| Titel: | Ueber ein Verfahren den wahren Werth des Leims zu bestimmen; von Hrn. Schattenmann. | 
| Fundstelle: | Band 96, Jahrgang 1845, Nr. XXV., S. 115 | 
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                        XXV.
                        Ueber ein Verfahren den wahren Werth des Leims zu
                           bestimmen; von Hrn. Schattenmann.
                        Aus den Annales de Chimie et de Physique, Febr. 1845,
                              S. 251.
                        Schattenmann, über ein Verfahren den wahren Werth des Leims zu
                           bestimmen.
                        
                     
                        
                           Ich habe gefunden, daß der grüne Leim, welchen man beim Schmelzen der Leimmaterialien
                              erhält, bei weitem nicht so leicht troknet als die schon einmal getroknete und
                              umgeschmolzene (nochmals aufgelöste und eingekochte) Leimgallert, und daß der
                              trokene Leim, in kaltes Wasser gelegt, desto mehr davon verschlukt, je größer sein
                              Gehalt an Leimstoff oder seine leimende Kraft ist, welche man durch dieses Verfahren
                              genau ermitteln kann.
                           Aus diesen Thatsachen schloß ich, daß der grüne Leim, den man beim Schmelzen der
                              Leimmaterialien erhält, chemisch gebundenes Wasser enthält, welches mit dem
                              Leimstoff inniger verbunden ist, als dasjenige Wasser, welches trokener Leim beim
                              Umschmelzen aufnimmt; lezteres ist bloß mechanisch mit dem Leim verbunden und
                              verdunstet folglich daraus viel leichter als das chemisch gebundene Wasser; endlich
                              daß der trokene Leim eine gewisse Menge chemisch gebundenes Wasser enthält, welches
                              bei dem mehrmaligen Umschmelzen und Wiederaustroknen dieses Leims sich vermindert.
                              Daraus geht offenbar hervor, daß Leim in dünnen Blättern, welche sich vollständiger
                              austroknen lassen, dem Leim in diken Tafeln vorzuziehen ist.
                           Ich habe in der lezten Zeit eine Reihe von Versuchen angestellt, um den Werth des
                              trokenen Leims mittelst der Wassermenge, welche er in der Kälte einsaugt und der
                              Veränderungen, welche er durch das Umschmelzen oder ein vollständigeres Austroknen
                              erleidet, zu bestimmen. Das Resultat dieser Versuche scheint mir für die Praxis sehr
                              wichtig zu seyn; denn wenn es wahr ist, daß trokener Leim von gleichem Aussehen in
                              der Güte beträchtlich differiren kann, so muß man nothwendig die Prüfung des Leims
                              vermittelst des Austroknens aufgeben und dafür die Gallert-Probe einführen,
                              wozu man den trokenen Leim 24 Stunden lang in kaltes Wasser von 12° R. legt;
                              die erhaltene Gallert repräsentirt den wirklichen Leimstoffgehalt und zeigt durch
                              ihre mehr oder weniger feste Consistenz die Güte des Leims an.
                           Der Knochenleim ist offenbar der beste Tischlerleim, sowohl wegen seiner Stärke als
                              wegen der Consistenz seiner Gallert.
                           Unsere Leimfabrik zu Buxwiller (Elsaß) liefert nur feinen weißen oder hellgelben
                              Knochenleim in dünnen vollkommen ausgetrokneten Blättern. Der weiße verschlukt
                              beim Eintauchen in kaltes Wasser während 24 Stunden im Durchschnitt sein zwölffaches
                              Gewicht Wasser, d.h. ein Blatt, welches 3 Gramme wiegt, gibt 39 Gramme einer festen
                              und elastischen Gallert von bedeutender Consistenz. Behandelt man unseren hellgelben
                              Knochenleim auf dieselbe Art, so verschlukt er im Durchschnitt sein neunfaches
                              Gewicht Wasser und liefert eine weniger feste Gallert als der weiße Knochenleim.
                           Wenn man den gewöhnlichen Tischlerleim, welcher im Elsaß und in Deutschland aus
                              Materialien von Hausthieren fabricirt wird, auf angegebene Weise behandelt,
                              verschlukt er im Durchschnitt nur sein fünffaches Gewicht Wasser und gibt eine
                              braune Gallert, welche sehr weich, ohne Elasticität und Consistenz ist und beim
                              Anfassen mit den Händen sich in Stüke zertheilt. Diese Gallert ist ohne Vergleich
                              geringer als unsere Knochenleim-Fabricate.
                           Der Kölner Leim, welcher aus Fellen wilder Thiere bereitet ist, verschlukt bei
                              derselben Behandlung in 24 Stunden nur sein drei- und ein halbfaches Gewicht
                              Wasser; nach sechsmal 24 Stunden aber hat ein Gewichtstheil desselben sieben und ein
                              Viertel Gewichtstheile Wasser aufgenommen. Die Gallert davon ist sehr fest und
                              gut.
                           Der umgeschmolzene und neuerdings getroknete Knochenleim verschlukt im Durchschnitt
                              um ein Drittel mehr Wasser als der aus Knochen bereitete trokene Leim. Unsere
                              umgeschmolzenen Knochenleime verschluken so im Durchschnitt:
                           der feine weiße Knochenleim sein sechzehnfaches Gewicht
                              Wasser;
                           der feine hellgelbe Knochenleim sein zwölffaches Gewicht
                              Wasser.
                           Die aus diesen Leimen erhaltene Gallert hat weniger Festigkeit und Consistenz, als
                              diejenige aus denselben aber nicht umgeschmolzenen Knochenleimen.
                           Der Verlust oder Abfall beim Umschmelzen unserer trokenen Knochenleime beträgt
                              ungefähr 10 Proc. und steht also nicht in genauem Verhältniß mit der Capacität des
                              umgeschmolzenen Leims mehr Wasser einzusaugen.
                           Ich schreibe den Abgang beim Umschmelzen des trokenen Leims zum Theil dem
                              unvermeidlichen Verlust bei dieser Arbeit, aber auch einer vollständigeren
                              Verdunstung des chemisch gebundenen Wassers zu, was die Eigenschaft des
                              umgeschmolzenen Leims, eine größere Menge Wasser einzusaugen und der Umstand
                              beweist, daß der gut ausgetroknete Leim und besonders solcher, welcher umgeschmolzen
                              wurde, weniger hygrometrisch ist als schlecht fabricirter oder aus schlechten
                              Materialien gesottener Leim.
                           
                           Das chemisch gebundene Wasser schadet nach meiner Ansicht der Güte des Leims und
                              schwächt seine Bindekraft, daher er in demselben Verhältniß stärker wird, als man
                              ihn mehr austroknet.
                           Aus dem Vorhergehenden schließe ich, daß das sicherste und zwekmäßigste Verfahren die
                              Stärke und Güte des Leims zu ermitteln, darin besteht, ihn 24 Stunden lang in kaltes
                              Wasser einzuweichen, um ihn in Gallert zu verwandeln; daß man seine Güte nach der
                              Consistenz und Festigkeit dieser Gallert beurtheilen, seinen Gehalt an Leimstoff
                              aber durch die Menge Wasser, welche er verschlukt, bestimmen muß.
                           Es geht aus Obigem ferner hervor, daß die geringen und wohlfeilen Leimsorten, weit
                              entfernt eine Ersparniß zu gewähren, große Unkosten bei ihrer Anwendung veranlassen
                              können; es kommt z.B. nicht selten vor, daß gewöhnlicher Tischlerleim, und besonders
                              der aus Hautschnizeln bereitete grüne Leim, welche man zum Appretiren der Zeuge
                              benuzte, in Fäulniß übergehen und Waaren von großem Werth verderben.
                           Wir verkaufen unseren weißen Knochenleim zu 300 Frcs. und den hellgelben zu 190 Frcs.
                              per Kilogramm (in Paris). Unser hellgelber
                              Knochenleim verschlukt in kaltem Wasser während 24 Stunden 9 Theile Wasser und
                              liefert also 10 Theile fester Gallert von vorzüglicher Güte; der Elsasser oder
                              deutsche Leim, wovon 100 Kilogr. 130 Frcs. kosten, verschlukt bei derselben
                              Behandlung nur sein fünffaches Gewicht Wasser und liefert bloß 6 Theile einer
                              schlechten, weichen und braunen Gallert. Da nun 100 Kilogr. feiner hellgelber
                              Knochenleim 1000 Kilogr. Gallert geben, die gleiche Menge Elsasser Tischlerleim aber
                              nur 600 Kilogr. Gallert liefert, so kostet die Gallert des ersteren Leims bloß 19
                              Frcs., während die vom zweiten Leim auf 21 Frcs. 66 Centimes per metrischen Centner zu stehen kommt. Der Knochenleim gewährt folglich
                              gegen den gewöhnlichen Tischlerleim eine Ersparniß von 14 Procent, abgesehen von
                              seiner größeren Güte.