault. | 
| Fundstelle: | Band 94, Jahrgang 1844, Nr. XLVI., S. 222 | 
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                        XLVI.
                        Versuche über die Fütterung der Kühe mit
                           Runkelrüben und Kartoffeln; von Hrn. Boussingault.
                        Aus den Comptes rendus, August 1844, Nr.
                              8.
                        Boussingault, über die Fütterung der Kühe mit Runkelrüben und
                           Kartoffeln.
                        
                     
                        
                           Vor Kurzem machte Hr. Playfair einige Beobachtungen
                              bekannt (polytechn. Journal Bd. XCI S. 40),
                              nach welchen man glauben könnte, daß die Buttersubstanz der Milch aus Zuker und
                              Stärkmehl sich eben so wohl bilden könne, als aus den in der Regel einen
                              Bestandtheil des Futters ausmachenden, den Fettkörpern analogen Substanzen. Auf den
                              ersten Anblik scheinen diese Beobachtungen entscheidend zu seyn; leider aber führte
                              Hr. Playfair, wahrscheinlich um recht schnell zu einem
                              Schluß zu kommen, seine Untersuchung so hastig aus, daß er in vier Tagen nach einander den Einfluß von vier
                                 verschiedenen Fütterungsweisen auf die Milchbildung untersuchte; er
                              begnügte sich in seiner Eile die Milch zu analysiren, vernachlässigte aber die
                              Bestimmung der in dem verzehrten Futter enthaltenen in Aether auflöslichen
                              Bestandtheile. So nimmt Hr. Playfair im Heu 1 1/2 Proc.
                              Fettsubstanzen an, während es jezt erwiesen ist, daß dieses Futter in der Regel
                              davon mehr als 3 Proc. enthält. Auch findet man, wenn man in den angewandten
                              Futterarten die Quantität Fettsubstanzen voraussezt, welche gewöhnlich darin
                              gefunden wird, unter den vier Versuchen zwei, welche die Ansicht rechtfertigen,
                              wonach die Entstehung des Fettes der Thiere den in den Futtergewächsen
                              präexistirenden fettartigen Substanzen zuzuschreiben ist; die beiden andern Versuche
                              hingegen gaben Resultate, welche mit dieser Ansicht nicht übereinstimmen.
                           Bei diesen zwei Versuchen, welche zusammen achtundvierzig
                              Stunden dauerten und während welcher die Kuh als Nahrungsmittel im einen Falle Heu,
                              Kartoffeln und Bohnen, im anderen aber nur Heu und Kartoffeln erhielt, betrug die
                              Butter in der an einem Tag gesammelten Milch fast 300 Gramme mehr als die
                              Fettsubstanz, welche man als im Futter enthalten annehmen konnte. Wenn diese beiden Beobachtungen
                              richtig sind – und ich will nicht einen Schatten des Zweifels darüber erheben
                              – so scheint allerdings gefolgert werden zu müssen, daß der größte Theil der
                              Butter aus dem Stärkmehl der Kartoffeln gebildet worden sey, wovon über 12 Kilogr.
                              zur täglichen Ration kamen.
                           Ich glaube indessen nicht, daß eine 48stündige Beobachtung hinreicht, um einen
                              solchen, oder überhaupt nur einen Schluß in Betreff der Ernährung zu ziehen. Durch
                              Beschränkung der Dauer der Beobachtungen in zu enge Gränzen, kann man zu den
                              unrichtigsten Folgerungen gelangen. So ließ z.B. Hr. Playfair eine Kuh 6,3 Kilogr. Heu und 13,6 Kilogr. Kartoffeln verzehren,
                              eine Ration, welche höchstens 250 Gramme Fettsubstanzen enthält, und man erhielt
                              11,5 Kilogr. Milch, welche nach der Analyse 540 Gramme Butter enthielt; es befanden
                              sich folglich in der Milch 290 Gramme mehr Fett als im Futter. Allein die Zeit von
                              48 Stunden ist so kurz, daß ich überzeugt bin, daß wenn man der Kuh, welche ich fett
                              und wohlbeleibt vorausseze, gar nichts zu fressen gegeben hätte, sie troz des
                              Fastens doch 8 bis 10 Kilogr. Milch geliefert hätte, die sicherlich 300 bis 400
                              Gramme Butter enthielte. Würde man wohl daraus schließen wollen, daß die Butter von
                              nichts herrührt? Gewiß nicht, vielmehr muß man annehmen (wie bei Versuchen über
                              Entkräftung), daß unter solchen Umständen das Thier die durch die Respiration und
                              die Secretionen von ihm gehenden Producte auf Kosten seiner eigenen Substanz mit
                              Verlust an seinem Gewichte bilde.
                           Zu einer Zeit, wo ich dem Vorkommen von Fettsubstanzen in den Futtergewächsen keinen
                              sehr großen Werth beilegte, hatte ich Gelegenheit, den nachtheiligen Einfluß
                              wahrzunehmen, welchen eine Futter-Ration mit einem zu großen Antheil
                              Kartoffeln auf die Milchkühe ausübt. Eine mit 38 Kilogr. Kartoffeln gefütterte Kuh,
                              die außerdem noch Strohhäksel fraß, fuhr fort eben so viel Milch zu geben, wie bei
                              der Fütterung mit Heu; die Milch nahm immer mehr ab, wie dieß stets der Fall ist, je
                              mehr Zeit seit der Geburt verstrich. Unter dem Einfluß dieses Futters, welches nicht
                              genug Fettsubstanz lieferte, litt die Kuh bedeutend; allein es mußte eine gewisse
                              Zeit verstreichen, ehe man die Abmagerung, welche sie erlitt, wahrnehmen konnte;
                              hätte die eilf Tage fortgesezte Beobachtung nur 24 Stunden gedauert, so würde man
                              den schlimmen Erfolg, der nun erwiesen ist, wahrscheinlich gar nicht beobachtet
                              haben. Ließe sich nachweisen, daß bei der Fütterung der Kühe der Zuker und das
                              Stärkmehl unmittelbar zur Buttererzeugung beitragen, daß folglich die Wurzeln und
                              Wurzelknollen ohne Nachtheil statt des Heues, des Getreides, der Oehlkuchen
                              gebraucht werden können, so könnte die Praxis aus dieser Substitution sehr häufig großen Nuzen ziehen.
                              Der Einfluß einer solchen Fütterung auf die Milcherzeugung kann daher nicht
                              sorgfältig genug untersucht werden, und wegen der Wichtigkeit und des daraus zu
                              ziehenden Nuzens entschloß ich mich, zwei Kühe ausschließlich mit Runkelrüben und
                              Kartoffeln zu füttern.
                           Die zwei Stüke Vieh, mit welchen der Versuch angestellt wurde, befanden sich unter
                              ziemlich gleichen Umständen. Galathea, 7 Jahre alt (Nr. 5 des Stalls), hatte 96 Tage
                              vor dem Anfange der Beobachtungen schon gekalbt. Walburga (Nr. 8) hatte 40 Tage
                              vorher gekalbt; das Kalb war ihr eben genommen worden. Diese beiden Kühe genossen
                              Stallfütterung, welche für jede in 24 Stunden betrug:
                           
                              
                                 Heu
                                 12    Kilogr.
                                 
                              
                                 Kartoffeln
                                   8,5    –
                                 
                              
                                 Runkelrüben
                                 12       –
                                 
                              
                                 Colzaöhlkuchen
                                   7      
                                    –
                                 
                              
                                 Strohhäksel nach Belieben.
                                 
                                 
                              
                           Bei dieser Fütterung war der mittlere Betrag der von jeder dieser Kühe gegebenen
                              Milch 8 bis 9 Liter.
                           Da es darauf ankam, daß die Kühe keine andere Nahrung erhielten als die, mit welcher
                              der Versuch angestellt werden sollte, nahm man ihnen die Streu und errichtete, damit
                              sie durch deren Beraubung nicht litten, in ihren Ständen einen erhöhten
                              Bretterboden, auf welchem sie bequem ruhten.
                           Man kann aus der Gesammtheit der gemachten Wägungen auf die Abmagerung schließen,
                              welche diese beiden Milchkühe in Folge der Fütterung mit Wurzeln und Wurzelknollen
                              und troz der wieder gutmachenden Grummet-Fütterung, welche ihnen zwischen den
                              beiden äußersten Versuchen gegeben wurde, erlitten.
                           
                              
                                 
                                 Gewicht der beiden Kühe.
                                 
                              
                                 Während der normalen Fütterung, 8 Tage vor dem
                                    ersten   Versuch
                                     1205
                                    Kilogr.
                                 
                              
                                 Nachdem sie einige Tage mit Runkelrüben gefüttert(gemästet) worden waren
                                 1161    –
                                 
                              
                                 Nach 17tägiger Fütterung mit Runkelrüben
                                 1074    –
                                 
                              
                                 Nach der Mästung mit
                                    Grummet
                                 1114    –
                                 
                              
                                 Nach 15tägiger Fütterung mit Grummet
                                 1156    –
                                 
                              
                                 Nach der Mästung mit
                                    Kartoffeln
                                 1073    –
                                 
                              
                                 Nach 14tägiger Fütterung mit Kartoffeln
                                 1040    –
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––
                                 
                              
                                 Aeußerster Unterschied
                                      165
                                    Kilogr.
                                 
                              
                           Man ersieht hieraus, daß jede der beiden Kühe in Folge des Runkelrüben- und
                              Kartoffelfutters 82,5 Kilogr. verlor. Dieser ungeheure Verlust erklärt die Magerkeit
                              hinlänglich, in welche diese beiden Thiere verfielen, die ziemlich lange brauchten,
                              um sich wieder zu
                              erholen. Nr. 5 wollte den Stier nicht mehr auflassen. Diese Kuh nahm zwar wieder an
                              Fleisch zu, ihre Milch aber nahm beständig ab, bis sie beinahe ganz verschwand.
                              Walburga, Nr. 8, fuhr fort Milch zu geben und wurde dabei fett; auch wurde sie
                              besprungen und ist trächtig.
                           Vom Ende des Versuchs an gerechnet wogen die Kühe, nachdem sie zuerst fünfzehn Tage
                              lang Heu, dann einen Monat lang Klee erhalten hatten:
                           
                              
                                 Nr. 5
                                 575 Kilogr. und gab täglich 4 Liter Milch
                                 
                              
                                 Nr. 8
                                 578    
                                    –      
                                    –    –      
                                    –    5  
                                    –       –
                                 
                              
                           Nach zwei Monate fortgesezter Fütterung mit Klee
                           
                              
                                 Nr. 5
                                 610 Kilogr. und gab täglich 2 Liter Milch
                                 
                              
                                 Nr. 8
                                 590    
                                    –      
                                    –    –      
                                    –    6  
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                           Die beiden Kühe hatten nun ihr anfängliches Gewicht wieder erlangt.
                           Aus den eben mitgetheilten Thatsachen geht unstreitig hervor, daß die Runkelrüben und
                              Kartoffeln für sich allein zur gehörigen Ernährung der Milchkühe nicht hinreichen,
                              selbst wenn sie reichlich, man kann sogar sagen, wenn sie in Ueberfluß gereicht
                              werden, denn die Kühe ließen sehr oft einen Theil der ihnen angebotenen Ration
                              liegen.
                           Eine Nation Futter kann aus mehreren Ursachen unzulänglich seyn: 1) wenn das Futter
                              nicht so viel stikstoffhaltige Bestandtheile enthält, um den Verlust der aus dem
                              Organismus abgeschiedenen, ebenfalls stikstoffhaltigen Bestandtheile zu ersezen; 2)
                              wenn die zu verdauenden Substanzen nicht die erforderliche Menge Kohlenstoff
                              enthalten, um den durch die Respiration verbrannten oder durch die Secretionen
                              abgegangenen wieder zu ersezen; 3) wenn das Futter nicht genug Salze, namentlich
                              phosphorsaure, enthält, um der thierischen Oekonomie die beständig ausgestoßenen
                              wieder zu ersezen; 4) endlich ist nach den Ansichten, welche wir schon früher
                              aussprachen, die Ration unzulänglich, wenn sie nicht genug Fettsubstanzen enthält,
                              um die mit der Milch oder andern Secretionen abgegangenen wieder zu ersezen.
                           Diese Regeln zugegeben, muß nun untersucht werden, ob die Fütterung, welche den Kühen
                              im Laufe dieser Versuche gegeben wurde, die verschiedenen Bedingungen erfüllte,
                              welche zusammengenommen eine vollständige Ernährung bewirken.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 94, S. 226
                              
                                 
                                 Die die phosphorsauren Salze des Kalks, der Talkerde, des Eisens und des
                                    Kalis bildende Phosphorsäure.
                                 
                              
                                 
                                 Nach meinen frühern Analysen nehme ich 0,40 Kohlenstoff an.
                                 
                              Gewicht der Nahrungsstoffe oder der
                                 Producte in 24 Stunden.; Enthaltene bestandtheile; Kohlenstoff.; Fleisch.;
                                 Phosphorsäure; Fettsubstanzen; Fütterung mit Runkelrüben.; Kilogr.; Gram.; Eine
                                 Kuh gab: Milch; Trokene Exkremente; Verzehrte Runkelrüben; Differenzen;
                                 Fütterung mit Kartoffeln.; Eine Kuh gab: Milch; Trokene Exkremente; Verzehrte
                                 Kartoffeln; Differenzen; Fütterung mit Grummet.; Eine Kuh gab: Milch; Trokene
                                 Excremente; Verzehrtes Grummet; Differenzen
                              
                           Man sieht, daß die Elemente, welche man gewöhnlich als zur Ernährung erforderlich
                              betrachtet, bei den versuchten Fütterungsweisen reichlich vorhanden waren.
                              Bekanntlich verbrennt eine Kuh in 24 Stunden durch das Athmen 2 bis 3 Kilogr.
                              Kohlenstoff, während sie in derselben Zeit 300 bis 400 Gramme Kohlenstoff durch den
                              Harn absondert. Der Ueberschuß an Kohlenstoff, welchen man constant in den
                              Futterarten findet, genügt offenbar zur Bestreitung der eben angegebenen Verluste.
                              Auch sieht man, daß in den drei Futterarten die stikstoffhaltigen Substanzen und die
                              phosphorsauren Salze denselben Stoffen in der analysirten Milch gegenüber, in großem
                              Ueberschuß vorhanden waren; diese überschüssige Quantität mußte nothwendig mit den
                              Auswürfen abgegangen seyn. In dem den Kühen gegebenen Futter waren demnach genug Zuker
                              und Stärkmehl, genug stikstoffhaltige Substanzen, genug salzige Bestandtheile, um
                              zur Erzeugung der thierischen Wärme auszureichen und alle durch die Secretionen
                              entstandenen Verluste wieder zu ersezen; und doch waren von den drei versuchten
                              Rationen zwei, nämlich die Wurzeln und die Wurzelknollen, wirklich unzulänglich.
                              Dieß sind gerade die zwei Nationen, welche eine viel geringere Menge Fettsubstanzen
                              enthielten, als in der Milch und den Auswürfen vorkamen.
                           Die in dieser Abhandlung zusammengestellten Thatsachen werden ohne Zweifel auf
                              verschiedene Weise erklärt werden; ich glaube jedoch, daß ihre natürlichste
                              Auslegung, die sich noch am besten mit der Gesammtheit der praktischen Resultate
                              vereinigen läßt, welche ich aufzuzeichnen Gelegenheit hatte, in der Annahme besteht,
                              daß das Futter der kräuterfressenden Thiere immer eine bestimmte Menge fettartiger
                              Bestandtheile enthalten muß, die zur Erzeugung des Fettes der Gewebe, oder zur
                              Bildung mehrerer Secretionen beizutragen bestimmt sind, welche, wie die Milch und
                              die Galle, Fettsubstanzen in beträchtlicher Menge enthalten. Wenn die Kühe,
                              ungeachtet der Unzulänglichkeit der Fettsubstanzen im Futter, welches sie verzehren,
                              doch die Producte zu liefern fortfahren, welche sie unter dem Einfluß einer gehörig
                              beschaffenen Fütterung gaben, so tragen sie zur Zubereitung dieser Secretionen auf
                              Kosten ihres eigenen Fettes bei. Eine Kuh wird unter diesen Verhältnissen eine
                              bestimmte Zeit lang, vielleicht alle Tage, dieselbe Anzahl von Litern Milch geben;
                              es wird keine plözliche Verminderung derselben eintreten, aber die Kuh wird auch,
                              wie ich dargethan habe, jeden Tag 1 bis 2 Kilogr. an ihrem Gewichte verlieren, und
                              wenn man fortfährt, ihr eine unvollständige Nahrung zu reichen, wie reichlich dieß
                              auch geschehen möge, wird die als Folge davon eintretende Abmagerung so groß seyn,
                              daß die Existenz der Kuh dadurch sehr bedroht wird.
                           Ein nachträgliches Schreiben des Hrn. Boussingault
                              berichtet von so eben beendigten Versuchen, welche er hinsichtlich der Mästung der
                              Schweine mit Kartoffeln anstellte und deren Resultate mit den obigen über
                              Buttererzeugung ganz übereinstimmen. Zwei Schweine (Zwillinge) waren der Gegenstand
                              des Versuchs. Das eine wog 60,5 Kilogr. und enthielt 15,48 Kilogr. wasserfreies
                              Fett; das andere wog 59,5 Kilogr. Lezteres wurde 205 Tage lang mit Kartoffeln
                              gefüttert; es verzehrte in dieser Zeit 1500 Kilogr. Kartoffeln, welche 3 Kilogr.
                              wasserfreies Fett enthalten. Bei der Analyse nun gab dieses Thier 17,39 Kilogr.
                              ebenfalls wasserfreies Fett. Offenbar spricht diese Thatsache ganz gegen die
                              Ansicht, welche die Bildung des Fetts durch die kräuterfressenden Thiere
                              annimmt.