| Titel: | Ueber den Farbendruk mit der gewöhnlichen Buchdrukerpresse; von Hrn. Silbermann. | 
| Fundstelle: | Band 96, Jahrgang 1845, Nr. LXXI., S. 275 | 
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                        LXXI.
                        Ueber den Farbendruk mit der gewoͤhnlichen
                           Buchdrukerpresse; von Hrn. Silbermann.
                        Im Auszug aus den Comptes rendus, März 1845, No.
                              9.
                        Silbermann, über den Farbendruk mit der gewöhnlichen
                           Buchdrukerpresse.
                        
                     
                        
                           Schon in der Sizung am 8. Julius v. J. habe ich der Akademie meine ersten Versuche
                              über Farbendruk nach einem neuen Verfahren mitgetheilt; heute will ich die Resultate
                              meiner späteren sehr vielfältigen und mit großen Opfern angestellten Versuche folgen
                              lassen und hoffe, mit meinem Verfahren, wenn es die Verbesserungen erhält, deren es
                              fähig ist, der Typographie eine neue Bahn zu eröffnen. Die Abdrüke, welche ich der
                              Akademie vorlege, sind zweierlei Art.
                           Der Abdruk Nr. 1 wurde von einem Gußabdruk erhalten, welchen die Fonderie générale im vorigen Jahre in den
                              Handel brachte. Alle Einpassungen (Eindrüke), zwölf an der Zahl, wurden ohne alle
                              gravirte Platten und nach meinem neuen Verfahren gedrukt. Die meisten Töne wurden
                              durch einfaches Nebeneinanderlegen der Farben erzielt. Etwa darin vorhandene kleine
                              Unregelmäßigkeiten rühren einzig und allein von der Eile her, mit welcher sie
                              ausgeführt wurden.
                           Der Abdruk Nr. 2 besteht aus sechzehn Farben. Keinerlei Art gravirter Platten diente
                              zu diesen Abzügen, die sich durch mehrere sich verschmelzende Farben auszeichnen,
                              welche, wenn ich nicht irre, die Typographie bisher auf diese Art noch nicht
                              producirte. Auch wird man finden, daß die einfachen Farben (teintes plates) nichts Hartes haben, ja daß sie vielleicht eher zu weich
                              sind; allein dieses etwas zu weit gehende Resultat wurde absichtlich herbeigeführt,
                              um zu zeigen, bis auf welchen Grad es möglich ist, die gewöhnliche Härte aller
                              Producte der Buchdrukerpresse zu vermeiden.
                           
                           In dieser leztern Zeichnung wurden beinahe alle Töne durch Uebereinanderlegen
                              hervorgebracht. Die Presse verfuhr dabei wie der Aquarellmaler, indem sie die Farben
                              successiv nacheinander auftrug, Alle dunklen Farben sind das Resultat übereinander
                              aufgetragener durchscheinender Farben; mehrere darunter bestehen aus 12 bis 15
                              übereinanderliegenden Schichten, ohne daß sie deßwegen zu dik oder schmierig wurden.
                              Endlich wird man die Genauigkeit in den Punkturmerkmalen bemerken, obwohl keine
                              Contur eine Gränzlinie zieht; so ist an den Berührungspunkten der verschiedenen
                              Theile der Zeichnung beinahe kein Uebergreifen der Farbe wahrzunehmen und die
                              Peripherie derselben beinahe so sauber wie bei einer Handzeichnung; damit man aber
                              nicht glaube, daß dieses Resultat nur mit großer Mühe etwa bei einem oder zwei
                              einzelnen Exemplaren erzielt wurde, überreiche ich 45 Exemplare, welche ich auf
                              gerathewohl von einer Auflage nahm, die ich mit demselben Erfolge auf 10 bis 20,000
                              hätte, bringen können.
                           Ich erlaube mir bei dieser Gelegenheit Einiges über die angeblich neue Erfindung der königlichen Drukerei vorzubringen,
                              welche officiell das Problem der die Typographie schon seit
                                 vielen Jahren beschäftigenden Colorirung mittelst der Buchdrukerpresse
                                 vollkommen gelöst zu haben ankündigt (polytechn. Journal Bd. XCV S. 299). Die Bemühungen der erwähnten
                              Anstalt, ihre reichen Mittel zur Hebung der Drukerkunst bestens anzuwenden und als
                              Musteranstalt dazustehen, wohl anerkennend, muß ich nichts destoweniger sagen, daß
                              sie meine Erwartungen sehr getäuscht hat, indem alle von ihr angegebenen Mittel,
                              eines ausgenommen, schon längst bekannt sind.
                           Nur das zur Verhütung des Ausreißens der Punkturlöcher (a. a. O. S. 304) angegebene
                              Verfahren war neu; dasselbe kann auch sinnreich genannt werden, aber im Großen
                              anwendbar ist es nicht. Wenn der Druker für eine nicht einmal bedeutende Anzahl von
                              Abzügen, z.B. von 10,000, 20,000 Messingblechstreifen (denn für jeden Bogen sind
                              deren zwei erforderlich), von genau 15 Millimeter Länge und 5 Millimet. Breite
                              schneiden, sie in zwei gleiche Theile umbiegen, arabisches Gummi von der Consistenz
                              präpariren muß, wie sie zum Befestigen von Metall auf Papier erforderlich ist, dann
                              die Bleche genau an der gehörigen Stelle anzubringen, und nach dem Abziehen wieder
                              abzunehmen hat und zwar so, daß das Papier durchaus keine Beschädigung erleidet, so
                              beträgt der Lohn für eine mit so vieler Geschiklichkeit vorzunehmende Arbeit mehr
                              als derjenige für den Druk.
                           
                           Es gibt zwar Fälle, wo sich dieß Alles der Mühe lohnen würde, wenn der Erfolg nur
                              vollkommen befriedigend wäre; allein das Verfahren ist beinahe unausführbar und
                              seine Vorzüge bestehen rein in der Einbildung; denn wenn die Messingbleche von einer
                              gewissen Dike sind, so können die Löcher durch das bloße Herablassen des Preßdekels
                              oder des Formrahmens nicht wohl hervorgebracht werden, und sind sie sehr dünn, so
                              weitert die stets conische Punktur das Loch schon nach einigen Abzügen aus und das
                              vorgebliche Mittel hilft rein zu nichts. Dasselbe ist übrigens auch überflüssig,
                              indem man schon längst ein viel einfacheres besizt, welches dem Uebelstande der
                              Ausweiterung der Punkturlöcher durch das fortgesezte Abziehen begegnet. Es besteht
                              in Folgendem.
                           Hat man auf demselben Bogen Papier mehrere Abzüge zu machen, so klemmt man, statt der
                              beiden am Preßdekel befestigten Punkturen, an beiden Seiten der Form, da wo die
                              Punkturlöcher hin gehören, eines oder mehrere Quadrate ein, in welchen sehr feine
                              Spizen befestigt sind, welche ungefähr 5 Millimeter weit aus einander stehen. Beim
                              ersten Druk der Presse durchstechen diese Spizen den Bogen; beim zweiten Abzug
                              bringt man die gewöhnlichen Punkturen am Preßdekel an und benuzt das erste Löchlein,
                              welches durch die in der Form des ersten Abzugs angebrachten kleinen Spizen in das
                              Papier gemacht wurde. Zum zweiten Abzug bedient man sich des zweiten Löchleins, und
                              so fort. Auf diese Weise dient jedes Löchlein nur ein einzigesmal und es ist keine
                              Ausweiterung möglich.
                           Ich lege dieser kurzen Beschreibung einen Umschlag und einen Bogen mit
                              Wappenschildern bei, wovon ersterer mit vier, lezterer mit sieben Farben abgezogen
                              ist; man sieht auf jeder Seite die durchaus nicht ausgeweiterten Punkturlöcher.
                              Beide Abdrüke sind von einer Auflage von 6000 Exemplaren genommen, welche ich einer
                              großen Pariser Buchhandlung lieferte.
                           Ich gehe aber noch weiter und behaupte, daß ein und dasselbe Punkturloch mehreremale
                              sehr wohl gebraucht werden kann, ohne daß eine Erweiterung zu befürchten wäre, wenn
                              man nur die gehörige Vorsicht anwendet. Um diese Behauptung zu belegen, ließ ich ein
                              Blatt mit 42 Farbennüancen abziehen, welches folglich 42mal durch die Presse ging.
                              Nun wurden aber diese 42 Abzüge mit nur 7 Punkturlöchern gemacht. Obwohl jedes Loch
                              wenigstens 6mal Dienste leistete, haben doch die Punkturen keinen Schaden
                              gelitten.
                           Die größten Schwierigkeiten wurden in diesen Abzügen vereinigt und überwunden. Nichts
                              bietet größere Schwierigkeit dar, als zwei gerade Parallellinien. Ich sezte deren 26
                              neben einander, welche alle, eine nach der andern, von einer und derselben
                              (gegossenen) Linie
                              abgezogen wurden und ich glaube, das (Farben-) Register läßt wenig zu
                              wünschen übrig. Es befinden sich ferner auf diesem Blatte einige Vignetten mit
                              Eindrüken und eine Reihe neben einander gesezter Kreise, welche nicht die geringste
                              Abweichung gestatteten. Sollten sich in diesen Vignetten und Kreisen doch einige
                              unbedeutende Unregelmäßigkeiten vorfinden, so rühren dieselben eher von Fehlern im
                              Gusse als von Ungenauigkeit im Register her. In der Mitte des Blattes befinden sich
                              zwei in einander übergehende Töne, welche sich auf ihrer dunkelsten Seite
                              vereinigen; man wird an denselben schwerlich ein Austreten der Farbe oder eine
                              Aufhebung des Zusammenhangs entdeken.
                           Wären alle übrigen Schwierigkeiten des typographischen Druks in Farben so leicht
                              überwunden, wie die in Frage stehenden, so würde er eine weit größere Verbreitung
                              haben; dieß ist aber nicht der Fall und so wird der Farbendruk noch lange eine der
                              schwierigsten Aufgaben der Typographie bleiben.