| Titel: | Die Stereochromie. | 
| Fundstelle: | Band 96, Jahrgang 1845, Nr. C., S. 396 | 
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                        C.
                        Die Stereochromie.
                        Ueber die Stereochromie.
                        
                     
                        
                           Die bisherigen Mittheilungen über diese neue Methode zu malen (S. 252 in diesem Bande
                              des polytechnischen Journals) beleuchten den Gegenstand keineswegs wie er es
                              verdient, und es dürfte um so nöthiger seyn auf dasjenige, was von dieser neuen
                              Erfindung zu erwarten ist, des Näheren einzugehen, als dieselbe, wie alles was ins
                              Bereich des Technischen fällt, leicht Gefahr laufen könnte, obgleich man ihre
                              äußeren Wirkungen und Erfolge kennt, ihren ursprünglichen Keimen und Zweken nach
                              übersehen zu werden. Auch sind die mit ihr schon seit Jahren in ununterbrochener
                              Folge angestellten Versuche eben jezt auf dem Punkt angelangt, um sagen zu können:
                              das Ziel ist erreicht!
                           Vor allen Dingen wäre zu bemerken, daß die neue Malweise mit der pompejanischen
                              Malerei kaum dem Princip, weniger noch der Behandlungsweise nach etwas zu schaffen
                              habe, und daß sie völlig unabhängig von allen frühern und spätern Untersuchungen
                              über leztere entstanden sey. Sie ist etwas durchaus Ursprüngliches und Neues, und
                              dabei so wenig zu den Surrogaten zu rechnen, daß sie im Gegentheil je länger je mehr
                              in ihrer Selbstständigkeit und Gediegenheit sich bewähren und Plaz greifen wird.
                              Wodurch sich dieselbe von den bisher bekannten und geübten Malereiarten wesentlich
                              unterscheidet, dieß sind, des materiellen Bestandes ihrer Farben und
                              Farbenbindungsmittel und der dadurch bedingten technischen Behandlungsweise nicht zu
                              gedenken, insbesondere ihre außerordentlichen Vorzüge in Bezug auf Haltbarkeit und
                              Dauer. In dieser Beziehung, und da sie die vielseitigste Anwendung gestattet, dürfte
                              sie, ohne vorerst mit diesem Anspruch auftreten zu wollen, doch leicht allen übrigen
                              Arten architektonischer Malerei den Vorrang streitig machen, und insofern bestimmt
                              seyn ein Gemeingut für die ganze gebildete Welt zu werden.
                           Die neue Technik tritt unter einem fremden Namen auf – Hr. Oberbergrath Dr. Fuchs nannte sie der
                              Kürze wegen und mit Bezug auf ihre unterscheidendste Eigenschaft, Stereochromie – dennoch ist sie als ein ächt
                              heimisches Gewächs zu betrachten, als eine Frucht deutscher Kunst, Ausdauer und
                              Gründlichkeit. Der Mangel fügsamer und bestandhaltiger Darstellungsmittel in der
                              Kunst ist zu allen Zeiten vornehmlich von denen lebhaft empfunden worden, welche als
                              eigentlich schaffende Künstler am meisten dabei betheiligt seyn mußten, zumal im
                              Bereich der vorzugsweise monumentalen oder architektonischen Malerei, die dem
                              Künstler bisher so wenig ausreichende Mittel darbot, sich völlig und ganz, zumal so aussprechen
                              zu können, daß sein Werk nicht heute und morgen wieder der elementaren Zerstörung
                              unterliege. Das gebräuchliche Fresco genügte den bessern Malern nicht; die
                              Unzulänglichkeit des Materials und die Beschränktheit des technischen Verfahrens
                              gestatteten ihnen nicht Bilder damit auszuführen, bei denen es auf eine reiche
                              Entwikelung der Gruppen und der Luftperspective, überhaupt auf eine naturgemäße und
                              harmonische Durchbildung des Colorits ankam, oder bei denen sie den sinnlichen Reiz
                              und das weltliche Festgepränge glänzender Farben walten lassen wollten. So griffen
                              sie zu allerlei falschen und verderblichen Hülfsmitteln. In Raffael's Stanzen zeigen sich Nachbesserungen seiner Frescogemälde, die
                              offenbar mit andern Mitteln bewerkstelligt sind, als die Frescomalerei bietet; auch
                              wissen wir, daß er nach dem Vorgang des Sebastian del
                                 Piombo, der sich zur Ausführung seiner Mauergemälde früher des Oehls
                              bedient hatte, Anstalten dazu traf, den Saal Constantin's
                              gleichfalls in Oehl auszumalen. Leonardo da Vinci nahm
                              seine Zuflucht zu einer Art Firnißmalerei, als er daran ging das Abendmahl
                              auszuführen und gab dadurch sein unübertreffliches Werk frühzeitiger Zerstörung
                              preis; eben so würden die Frescogemälde der Caracci und
                              ihrer Schüler nicht so sehr gelitten haben, hätten sie das einfache Fresco nicht mit
                              dem Gebrauch von Leim- und Temperafarben verbunden, um ein besseres Colorit
                              zu erlangen. Es konnte nicht fehlen, daß zu unserer Zeit hier in München bei
                              ähnlichen Veranlassungen und Bedürfnissen auch ähnliche Absichten und Bestrebungen
                              sich kundgaben. Wandmalereien der verschiedensten Art, der ernsten und heitern
                              Gattung, sollten ausgeführt werden, und es war natürlich, daß man das Fresco, dessen
                              mildes, ruhiges Wesen dem stillen und ernsten Geist der neuerwachten historischen,
                              zumal religiösen Kunst, in einem so hohen Grad zugesagt hatte, nicht mehr für alle
                              Fälle ausreichend fand, und daher allen Scharfsinn daran sezte, eine solche zunächst
                              für Mauergemälde bestimmte Technik zu erfinden, welche die unläugbaren Vorzüge der
                              Frescomalerei in sich vereinige, ohne deren Mängel zu theilen. Diesem unabweisbaren,
                              mit der Vermehrung der Kunstrichtungen und den gesteigerten Ansprüchen des in ewiger
                              Wandlung begriffenen Kunstgeschmaks stets wachsenden Bedürfniß haben wir die
                              Einführung der von Montabert in seinem Traité complet de la peinture empfohlenen
                              enkaustischen Methode in den Kreis der bei uns gebräuchlichen Ausübungsarten der
                              Malerei, so wie die rühmenswerthe Erfindung der Fernbach'schen EnkaustikBekanntlich wurde diese Technik bei der Ausführung der großen historischen
                                    Wandgemälde in den Kaisersälen des Saalbaues der königlichen Residenz in München
                                    durch Hrn. v. Schnorr mit dem besten Erfolg in
                                    Anwendung gebracht, und es dürfte interessant seyn zu erfahren, daß
                                    nächstens in der literarisch-artistischen Anstalt der J. G. Cotta'schen Buchhandlung eine ausführliche
                                    Beschreibung dieser Enkaustik erscheinen wird, nachdem der Erfinder die
                                    allerhöchste Erlaubniß erhalten, sein bisher als Geheimniß bei der Akademie
                                    der Künste niedergelegtes Verfahren durch den Druk zu veröffentlichen. zu verdanken gehabt. Zu diesen Versuchen, die Frescomalerei durch eine andere, den
                              Anforderungen eines naturgemäßern und wirkungsreichern Colorits und unserm Klima
                              mehr zusagende Technik entbehrlich zu machen, gehört ihren Anfängen nach auch die
                              Stereochromie. Eine von dem Oberbergrath Fuchs gemachte
                              chemische Erfindung sollte dazu dienen, die von dem Professor Schlotthauer in dieser Beziehung schon seit vielen Jahren gehegten und
                              unausgesezt verfolgten Absichten verwirklichen zu helfen, und es zeigte sich dabei
                              von neuem wie überaus wichtig es ist, daß Kunst und Wissenschaft, Praxis und Theorie
                              zu gleichen Zweken zusammenwirken, und wie viel hievon abhängt, um in der Kunst und
                              Kunsttechnik weitere Fortschritte zu begründen. Indem von jezt an die
                              beiderseitigen, theils mehr wissenschaftlichen, theils mehr technischen und
                              praktischen Kenntnisse und Erfahrungen wirksam in einander griffen, gelangte man
                              zulezt zu Ergebnissen, die mehr noch gewährten, als man anfänglich erstrebt hatte,
                              da das gewonnene neue Verfahren sich nicht nur für Wandmalereien, sondern auch zu
                              Staffeleibildern auf Leinwand vortrefflich geeignet zeigte.
                           Gemalt wird mit eigens zu dem Zweke auf chemischem Wege bereiteten Farben, und zwar
                              auf einem in materieller Hinsicht verwandten Grunde, der bei Gemälden auf Leinwand
                              in einer leichten Bindung, womit selbige gesättigt wird, bei Wänden von Stein oder
                              Mörtel aus einem nur wenige Linien diken Bewurf besteht, der mit der härtesten
                              Steinunterlage zu einer mechanisch völlig untrennbaren Masse sich verbindet. Das auf
                              diesem Grunde stereochromatisch ausgeführte Gemälde wird nach seiner Vollendung auf
                              eine ganz eigenthümliche Weise befestigt, dergestalt daß, nachdem dieß geschehen,
                              Farben, Grund und Stein ein innigst zusammenhängendes Ganze ausmachen. Es bildet
                              sich mithin hier nicht wie beim Fresco und selbst bei der Enkaustik eine besondere,
                              leicht ablösbare Farbenschicht; vielmehr werden die Farben mittelst des auch sie
                              durchdringenden Bindungsstoffes mit in die allgemeine Erstarrung, man darf sagen
                              Versteinerung, hineingezogen. In dieser innigen Verschmelzung mit dem Grunde sind
                              die Farben im Stande, selbst ziemlich gewaltsamen mechanischen Berührungen
                              Widerstand zu leisten. Man kann mit scharfen und spizigen Instrumenten über das
                              Gemälde fahren und mit Hämmern daran schlagen ohne die Farben zu verlezen oder
                              abzulösen; und von einem
                              Abreiben derselben kann daher keine Rede seyn. Auf gleich kräftige Weise verhalten
                              sie sich gegen chemische Einwirkungen.
                           In lezter Beziehung ist die Stereochromie, um ihre Haltbarkeit zu erproben, den
                              schwersten Prüfungen unterworfen worden, die sie sämmtlich glänzend bestanden hat.
                              Diejenigen Momente, welche überhaupt zerstörend auf Malereien einzuwirken pflegen,
                              wie Licht und Luft, Nässe, Hize und Kälte, auch Säuren, galt es zu dem Zwek in
                              kürzere Zeit zusammengedrängt und in verstärktem Maaße darauf in Anwendung zu
                              bringen. Stereochromatisch gemalte Probetafeln, im Freien dem wechselnden Einfluß
                              des Regens und der Sonne längere Zeit bloßgestellt, blieben völlig unverändert. Eine
                              noch stärkere Probe hatten zwei Tafeln zu bestehen, unter unparteiischer Aufsicht,
                              die eine al Fresco, die andere stereochromatisch auf gleichartigem Sandstein mit der
                              erforderlichen Mörtelunterlage gemalt, welche im Freien den heftigsten unmittelbaren
                              Einflüssen der Witterung in dem jüngst verwichenen so überaus harten Winter während
                              der rauhesten Monate, im Februar und März, beinahe acht Wochen lang unter Frost,
                              Schnee und Nebel ausgesezt, und zum Ueberfluß bei der strengsten Kälte noch mit
                              Wasser begossen wurden, wodurch sie sich gänzlich mit Eis überzogen. Solchergestalt
                              versezte man sie plözlich in erwärmte Räume. Nach dieser gemeinschaftlichen Probe
                              boten beide Tafeln die auffallendste Verschiedenheit dar. Das mit Beobachtung aller
                              Regeln gefertigte Frescogemälde hatte, zumal in den Fleischpartien, die
                              vollständigste Zerstörung erlitten; ganze Stüke fielen davon ab, und der Mörtelgrund
                              war dermaßen gelokert, daß er sich durchgehends vom Steine trennte. Die
                              stereochromatische Malerei dagegen hatte sich völlig unverändert und so erhalten,
                              wie sie aus der Hand des Malers hervorgegangen, und was den Mörtelgrund betrifft, so
                              bildete er nach wie vor dieselbe compacte und mit dem Stein untrennbar verbundene
                              Masse. Die Haltbarkeit dieser Technik (welche dem Auftrage Sr. Majestät des Königs
                              von Bayern gemäß ihre erste Anwendung im Großen bei der äußeren Bemalung des
                              pompejanischen Hauses in Aschaffenburg finden wird) hat sich übrigens auch gegen die
                              unmittelbare Einwirkung von Säuren aufs erfreulichste bewährt, was insofern von
                              wesentlicher Bedeutung, als namentlich der Regen, insbesondere bei Gewitterstürmen,
                              Salpetersäure mit sich führt, zwar in geringer Menge und verdünntem, dennoch aber
                              solchem Maaße, daß derselbe bei häufiger, zumal starker Wiederholung einen mehr oder
                              minder zerstörenden Einfluß auszuüben vermag. Concentrirte, zur Hälfte mit Wasser
                              verdünnte Säuren, lassen bei stereochromatischen Farben kaum eine Spur von Verlezung
                              oder Veränderung
                              zurük, während sie, auf Frescofarben angewandt, unter Aufbrausen augenblikliche
                              Zerstörung hervorbringen.
                           Bei diesen seltenen Eigenschaften, wodurch die Stereochromie gegen die gewöhnlichen
                              elementaren Einflüsse der Witterung völlig unempfindlich wird, leuchtet ein, wie
                              erheblich die Vortheile seyn müssen, welche sich namentlich die Schmukmalerei bei
                              Verzierung des Aeußern der Gebäude mit farbigen Ornamenten von ihr zu versprechen
                              hat, Vortheile, die durch den Umstand ein um so größeres Gewicht erhalten, daß die
                              zur Aufnahme der Malereien nöthige Mörtelunterlage nach ihrer Troknung eine Härte
                              annimmt, die der des Marmors gleichkommt; und wir erwarten daher gewiß nicht zu
                              viel, wenn wir glauben, daß diese Technik nicht ohne mannichfaltigen Gewinn für die
                              gesammte bauhandwerkliche Praxis bleiben, und sich früher oder später der
                              allgemeinsten Anerkennung und Anwendung zu erfreuen haben werde.
                           Zum Schluß noch ein Wort von dem, was die in Rede stehende neue Malerei in
                              ästhetischer und technischer Beziehung zu leisten verspricht. Das äußere Ansehen der
                              nach dieser Methode gefertigten Gemälde stellt sich ähnlich dar wie das
                              Frescogemälde. Die Stereochromie besizt denselben, besonders für Wandgemälde äußerst
                              wichtigen Vorzug, welchen die Frescomalerei vor andern ähnlichen Malarten voraus
                              hat, nämlich das Licht, die hellen leuchtenden Töne der Farbenscala, dabei aber
                              größere Kraft und Tiefe, welche dem Fresco fehlen. Denn sie gebietet über einen
                              größern Reichthum von Farben und, da diese einer mannichfaltigen Mischung fähig,
                              auch von Farbentönen, als die Frescomalerei, die einem Instrumente von sehr
                              beschränktem Umfange von Tönen gleicht. Hiezu kommt, daß die nach dem neuen Princip
                              behandelten Farben sämmtlich gleichmäßig und ohne eigentlichen Glanz auftroknen,
                              weßhalb die künftige Wirkung des Gemäldes mit Sicherheit während der Arbeit selbst
                              berechnet und ermessen werden kann, was bekanntlich beim Fresco nicht der Fall ist.
                              Doch gesellen sich dem noch andere wesentliche Vorzüge bei. Die Behandlung beim
                              Malen ist äußerst bequem und angenehm, so angenehm wie dieß von keiner andern
                              Technik der Art gesagt werden kann; sie erweist sich sauber und nett, und die Farben
                              schmiegen sich leicht, flüssig und voll unter der Führung des Pinsels. Da der Grund
                              nicht stükweise, sondern im Ganzen aufgetragen wird, und für das jedesmalige
                              Bedürfniß nur angefeuchtet zu werden braucht, so tritt hier nie wie beim Fresco die
                              Nothwendigkeit ein, das schon angefangene Stük, wenn man damit im Laufe eines Tages
                              nicht fertig wurde, wieder herunterschlagen zu lassen und das Ganze noch einmal zu
                              beginnen. Man kann mit der Ausführung inne halten und damit fortfahren, wo und wann es
                              beliebt, nicht minder auch nach der ersten Vollendung des Bildes das Ganze nochmals
                              übergehen und in Stimmung bringen, bis es zum Befestigen mittelst der Bindung fertig
                              ist, so daß mit Hülfe dieser Malerei die sorgfältigste Ausführung, die feinste
                              Modellirung der Form und zarteste Verschmelzung mit aller Bequemlichkeit erreicht
                              werden kann.
                           Hiemit sey die Stereochromie in den Kreis der bestehenden Ausübungsarten der Malerei
                              freundlich aufgenommen, besonders da sie nicht den Anspruch macht, was seither
                              gegolten zu verdrängen, sondern den Malern ein schönes und bequemes
                              Darstellungsmittel mehr an die Hand zu geben, wodurch es ihnen möglich, Werke von
                              fast unvergänglicher Dauer zu schaffen. R. M. (Augsb. Allgem. Ztg. 1845, Nr. 153.)