| Titel: | Ueber das bayerische Bierbrauereiverfahren. | 
| Fundstelle: | Band 96, Jahrgang 1845, Nr. CXIII., S. 479 | 
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                        CXIII.
                        Ueber das bayerische
                           Bierbrauereiverfahren.
                        Ueber das bayerische Bierbrauereiverfahren.
                        
                     
                        
                           In der lezten Versammlung der deutschen Land- und Forstwirthe zu München hielt
                              der Brauereibesizer, Hr. Gabriel Sedelmayr daselbst,
                              einen umständlichen Vortrag über das in München übliche Brauverfahren, insbesondere
                              in Beziehung auf den dort üblichen Maischproceß und die Einrichtung der Malzdarren.
                              Dieser interessante Vortrag ist jezt in dem amtlichen BerichteBericht über die
                                          achte Versammlung deutscher Land- und Forstwirthe zu München
                                          vom 30. September bis 7. Oktober 1844. München 1845. Verlag
                                       der J. Palm'schen Hofbuchhandlung. über die achte Versammlung der deutschen Land- und Forstwirthe im
                              Druk erschienen, aus welchem wir ihn mittheilen.
                           „Das Mälzen der Gerste“, heißt es daselbst,
                              „unterscheidet sich bei uns von dem beinahe überall üblichen guten
                                 Mälzungsverfahren nicht wesentlich; das Hauptaugenmerk richtet man nur darauf
                                 daß, wenn die Gerste je nach Temperatur der Luft und des Wassers 2–4 Tage
                                 geweicht ist, auf den Haufen oder Wachstennen gebracht ist und zu keimen
                                 beginnt, sie sich nie zu stark während des Keimungsprocesses erwärme, damit die
                                 Wurzelkeime nicht zu schnell und zu lang hervorgetrieben werden. Eine Temperatur
                                 von 15–18° R. wäre am passendsten im keimenden Haufen; 20°
                                 R. sollen nicht überschritten werden. Die Länge der Keime ist in der Regel so
                                 lang oder etwas länger als das Korn selbst, doch richtet sich dieses besonders
                                 nach der Qualität der Gerste, und der Brauer muß erst durch eigene Versuche die
                                 besondere Beschaffenheit der Gerste jedes Jahrganges kennen lernen, um seinen
                                 Mälzungsproceß und besonders den Grad der Keimung darnach zu bestimmen. Den
                                 zweiten Bestandtheil des Mälzens bildet das Dörren oder das Darren des gekeimten
                                 Malzes und es kömmt hiebei größtentheils auf die Einrichtung der Malzdarre an,
                                 um gut gekeimtes Malz hier nicht zu verderben. Dörren ist nichts anderes als
                                 Troknen im hohen Grade, und zum Troknen ist Wärme und Luft erforderlich –
                                 Wärme, um die Feuchtigkeit aus den zu troknenden Gegenständen in Dunstform zu
                                 entwikeln, und Luft, um diese entwikelte Feuchtigkeit zu entfernen. Man hat
                                 daher darauf zu sehen, daß 1) die Wärme in der Malzdörre unter der Horde gleichmäßig vertheilt
                                 werde, daß 2) hinlänglich Luft von Unten einströmen kann, daß 3) der
                                 eingeströmten Luft kein Hinderniß zum Durchströmen durch die Horde, worauf das
                                 Malz liegt, entgegengesezt, und daß 4) diese Luft mit den aufgenommenen
                                 Wasserdünsten durch einen gut ziehenden Abzugskamin fortgeleitet werde.
                              
                           
                              Bezugs des dritten Punktes hat man diejenigen Horden, die am meisten Luft
                                 durchlassen, als die besten befunden und daher den Drahtdörren, deren ich eine
                                 besize, und denjenigen Blechdörren, in denen eine Menge kleine Löcher mit einer
                                 Maschine eingepreßt sind, den Vorzug gegeben, leztere besonders der weit
                                 wohlfeilern Anschaffungskosten wegen.
                              
                           
                              Allgemein sind hier die sogenannten Rohrdörren (englische, auch Luftdörren)
                                 eingeführt, bei denen das Feuer mit dem Rauch in eisernen dreikantigen Röhren
                                 unter der Horde umhergeleitet wird, um da die Luft zum Dörren zu erwärmen, wobei
                                 der Vortheil besteht, daß man jedes Brennmaterial und namentlich die Abwärme von
                                 den Braupfannen zum Dörren verwenden kann, während man bei den älteren
                                 sogenannten Rauchdörren, bei denen der Rauch durch das zu troknende Malz
                                 streicht und gerne einen Rauchgeschmak hinterläßt, nur gut getroknetes
                                 Buchenholz brennen soll.
                              
                           
                              In neuester Zeit werden mit bestem Erfolg doppelte
                                    Malzdörren angewendet, und wenn sie hier auch erst nur in einer
                                 einzigen Brauerei, nämlich bei Hrn. Fest,
                                 Schlaibingerbräu, und außerdem meines Wissens nur an wenigen andern Orten
                                 ausgeführt sind, so kann ich sie doch ihrer großen Vortheile wegen nicht
                                 unerwähnt lassen. Die ganze Construction derselben ist so wie die der hier
                                 gewöhnlichen englischen Dörren, nur ist über der einen Dörrhorde auf gute
                                 Mannshöhe noch eine zweite Horde angebracht, die eben so groß ist wie die
                                 untere; auf diese wird das feuchte oder grüne Malz gebracht und, wenn es halb
                                 troken ist, von hier auf die untere Horde geschafft, während die obere wieder
                                 mit grünem Malz versehen wird, das nun, bis das untere Malz ganz abgedörrt ist,
                                 durch die Abwärme desselben wieder halb getroknet wird und so sich wieder zur
                                 Beschikung der untern Horde eignet. Die Vortheile dieser Verfahrungsart und
                                 Einrichtung sind zweierlei:
                              
                           
                              1) Ersparniß am Brennmaterial, weil die Abwärme der unteren Horde noch einmal
                                 benuzt wird, und
                              
                           
                              2) vergleichsweise besseres Dörren, weil langsamer und dennoch in kürzerer Zeit
                                 gedarrt wird; denn die Feuchtigkeit im Malzkörnchen ist, weil sie durch eine
                                 Hülse eingeschlossen ist, nur langsam durch Einwirkung niedriger Wärmegrade,
                                 oder schnell durch höhere Temperatur zu entfernen; da aber ein zu hoher
                                 Wärmegrad schädlich und verändernd auf das Malz einwirkt und deßhalb der 60ste
                                 Grad nie überschritten werden soll, so ist nur langsames Troknen oder Dörren
                                 wünschenswerth.
                              
                           
                              Dieß geschieht nun bei den doppelten Malzdörren, und dennoch wird Zeit erspart.
                                 Gesezt den Fall, auf einer einfachen Dörre wurde früher ein gewisses Quantum
                                 Malz in 12 Stunden gedörrt, so wird man mit einer doppelten Dörre, wie die
                                 Erfahrung ergibt, dasselbe Quantum alle 8 Stunden gut gedörrt erhalten, und doch
                                 war es 16 Stunden den Wirkungen der Wärme und Luft ausgesezt, weil es 8 Stunden
                                 auf der oberen und 8 Stunden auf der unteren Horde lag.
                              
                           
                              Ueber die Vortheile des Brechens des Malzes auf gewöhnlichen Mühlen oder des
                                 Quetschens mittelst eiserner Walzen kann hiesigen Erfahrungen gemäß nur gesagt
                                 werden, daß dieselben keineswegs wesentlich sind, daß aber unter gleichen
                                 Umständen bei neuen Anlagen von Mühlen das Quetschen vorzuziehen seyn
                                 möchte.
                              
                           
                              Der Hergang des Maischprocesses bei der bayerischen
                                 Bierbrauerei dürfte auf folgende Weise verständlich gemacht werden. In den
                                 Maischbottich kommt circa 2/3 und in die Pfanne circa 1/3 des zu verwendenden Wassers, wobei die
                                 Regel gilt, daß hier im Ganzen circa doppelt so viel
                                 Wasser erforderlich ist, als fertiges Bier erzeugt werden soll. In dem
                                 Maischbottich ist also kaltes Wasser, in welches das gebrochene Malz gebracht,
                                 gut gemaischt wird und 2–4 Stunden einer vorbereitenden Auflösung
                                 überlassen bleibt. Während dieser Zeit wird das Wasser in der Pfanne zum Kochen
                                 gebracht und dann kochend der Masse im Maischbottich unter beständigem Maischen
                                 beigesezt, wodurch die Temperatur des Ganzen auf 26–30° R. sich
                                 stellt. Unmittelbar nach beendigtem Ueberschöpfen des Wassers wird die Pfanne
                                 wieder zum Theil gefüllt mit dem sogenannten Dikmaisch (dik geschöpft), d. i. es
                                 werden mittelst Schapfen die in dem Maischbottich zu Boden fallenden Malztheile
                                 langsam herausgenommen und in die Pfanne nur mit so viel Flüssigkeit untermischt
                                 geschafft, daß es eine breiartige Masse gibt, die noch gerade so flüssig ist,
                                 daß sie nicht leicht anbrennt und noch kochen kann. Diese Masse (erster
                                 Dikmaisch) wird nun ins Kochen gebracht und kocht je nach Ansicht eines jeden
                                 Bräuers 1/2–1 Stunde lang. Nach diesem wird diese kochende Flüssigkeit
                                 unter beständigem Maischen in dem Maischbottich zurükgeschöpft, wo sich in der
                                 ganzen Masse nach beendigtem Ueberschöpfen eine Temperatur von
                                 38–40° R. ergibt.
                              
                           
                              Ganz dieselbe eben beschriebene Operation wird nun wiederholt (zweiter
                                 Dikmaisch), nämlich in die Pfanne dik geschöpft, dieses 1/2–1 Stunde
                                 gekocht und in den Maischbottich unter Maischen zurükgebracht, wonach die
                                 Temperatur auf 48–50° R. steigt.
                              
                           
                           
                              Nun wird nur das Dünnflüssige von oben abgeschöpft und von dem Maischbottich in
                                 die Pfanne gebracht, oder auch durch die Ablaßhähne wenigstens theilweise in den
                                 sogenannten Grand abgelassen und von da in die Pfanne geschafft (Lautermaisch).
                                 Dieser wird nur 1/4 – 1/2 Stunde gekocht, dann in den Maischbottich alles
                                 zurük gebracht und gut gemaischt, worauf es hier bei einer Temperatur von
                                 58–61° R. der Ruhe und der völligen Zukerbildung eine Stunde lang
                                 überlassen bleibt. Die klar abgezogene Würze wird in die Pfanne gebracht, mit
                                 dem nöthigen Hopfen versezt, 1–2 Stunden damit gekocht und dann auf die
                                 Kühle geschöpft.
                              
                           
                              Die Quantität der zum Kochen bestimmten vorerwähnten Flüssigkeiten (Maische)
                                 richtet sich nach den zu erzielenden Wärmegraden nach jedesmaligem Maischen und
                                 ist daher abhängig von der Temperatur der Witterung; doch kann angenommen
                                 werden, daß die Quantität bei jedem Maisch sich um etwas weniges vermehren
                                 müsse, d.h. der erste Dikmaisch etwas mehr als das zum erstenmal verwendete
                                 Wasser, zum zweiten Dikmaisch mehr als zum ersten Dikmaisch, und zum
                                 Lautermaisch mehr als zum zweiten Dikmaisch.
                              
                           
                              Das Kochen eines Theiles des Malzes mit der Flüssigkeit ist eine besondere
                                 Eigenthümlichkeit des bayerischen Brauverfahrens und wirkt bestimmt höchst
                                 wesentlich neben der angewandten Untergährung auf den eigenthümlichen Geschmak
                                 und die Haltbarkeit des bayerischen Bieres.
                              
                           
                              Durch das Kochen wird nämlich das Stärkmehl des Malzes in Stärkgummi umgewandelt,
                                 und dieses scheint mir der Zukerbildung nicht mehr so fähig zu seyn, wie
                                 Stärkmehl selbst. Die Zukerbildung aber wird im größten Theile der Flüssigkeit
                                 nicht gestört, weil im Maischbottich, worin sich doch immer das Meiste befindet,
                                 jene Wärmegrade, die zur Zukerbildung nöthig sind, nie überschritten, sondern
                                 nur allmählich denselben entgegengeführt werden und immer vorbereitend dafür
                                 gearbeitet wird. Das durch das Kochen gebildete Stärkgummi aber scheint mir, da
                                 es sich nur theilweise und vielleicht allmählich in Zuker umwandelt, ein
                                 besonderes Hemmungsmittel zu seyn, damit bei der später erfolgenden Weingährung
                                 die Weingeistbildung nicht zu übermäßig eintrete und immer noch Nahrung für die
                                 stets nothwendig fortdauernde Nachgährung zurükbleibe; denn Erfahrung hat mir
                                 gezeigt, daß Bierwürzen, die nach den rein chemischen Grundsäzen der
                                 Zukerbildung bereitet wurden und daher wenig Gummi enthielten, in der
                                 Weingeistbildung während der Gährung weit rascher vorwärts schritten, als unter
                                 gleichen Umständen mehr gummihaltige.
                              
                           
                              Allerdings trägt zur verminderten Weingeistbildung niedere Temperatur bei der Gährung überhaupt
                                 bei, und hiezu eignet sich wieder am besten die sogenannte Untergährung, die wir
                                 denn auch anwenden. Die Würze wird am liebsten auf eine Temperatur von 6°
                                 R. gestellt (doch gibt es einige Bräuer, die sie, wenn es seyn kann, selbst bis
                                 auf 2° R. abkühlen), und mit Unterhefe (Zeug) versezt, die bei ersterer
                                 Temperatur und bei guter Beschaffenheit in Quantität circa 1 1/2 Maaß bayerisch auf die Würze von einem bayerischen
                                 Scheffel Malz betragen mag.
                              
                           
                              Für den Gährungsraum ist eine Temperatur von 5–6° R. die
                                 passendste. Unter diesen Vorbedingungen wird der Beginn der Gährung in circa zwölf Stunden ersichtlich werden und in circa zehn Tagen vollendet seyn, wobei dann ungefähr
                                 die Hälfte des Extractes in Weingeist und Kohlensäure umgewandelt seyn soll.
                                 Hiebei kommt noch zu bemerken daß, wenn man zum Lagern des Bieres sehr kalte
                                 Keller zu besizen das Glük hat, die z.B. im Sommer 3° R. nicht
                                 übersteigen, man die Gährung um etwa 24 Stunden früher unterbricht, aber bei
                                 wärmeren Lagerkellern die Hauptgährung gleichsam besser austoben läßt, ersteres
                                 um der Nachgährung mehr, lezteres um derselben weniger Vorschub zu leisten.
                              
                           
                              Noch ist die Quantität des zu nehmenden Hopfens zu besprechen, und hier gilt als
                                 Regel, daß zu Winterbier per bayerischen Scheffel
                                 Malz, aus dem 7 Eimer Bier bereitet werden, 3 Pfd. Hopfen geringerer Qualität,
                                 zu Lagerbier aber, wovon 6 Eimer Bier aus dem bayerischen Scheffel Malz erzeugt
                                 werden, 5 Pfd. guten Hopfens genommen werden.
                              
                           
                              Ueber die Versuche, die ich gemacht, um Hopfenextract statt des Hopfens
                                 anzuwenden, kann ich angeben, daß dieselben durchaus zu keinem genügenden
                                 Resultate geführt haben und nach meiner Ansicht auch nicht leicht dahin führen
                                 werden, weil wir zum Bier nicht allein den Bitterstoff, den wir uns auch aus
                                 anderen Pflanzen verschaffen könnten, und das ätherische Oehl des Hopfens
                                 brauchen, sondern höchst wahrscheinlich auch jenen Gerbestoff vonnöthen haben,
                                 der in den Blättern und Stengeln des Hopfens enthalten ist und der wesentlich
                                 zur Ausscheidung der Pflanzenschleimtheile, Kleber etc. beiträgt, in deren
                                 Verbindung aber auch wieder sich aus dem Biere ausscheidet.“