| Titel: | Bemerkungen über Braconnot's Abhandlung, den Einfluß des Kochsalzes auf die Vegetation betreffend; von Soyer Villemet. | 
| Fundstelle: | Band 96, Jahrgang 1845, Nr. XXXI., S. 135 | 
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                        XXXI.
                        Bemerkungen uͤber Braconnot's Abhandlung, den
                           Einfluß des Kochsalzes auf die Vegetation betreffend; von Soyer Villemet.
                        Aus den Comptes rendus, Febr. 1845, Nr.
                              7.
                        Villemet, über den Einfluß des Kochsalzes auf die
                           Vegetation.
                        
                     
                        
                           Die Frage über die Anwendung des Kochsalzes in der Landwirthschaft ist von großer
                              Wichtigkeit und umfaßt 1) die Einwirkung des Kochsalzes auf die Ernährung der
                              Thiere, welche jezt von allen, die sich mit der Viehzucht beschäftigen, zugestanden
                              wird; 2) dessen Einwirkung auf die Vegetation, welche, obwohl sie günstig zu seyn
                              scheint, doch erst völlig erwiesen werden muß.
                           In lezterer Hinsicht wird jeder, welcher die Abhandlung des Hrn. Braconnot aufmerksam liest, finden, daß man aus seinem
                              Versuch, wobei er zu viel Salz nahm, nichts lernt, da es schon längst bekannt ist,
                              daß das Kochsalz in zu großer Menge der Vegetation schadet. Er nahm 1 Gramm, sogar 2
                              Gramme Salz auf 7 Hektogrammen getrokneter Erde. Ich will nun berechnen, wie viel
                              dieß für 1 Hektare beträgt.
                           Hiezu muß vorerst das Gewicht einer Hektare cultivirten Bodens ermittelt werden: 1
                              Hektare oder 10,000 Quadratmeter, von (im Durchschnitt) 2 Decimeter Tiefe, enthält
                              2000 Kubikmeter = 2,000,000 Kubikdecimeter oder Liter. Das Gewicht eines Liter eher
                              leichten als schweren Gartenerde fand ich = 1320 Grammen (Gewicht der Hektare: 1320
                              × 2,000,000 = 2,640,000 Kilogr.), welche 1320 Gramme, wie bei dem Braconnot'schen Versuche getroknet, nur noch 1050 Gramme
                              wogen, wodurch das Gewicht der Hektare sich auf 2,100,000 Kilogr. reducirt. Es
                              verhält sich aber 700 : 1 = 2,100,000 : x = 3000 Kilogr. 1 Gramm auf 7 Hektogrammen
                              ist also dasselbe Verhältniß, als wenn Hr. Braconnot 3000
                              Kil. Salz auf eine Hektare genommen hätte. Nach den in der „Maison rustique du XIX. siècle“,
                              Bd. I S. 77 mitgetheilten Erfahrungen aber werden für die Getreidearten nur 300
                              Kilogr. per Hektare und nur 150 für Hülsenfrüchte
                              vorgeschrieben. Wollte also Hr. Braconnot diese Versuche
                              wiederholen, so durfte er nur 5 Centigramme, oder höchstens 1 Decigramm Salz in die
                              Erde bringen.
                           Wer wollte aber daraus, daß Nahrungsmittel, in welche man 20mal so viel Salz brächte
                              als geeignet ist, der Gesundheit schädlich wären, einen Schluß gegen die Anwendung
                              dieses Gewürzes ziehen?
                           Die Abhandlung des Hrn. Braconnot beweist nur, ich
                              wiederhole es, daß das Salz in großer Menge der Vegetation schadet; dieß ist aber,
                              wie er selbst bemerkt, schon längst bekannt. Die Erfahrung lehrt, daß wenige
                              Pflanzen an der Stelle leben können, wo die Salzquellen zu Tage kommen, während in
                              einer gewissen Entfernung davon, wo der Einfluß des Salzes doch noch fühlbar ist,
                              sich der schönste Wiesenwachs zeigt.
                           Hr. Monnier erzählte mir folgende Thatsache. Das Landgut
                              Burthecourt liegt am Ufer der Seille und war sehr feucht, weil der Boden beständig
                              mit diesem voll Schlamm und Schilfrohr stekenden Fluß in Berührung war. Die
                              Vegetation war sehr schön und die Wiesen, obwohl sie einige Salzsümpfen angehörige
                              Pflanzen führten, waren trefflich und gaben sehr reiche Ernten. Um aber das
                              Austreten der Seille zu verhindern, wurde dieselbe ausgeräumt und auf ihr Bett
                              zurükgeführt. Seitdem verminderte sich der Ertrag der Wiesen. Das Glasschmelz (Salicornia), der Aster
                                 tripolinus und andere ähnliche Pflanzen treten nach und nach an die Stelle
                              der Granimeen; sogar die Bäume stehen ab. Wenn es daher keinem Zweifel unterliegt,
                              daß das damals vorherrschende Salz alle diese Fälle herbeiführte, so ist nicht
                              weniger zu bezweifeln, daß es, von dem Wasser verdünnt, auf die Vegetation einen
                              fördernden, oder wenigstens durchaus nicht schädlichen Einfluß übte.
                           Uebrigens ist es nicht mein Zwek, den Nuzen des Kochsalzes als ein Stimulans für die
                              Vegetation zu beweisen; es scheinen hiefür schon die Vorzüglichkeit der Wiesen an
                              der Meeresküste, die erfolgreiche Anwendung der Seepflanzen und der Rükstände von
                              Salzbergwerken in Deutschland und Polen als Dünger, der uralte Gebrauch in der
                              Provence, Salz an den Fuß der Oehlbäume zu streuen und hundert andere Thatsachen zu
                              sprechen; und es können zu Gunsten dieser Ansicht die gewichtigsten Autoritäten
                              angeführt werden, wie Franz Baco, Bernard Palissy, Abbé Rozier,
                              Arthur Young, Humphry Davy,
                              John Sinclair, Thaer, Chaptal und aus der neuern Zeit Pavis, v. Gasparin, Lecoq, de
                              Mont Ferrand etc. Man muß hierüber die treffliche
                              Abhandlung des Hrn. Pautier nachlesen, welche im Bon
                                 Cultivateur von 1845 erschien. Ich will hier nur eine Thatsache anführen,
                              welche er erst seitdem erfuhr und kürzlich der Société d'Agriculture mittheilte. Die Berliner
                              Gartenbau-Gesellschaft hatte einen Preis ausgesezt für Untersuchung der
                              verschiedenen Bodenverbesserungs- und Düngmittel, um die Production der
                              Fruchtbäume zu erhöhen. Unter den Preisbewerbern ist einer, welcher, auf 15jährige
                              Erfahrung gestüzt, sich überzeugt zu haben erklärt, daß zu besagtem Zwek das graue
                              Salz an Wirksamkeit alle Arten Dünger und Dung-Composte, welche ihm zu Gebote
                              standen und die er aufzählt, stets übertraf. Das beste Verfahren besteht nach seiner
                              Erfahrung darin, gegen den Anfang Oktobers Kochsalz auf den den Baum umgebenden
                              Boden so weit auszustreuen, als seine Zweige sich verbreiten und so, daß die Erde
                              ganz damit überzogen ist. Wenn dem Berichterstatter der Berliner
                              Gartenbau-Gesellschaft Glauben beizumessen ist, so sind die Resultate dieses
                              Verfahrens wahrhaft zum Erstaunen und übertreffen Alles, was mittelst der besten
                              Düngerarten bis jezt erreicht werden konnte.
                           Die Engländer verfolgen schon seit langer Zeit und zwar im Großen Versuche über die
                              Einwirkung des Kochsalzes auf das Akerland, und die englische Regierung liefert den
                              Landwirthen ihren Bedarf an Salz, nach dessen Vermengung mit Ruß, sehr wohlfeil;
                              auch ist die Consumtion desselben als Dünger in weniger als 10 Jahren in England auf
                              das Sechsfache gestiegen.
                           Die Akerbau-Gesellschaft zu Nancy, welche die ganze Wichtigkeit der Salzfrage
                              erkennt, möchte gerne die französischen Landwirthe auffordern, dem Beispiele
                              Englands bei diesen nüzlichen Versuchen zu folgen; allein die ungeheure Salzsteuer
                              (in Frankreich) erschwert sie sehr; denn begreiflicherweise kann mit 7 Hektogrammen
                              Erde eine solche Frage nicht entschieden werden. Die Versuche müssen zahlreich seyn,
                              in großem Maaßstab und mit allen Arten Erdreich angestellt werden. Uebrigens haben
                              auch die Atmosphäre und die Jahreszeiten einen Einfluß, welcher bei den Versuchen
                              des Hrn. Braconnot nicht berührt wurde. So sehen wir, daß
                              in Berlin das Salz im Herbst als Dünger für Fruchtbäume auf den Boden gestreut wird;
                              die Engländer hingegen fanden, daß es, um auf Akerland einen guten Erfolg zu äußern,
                              vor der Saat mittelst mehrerer Umgrabungen und successiven Bodenbearbeitungen mit
                              dem Erdreich gut vermengt werden muß. Liefert uns ferner Hr. Braconnot nicht selbst Beweise gegen seine Behauptung, indem er darauf
                              aufmerksam macht, daß das Salz in geringer Dosis die Zersezung der thierischen und
                              vegetabilischen Substanzen begünstigt? Ist denn diese der Ernährung der Pflanze so
                              nüzliche (aus seinen Versuchen hervorgehende) Wirkung nichts und erklärt sie nicht allein schon
                              den wohlthätigen Einfluß des Kochsalzes auf die Vegetation?